Beiträge von Tiberia Albina

    Sie würde kein Problem damit haben,einen anderen Sklaven mit Botengängen zu beauftragen. So hätte sie immerhin einen Vorwand Verres zu sich rufen zu lassen und vielleicht, wenn auch nur wenige, Worte mit ihm zu wechseln.
    Während er sprach nahm sie den Becher, den er ihr hingestellt und den sie mit einem kurzen "Danke" bedacht hatte, in die Hand und war gerade im Begriff einen Schluck zu nehmen, als Quintus weitersprach.
    Ans Kreuz schlagen? Sie hielt inne. War er wirklich in der Lage skrupellos eine Frau, wenn auch eine Sklavin, ans Kreuz zu schlagen? Würde er das gleiche auch mit Verres tun? Sie spürte wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich und eine leichte Übelkeit begann in ihr aufzusteigen. Ans Kreuz schlagen? Schon in anderen Zusammenhängen war sie damit konfrontiert worden, hatte es aber nie gewagt hinzuschauen. Solchen Gewalttaten war sie immer fern geblieben. Auch wenn sie vielleicht für manche eine gerechte Strafe darstellten.


    "Dann kann ich nur hoffen, dass sie diesen Fehler nicht begeht.", sagte sie erschrocken und traurig zugleich.

    Ihre Frage schien ihn überrascht zu haben, denn einige Momente lief er einfach schweigend neben ihr her. Erst dann setzte er zu einer Antwort an , und es war eine, die sie überraschte.


    "Oh, " sagte sie ihrer Überraschung entsprechend," du hast schon wen ins Auge gefasst?" Sie wusste zwar nicht, ob sie darüber glücklich war und ein kleiner Teil in ihr spürte einen Hauch von Eifersucht, den sie aber schnell unterdrückte.
    "Das freut mich für dich!", log sie dem entsprechend. "Darf ich erfahren, von wem du sprichst oder ist der Zeitpunkt noch nicht angemessen?" fragte sie höflich.

    Sie hatte es nicht mit Absicht getan und es tat ihr wirklich leid. Seine Reaktion, ein einfach Nicken und sein Blick, an dem sie erkannte, was ihr Ohrfeige in ihm auslöste, machten sie traurig. Gerade noch waren sie in dem Park. Sie nur eine Frau und er nur ein Mann und beide einander verfallen. Jetzt standen sie sich gegenüber, die Herrin, die dem Sklaven eine Ohrfeige erteilt hatte.
    Doch es tat seine Wirkung, er ordnete sich unter. Aus welcher Motivation konnte Albina nicht erkennen. Doch sie hoffte es wäre Vernunft. Das "Herrin", dass er ihr dann entgegenbrachte traf sie mitten ins Herz. Es war sicher das Richtige und dennoch bedeutete dieses Wort so viel mehr.


    Er schritt zurück, und hielt dann den angemessenen Abstand ein.
    Sie schritt vor ihm her und jeder Schritt kam ihr wie eine unglaubliche Anstrengung vor. Sie spürte seine Blicke im Rücken, doch konnte sich nicht umdrehen. Steh es durch, sagte sie sich selbst. Sie biß die Zähne zusammen und lief vorwärts.


    Als die beiden schon fast an der Ecke waren bog sie kurz in eine kleine Seitengasse ein, wo keine Menschenseele zu sehen war. Als ihr Verres dann gegenüberstand fragte sie ihn "Nun gut, wir sind gleich da. Was machen wir nun?"

    Albina konnte ihn in diesem Zusammhang einfach nicht verstehen. Auch wenn er sonst rebellisch sein mochte, so sollte er doch immerhin in diesem Moment vernünftiger sein und in angemessenem Abstand hinter ihr schreiten. Ja, sie wollte seine Nähe auch, und dennoch erkannte sie die Gefahren der Situation anscheinend besser und hatte kaum Verständnis für dieses Risiko.


    Er sprach mit ihr auf viel zu intime Weise in der Öffentlichkeit und alleine sein Lächeln geziemte sich nicht. Und dann...
    Das konnte sie beim besten Willen nicht fassen.Sie in aller Öffentlichkeit zu küssen...
    Unter all der Anspannung und der Angst die sie untergründig mit sich trug, tat sie etwas, das sie sonst nie im Leben getan hätte. Sie holte aus und erteilte ihm eine Ohrfeige.
    "KLATSCH!!"
    Schon den Bruchteil einer Sekunde später bereute sie es. Aber nun war es Geschehen.
    Ganz leise , sodass es wirklich nur er hören konnte , sagte sie dann "Verzeih! Aber du musst aufwachen. Denk doch einmal nach. Unser beider Leben steht auf dem Spiel."

    Nun, da er ihr zugehört und sie herabgesetzt hatte war auch auf sein Gesicht ein Ausdruck der Sorge getreten und Albina bemerkte traurig, dass er sich voller Sorgen beim Sprechen leicht die Haare raufte. Doch er hatte Recht, was wäre nun die beste Vorgehensweise? Sie wusste es nicht. Das einzige, was klar war, war die Tatsache das sie schnell zurück zur Villa mussten.


    "Ja, ich verstehe dich. Doch dieses Glück können wir uns im Moment nicht leisten." sagte sie noch einmal zärtlich, hob ihre Hand und streifte noch einmal sanft seine Wange.
    Oh, dieser Blick, diese Augen. Sie werden noch einmal mein Verhängnis sein, dachte Albina beglückt und Verängstigt zu gleich.


    "Ja, lass uns gehen." sagte sie dann leise aber entschlossen. "Du weißt, was jetzt kommt. Steh es einfach durch." Spielte sie darauf an, dass sie sobald sie den Park verlassen hatten wieder Herrin und Sklave waren, zumindest nach Außen hin. Und wenn Albina etwas in ihrem Leben gelernt hatte, dann das Gesicht zu wahren.
    So ließ sie ihre Hand wieder sinken, wandte sich um und blickte nicht noch einmal zurück. Sie musste das jetzt durchstehen. Ihr Sklave würde ihr folgen, dachte sie traurig. Sie traten den Weg zurück in die Realität an, zurück zur Villa Tiberia

    Sie waren soeben aus dem Park auf die Straße getreten. Noch immer befanden sie sich am Rande der Stadt, sodass die Wege nicht allzu besucht waren. Dennoch war es nun ihre Aufgabe, in jeder Situation den Schein zu waren. Albina schritt voran.

    Nachdem der Wachmann sie und ihre Sklavin eingelassen und ihr den Weg gewiesen hatte, betrat Tiberia Albina nun die Räumlichkeit in der die Vollversammlung stattfinden sollte.
    Mit einem kurzen Wink deutete sie Aesara an sich in angemessenem Abstand irgendwo im Hintergrund aufzuhalten, bis Albina sie gegebenenfalls brauchen würde.
    Dann schaute sie sich zunächst in aller Ruhe um. Der Raum war noch fast leer und verwundert erkannte sie, dass auch ihre, nunja, doch noch nicht allzu herzliche Cousine auch anwesend war.
    "Salve, Claudia. Wie schön dich hier zu sehen." sagte sie freundlicher als ihr eigentlich zu Mute war.
    Dann wandte sie sich an die andere Frau im Raum, die sie nicht kannte.
    "Salve. Meine Name ist Tiberia Albina und ich habe euren Aushang auf dem Markt gelesen. So dachte ich mir, ich komme zunächst einmal vorbei. Ich habe nämlich erwogen Mitglied der societas veneris zu werden." sagte sie dieses Mal mit einer ehrlicheren Freundlichkeit als zuvor und schenkte ihrer Gegenüber ein noch recht zaghaftes Lächeln.

    "Tja, die Fantasie der Menschen ist nunmal unerschöpflich!", antwortete Albina trocken.


    Sollten seine nächsten Worte etwa eine weitere seiner indirekten Belehrungen sein, fragte sich Albina lächelnd.Er war wirklich zu besorgt um sie. Als wäre sie je zu einem solch unsittlichen Verhalten fähig. So etwas konnte sie sich bis weilen überhaupt nicht vorstellen.Vielleicht lag das aber auch an ihrem behüteten Umfeld während ihrer Jugend.

    "Ach, Quintus.Sorge dich nicht. Ein solches Vorbild würde ich mir nie wählen."
    antwortete sie grinsend. "Auch wenn ich nicht weiß, wen ich einmal heiraten werde, und an sich spielt es auch keine Rolle, so denke ich, kenne ich meine Pflichten als Ehefrau doch ganz gut. Ich wurde immerhin mit dem vor Augen erzogen." merkte sie an, und wurde sich wieder bewusste, zu welcher Passivität das Leben als Patrizierin sie trotz aller anderen Vorteile auch verdammt hatte.
    Nein, nein, dachte sie, denk nicht schon wieder daran.

    "Verzeih, falls die Frage dir zu indiskret sein sollte, aber wieso hast du nicht noch einmal geheiratet?"
    fragte sie ihren Cousin sehr zögerlich.

    Seine freundliche Aussage über ihr Lächeln quittierte sie auch anstatt mit Worten mit einem weiteren umwerfenden Lächeln, dass den größten Eisberg zum schmelzen gebracht hätte. und schon wieder musste sie an Verres denken. Das was zwischen ihnen geschehen war und zwischen ihnen entstanden ist hatte ihren Blickwinkel zu Sklaven zumindest nach innen hin verändert. Doch das konnte sie sich hier wohl kaum anmerken lassen. " aber das was sie mir erzählt hat fand ich traurig. Sie war die Tochter eines Stammesfürsten und mit einem...wie hieß er doch gleich..ich glaube Nordgar, verlobt.Einem Mann denn sie wirklich geliebt zu haben schien, was auch immer das genau heißen mag." Sie gab die Antwort, die sie noch vor ein paar Tagen gegeben hätte, soch seit jenem Tag im Park schien sie zumindest eine Ahnung davon zu haben.
    "Auf jeden Fall haben wir ihr Dorf überfallen und sie versklavt. Sie weiß allerdings bis heute nicht, was mit ihrer Familie und vor allem diesem Verlobten geschehen ist.Um das herauszufinden hat sie auch ihren ersten Fluchtversuch unternommen." Sie empfand in Anbetracht ihrer eigenen Lage mittlerweile durchaus so etwas wie Mitleid mit ihrer Sklavin.
    "Und so, wie sie darüber gesprochen hat und wie ihr Blick dabei war, glaube ich, hat sie das ganze noch nicht abgehakt. Ich habe sie gewarnt, auch um ihretwillen. Ich will nicht, dass sie das tut, aber noch weniger, dass sie erwischt wird, und das wird sie sicher. Denn die Strafe will ich mir nicht vorstellen." sagte sie wahrheitsgemäß.
    Nachdem sie geendet hatte, schaute sie ihren Cousin in aller Ruhe an. Wie sehr wünschte sie, dass sie ihm von dem was sie beschäftigte erzählen konnte. Er schien immer auf Alles eine Antwort zu haben. Doch in dieser Situation wäre das undenkbar. Ihr größtes Ziel musste immerhin sein, eben dies vor ihm zu verbergen. Und sie wusste, dass in diesem Falle selbst ihr Cousin keine Lösung gewusst hätte. Zumindest keine, die für Albina akzeptabel gewesen wäre. Vermutlich würde er Verres beinahe zu Tode prügeln und dann auf eine Galeere verkaufen und sie postwendend nach Hause schicken.
    Ihre Situation war ausweglos. Doch nichts von ihren Gedanken war nach außen hin bemerkbar. Nur einem sehr guten Beobachter wäre aufgefallen, dass ihr Blick einen Funken von Traurigkeit enthielt.

    Die Freude, die Verres zu empfinden schien, überwältigte Albina. Die Küsse mit denen er sie zärtlich übersähte waren ein wohltuender Balsam. All das machte sie unsagbar glücklich und als er sie auf einmal hochhob und herumwirbelte konnte sie nur mit Mühe ein leichtes aufkreischen unterdrücken. Während sie sich drehten, musste sie Lachen. Ein Lachen, wie es kaum eins zuvor sie erfüllt hatte. Liebe? Ja, das musste wohl Liebe sein.
    Doch, und vielleicht kam es dort das erste Mal wirklich zum Tragen, waren die beiden sehr unterschiedlich. Und auch wenn man die Vorstellung der Gesellschaft außen vor ließ, kamen die beiden nunmal aus völlig unterschiedlichen Welten.
    Seit je her war Albina dazu erzogen worden, ihre Handlungen und vor allem deren Auswirkungen zu bedenken. Und auch wenn ihre Gefühle dem auch zuwider liefen, konnte sie dies längst nicht einfach so abstellen, wie es Verres vielleicht vermochte.
    "Verres...", sagte sie während er sie weiterhin drehte, "...Verres... lass mich runter." Als er nicht sofort darauf reagierte, wiederholte sie es, doch diesmal in einem ernsteren Tonfall, sodass er sie dann doch vor sich abstellte.
    "So unglaublich dieses Glück auch sein mag," sagte sie ernst während sie ihr ihre tunika wieder zurechtrückte "haben wir dafür keine Zeit. Was ist , wenn der Sklave von eben zum Haushalte gehört? Was, wenn er meinem Cousin davon berichtet? Wir sind in Gefahr.Denk doch daran, was passieren könnte.Ich weiß nicht, welche Folgen das ganze haben würde, aber sie wären für dich sicher schlimmer als für mich. Ich will dieses Risiko nicht eingehen." blickte sie ihn an.
    "Es ist, wie ich vorhin gesagt habe" wurde ihr Ton nun wieder zärtlicher," Ich will dich nicht verlieren. Und genau deshalb müssen wir nun vorsichtig sein."

    Zunächst widmete Livia Albina die Aufmerksamkeit. Doch anders , als bei ihren anderen Verwandten fühlte sich Albina dennoch nicht unwohl. Livia wirkte freundlich und glücklich. Damit entsprach sie sehr Albinas eigenem Wesen.


    "Wie lange mein Aufenthalt hier sein wird, kann ich noch nicht sagen." , sagte sie und schaute kurz zu ihrem Cousin."Das steht bis jetzt noch in den Sternen. Nunja, was meine Pläne betrifft, so sind diese noch nicht genau umrissen. Momentan lerne ich zunächst noch meine übrigen Verwandten kennen und versuche mich bestmöglich in der Stadt einzuleben. Ich wollte auch in den nächsten Tagen zu der Vollversammlung der societas veneris. Vielleicht ist dies eine angemesse Beschäftigung."


    Von ihren Hochzeitsplänen hatte sie nicht gesprochen. Immerhin waren es nicht ihre, sondern die von ihren Eltern und damit auch die ihres Cousins. Sie fügte sich nur in ihr Schicksal.
    Und wenn Quintus der Meinung war, Livia dürfte das ebenfalls erfahren, dann könnte er es immernoch selbst anfügen. So schloss Albina ihre Antwort und lächelte ihre Großcousine freundlich an.

    Albina fühlte sich schwächer als je zuvor in ihrem Leben. Doch was konnte man auch anders erwarten. Auf den bisher schönsten, war auch gleich der schlimmste Moment ihres Lebens gefolgt. Als Verres sie in den Arm nahm begann sie langsam sich zu beruhigen. Sie kämpfte ihre Tränen nieder und schwieg, so lange er noch sprach.
    Sein Tod? Etwas schlimmeres konnte sie sich momentan nicht vorstellen.
    "Dein Tod? Sag so etwas nie wieder!" brach es wie ein Befehl aus ihr heraus. Doch es war nicht der Befehl an einen Sklaven, sondern ein Befehl an einen geliebten Menschen.
    Was sollte sie tun?Was konnte sie tun? Zunächst einmal musste sie sich wieder fassen, entschied sie.
    Wieder umschlossen seine Arme sie, doch dieses Mal reagierte sie darauf. Sie schlang ihre Arme auch in ihm. Und so wurde aus einer Geste, die sie trösten sollten eine Umarmung, die sie beide vereinte.
    Vergessen? Unvorstellbar war das für Albina. Sie wollte das nicht, ja, sie könnte es nicht einmal.
    Durchdringend musterte er sie und dann...
    Er liebte sie? Ja, er liebte sie. Sie glaubte ihm seine Worte, und auch ohne diese, wusste sie, dass es so sein musste. Welche Ironie des Schicksals, da sie doch gerade erst über die Liebe gesprochen hatten. Da hatte sie noch die Vernunft besessen, einzusehen, dass jemand in ihrem Stand nicht das Recht auf Liebe hatte. Und nun? Liebte sie ihn? War es das? Nie zuvor hatte sie Liebe empfunden, woher sollte sie es wissen?
    "Ich weiß nicht, was liebe ist.", sagte sie ganz leise."Und dennoch", fügte sie dann aus ganzem herzen hinzu," kann es nur das sein, was ich gerade empfinde."
    Unglückliche Liebe? Sooft hatte sie schon darüber gelesen. Schon soviele Stücke gesehen, in der es darum ging. Waren es nicht Pyrhamus und Thisbe, die sich liebten, obwohl sie es nicht durften? Doch wohin hatte es geführt? Am Ende der Geschichte waren beide tot. Es war eine so hoffnungslose Situation. Doch Albina wollte nicht länger klagen, das half ihr auch nicht. Sie musste sich jetzt zusammenreißen.


    "Ja, ich liebe dich auch." sagte sie nun bestimmter aber dennoch zärtlich. "Und ich würde dich nie vergessen. Ich weiß nicht, was wir tun sollen, oder wohin das ganze führen wird. Aber ich will dich nicht verlieren."
    Nun blickte sie ihn wieder direkt an. Schaute in diese wunderschönen Augen. In die Augen des Mannes , den sie liebte.
    "Was nun?"

    Völlig abwesend hatte Albina das weitere Geschehen verfolgt. Kein Wort hatte ihre Lippen verlassen. Und selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte sie nichts sagen können. Sie stand einfach da. Auch nachdem Verres sie losgelassen hatte, kam keine weitere Reaktion von ihr.
    Doch auch jetzt noch rasten ihre Gedanken innerlich. Verres beschrieb dem Mann den falschen Weg, dass war ihr gleich klar, auch wenn sie selbst gerade ein paar Tage in der Stadt war. Aber was würde das bringen. Nungut, zunächst hatten sie Zeit gewonnen. Aber wofür? Sie konnten höchstens hoffen, dass dieser Sklave nur ein einziges Mal zur Villa musste und danach nie wieder kam. Aber wenn es anders war, hätten sie großes Problem.


    Der Sklave, anscheinend nichts von der falschen Wegbeschreibung ahnend, wandte sich nach ein paar weiteren Worten ab und verließ den Park. Doch er hatte keine Ahnung, was er zurückgelassen hatte. Sie schaute dem Sklaven so lange nach, bis er außer Sichtweite war und wandte sich dann ganz langsam Verres zu. Erst jetzt die Tragweite des Ganzen erfassend begann sie zu zittern.


    Sie schaute in Verres Augen und auch dort lag Sorge.


    "Ich...ich...wir..." begann sie zu stammeln. Doch kein vernünftiger Satz wollte zustande kommen.
    Sie spürte wie ihre Knie weich wurden, sie war einer Ohnmacht nahe. Ihre Apartheit von eben war verschwunden und jetzt strömten all die Ereignisse umso mehr auf sie ein. Sie griff nach Verres Hand und sank auf die Bank auf der sie vorher schon gesessen hatte.
    Dann lief ihr die erste Träne über die von dem Schock noch aschfahle Wange...

    Das "Kleine" mit der ihr Gegenüber nur sie meinen konnte entging Albina völlig. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie sich sicher über die Bezeichnung aufgeregt. Sie war ja immerhin nicht irgendwer, schon garnicht für einen Sklaven, und schon garnicht kleiner als er.
    Aber all das bekam sie nicht mit. All ihre Gedanken kreisten um das "Villa Tiberia". Warum wollte er zur Villa? Gehörte er einem Bekannten ihrer Verwandten oder gar einem ihrer Verwandten selbst? Das wäre eine Katastrophe. Albinas Gedanken rasten...Was nun?
    Doch an eine Antwort war garnicht zu denken. Der Schreck steckte ihr viel zu sehr in den Knochen und sie hätte kein Wort über die Lippen gebracht. Und so starrte sie den Fremden einfach nur entgeistert an und wusste nicht, was zu tun war.

    Mitten in diesem wunderschönen Moment wurden die beiden unterbrochen.
    Nur unwirklich nahm Albina eine Stimme wahr, bis Verres seinen Blick abwandte und sie bemerkte, dass sie dort wirklich jemand ansprach.
    Völlig verwundert und erschrocken wandte sie sich um und blickte den Mann an, der ihnen dort gegenüberstand. Seiner Kleidung nach zu urteilen ein Sklave. Was um alles in der Welt wollte er? Und vor allem, wer war er? Er hatte sie beide zusammen gesehen... Oh nein... was nun?
    Doch Albina musste garnicht reagieren. Verres hatte diesem, seine Umarmung nicht lösend , bereits angesprochen. Doch der Ton war nicht der freundlichste.
    War ihm denn nicht bewusst, dass ihr Gegenüber, wer immer er sein mochte, viel Schaden anrichten könnte.
    Sie blickte einfach weiterhin den vermeintlichen Sklaven an und wartete auf eine Antwort.

    Albina war wirklich erfreut über die Antwort von Claudia Epicharis. Sie schien wirklich nett zu sein und so freute sie sich noch nicht ihrer Gesellschaft beraubt zu werden.
    "Wie schön!" anwortete sie demnach wahrheitsgemäß.


    Der Vogel zog wirklich die Aufmerksamkeit auf sich. Daher konnte Albina Epicharis auch nur zustimmen.
    "Ja, da hast du recht." nickte sie also nur zustimmend. Albina deutete noch einmal kurz mit einer Handbewegung die Richtung an, in die die beiden nun gehen musst und schritt dann neben Claudia auf die Villa zu, wo die beiden es sich im Peristyl gemütlich machen wollten.

    Endlich waren die zwei im Peristylium angekommen. Sogleich steuerte Albina auf eine der schönen im Schatten gelegenen Marmorbänke an, neben denen kleine Tische standen.
    "Setz dich doch bitte." lud Albina Epicharis zum Platz nehmen ein.
    Einen weiteren Blick auf Ikarus werfend, winkte sie ihn heran.
    "Bring Wein und Wasser. Und ein wenig Obst. Und beeil dich, mein Gast und ich sind durstig!"

    Er senkte seinen Kopf und blickte sie an. Und in diesem Blick lag so viel, so unendlich viel, dass Albina keine Worte blieben.
    Sie blickte ihn an. Ganz genau musterte sie seine schönen Züge, seine maskulinen Wangenknochen und seine Lippen. Doch vor allem sah sie seine Augen. Diese Augen, so grün wie eine Wiese im Frühjahr, so voller Wärme und Freundlichkeit...
    Ganz leise hauchte er ihren Namen und dabei stellten sich ihre Nackenhaare auf. Und auch wenn sie es nicht tat, hatte sie dennoch das Gefühl am ganzen Leib zu zittern. Seine Hand wanderte ihren Rücken hinab und die andere legte sich ganz zärtlich in ihren Nacken. Ohne zu wissen was genau sie tat, ja, es geschah beinahe von selbst, legte sie ihre zarten Hände um seinen starken Nacken.
    Sie blickte ihn weiter an, und als sie merkte, dass er sich zu ihr hinunterbeugte entstannt eine solch große Sehnsucht nach dieser Berührung , dass sie für einen Moment aufhörte zu atmen.
    Und dann trafen sich ihre Lippen. Noch nie zuvor hatte Albina einen Menschen geküsst, doch nie hätte sie diese Gefühle für möglich gehalten.
    Ihre Berührung war unglaublich zart und dennoch ebenso intensiv.
    Es fühlte sich an, als würden auf ihren Lippen hunderte kleiner Funken sprühen.
    Und dann endete diese erste zaghafte Berührung und beide entfernten sich ganz langsam voneinander, aber nur so weit, dass sie sich wieder in die Augen blicken konnten.
    "Verres..." sprach Albina ganz leise und blickte ihn an.

    Sie war schon in der Bewegung um zu gehen, da hielt Verres sie auf einmal an der Schulter. Einen Moment bewegte sie sich garnicht. Sie hörte, was Verres sagte und focht einen inneren Kampf mit sich selbst aus. Wenn sie jetzt gehen würde, könnte alles was war vergessen sein. Sie würden beide leiden, aber keiner würde zu Schaden kommen. Alle Vernunft, die sie besaß, sagte ihr, sie solle einfach gehen. Aber ein anderer Teil, ein so viel mächtigerer, hielt sie davon ab.All ihre Angst, ihre Unsicherheit und vor allem ihr Schmerz, den sie bei Verres Worten empfunden hatten, waren bei seinen letzten Worten verschwunden. Wie sehr würde sie das , was sie jetzt tat, noch bereuen? fragte sie sich.
    Sie ging nicht. Sie konnte es einfach nicht. Sie drehte sich ganz langsam wieder zu Verres herum und blickte ihm in die Augen.

    Zunächst dachte Albina ihr Cousin hätte ihr nicht zugehört, da er während sie sprach zur Tür ging und einem der Sklaven eine Anweisung, die sie nicht hören konnte,gab. Doch als er wieder da war antwortete er auf ihre Aussage.


    Er schien selbst sehr verärgert und das erleichterte Albina. Schließlich hatte sie ihre Zweifel ob Quintus ihr Anliegen verstehen würde.


    "Danke." anwortete sie kurz auf seine Anmerkung, Titus dafür zur Rechenschaft zu ziehen.


    Völlig unerwartet zog er dann einen Spiegel hervor, das war es also was der Sklave ihm soeben gebracht hatte und hielt ihn ihr vor.
    Sowohl von seiner Aufmerksamkeit als auch von dem Anblick, den sie nun erhielt, beeindruckt zog sie kurz die Luft ein.


    "Oh! Das hättest du aber nicht tun müssen." sagte sie leicht rot werdend. "Aber die Idee war wirklich wundervoll. Jetzt, wo ich die Kette so direkt sehen kann, wirkt sie beinahe noch schöner."
    Einige Momente lang betrachtete sie nur die Kette um ihren Hals. Erneut zog der kleine, blaue, zu einer Sonne geschliffene Edelstein ihr volle Aufmerksamkeit auf sich.Während sie die feinen miteinander verflochtenen Goldkettchen bewunderte streifte sie diese ganz zart mit ihren Fingern.


    "Nochmals, Quintus. Das hättest du nicht tun sollen. Aber dennoch Danke. Sie ist traumhaft!", sprach sie und schenkte ihm ein freudiges Lächeln.


    Alle dunklen Wolken die in den letzten Tagen über ihr geschwebt hatten, schienen wie weggeblasen. Doch auf einmal musste sie an Verres denken.
    Nein, nicht jetzt, befahl sie sich selbst. Doch innerlich sehnte sie sich nach ihm.
    "Achso," brachte sie sich schnell auf andere Gedanken, "bis jetzt macht sich Aesara übrigens recht gut. Zwar hat sie eine traurige Geschichte und ich habe Angst, dass sie vielleicht erneut auf die dumme Idee kommen könnte, wegzulaufen. Aber ungeachtet dessen, fügt sie sich ziemlich gut in ihre Rolle."