Beiträge von Tiberia Albina

    Sie hatte gewusst, dass ihre Worte diesen Moment zerstören würden. Doch sie hatte nicht anders gekonnt. So sehr sie all das auch wollte, so sehr alles in ihr auch schrie, es sei das einzig richtige, konnte sie dennoch nicht umher, die eventuellen Konsequenzen zu bedenken. Nicht einmal für sich, sondern auch für Verres, dessen Strafe wohl weit höher ausfallen würde.
    Als er seine Umarmung gelöst hatte und nun anscheinend innerlich mit sich selbst ringens wieder auf den Boden starrte, sprach er.
    Doch was sie hörte gefiel ihr nicht. Zwar schien er selbst unsicher zu sein und mit seinen eigenen Worten zu kämpfen, aber das spielte für Albina keine Rolle.
    Es tat ihm Leid? Sofort spürte sie ein Stechen im Herzen.Es gab so viel mit dem sie hatte ringen müssen, soviel was gegen das ganze sprach. Doch dieser Moment in all seiner Schönheit hatte ihr nicht Leid getan und das tat er jetzt auch nicht.
    "Es tut dir leid?", fragte sie ganz leise. "Dann entschuldige, denn ich glaube ich war es die dich zu etwas trieb, dass du nun anscheinend bereust." sagte sie ruhig, aber die Verletztheit die aus ihrem Ton sprach war kaum zu überhören.


    Was sie fühlte und was er zu fühlen schien spielte garkeine Rolle. Sie wusste sich gerad einfach nicht anders zu helfen. Etwas Vernünftiges hätte sie nicht sagen können, und so , und das hätte sie nicht tun sollen, richtete sie den Zorn, der aus ihrer Hilflosigkeit in dieser Situation entstanden war , gegen Verres.
    "Aber keine Sorge, " sprach sie und stand dabei auf, "ich werde dich nie wieder in solch eine mißliche Lage bringen."
    Ein Teil von ihr meinte es ernst, ein anderer nicht.Sie war einfach von der Situation überfordert. Sie hatte Angst, sie war traurig und verletzt, und, was für sie am schlimmsten war, so erschien sie sich hilflos.
    All das stand ihr in ihren Augen. Ihre anerzogene Maske hatte sie schon lange fallen lassen. Was nun? Was mach ich bloß? Was machen wir bloß?


    Sie dreht sich um und wollte davonlaufen.EInfach nur weg, war ihr erster Gedanke.

    Sie hatte Angst gehabt, er würde sie zurückweisen. Vielleicht, dachte sie, hatte sie das ganze falsch interpretiert. Doch nun, als sie ihren Mut zusammen genommen hatte und seine Hand auf der ihren lag, wusste sie, dass sie nirgendwo anders hätte liegen sollen.
    Als er ihren Namen hauchte spürte sie ein Kribbeln in der Magengegend und ganz leicht stellten sich ihre Nackenhaare auf. Der Schauer, den das in ihr auslöste durchflutete ihren ganzen Körper.
    Nun wandelte sich der Ausdruck in seinen Augen und sie wusste, dass mehr darin lag als Freundschaft. Sie wusste, dass er sich ebenso zu ihr hingezogen fühlte. Die ganze Welt war gegen sie. Alle Vorstellungen und Regeln der Welt sprachen gegen das, was hier geschah. Und dennoch fühlte es sich richtiger,als alles andere was Albina je gefühlt hatte, an.
    Er legte den Arm um sie und zog sie zu sich heran. Nicht ein Funken der Gegenwehr existierte in dem Moment in ihr.
    Sie lehnte sich an ihn und barg ihr Gesicht in seiner Schulter.
    SO verharrten sie für eine ganze Weile. Keiner sprach, denn jeder wusste, dass das was jetzt gesagt werden würde, schmerzlich war.
    Doch irgendwann musste es ausgesprochen werden und Albina entschied sich dazu zu erst :
    "Das dürfen wir nicht." seufzte sie ganz leise und in ihrer Stimme lag unendliche Traurigkeit.

    Warum schien es ihr bloß so als ob er ihr tiefstes Inneres kennen würde? Was empfand sie für diesen Sklaven? Nein, für diesen Mann? Gerade wenige Stunden kannten sie sich und doch erschien es ihr als wäre der Zeitpunkt so entscheidend, dass die Dauer keine Rolle spielte.


    Er blickte beschämt hinab und sie verstand warum. Dies Frage hatte ihm eigentlich nicht zugestanden, und dennoch nach Albinas Meinung in diesem Moment mehr als jedem anderen Menschen auf der Welt.
    In seinen nächsten Sätzen brachte er all die Verzweiflung zum Ausdruck , die sie fühlte. Waren die beiden, er ein Sklave und sie eine patrizische Dame sich vielleicht doch ähnlicher als die meisten anderen Menschen sich vorstellen konnten.
    Sie nahm seinen Ansatz sie zu berühren war. Er wollte anscheinend ebenso sie in den Arm nehmen, wie sie von ihm gehalten werden wollte.
    Doch er unterbrach diese Berührung. Er schien sich diesem Tabu ebenso bewusst wie sie. Er hatte nicht das Recht sie zu berühren. Aber sie hatte genug von Rechten. Sie hatte genug von den Erwartungen der Gesellschaft. Schon in diesem Moment war ihr klar, dass sie es irgendwann bereuen würde, ja , sie beide es bereuen würden, doch mit ihrer linken Hand bewegte sie sich ganz langsam auf die seine zu. Und, so sehr das alles ihrer Erziehung und dem Anstand, ihren Verpflichtungen ihrer Familie gegenüber und ihren Versprechen Quintus gegenüber, widersprach, legte sie ihre Hand ganz zart auf die seine.
    Dann blickte sie zu ihm auf und schaute ihn fragend und unsicher an.
    Hatte sie das richtige getan. Hatte sie sein Verhalten richtig interpretiert? Fühlte er das gleiche wie sie?

    Während er langsam hinter sie trat, spürte sie schon ein leichtes Kribbeln. Als er dann nachdem er den Verschluss geschlossen hatte langsam die Kette ihren Nacken hinuntergleiten ließ, spürte sie, wenn auch nur ganz kurz, seine Finger an ihrem Nacken und augenblicklich begann sie innerlich zu zittern. Sie musste sich zusammenreißen. Nie hätte sie gedacht, dass eine so kleine Berührung sie so bewegen konnte. Und sogleich musste sie an Verres denken. Doch unterdrückte sie das sogleich, falsches Verhalten hätte sie jetzt verraten können. Als er wieder vor ihr stand blickte sie an sich hinunter und bewunderte dieses wundervolle Schmuckstück. Was hätte sie jetzt für einen Spiegel gegeben.
    "Sie ist traumhaft!",sagte sie wahrheitsgemäß.
    Er sah direkt auf die Kette, die knapp über ihrem Dekolltee zum liegen kam.
    "Oh, dankeschön... Es freut mich, wenn sie dir gefällt!" sagte sie geschmeichelt.


    Einen Moment blickte sie ihn noch an um den Moment nicht zu zerstören. Doch als dieser langsam verflogen war, fiel ihr noch etwas ein.


    "Achja, tut mir leid, dass ich so ein leidliches Thema gerade jetzt ansprechen muss. Aber es ist mir wichtig. Ich wollte es vorhin schon, doch habe ich es glatt vergessen." sprach sie. Wie sollte sie das nächste freundlich sagen.


    "Quintus, es ist so. Ich verstehe es , wenn du nach mir schickst. Aber die Art, wie Titus sich vorhin verhalten hat kann ich nicht akzeptieren. Er erweist mir nicht einmal das Mindestmaß an Respekt. Stell dir vor, er hat die Tür zu meinem Cubiculum geöffnet ohne anzuklopfen!" sagte sie und stellte sich erneut vor, was hätte passieren können.
    "Ich meine, es war ein glücklicher Zufall. Aber er hätte mich auch in nicht salonfähigem Zustand antreffen können!" umschrieb sie das ganze möglichst diskret.

    Was um aller Welt ging nur gerade in ihr vor? Es tat ihr einerseits gut, dass Verres sie als einiger der wenige nicht zu bedrängen gedachte. Andererseits war sie sich nicht sicher ob es ihr in diesem Fall nicht recht gewesen war. Irgendetwas, sie wusste nicht was, zog sie beinahe übermäßig zu ihm hin. Sicher , er sah wirklich gut aus. Und seine körperliche Anziehungskraft entging ich kein bißchen. Aber es war noch mehr. Es war die Art wie er mit ihr sprach, wie er mit ihr umging, die sie so sehr fesselte. Er hörte ihr wirklich zu. Er stellte keine weiteren Ansprüche an sie, als sie selbst zu sein. Und er war der erste, der mehr als an ihrem Äußeren etwas an ihrem Charakter zu liegen schien.


    Sie wollte ihn spüren... so verquer es auch sein mochte, sie wollte, dass dieser Sklave sie in die Arme nahm. Die Welt war grausam, dachte sie. Warum musste gerade das, was ihr so unglaublich gut tat, so offenkundlich falsch sein. Oder war es garnicht falsch und die Welt war offenkundlich fehlgeleitet?


    Sie bemerkte, wie sein Blick irgendeinen Punkt auf dem Weg fixierte und sah ihn währenddessen genau an. Dieses Gesicht, die maskulinen Wangenknochen, die traumhaften Augen, die schönen Lippen... Wie diese sich wohl anfühlten? Nein, sie musste schnell an etwas anderes denken. Doch dazu fand sie garkeine Zeit, denn in diesem Moment sprach er weiter.
    "Meine Eltern...nunja...sie wollen das Beste für mich. Und das ist nunmal eine Ehe mit einem angesehenen Patrizier. Deshalb bin ich hier. Das ist es, was ich auf dem Land nicht finden konnte. Und auch wenn sie es leugnen, so ist es mir nur allzu sehr bewusst." sagte sie traurig.
    "Liebe?" sah sie ihn verwundert an. Sie hatte selbst so oft darüber nachgedacht. "Ich...ich weiß es nicht. Es mag Liebe geben, doch ist sie mir noch nicht begegnet. Meine Eltern respektierten sich mehr, als viele der Ehepaare, die ich hier bis jetzt gesehen habe. Doch Liebe verbindet auch die beiden nicht. Es ist sehr seltsam. Gerade gestern habe ich mich mit Aesara, meiner Leibsklavin unterhalten und sie hat mir von ihrem Schicksal berichtet. Sie war von ihrem ersten Herren geflohen, um herauszufinden, was aus ihrem Verlobten geworden war. Und auch jetzt leidet sie noch.", sagte sie während sie an ihr Gespräch mit Aesara dachte. "Es ist merkwürdig, dass gerade die in der Gesellschaft weniger angesehenen Menschen mehr Gefühle zu haben scheinen. Aber, und das brauch man nicht leugnen. Ein Patrizier, so wie ich, kann sich Gefühle nicht leisten." sagte sie sachlicher als ihr zumute war. Und gerade in der Gegenwart dieses Sklaven schmerzte sie diese Erkenntnis.
    "Meine Aufgabe ist es, meiner Familie zu dienen. Und das kann ich nur durch eine vorteilhafte Hochzeit.", schon wieder wurde sie sehr traurig.
    Ganz leise sprach sie ihre letzten Worte. "Es mag Liebe geben und ich denke sie ist etwas wundervolles. Doch jemand wie ich hat auf diesen Luxus keinen Anspruch."


    Und wieder sah sie Verres an und blickte dann weg um die kleine Träne, die ihr trotz ihrer sonst anerzogenen Fassung entfleucht war, unauffällig wegwischen zu können.

    Während sie sich auf dem Rückweg befanden erzählte Quintus ihr einige interessante Dinge über die Gebäude und Gegenden die sie passierten und Albina lauschte bedächtig seinen Worten. Sie hatte das Gefühl im stundenlang zuhören zu können.


    Als er von der angeblichen Messalina-Wohnung erzählte, konnte sie ihr Lachen nur schwer unterdrücken.
    "Ja, da magst du wohl recht haben. Obwohl mich die Wohnung der Messalina nicht unbedingt reizen würde. Ihr Ruf war ja ...nunja... nicht der Beste.", musste sie grinsen.


    "Aber....korrigier mich, wenn ich mich täusche. War Messalina nicht die überlegte Albina ernsthaft.

    Albina war über Aesaras Offenheit erfreut. Sie hatte sich ohnehin schon gedacht, dass sie geflohen war. Und das sie es so offen sagte, war zumindest schon mal ein gutes Zeichen. Sie dachte daran, dass ihr Cousin schon erwähnt hatte, dass er sie auf seiner nächsten Reise nach Germanien mitnehmen würde. Ja, vielleicht könnte das Aesara sowohl Klarheit als auch Ruhe geben. Aber es war zu früh ihr das zu sagen. Noch stand das in den Sterne.


    "Gut, dass du so ehrlich bist." sagte sie.
    "Ich hoffe, du hast diese dumme Idee wirklich abgehakt. Solltest du fliehen und wirst erwischt, dann, und das sollte dir klar sein, kann ich nichts mehr tun. Titus würde dich auf jeden Fall finden und was dann mit dir geschieht, will ich mir garnicht ausmalen. Also überleg es dir gut."
    ermahnte sie ihre Sklavin. Sie könnte sich eine andere Sklavin kaufen, doch für Albina hätte das weitreichende Folgen. Sie hoffte, das war ihr bewusst.


    "Ich möchte, dass du mich anschließend zum Palast begleitest. Oder hast du vorerst noch fragen?"

    Seine Nähe gefiel ihr besser als sie es sollte und sie sehnte sich danach, dass sie sich einfach in seine starken Arme sinken lassen könnte, doch das war undenkbar.


    "Ach, ich weiß nicht... vielleicht bemesse ich dem ganzen zu viel Bedeutung. Wir waren alle zu einem gemeinsamen Essen im Triclinium versammelt. Dort begegnete ich auch Appius Tiberius Iuvenalis. Doch ohne meine Absicht schien ich ihn so zu begeistern, dass er seinen Blick kaum von mir wendete. Ich konnte nichts dafür und ignorierte ihn. Doch Vitamalacus entging das natürlich nicht und untergründig entstand eine nervenzerrende Anspannung. Ich beobachtete meinen Cousin, während der leicht erzürnt Iuvenalis ob seiner Blicke zu mir anblickte. Diese Situation war mir schrecklich unangenehm, und um das ganze nicht noch schlimmer zu machen, entschied ich mich, mich zurückzuziehen." Sie atmete schwer bei dieser Erinnerung. Noch immer schmerzte es sie.
    "Ich wollte doch nichts böses, ich dachte es sei für alle das beste. Und als ich Vitamalacus darum bat mich zu entschuldigen, weil ich mich nicht wohl fühlte, und das tat ich mit all meiner Freundlichkeit, meinte er, ich solle bleiben. Zwar stellte er es mir nach außen hin frei. Doch der Ton und die Art mit der er das sagte, machte allen klar, dass es ein Befehl war. Ich verstehe einfach nicht, was ich falsch gemacht habe. Du hättest ihn hören sollen. Als ob ich einer seiner Probati wäre.Und das vor allen anderen." , und sie schluckte bei ihren Worten.


    Noch immer spürte sie das Gefühl, dass all das bei ihr ausgelöst hatte. Ja, wenn sie es so erzählte, wirkte es nur halb so schlimm, wie es sich angefühlt hatte.
    "Nunja, und meine Eltern... ", fing sie an und verstummte dann. Noch immer war sie nicht in der Lage, das was ihr bevorstand direkt auszusprechen. Mit ihrem Cousin hatte sie es kurz angeschnitten, und es oberflächlich zu betrachten ging auch. Aber jetzt, wo sie hier so mit Verres war, konnte sie daran nicht denken.

    Wenn es ihr möglich war, für einen Sklaven Mitleid zu empfinden, so tat sie es in diesem Moment.
    "Das ist ein schweres Los, dass die Götter für dich bestimmt haben." , sagte sie schlicht.


    Aber all das hatte Albina schon auf dem SKlavenmarkt gehört und war nicht sonderlich interessant für sie.
    "Wie verlief dein Werdegang als Sklavin von diesem Zeitpunkt bis jetzt?" wiederholte sie also ihre letzte Frage noch einmal.

    Sich neben sie setzen? Eigentlich hätte sie auffahren müssen, oder zumindest erkennen, dass das was sie hier tat langsam Grenzen überschritt, doch nein, die Grenze hatte sie schon vor langem übertreten.
    Und neben allen Gedanken, die sie sich hätte machen sollen, herrschte nur einer vor. Es war genau das was sie jetzt wollte.
    Sie sah ihn nur kurz an und nickte. Noch immer war sie nicht in der Lage etwas zu sagen.

    Es war beinahe gruselig, so sehr schien Verres verstehen zu können, was in ihr vorgeht. Seine Worte wärmten sie, als die Kälte der Einsamkeit sie in dieser Stadt zu umfangen beging. Sein Blick spendete ihr Trost. Und das obwohl er eigentlich selbst solche Sorgen hatte. Doch sie erkannte, dass sie richtig gelegen hatte. Im Moment schien es aufbauend auf ihn zu wirken wie sie erzählte.


    "Ja, damit hast du wohl Recht. Meine Heimat fehlt mir. Ich habe so lange dort gelebt und konnte es dann kaum erwarten in die "große Stadt" zu kommen. Die tiefere Absicht meiner Eltern hinter dieser Reise bis dahin einfach verdrängend. Und nun bin ich, und alles ist anders als ich erwartet hab.", gestand sie sich selbst jetzt zum ersten Mal ein.
    "Die meisten hier scheinen mich nur zu belächeln. Und die anderen stellen mir nach. Der einzige, dem ich zunächste anscheinend vertrauen konnte, war mein Cousin. Und nach dem Essen..." Sie schluckte schwer. All ihre Gefühle, die sie seit diesem Abend unterdrückt hatte, keimten wieder auf.
    "Ich... ich weiß nicht... anscheinend hatte ich mich getäuscht." sie unterdrückte die Tränen die versuchten sich ihren Weg zu bahnen.
    Wusste Verres überhaupt von dem, was dort geschehen war. War es überhaupt so bedeutend, wie es Albina erschien. Sie wusste es nicht. Aber sie war so von ihren Gefühlen übermannt worden, dass sie gerade kein Wort mehr herausbrachte.

    Das Gespräch ging Albina vorbei. Sie war viel zu seh mit dem beschäftigt, was in ihr vorging. So setzte sie ein neutrales Gesicht vor und tat als ob sie der Unterhaltung zuhören würde. In Wirklichkeit kämpfte sie innerlich gegen die Gefühle an, die Quintus indirekter Befehl auszulösen begann. Sie versuchte krampfhaft diese Gefühle nicht ausufern zu lassen. Konnte sie einen Menschen wirklich hassen? Momentan dachte sie es auf jeden Fall... Aber vermutlich war es nur ihr Schmerz, der es ihr gerade so suggerierte.
    Nach außen hin gelassen, schien sie der Unterhaltung einfach zu folgen.

    Irgendetwas schien in ihm vorgegangen zu sein. Sie konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was an ihm sich geändert hatte oder was genau der Auslöser war. Aber sie hatte das Gefühl, dass er sich ihr auf eine völlig neue Weise öffnete, er schien sich, und sie hätte es kaum für möglich gehalten,in ihrer Gegenwart beinahe zu entspannen.
    Es war soviel geschehen und sie war sich noch immer nicht sicher, was genau da gerade alles passierte. Aber sie hasste Streit und es hatte sie sehr angestrengt so wütend auf ihren Cousin zu sein. Ja, sie wollte ihm vergeben und in diesem Moment tat sie eben dies


    Sie nahm die Kette in die Hände, die er ihr beinahe bittend entgegenhielt. Erneut musterte sie diese. Und obwohl sie diese schon auf dem markt so magisch angezogen hatte, gewann dieses Schmuckstück anhand dieser Situation eine völlig neue Bedeutung.
    "Danke", sagte sie leise aber freundlich. War das zuviel, was sie nun überlegte. Aber nein, vor ein paat Tagen hätte sie dies getan und sie wollte das, was dazwischen lag nun vergessen. "Wärst du so freundlich?", fragte sie dennoch zeaghaft.

    Seine Züge waren weicher und sein Lächeln ein wenig stärker. Sie genoß es, einen solchen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen. Vielleicht, so dachte sie, war sie doch nicht die einzige, in der mehr vorging. Sie konnte ihre Gefühle zwar noch nicht einordnen, aber sie wusste, dass in diesem Moment etwas zu entstehen begann. Ganz leicht nur, aber durchaus merklich.


    "Ja,", sagte sie," das finde ich auch." Sie wollte gerade an keinem anderen Ort der Welt sein.


    "Ich denke, du hast recht. Es wird langsam Zeit."antwortete sie, auch wenn in ihrem Gesicht dabei kein bedauern entstand. Auch wenn sie den Markt nun verlassen würden, sie wusste, dass ihr Cousin dennoch immer in ihrer Nähe wäre.

    Sie hatte während er ohne etwas zu sagen an seinem Tisch stand kein einziges Wort gesagt. Sie blickte einfach stur auf einen Punkt an der Wand und wartete. Selbst als er anfing zu sprechen änderte sie daran nichts. Sie hatte nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen, dass er um den Tisch herum gekommen und neben ihr stehen geblieben war.


    Ja, deine Probati, dachte sie bei ihren ersten Worten bitter.Immer nur Soldat, wie schön für dich.


    Doch als er weitersprach horchte sie langsam auf. Hatte er tatsächlich seinen Fehler eingesehen?Was er sagte klang beinahe wie eine Entschuldigung, und das konnte sich Albina von ihrem Cousin beim besten Willen nicht vorstellen, schließlich...
    Und da kam es! Tatsächlich, nach einem Moment des schweigens : ich möchte mich dafür entschuldigen? Sie konnte es nicht fassen und im selben Moment blickte sie zu ihrem Cousin auf und stellte fest, dass auch er auf sie herunterschaute. So trafen sich ihre Blicke.


    "Ich..." fing sie einen Satz an, von dem sie garnicht wusste, was er beinhalten sollte. Sie schwieg einen Moment und ohne seinem Blick auszuweichen dachte sie nach.
    Dann schlug sie ihre Augen nieder. "Das hatte ich jetzt nicht erwartet.", gestand sie.
    "In Ordnung." sagte sie dann ganz langsam. "Ich nehme deine Entschuldigung an. Aber, und das ist wichtig, dass heißt nicht, dass ich dir ein solches Verhalten mir gegenüber auch weiter nachsehe. Ich...nunja...eigentlich dachte ich, dass wir uns ganz gut verstehen würden. Und dein Verhalten, das sollst du wissen, hat mich verletzt." , sprach sie so offen mit ihm, wie sie es vor diesem ereignisreichen Essen gewohnt war.
    "Tu das nie wieder!" sagte sie sehr leise, aber bestimmt."Sonst hilft dir auch keine Entschuldigung mehr."


    Nach diesen Worten schaute sie wieder nach oben, und blickte direkt in seine Augen. Es war ihr nicht möglich, den Schmerz, den sie in Anbetracht dieser Situation empfand, und ihren innerlichen Kampf, den ihre Worte in ihre auslösten, zu verbergen.

    "Ja, vielleicht sollten wir das tun." stimmte Albina ihr zu.
    "Eigentlich war ich gerade auf dem Weg zurück in die Villa. Mein Spaziergang war ohnehin schon länger als geplant und ich fürchte mein Cousin macht sich sonst noch Sorgen über meinen Verbleib." gab sie offen zu.


    Sie sah Epicharis noch einmal an. Diese junge Frau, die ungefähr im gleichen Alter wie sie sein musste, war ihr auf Anhieb sympathisch gewesen.Und aus diesem Gefühl heraus entstand auch ihre nächste Frage.


    "Ich weiß nicht, wohin dich dein Weg eigentlich führte. Aber wenn du noch etwas Zeit hättest, so würde ich mich freuen, wenn du mich begleitest. Wir könnten es uns im Peristyl unserer Villa bei einem Becher verdünntem Wein gemütlich machen und unsere Unterhaltung weiterführen, wenn du möchtest." lud sie Epicharis mit einem Lächeln ein.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Vitamalacus etwas dagegen hätte."


    Auf ihre Antwort gespannt, blickte sie die Claudierin an.

    Sie hatte mit einer zornigen Antwort gerechnet, oder damit, dass dann alles gesagt war. Aber nicht mit dem was kam. Als sie sein "Setz Dich!" hörte, wurde alles in ihr steif. Doch nie hätte sie erwartet, was darauf folgte. Bitte? Hatte er wirklich bitte gesagt?
    Nun denn, was auch immer er ihr zu sagen gedachte, sie wollte es hören. Also machte sie einen Schritt zur Seite, ließ sich in den Stuhl der dort stand gleiten und schaute ihren Cousin einfach abwartend an.

    Sie war erstaunt, ja beinahe erschrocken.Doch nichts davon ließ sie sich anmerken. Das einzige, was sie ihm zeigen wollte, war Kälte. Noch immer hatte sie sein Verhalten an jenem Abend nicht verstanden. Vielleicht mochte es seine Art sein, so mit anderen umzugehen. Doch auf dem Markt hatte er sie vor ein paar Tagen so viel mehr sehen lassen. Sie dachte, es wäre dort mehr gewesen. Und wenn es nur der Hauch von Freundschaft oder Vertrautheit war. Und noch immer spürte sie den Schmerz, den sie bei dieser untergründigen Zurechtweisung empfunden hatte. Vielleicht war er nun mal so, vielleicht konnte er nicht anders, als jeden erziehen oder ausbilden zu wollen. Doch bei ihr war er da an der falschen Stelle. Und so liebenswürdig und offen ihr Wesen auch war, so konnte auch sie das so leicht nicht verzeihen.


    Als er von ihrem Verhalten sprach, dass einer Dame würdig gewesen sei, musste sie an ihren Tag im Park mit Verres denken. Er schien keine Ahnung davon zu haben, und das beruhigte sie.


    "Das hättest du nicht tun dürfen.", sagte sie kühl."Es gibt keinen Grund für dich mir etwas zu schenken.Ich bin kein Sklave den man bei gutem Verhalten belohnt. Und streite ja nicht ab, dass dies eine Belohnung dafür sein soll, dass ich mich deinen Wünschen unterworfen habe." Sie blickte ihn finster an.


    "Ich werde deine Wünsche befolgen, dass habe ich dir bereits an meinem ersten Tag gesagt. Aber dass ich das tue, heißt nicht, dass ich es zu jeder Zeit gerne tue. Du hast mich bloßgestellt!" antwortete sie und hatte ihre Stimme kaum merklich erhoben.


    "Ich werde dir weder Probleme noch Schwierigkeiten machen, dass weißt du.Ich werde das tun, was du von mir verlangst. Aber erwarte nicht, dass ich mich damit noch schmücke! Egal wie schön das Schmuckstück auch ist!" sagte sie, griff auf den Tisch und bedeckte die Kette wieder mit dem schwarzen Samt.


    Während sie sprach merkte sie , wie all der unterdrückte Zorn seit diesem Essen wieder in ihr anwuchs, doch ließ sie es sich kaum anmerken.
    Sie stand ihrem Cousin einfach gegenüber und blickte ihm direkt in die Augen.

    Sie erkannte den Schmerz in seiner Stimme und hatte das Gefühl all das Leid ebenfalls zu fühlen, dass ihn zu bedrücken schien.
    „Nein, natürlich stört es mich nicht, ich kann verstehen, dass du nicht weiter darüber reden willst. Eigentlich ist es ja auch ein viel zu schöner Tag für solch düstere Gedanken.“, versuchte sie ein zaghaftes Lächeln um ihn wieder aufzuheitern.


    Ihr war bewusst, dass sie ihm nicht wirklich würde helfen können. Außer ihm zu helfen, dass Hier und Jetzt besser zu ertragen.


    „Du möchtest wissen, wo ich aufgewachsen bin? Nun ja… meine Eltern sind kurz nach meiner Geburt aufs Land nach Illyricum gezogen. Ich habe bis auf die letzten Tage mein gesamtes Leben dort verbracht. Unser Haus ist groß und hell. Es liegt an einem Hang, sodass man an einem klaren Hang sogar aufs Meer blicken konnte. Das Pristylum glich im Sommer einem Regenbogen, so viele verschiedene Bunte Blumen gab es dort. Und den ganzen Tag über zwitscherten die vielen Vögel, die mein Vater sich zu seinem Vergnügen hält.“


    Ihre Worte versetzten ihr einen kleinen Stich. Wie lange würde es wohl Dauern, bis das Heimweh völlig verschwand? Bei ihren Worten blickte sie ihm in die Augen und offenbarten ihm die Mischung aus Sehnsucht nach ihrem Zuhause und ihrer Freude, diesen Moment zu erleben.


    „Die ganze Stimmung war bei uns anders, die Menschen auf dem Land sind offener. Selbst meine Eltern trugen ihre Nase dort nicht so hoch, wie so manch ein Plebejer es hier zu pflegen scheint. Ja, irgendwie ist alles dort ganz anders als hier. Und auch wenn es vielleicht für manche langweilig zu sein scheint, so ist es dennoch angenehm. Man kann sein Glück auch in der Ruhe und dem Frieden auf dem Land finden.“ Zumindest hatte sie das lange gekonnt.


    „Rom ist beeindruckend und sehr abwechslungsreich und ich bin froh hier zu sein. Aber es ist auch eine Gewöhnungssache, denke ich.“


    Ihre Hände, die bei einigen ihrer Worte erklärend Bilder in die Luft gezeichnet hatten sanken wieder an ihre Seite. Sie lehnte sich zurück und blickte Verres nun genauer an. Noch immer hockte er vor ihr und das erste Mal musterte sie die Formen seines Körpers, die sich unter seiner Tunika abzeichneten. Wie würde es wohl sein, ihn zu berühren oder von seinen schönen männlichen Händen berührt zu werden… Augenblicklich errötete sie und blickte weg. Sie suchte etwas, dem sie ihre Aufmerksamkeit widmen konnte und entdeckte eine Bacchus-Skulptur. Sie hoffte, dass er das nicht bemerkt hatte. Aber eigentlich war diese Hoffnung mehr als naiv. Einen Moment später, als das Blut wieder aus ihren Wangen gewichen war, blickte sie ihn an. Diesmal aber direkt in die Augen. Was mochte er wohl denken?