Sie hatte gerade auf ihrem Bett gelegen und in einem der Bücher, die sie aus ihrem Buchladen mitgenommen hatte, geblättert, als Loki hereinkam. Wenig überrascht, dass er es war, weil er der einzige war, der eintrat ohne anzuklopfen, blickte sie ihn an. " Was ist denn?"
Beiträge von Duccia Flamma
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Mit kleiner Verspätung trat nun auch Eila in die Küche. Sie hatte in der Nacht nicht viel geschlafen, weil sie über einiges hatte nachdenken müssen. Vor allem über die Aufgaben, die vor ihr lagen. Auch dies gedachte sie heute morgen zu besprechen. Deshalb war ihre Laune auch nicht gerade die Beste. Nicht unbedingt schlecht, aber auch nicht so leicht und fröhlich wie sonst häufig.
Sich ein Auge reibend schritt sie auf den Tisch zu. "Guten Morgen, Jungs!", begrüßte sie die anwesenden Männer. Dann nahm sie im Augenwinkel Phelans Schwester wahr. "Guten Morgen!", begrüßte sie nun auch diese. Sie ging zu ihrem Bruder, der bereits saß und drückte ihm einen Kuß auf die Schläfe, bevor sie sich neben ihm niederließ. Das würde ein Frühstück werden...
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Ja, die Geschichte mit dem Buch würde man ihr wohl noch lange nachtragen. Was sie einerseits zwar verstehen konnte aber andererseits immer noch ärgerte. Immerhin war sie noch immer der Meinung, dass das Ganze nicht ihr Fehler, sondern der dieses Möchtegerns gewesen ist.
"Ja, ja, schon gut. Wie wäre es, wenn ich mich darauf beschränke meine Bücher zu lesen, anstatt sie durch die Gegend zu werfen. Wenn ich das nächste Mal jemanden mit etwas bewerfe, "meinte sie dann und grinste Breit " nehme ich einfach etwas weniger hartes. Schließlich scheinen Römer ziemlich weiche Birnen zu haben, wenn dieser arrogante Mistkerl wirklich glaubte, dass ich mit einem BUCH einen Anschlag auf sein Leben verüben wollte."
Und auch wenn sie Silko gerne versprochen hätte, keine solchen Dinge mehr anzustellen, dann hätten die beiden ohnehin gewusst, dass sie sich nicht lange daran würde halten können. Sie war in letzter Konsequenz zu sehr Lokis Schwester um nicht in irgendwelche Schlamassel zu geraten.
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Eila erinnerte sich an den freundlichen Praetorianer, den Silko erwähnte, nicht ungern. Er schien wirklich, als einer der wenigen dieser Einheit, ein guter Kerl gewesen zu sein. Aber dann? Silko musste Glabrio meinen und Eila war einen Moment lang völlig verdutzt. Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, dass Glabrio mehr als freundschaftliches Interesse an ihr hatte. Sie jedenfalls hatte nie anders an ihren Freund gedacht.
"Anscheinend siehst du mehr, als ich es vermag. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so." meinte sie daher lächelnd.
Die Frau in der Casa... Ja, das würde ihre neue Aufgabe werden. Sie konnte nur hoffen, dass Silko recht behalten würde und die andern es ihr danken würden. So recht konnte sie sich das bei den Sturrköpfen nicht vorstellen.
"Ich werde dabei jede Hilfe brauchen, die ich bekommen kann." Ein Zwinkern in Silkos Richtung begleitete diese Worte. Sie war froh, dass er da war. Jetzt in diesem Moment und auch generell.
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Eila strich sich mit der Handfläche über die Wange und hätte nun gerne einen Spiegel gehabt, in den sie schauen könnte. Vielleicht, dachte sie dann grinsend, sollte sie zu den Nubiern reisen. Wenn es stimmte, was Silko sagte, waren ihre Chancen dort wohl besser, einen geeigneten Mann zu finden. Oder zumindest würde es ihr leichter fallen überhaupt einen zu finden.
"Und wie du siehst, hast du dich getäuscht. Ich kann mich in der letzten Zeit an keinen Verehrer erinnern, der dir das Leben schwer gemacht hätte.", meinte sie dann, wenn auch dieses Mal ohne Bitterkeit sondern mehr im Spaß.
"Da allerdings hast du Recht, Silko. Die Menschen sind selten so, wie man nach dem, was man im Vorhinein über sie hört, vermuten würde. Ich glaube die Menschen überspitzen einfach in der Regel die Eigenschaften anderer Völker und Stämme, damit es ihnen leichter fällt, ihre Augen davor zu verschließen, dass wir uns letztlich doch alle ähnlicher sind, als sie gerne hätten."
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Eila musste schmunzeln, als sie hörte, dass Schnee als Strafe der Götter betrachtet wurde. Würde man das hier ebenso tun, dachte sie amüsiert, mussten die Götter sie wohl abgrundtief hassen.
Haut wie Elfenbein und Haare wie Stroh? Ja, so war es wohl, musste sich Eila eingestehen, da sie selbst allein schon von ihrem Äußeren her der Inbegriff einer klassischen Germanin war, wie sie von anderen Stammen betrachtet wurden. Dass es auch hier viele dunkelhaarige gab, wurde gerne mal unterschlagen.
"Das glaube ich dir gern." Eila kannte es nicht anders, doch wusste sie nur zu gut, wie schwer man sich an anderes als das normale gewöhnte. In Italien hatte sie auch Zeit gebraucht um sich an die Sonne und die Luft dort zu gewöhnen. "Haben denn bei euch alle solch dunkle Haut wie du sie hast? Hier bei uns gibt es immer den ein oder anderen, der etwas dunklere Haare oder Haut hat, wenn natürlich auch nichts im Vergleich zu deiner Haut."
Sie fragte sich, ob es eine imaginäre Linie gab, oder eine Grenze, ab der auf einmal alle Menschen schwarz waren, konnte es sich aber irgendwie nicht vorstellen. -
"Es freut mich das zu hören." meinte Eila dann auf Silkos Worte betreffend des Familiengefühls hin. Sie freute sich, dass er das Gefühl hatte, von ihrer Familie geachtet und gemocht zu werden, denn das entsprach den Tatsachen.
Interessiert lauschte Eila Silkos Erklärungen und versuchte seine Götter mit den ihren zu vergleichen. So ganz unähnlich war der Aufbau nicht. Zumindest konnte sie damit mehr anfangen, als mit Glabrios Erzählungen von einem einzigen Gott. Ihrer Meinung nach müsste dieser dann nämlich ziemlich überfordert sein. "Ja, die Sonne ist hier sicher ferner als dort, wo du herkommst. Dort gibt es vermutlich nicht einmal Schnee, nicht wahr?" meinte sie dann, als sie sich so umblickte und die Kälte, die ihr so heimisch erschien, versuchte aus Silkos Blickwinkel zu sehen. "Ich habe einmal in einem Buch über die Stämme gelesen, die südlich des Mittelmeeres in Wüsten leben sollen und darüber, wie die Natur dort beschaffen ist. Aber für jemanden, der hier aufgewachsen ist, ist all das nur schwer vorstellbar."
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Etwas unschlüssig war Eila ja schon, ob das eine gute Idee war. Sie stand vor der Tür von Witjons Zimmer und konnte sich nicht so recht entscheiden anzuklopfen. Sie hatte Langeweile und die vertrieb man sich bekanntermaßen am besten mit anderen Leuten. Von Phelan hatte sie nach der langen Reise, so gern sie ihn auch hatte, in den letzten Wochen genug. Ihr Bruder war beschäftigter als je zuvor und dann...naja, ihr nächster Gedanke war auf Witjon gefallen, auch wenn sie sich vielleicht bisher noch nicht so nah gekommen waren, wie andere Teile der Familie. Aber was noch nicht ist, konnte ja noch werden, dachte sie dann und klopfte letztlich (wenn auch nur leidlich) entschlossen an die Tür.
*klopfklopf*
Wenn er keine Lust auf Gesellschaft hätte, könnte er ja immer noch ablehnen, dachte sie dann.
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Auch Eila hob erneut ihren Becher und lächelte Ragin zu. "Auf Ragin!", stimmte auch sie auf den Trinkspruch ein.
Eila wehrte sich ein wenig gegen Lokis Umarmung, wie kleinere Schwestern das ab und an einfach mal taten, wenn sie sich zu sehr beschützt fühlten. "Das wäre wirklich schon." meinte sie dann zu ihm, bevor auch sie sich zu Albin und Marga umwandte. Sie liebte alte Geschichten, vor allem wenn es mit heimischen Bräuchen zu tun hatte und hoffte der alte Mann würde sie alle an seiner Geschichte teilhaben lassen.
"Ja, erzähl uns von der schönen alten Zeit, Albin." stimmte Eila dann ihrem Bruder zu.
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Eila dachte einige Momente lang über das Gesagte nach, bevor sie antwortete.
"Wie sicher bist du dir, dass es eine Strafe ist? Vielleicht ist das alles ja auch nur eine Prüfung." Während sie sprach, knibbelte sie ein wenig gedankenverloren an ihren Fingernägel herum."Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube dein Schicksal hat noch mehr als das für dich vorgesehen. Irgendwann wird das Ganze einen Sinn ergeben. Und bis dahin, naja, wirst du dich wohl weiter mit uns rumschlagen müssen." Leicht scherzhaft gab sie Silko einen sanften Stoß mit dem Ellenbogen und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln.
"An welche Götter glaubst du eigentlich?" fragte sie ihn dann interessiert. Über dieses Thema hatte sie noch nie so richtig mit ihrem Beschützer gesprochen.
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Gerade noch rechtzeitig kam auch Eila in den Garten geschossen. Sie hatte sich schlichtweg nicht entscheiden können, welches ihrer Kleider den Temperaturen entsprechen und gleichzeitig noch am besten an ihr aussehen würde. Letztlich hatte sie sich für ein blaues Kleid aus dicker Wolle entschieden, das nicht zu auffälig war und dennoch ihre Augen gut unterstrich. So oder so wie immer blendend aussehend, kam sie gerade genau im richtigen Moment nach draußen, schnappte sich einen Becher Met und hob ihn sogleich hoch. "Heilsa alle zusammen. Und Heil dir, Oski!" sagte sie dann laut und bestens gelaunt. Sie liebte das Julfest und ihr machte im Gegensatz zu den anderen auch die Kälte wenig aus. Sie hatte viel mehr das Gefühl, dass die Kälte ihre Lebensgeister neu entfachte, was die leichte Röte ihrer Wangen dann auch noch unterstrich. Zwischen Witjon und Loki stehend, blickte sie erst zu dem einen, dann zu dem anderen und schließlich zu Ragin, der etwas abseits stand, hinüber.
"Ich bin sicher, er kriegt das hin. Ich hoffe nur, er bringt mir ein paar Bücher aus Alexandria mit." -
Silkos Worte trösteten Eila. Wenn er auch nicht die tiefsten Wunden heilen konnte, so fühlte sie sich trotzdem besser dadurch, dass er da war. Die Worte des sonst etwas wortkargeren Hünen waren Balsam für ihre Seele und sie war ihm dankbar dafür, dass er sich überhaupt die Mühe machte, sie zu trösten. Und hier und da konnte sie bei seinen Worte sogar wieder Lächeln. Sein Plan, sie aus ihrer Trauer rauszuholen, schien aufzugehen. Bei seinen letzten Worten brach sie dann sogar in ein aufrechtes, wenn auch recht kurzes Lachen aus.
"Ja, da hast du recht. Verrückt sind sie alle, ganz eindeutig. Aber naja, so viel besser bin ich ja auch nicht." Sie dachte an die Geschichte mit dem Buch zurück und fühlte sich noch immer schuldig, dass sie den anderen damit so viel Ärger gemacht hatte.
Sie strich sich mit dem Handrücken über die letzten langsam trocknenden Tränen und blickte Silko an. "Was ist eigentlich mit dir? Bist du halbwegs glücklich bei uns?", fragte sie ihn dann. Gerade wirkte er nämlich nicht allzu glücklich und Eila war der Meinung, dass auch sie etwas dagegen tun sollte, sofern es denn in ihrer Macht stand. Aber dazu musste sie erstmal wissen, was Silko bedrückte.
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War es mutig gewesen? Eila wusste es nicht. Es war unumgänglich gewesen. Wo sonst auf der Welt hätte sie denn hingehört? Ja, es war ihr nicht leicht gefallen, weil hier Erinnerungen lagen, andererseits auch wieder leicht, da hier unleugbar ihre Zukunft lag. Nur in manchen Momenten, so wie diesem, befand sie selbst sich irgendwo dazwischen. Ja, was würde sie nun tun?
"Wenn ich das nur wüsste..." meinte sie dann leise seufzend. "Als ich noch in Magna gelebt habe, gab es unzählige Männer, die meinen Vater bedrängten, mich ihnen zur Frau zu geben. Keinen einzigen wollte ich, wusstest du das? Nein, woher solltest du auch. Und als ich dann hier ankam, lernte ich Marbod kennen. Kennst du Marbod noch?" Sie überlegte einen Moment, sie wusste es nicht mehr genau. "Er war anders, er war alles was ich wollte... und ich habe ihn geliebt." Ihre Worte wurden immer leiser. Wenn es um ihre Herzensangelenheiten ging, war die sonst so selbstbewusste Germanin auf einmal unsicher und voller Selbstzweifel. "Doch dann ging er fort... über Nacht, ohne Abschied...fort nach Magna, wo es nichts mehr außer Tod und Verderben gibt. Ich habe dort zu viele Menschen sterben sehen, als dass ich wahre Hoffnungen hätte, Marbod je wieder zu sehen. Es war eine schwere Zeit... doch es gab einen Lichtstrahl am Horizont. Irminar war da und fing mich auf. Er verstand mich, alle Zweifel, jede Unsicherheit... ein zweites Mal ein Mann aus dieser Familie. Ich meine, was haben die bloß an sich? Ich weiß es nicht. Doch seine Gefühle kann man sich bekanntermaßen nicht aussuchen..." Langsam wurden Eilas Augen feucht und die erste Träne glitt sanft und glitzernd über ihren Wangenknochen. "Warum, Silko? Warum hat auch er mich verlassen? Bin ich verflucht? Warum kann ich keine Liebe finden, warum gehen sie alle fort, in den sicheren Tod? Ist der Tod eine so viel bessere Vorstellung als ein Leben an meiner Seite?" fragte sie dann bitter und tief deprimiert zugleich. All jenes, sagte sie mehr zu sich selbst, als zu Silko. All der Schmerz überrollte sie wie so oft zuvor. Und erst jetzt gestand sie sich ein, dass sie in Rom den Schmerz nur betäubt hatte und nichts davon verschwunden war...tief in ihr war sie nur ein junges Mädchen mit gebrochenem, geschundenem Herzen. -
Eila erwiderte die Umarmung ihres Bruders trotz Triefnase. Viel zu lange hatte er sie nicht mehr umarmt. "Du mir auch." meinte sie daher und lächelte ihn an, bevor die beiden sich wieder dem Rest der Anwesenden widmeten.
"In Rom ist es nicht erlaubt in den Wohnhäusern selbst Feuerstellen zu haben. Aus Brandschutzgründen." klärte Eila nebenher Phelans Schwester auf. In dieser Hinsicht waren Römer sehr penibel. Aber wenn man bedachte welche Folgen Brände in solch dicht besiedelten Städten haben konnten, war das auch verständlich. -
Ein leises Knacken riss Eila aus ihren Gedanken. War da jemand im Garten? Mühsam suchte sie das Dunkel nach Umrissen ab, konnte aber zunächst keinen ausmachen. Es dauerte einen Moment, bevor sie Silkos Schwärze von der der Nacht unterscheiden konnte. Als er zu sprechen begann, schenkte sie ihm ein etwas gequältes Lächeln. Sie war überrascht von seinen Worten...anscheinend bekam er mehr mit, als man normalerweise vermuten würde. Sie hörte ihm zu, während er sich neben ihr niederließ und überlegte dann einen Moment, was sie sagen sollte. Sie selbst hatte ein anderes Verhältnis zu Sklaven als es Römer zu tun pflegten und so war es nicht diese Tatsache, die sie vom Sprechen abhielt. Aber das, was in ihr vorging teilte sie derzeit nicht einmal mit ihrem Bruder... er würde sich nur sorgen.
"Weißt du, Silko, es stört mich wenig, dass du ein Sklave bist." meinte sie dann erst einmal fröhlich. "Auch wenn die Römer das anders sehen ist und bleibt ein Mensch für mich Mensch." Eine ihrer Hände schlupfte unter dem Umhang hervor und nahm einen kleinen Stock vom Boden auf, mit dem sie in der Erde neben sich rumstocherte. Sie wollte Silko nicht in die Augen sehen, weil sie nicht wusste, was er darin derzeit alles würde lesen können. "Aber du hast Recht... ein paar dunkle Schatten liegen auf dieser Casa. Oder vielmehr auf meinen Erinnerungen. Ich bin fortgegangen um in mancherlei Hinsicht Klarheit zu erlangen und einiges zu vergessen. Aber ich habe es anscheinend nur verdrängt, so lange wir fort waren. Weißt du, was ich meine?" -
Eila hörte, wie wohl jeder andere in einem Kilometer Umkreis das Husten und Niesen. Es klang wahrlich erbärmlich... Als die Tür dann aufging, strahlte sie dennoch. Sie sprang auf, wollte zunächst zu ihrem Bruder rennen und ihn anspringen, überlegte es sich bei seinem Anblick aber anders.
"Heilsa, mein Großer." meinte sie dann einfach liebevoll. "Nimm es mir nicht übel, wenn ich es sage, aber du siehst echt beschissen aus." Ein Grinsen konnte sie nicht unterdrücken, erinnerte Lokis Nase doch an die eines in einem römischen Lied vorkommenden Rentieres namens Rudolfus... oder so ähnlich. -
Nur wenig Licht drang von außerhalb der Mauern in den Garten der Casa Duccia. Hier und dort durchdrang der Schein einer Laterne das tiefe und stille Dunkel der Nacht. Es war erst der zweite Abend seit ihrer Rückkehr nach Mogontiacum und sicherlich saßen jene, die die Müdigkeit noch nicht in ihr Schlafzimmer gezwungen hatte noch im Kaminzimmer beisammen. Eila jedoch hatte es nach draußen gezogen. Einsam aber zufrieden saß sie in einer Ecke des düsteren Gartens und beobachtete die Schatten, welche durch die abwechselnd auftretenden Lichtkegel vorbeigetragener Laternen entstanden. Es mutete beinahe wie ein großtes Schauspiel eines nächtlichen Geistertanzes an. Skurril und dennoch schön floß Schatten für Schatten über Steine, Sträucher und Bäume, um dann zu verschwinden oder besser noch mit einem anderen Schatten zu verschmelzen.
Verschmelzen… welch ein schönes Wort, dachte Eila. Sie selbst hatte das Gefühl genau das Gegenteil zu tun. Sie saß hier, um die Stärke zu sammeln, sich selbst ein Stück von allem anderen zurückzuziehen. Gestern hatte sie den Brief an Dagmar geschrieben. Und auch jetzt noch, saß die Entscheidung noch tief. Obwohl es mehr eine Erkenntnis als eine Entscheidung war. Sie würde sich um die Jungs kümmern müssen. Irgendwer musste hier die Verantwortung übernehmen. Unweigerlich würde sie erwachsen werden müssen. Erwachsen im letzten Bereich, den sie bis dahin davor bewahrt hatte. Ihr Erinnerungen waren die eines Erwachsenen, seit ihre Eltern getötet worden waren. Ihr Herz das eines Erwachsenen, seit Marbod ohne ein weiteres Wort nach Germania aufgebrochen war und sie verlassen hatte. Ihre Taten die einer Erwachsenen, seit sie mit eigenen Händen den Mann getötet hatte, der am Tod ihrer Eltern Schuld war. Nun würde sie letztlich auch die Pflichten und die Verantwortung einer Erwachsenen übernehmen. Ein leiser Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Sie würde für die Jungs sorgen und wenn möglich die Führung der schola übernehmen. Sie würde in ihre Aufgaben hineinwachsen. Zumindest hoffte sie das. „Und was, wenn nicht?“ flüsterte sie leise zu sich selbst. Und wie zu erwarten blieb die Stille um sie herum ihr eine Antwort schuldig. Wie sehr wünschte sie sich, Marbod wäre noch hier. Oder Irminar. Sie schickte ein stilles Gebet zu den Göttern, dass es beiden gut gehen mochte, wo auch immer im fernen Magna sie wohl gerade wandeln mochten. Ob sie sie jemals wieder sehen würde? Das wussten nur die Götter…
Eine kleine Träne lief ihr unbemerkt die Wange hinab. Sie hatte sie geliebt… beide auf ihre Art; und hatte beide verloren. Wie sehr sie doch gehofft hatte, in Rom einen Teil des Schmerzes und der Erinnerungen zu überwinden. Doch nun, da sie hier saß, waren die Erinnerungen so lebendig wie seit Langem nicht mehr. War es nicht hier im Garten gewesen, dass sie ein ums andere Mal mit Irminar gesprochen hatte. Sie sah das Bild vor sich, wie Irminar sie von hier aus in ihr Zimmer zurückgetragen hatte, als sie nach ihrer Verletzung in Magna unerlaubter Weise hier unten gesessen hatte. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit Marbod in Mogontiacum durch die Straßen gelaufen war und er sie am Brunnen das erste Mal zu küssen versucht hatte. Das Alles erschien ihr unsagbar fern und gleichzeitig spürbar, al s wäre sie es nur einen Atemzug weit weg.
Ein kalter Windhauch drang unter ihren Umhang und streifte die Haut über ihrem Brustbein, sodass Eila ihn noch etwas enger um sich schlang. Es war kalt geworden in Germania, doch das machte ihr nichts aus. Irgendwie passte die Jahreszeit gut zu ihrer Gefühlswelt. Sie fühlte sich nackt und hilflos wie ein Baum im Winter und auch ihr Herz hatte sich in den Winterschlaf zurückgezogen. Nur so stark schlagend, wie nötig, würde es dort verweilen, bis irgendwer es irgendwann irgendwo wachrütteln würde. Was hielt ihr Leben wohl noch für sie bereit? Wohin würde es führen? Wie enden?
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Ihr Bruder war also noch nicht zu Hause, wenn sie das nicht richtig verstanden hatte. Nunja, dann konnte ihre Ahnung nicht ganz so schlimm gewesen sein, wenn es Loki noch gut genug ging um arbeiten zu gehen und das erleichterte Eila ganz eindeutig. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, ihren Bruder wiederzusehen und leicht in Gedanken versunken hörte sie auch nur halb zu, als die ihr noch unbekannte, die die Schwester sein musste von der Phelan gesprochen hatte, sprach. Auch was Phelan selbst dann erzählte, kriegte sie nur mit halben Ohr mit. Als sie dann jedoch ihren Namen hörte, blickte sie auf. Sie sollte erzählen? Aber was denn? Allzu viel hatte sie in Rom nicht erlebt... und, nunja, das was sie erlebt hatte, sollte sie vielleicht nicht so herausposaunen. Phelan und Silko waren noch immer etwas sauer und auch ihr selbst war diese Geschichte in bitterer Erinnerung geblieben.
"Hmm...nunja, was soll ich erzählen? Die Reise mit Silko war eigentlich garnicht übel, und das obwohl er nicht der Gesprächigste ist." Sie schenkte ihrem Schatten einen frechen aber freundlichen Blick, bevor sie weitersprach. "Und ja, es ist, wie Phelan sagt, Rom ist wahnsinnig groß. Man kann es sich kaum vorstellen, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Die Straßen sind voller Menschen und es gibt unzählige Straßen. Die Märkte sind riesig und das Warenangebot überwältigend. Man kann verstehen, warum diese Stadt das Zentrum eines so großen Reiches ist. Was die Römer an sich betrifft... nunja, sie sind anders als hier, da hat Phelan recht. Und mir persönlich sind die meisten von ihnen suspekt geblieben." Sie musste an den Praetorianerpraefekten denken und wünschte ihm auch jetzt noch die Pest an den Hals. "Und auch wenn ich sehr froh bin, wieder hier zu sein, bin ich trotzdem froh, all das einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Das Forum, die Paläste und Patriziervillen sind unvorstellbar groß und prächtig. In Rom finden sich Menschen aller Größen, Farben und Sprachen. Von allen Enden des Reiches sind hier und da Menschen anzutreffen."
Vom Reden schon einen ganz trockenen Mund, blickte Eila wieder zu Phelan. Dann in die Runde. Sicher hatten die anderen irgendwelche Fragen, die ihnen auf den Lippen brannten und sie wollte ihnen die Chance geben, diese zu stellen. -
An
Marcus Petronius Glabrio
Casa Petronia
Roma
ItaliaMein lieber Freund,
mit Freuden kann ich dir berichten, dass ich und die anderen wohlbehalten wieder in Mogontiacum angekommen sind. Die Reise war wie stets lang und beschwerlich, doch die Vorfreude auf die Heimat hat sie uns fortwährend versüßt, sodass die Strapazen nur bedingt Einfluss auf unser Gemüt genommen haben.
Auch was meinen Bruder angeht, kann ich dich beruhigen. Meine Ahnung, dass es ihm nicht gut geht, ist eingetroffen, aber in viel schwächerer Form als ich befürchtet hatte. Er ist erkältet mit den üblichen Anzeichen, doch mehr als heißen Met und ein wenig Pflege wird nicht nötig sein um ihn wieder auf den Damm zu kriegen.
Ich hoffe in Rom steht weiterhin alles zum Besten und die Umbauten deiner Casa gehen gut voran. Noch einmal möchte ich mich entschuldigen, dass ich während meines Aufenthalts nicht öfter Zeit gefunden habe, unsere Freundschaft zu vertiefen. Doch wer weiß, man sieht sich sicher noch einmal wieder. Ob hier in Mogontiacum oder zu irgendeinem Anlass vielleicht sogar noch einmal in Rom. Auf jeden Fall würde ich mich freuen, wenn du mich zumindest mit Briefen darüber in Kenntnis setzt, wie es dir gerade geht und was es neues von dir gibt. Auch ich werde mich anhalten, regelmäßiger zu schreiben.
Bis dahin, mein guter Freund, lebe gut und mögen die Götter dich beschützen,Eila
An
Duccia Venusia
Regia praefecti
AlexandriaLiebe Venusia,
viel zu lange ist es her, seit irgendwer hier von dir gehört hat und ich kann nur hoffen und beten, dass es dir in Alexandria gut geht. Sind dein Mann und deine Kinder wohl auf? Wie ist das Leben in dieser so fernen Region? Hier in Mogontiacum tut sich einiges. Vor kurzem ist Verus Zwillingsschwester bei uns in der Casa eingetroffen, dabei wusste ich nicht einmal, dass er eine hat. Doch auch ich selbst bin erst vor kurzem wieder hierher zurückgekehrt. Ich war für einige Monate in Rom nach Rom gereist. Es gab sehr vieles, was ich zunächst einmal hinter mich bringen musste... Du wirst sicher wissen, dass nachSextus nun auch Aulus nach Magna zurückgekehrt ist und ein jeder von ihnen ein großes Loch in meinem Herzen hinterlassen hat. Die Zeit in Rom, auch wenn sie anders verlief, als ich gehofft hatte, hat immerhin diese Gefühle geschmälert, wenn auhc nicht ausgelöscht. Ich bezweifle jedoch, dass sie je völlig verschwinden werden.
Ich bin gemeinsam mit Verus nach Mogontiacum zurückgekehrt, der im Übrigen seine Prüfung zum Priester erfolgreich abgeschlossen hat, was dich sicher stolz machen wird. Es ist merkwürdig hier so völlig ohne Dich. Es klafft ein Loch in der Familie, dass nur schwer zu schließen sein wird. Doch aus eben diesem Grund bin ich nun wieder zurückgekehrt. Die Männer, einer verrückter als der andere, brauchen eindeutig jemanden, der sie ab und an zur Ordnung ruft und der Familie sicheren Halt gibt. Auch wenn ich bezweifle, dass ich das nur annähernd so gut vermag, wie du es konntest, werde ich es dennoch versuchen. Langsam bin ich alt genug gewisse Pflichten zu übernehmen und da ich ja, wie es scheint, jeden Mann dazuzu treiben scheine, ins wilde Germanien zurückzugehen, ist es vielleicht besser ich beschränke mich auf die Fürsorge für unsere Verwandten, als selbst nach einem Mann zu suchen.
Ja, ich weiß, das klingt jetzt deprimierend, aber so ist es nicht gemeint. Sorge dich nicht um mich. Ich werde schon zurechtkommen und diese Aufgabe wird mich sicher auch zufrieden stellen.
Aber ich schreibe dir nicht nur, um zu berichten, sondern auch, um dich um etwas zu bitten. Auch wenn die Jungs mich sicher schon fordern werden, habe ich doch das Bedürfnis, mehr zu tun, als nur das Haus zu führen. Gerade in Rom konnte ich meiner Leidenschaft für Bücher, die ja schon mein Buchladen recht gut ausfüllt, noch mehr fröhnen als ohnehin und mir kam die Idee, dass ich vielleicht, mit meinem erworbenen Wissen ein neues Projekt in Angriff nehmen könnte. Die Schola liegt seit deiner Abreise schon viel zu lange brach. Könntest du nicht irgendwo ein Wort für mich einlegen, damit ich dort eine Arbeit finde? Ich wäre dir sehr dankbar dafür. Ebenso, wenn du mir das ein oder andere über deine Erfahrungen mit der Arbeit in der Schola mit auf den Weg geben könntest.
Grüße deinen Mann von mir und gib deinen Kindern einen Kuss,
mögen die Götter euch schützen,deine Eila
Sim-Off: Auf die Wertkarte der gens Duccia, bitte!
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Eila war Phelan und Silko sowohl in die Casa, als auch später, nachdem sie Witjon zunächst begrüßt hatte, ins Kaminzimmer gefolgt. Und es erfüllte sie mit einer tiefen inneren Freude, dass sie das Gefühl hatte nach Hause gekehrt zu sein. Ja, mittlerweile war diese Casa wohl ihr zu Hause geworden. Aber etwas stimmte an ihrem Gefühl noch nicht und sie wusste auch genau, was es war. Ja, sie mochte Phelan und Witjon, die auf die jeweiligen Neuigkeiten gespannt waren, verstehen, aber für sie hatte etwas ganz anderes Priorität und als sie so in dem Sessel saß, mit einem Becher Met in der Hand, juckte es sie so sehr unter den Fingernägeln, dass sie einfach nicht ruhig dasitzen und zuhören kannte.
"Witjon, wo ist Loki?" unterbracht sie die beiden dann etwas abrupt, aber freundlich. Die beiden würden das sicher verstehen.