Beiträge von Titus Decimus Verus

    Verus nickte still. Es war schön, dass Piso ihm die Arbeit abnahm, Abschriften anzufertigen. Zumal er ohnehin Abschriften herumliegen hatte. "Ich freue mich auf deine Tricks," schloss er auch dieses Thema ab, denn nun gab es dunklere Themen zu besprechen: Vala. Ein Name der Verus erschaudern ließ. Vala, ein Germane in römischer Robe, nach der Macht trachtend und die Götter erzürnend. Er untergrub alles, woran Verus glaubte. Vala, ein dunkler Schatten, dunkler Zeiten. Verus seufzte abermals. Piso fragte ihn nach der Schandtat, die Vala ihm angetan hatte. "Ehm...", begann Verus vorsichtig. "Er hat mir in meinem eigenen Haus die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er hat mich beleidigt, obwohl ich damals Curator Kalendarii war. Er hat mein Amt beleidigt und als ich ihn belauschte, hörte ich ihn Witze über die römischen Ämter machen. Nicht nur das. Er sprang auch den ehrbaren Frauen der Familie hinterher und versuchte diese für sich zu gewinnen. Er ist wahrlich ein Barbar und konnte dies nicht lange verschleiern." Er - die nette Umschreibung für Vala. Er würde diesen Namen nun nicht mehr erwähnen. Verus reduzierte Vala nun mehr auf ein "Er". Vala schien wahrlich ein Monster zu sein. Denn Verus dachte tatsächlich, dass es schon schlimm wäre, was Vala ihm angetan hätte, nein, er tat in der Tat noch andere schlimme, nein bösartige, Dinge. Verus blickte Piso ernst an. "Wir müssen ihn aufhalten, Aulus." - sprach' er kämpferisch, fast schon auffordernd.

    Eine Familie gründen? Verus schluckte. Es war zu spät für ihn. Eine Familie? Diese Worte bohrten sich durch seinen Geist. Er hatte Kinder, ja aber diese waren entschwunden. Sollte er erneut daran versagen, eine Familie zu führen? Nein. Verus war ein guter Mensch aber zu gut und zu lasch im Umgang mit einer Familie, so dass diese unweigerlich zerbrechen musste, wie es bereits geschehen war. Verus zweifelte. Nicht nur sein Trauma machte ihm zu schaffen, jetzt auch noch Varenas Familienwunsch. Ihm blieb kurz die Luft weg, bevor er wieder ausholen konnte. "Erst einmal müssen wir heiraten, dann muss ich eine gerechte Arbeit finden. Der Posten des Procurator a Memoria steht mir ja in Aussicht und danach können wir darüber entscheiden," beruhigte er mich selbst als denn Varena. Wenn Verus nun ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass das Leben als Soldat in dieser Hinsicht einfach war. Als Soldat hatte man immer eine Lösung, immer, sei es auch pure Gewalt. Aus dieser Perspektive konnte sich Verus schon vorstellen, dass das Soldatenleben in Friedenszeiten deutlich leichter war. Leider wurden Soldaten im Krieg gebraucht und so zerstreute sich diese Illusion schnell.

    Verus konnte Varena beruhigen. "Ich werde nicht mehr in den Krieg ziehen. Meine Dienstzeit ist vorbei." In diesem Moment wurde Verus klar, dass der Krieg für ihn vorbei war. Es war vorbei. Es gab kein blutiges Feuer mehr. Es gab keine Sterbenden um ihn herum. Er war nicht mehr als Offizier gefordert, seine Männer in den Kampf zu führen. Die Zeit der Aufopferung war vorbei. Doch seine Gedanken gingen immer noch zu den Gefallenen, zu der Schlacht und zu den wässrigen Feldern der Ehre. "Es waren grausame Zeiten. Ich habe gekämpft, auch für dich Varena. Wir alle haben gekämpft." Verus blickte seine Angebetete erneut an. "Ich liebe dich und werde nur noch kämpfen, um dich zu beschützen. Ich bin für dich da. Ich gehe nicht vor dir, sofern es die Götter nicht anders verlangen." Mühsam entspannte sich seine Mimik, die einige Momente der Trauer getrotzt hatte.

    Der Dieb hatte sich entfernt und nur Varena und Verus blieben zurück. Verus blickte ihr in die Augen. Seine Augen füllten sich mit ein wenig Trauer, Angst und Hoffnungslosigkeit. Er rang sich mühsam ein trauriges Lächeln ab. Der Soldat Verus hatte ein Trauma davongetragen, dass er selten ansprach aber dennoch fühlte. Das Trauma zerfrass ihn innerlich. Hinzukam, dass seine Kinder aus seinem Leben verschwunden waren und er somit allein im Leben stand. Die Kombination aus Einsamkeit und Trauma zerstörte den gestandenen Römer, doch Varena stoppte mit ihrer Präsens die umgreifende Dunkelheit. In ihrer Nähe fühlte Verus Wärme, echte Liebe. Sie vertrieb die Dunkelheit in Verus. "Der Krieg ist mein ständiger Begleiter," sagte er und blickte zu den Sternen. "Würdest du auf mich warten, wenn ich gehe? Ich würde auf dich warten." - formulierte Verus fast lyrisch verschlossen.

    "Hilfe?" Verus blickte auf den marmornen Boden. "Ich erwarte schon lange keine Hilfe mehr. Hilfe, das ist etwas, was man selten in der Form findet, in der man sie braucht. Hilfe, ein Wort, das vieles bedeutet aber selten das bezeichnet, was es ausmacht." Er blickte die kühle Seiana erneut an. Ihre Berührung ließ ihn sich weiter öffnen. Es war das Gefühl von Familie, das er vermisste. Er seufzte und fuhr sich mit einer Hand einmal über den Bart. "Ich habe gedient und mehr dabei verloren als man sich hier im sicheren Rom vorstellen kann. Krieg ist grausam. Krieg ist all das, vor dem uns unsere Väter bewahren wollten. Frieden sollte unser höchstes Interesse sein: die Pax Romana." Noch immer zweifelte er. Diese Worte sollten nur seine Gedanken überbrücken, damit er den Zweifel richtig formulieren konnte. "Was ich mir wünsche, ist eine nachträgliche Anerkennung der Helden dieser Schlacht. Arbeitest du nicht für die Acta?" Er umschloss seinen Unterarm mit der linken Hand. "Ich wünsche mir, dass die Wahrheit über diese Schlacht, die viele Schicksale entschied, publik gemacht wird. Ich möchte diese Geschichte erzählen, wie sie geschehen ist. Ich trage sie schon zu lange in meinem Herzen, ebenso die Toten." Seine Augen zeigten Seiana in diesem Moment, das er ernst meinte und das es ihm wichtig war, dass diese Geschichte erzählt wurde. "Erst dann, kann ich zurückfinden."- war der sanfte Abschluss seiner Ausführung.


    Im Namen des Senator Vinicius Lucianus,


    richte ich dir seinen Dank für die Einladung aus. Leider kann er nicht zur Feierlichkeit erscheinen, da er dienstlich in Misenum verweilen wird. Dennoch richtet er die alle Grüße aus und heißt dich in Rom herzlichst willkommen.


    i.V.


    T. Decimus Verus
    Scriba Personalis

    Verus lachte erneut. "Aulus, das sind ästhetische Feinheiten, Details, die nicht von großer Bedeutung sind. Salinator ist ein Politiker; gut, einigen wir uns darauf." Verus streckte seinen Arm aus und klopfte Piso auf die Schulter. "Ich wusste immer, dass du ein großer Wortkünstler bist und die Worte auf eine besondere Weise analysierst, um ihren Kern zu erfassen. Ja, Salinator ist wohl kein Staatsmann." Er nickte, denn nun begriff Verus, was Piso meinte. Ein Staatsmann diente dem Staat und ordnete diesem alles unter, hingegen diente ein Politiker seiner eigenen Karriere. Verus legte die Arme wieder vor sich in den Schoß. Piso wollte tatsächlich Verus Freunde kennenlernen. Verus überlegte kurz, ob er diesen Namen Piso offenbaren dürfte. Er kam zu dem Schluss, dass es nicht schaden konnte, schließlich war Piso ein ehrbarer und wahrer Römer, der nach den alten Tugenden lebte. "Senator Germanicus Sedulus," antwortete er knapp. Alsbald fiel das Thema aber wieder auf Duccius Vala, so dass er nichts weiter zu Sedulus erwähnen konnte. "Vala," knautschte Verus. "Du kennst ihn? Diesen Barbar in römischer Robe? Die Götter sollen ihn abstrafen. Er hat nichts in Rom zu suchen," wütete der alternde Verus mit Worten und klopfte leicht gereizt auf die Stuhllehne. Er konnte in Pisos Augen ablesen, dass auch Piso diesen Mann verabscheute. Verus musste tief durchatmen, um bei der Frage nach dem Census ruhig zu bleiben. "Das wäre wunderbar. Mir missfällt es nämlich, von sämtlichen Belangen, eine Abschrift machen zu müssen." Er nickte erneut und lehnte sich wieder entspannt zurück, Vala verdrängend. "Der Besuch ist ebenfalls eine wunderbare Idee. Du würdest meinen langweiligen Alltag wohlig bereichern." Er lächelte.

    Verus seufzte leise. "Seiana," begann er erneut vorsichtig. "Das Leben hat mir oft übel mitgespielt und dennoch lebe ich. Ich gehe weiterhin meinen Weg, der mich nun sogar in die Kanzlei geführt hat. Leider spüre ich, dass mein Herz immer noch nicht ganz gesundet ist. Es schmerzt ab und an. Ich mache mir Gedanken, dass ich bald nicht mehr bin und frage mich, ob das alles war? War mein Leben eine solche Tragödie?" Verus Augen wurden ruhig, fast still. "Ich danke dir dafür, dass ich dies weiterhin als mein Heim bezeichnen darf. Es ist ein gutes Gefühl, dass die Familie hinter einem steht. Nur bezweifel ich, dass ich ein guter Decimus bin. Versteh' mich nicht falsch aber ich zweifel an mir selbst. Auch aus diesem Grund besuchte ich dieses Haus lange nicht mehr. Nach dem Krieg war ich zerstört und konnte mich nicht wieder erbauen. Alles fühlt sich so leer an, auch wenn ich meine Pflichten kenne. Meine Kinder sind von mir gegangen aber dennoch lebe ich? Ich hätte niemals in den Krieg ziehen dürfen. Das ist der Vorwurf, den ich ebenso mit diesem Haus verbinde." Verus wollte es einmal mit der Wahrheit über seine Person probieren, auch auf die Gefahr hin als Schwermütiger abgestempelt zu werden. Die Wahrheit sollte ihn erleichtern und ihn mit der Familie aussöhnen. "Zudem erwartete mich in Rom keine Akzeptanz für meine soldatischen Leiden. Als ich im Senat zusammenbrach hing dies auch mit meinem Kriegseinsatz zusammen, den ich immer noch nicht ganz vergessen kann. Das Feuer, das Blut und die Schreie verfolgen mich bis heute. Dabei habe ich doch für Rom gekämpft? Rom scheint seine Krieger aber zu vergessen."

    "Vielen Dank," sagte Verus, während er durch Zufall auf seine Ledertasche klopfte. Er fühlte etwas und griff dann in den Beutel. Er zog eine Tabula hervor.


    "Bevor ich es vergesse." Er legte die Tabula auf den Tisch.




    An
    Marcus Vinicius Lucianus.


    Salve Lucianus, nach meiner Heimkehr aus dem fernen Ägypten in das ich im Namen des Senates geschickt worden war. Laden ich dich als Freund meines Patrons zu einer kleinen Feier zu meiner Rückkehr ein. Ich hoffe auf deine Anwesenheit, ich hoffe auch deine Frau kennen zu lernen.


    Die Feier wird in zwei Tage statt finden.

    Lucius Iulius Centho


    "Eine Einladung, Senator."

    Die Reise war lang, fast zu lang. Verus nahm sogar einige Archivarbeit mit sich, die er die zwei Tage, die er in Misenum verbringen würde, bearbeiten wollte. Es galt Abschriften zu machen, eine leichte Aufgabe aber dennoch zeitraubend. Nachdem er sich eine Unterkunft besorgt hatte, machte er sich auf den Weg zur Curia. Die Dokumente zur Abschrift trug er bei sich in einem braunen Lederbeutel. Er würde es nicht verantworten, diese Dokumente alleine in einer Herberge zurückzulassen. Gekleidet, wie ein einfacher Römer, in einer sauberen aber einfachen Tunika mit guten Sandalen trat er in den Saal. Nur sein Ritterring wieß ihn als Standesangehöriger aus. Verus hasste Eitelkeiten und beschränkte sich in dieser Hinsicht auf das Wesentliche.


    "Salve," grüßte er die Anwesenden. Er blickte sich um, einen Sitzplatz suchend.

    Verus schmunzelte zynisch. "Man kann ihm nicht abstreiten, die Politik zu verstehen, die Politik der Macht. Wenn man so will, ist er ein Staatsmann," forcierte der alte Ritter Verus. "Ob er mich bereitwillig ernannt hat oder auch nicht, das weiß ich nicht. Ich vermute schlicht, dass ein guter Freund von mir, Einfluss darauf nahm. Ich hoffe nur nicht, dass er sich an Salinator verkauft hat." Sedulus war ein echter Freund aber Verus hoffte inständig, dass er Salinator für seinen Posten nicht allzu viel versprochen hatte. Sedulus war ein guter Senator und sollte nicht in solche Kreise geraten, in das Poker um Macht sowie Geld. "Du wolltest Procurator a Memoria werden?" Nun war Verus stutzig und neugierig. Er beließ es bei dieser Frage, da Piso dieses Thema scheinbar belastete und ging zum nächsten über. "Es gibt genug Gewürm im Reich." Durch einen Zufall fiel Verus Gedanke auch auf Vala, diesen Germanen, der ihm damals die Tür vor der Nase zuschlug. Ein Germane ohne jeden Respekt vor Rom, der nun tatsächlich Karriere machte. Eine Schande! Verus kochte innerlich bei dem Gedanken daran und seine Augen begannen leicht zornig zu funkeln. "Vala...", murmelte er still aber gerade so, dass Piso es noch hören konnte. Es war auch mehr ein zorniges Fauchen, während Verus seine Hand zur Faust ballte. Dann fiel das Thema auf den Census. Verus atmete tief durch, um die Wut zu verdrängen. "Das ist eine gute Sache, sobald ich im Amt bin, würde ich diesen Census gerne in die Archive aufnehmen. Kannst du ihn mir zukommen lassen?" - begann er indirekt mit seiner neuen Tätigkeit, die er alsbald antreten würde.

    Exakt. Manipulation und Intrigenwesen, ja das lag der Frau aber ein eigener Posten? Nein, das gab es nicht. Frauen manipulierten meistens ihre senatorischen Männer oder ritterlichen Schößlinge. ;)


    Sie steuerten ihre Männer, ebenso Söhne, in diese Posten.

    Verus trat mit einem mulmigen Gefühl ein. Die Bibliothek wirkte voll, sehr vollgestoßt mit Schriften. Auch Verus hatte einst einige Schriften zur Hausbibliothek beigetraten; so erinnerte er sich. Lange war es hier, dass er hier war. Lange war es her, dass er der Familie eine Säule war. Lange war er einsam. Doch nun schien sich seine Welt zu drehen, nach all den Verlusten, die er erlitten hatte. der alternde Verus erinnerte sich an einen Tag mit seinem Sohn, den er hier einwieß, doch Duumvir zu werden. Nun war sein Sohn nicht mehr. Ein wenig Trauer ummantelte Verus als er Seiana zuging. Sie wirkte schön, fast liebreizend. Sie war eine echte Decima, schön sowie klug. Verus schluckte die Erinnerungen herunter und blickte Seiana ins Gesicht. "Für die Familie immer," gab er von sich, um überhaupt in einen Wortwechsel zu finden. Nachdem ihm ein Platz angeboten wurde, setzte er sich und legte die Hände in den Schoß. "Mir geht es den Umständen entsprechend," sagte er, wie gewohnt, verklausuliert. Er nickte dem Sklaven zu, dass er doch etwas einschenken möchte und sagte dann: "Seiana, es tut mir Leid, dass ich lange nicht in dieser Casa weilte. Es waren zu viele Erinnerungen damit verbunden, zu viele Gedanken." Nun war es getan. Er öffnete sich und entschuldigte sich, da es ihm Leid tat, seine Familie so verlassen zu haben. Seine Mimik zeichnete diese Stimmung ab.

    Der Kaiserhof braucht Notarii, diese Tätigkeit würde ich auch einer Frau zugestehen aber leider nicht mehr, da es mir sonst zu a-historisch wird. Ein wenig historische Korrektheit können wir uns schon leisten, immerhin fand keine Emanzipation statt. Männer an die Macht! :D