Beiträge von Titus Decimus Verus

    Abgehalftert, von der Straße verschmutzt, traf Verus in der Provinzhauptstadt Mogontiacum ein. Eigentlich wollte er nie an diesen kalten, düsteren Ort, genannt Germanien, reisen aber dies war nun mehr, der am weitesten entfernte Ort von Rom und somit zwangsläufig das einzige Ziel, was Verus ansteuern konnte.


    Sein Pferd wirkte ebenso abgehalftert, wie er und jaulte kurz auf als die beiden durch das Stadttor ritten. Verus stieg erschöpft ab und nahm die Zügel in beide Hände. Er musste sich ein wenig die Beine vertreten. Müde blickte er sich um. Es war recht ruhig um diese Uhrzeit. Es war ja auch früh morgens. Die Germanen waren wohl keine Frühaufsteher. Verus war ohnehin nur hier, um sich mit Proviant einzudecken und dann weiter hinter den Limes zu reisen.


    Dort wäre er von Rom abgetrennt und könnte still hinwegsterben als ob es ihn nie gegeben hätte. Ihm würde sowieso keiner nachtrauern. Seine Familie war zerbrochen. Livianus redete nur aus Pietät mit Verus aber groß zu schaffen hatte er mit ihm nichts.


    Verus war einfach der Versager, den keiner mochte. Er hatte schlicht seinen Glauben an Rom verloren. Verus hatte gekämpft, Heldentaten vollbracht und es wurde ihm nicht gedankt. Gebrochen trat er weiter in die Stadt ein.

    Ein steifer Wind wehte auf der trostlosen Straße. Einige Regentropfen begannen zu fallen. Die Götter schienen ihn ebenso zu verhöhnen. Verus wickelte die Decke, die er sich umgeworfen hatte, enger um den Körper.


    Er zitterte. Sein Ziel war lange noch nicht erreicht. Verus wollte nach Germanien. Diese Reise würde mit diesem altem und müdem Pferd noch eine Weile dauern. Ebenso war er fast pleite, da er das meiste Vermögen Sedulus übergeben hatte. Was ihm blieb war zwar ein Grundstück irgendwo aber dies nützte ihm hier in der Kälte wenig. Doch Verus hatte diese neue Armut selbst gewählt. Er suchte die Freiheit und nur so fand er sie.


    Der Wind schlug ihm ins Gesicht. Das Pferd jaulte kurz auf und dann trapte es müde weiter.

    Irgendwie ahnte Verus, dass diese Kandidatur ihm das Genick brechen würde, doch er ging, wie ein Held einer griechischen Tragödie, in seinen Untergang. Er nickte Livianus zu.


    "Ich danke dir." Er machte sich bereit zu gehen.


    "Ich werde dich nun nicht weiter belästigen," sagte er als er durch die Tür schritt. "Vale, Marcus."

    "Ich möchte nur, etwas abgeben." Er zog das Papyri hervor.


    Sedulus,


    Ich werde mich ins Exil zurückziehen, mein Freund. Anbei gebe ich dir einiges an Geld, um meinen Bauwunsch zu vollenden. Ich werde dir auch sagen, warum ich dies möchte. Ich sterbe, alter Freund. Ich möchte, dass etwas von mir in Rom verbleibt, auch wenn ich dort gänzlich gescheitert bin. Bitte nutze dieses Geld dazu, um die Basilica zu bauen.


    Alles Gute,


    Decimus Verus


    Er reichte dem Türsklaven den Brief und das Geldsäckelchen.


    "Übergebe das beides deinem Herren, Germanicus Sedulus." Er nickte und verschwand dann.

    Ein gelangweilter Bote warf diesen Brief ein.


    An Lucius Aelius Quarto
    Domus Aeliana
    Italia, Rom


    Salve;


    Ich bin gescheitert und ich sterbe, werter Patron. Ich bin in Rom verbrannt und mein Name wird mit Schande gleichgesetzt. Ich habe zu viel gewollt und alles verloren.


    Ich habe dir Schande bereitet. Es war wohl auch für deinen Namen eine Niederlage. Dennoch danke ich dir, dass du mich unterstützt hast. Ich werde immer dein Klient sein und dich unterstützen, sofern du die Unterstützung eines Sterbenden brauchst.


    Ich werde nun ins Exil gehen und Rom nicht weiter mit meiner Anwesendheit belasten. Es tut mir Leid.


    Alles Gute und mögen die Götter dir immer beistehen, mich scheinen sie verlassen zu haben.


    Dein Klient,


    T. Decimus Verus


    Wo sollte er nur hin? Diese Frage brummte ihm im Schädel. In den Osten wollte er nicht. Zumal dort Roms Einfluss zu groß war. Er wollte nicht mehr gefunden werden. Zumindest eine zeitlang nicht mehr.


    Langsam quälte sich das Pferd über die Straße. "Germania magna," sprach er belanglos vor sich hin. "Ich hasse zwar die Germanen aber dort kann ich frei von Rom leben und frei von meinen Geistern der Vergangenheit." Manchmal sind die Feinde, die einzigen Vertrauten.


    "Es ist kalt," wiederholte er seine Gedanken laut. "Damit kann ich leben. Germanen? Barbarisch aber sie werden mich in Ruhe lassen, wenn ich keine Bedrohung für sie bin. So sei es..."


    Verus gab dem Pferd die Sporen und machte sich auf den langen Weg nach Germanien. - Dort, wo ihn keiner kannte. Dort, wo er einfach leben oder sterben konnte.

    "Ich danke dir," sagte Verus erleichtert. Endlich war ihm eine Last von den Schultern genommen.


    "Ich werde nun gehen. Ich wünsche dir ebenso alles Gute." So entfernte er sich. Er grüßte noch kurz: "Senator." So war er dann verschwunden...

    Irgendwo in Italia auf einer trostlosen Straße ritt ein Mann gebrochen dahin. Das Pferd war müde und der Mann darauf ebenso. Er hatte einiges an Sesterzen bei sich, ebenso einiges an Hab und Gut. Die Sonne schien sich zu verdunkeln als der Mann vorbeiritt.


    "Ruhig," sprach er und streichelte das Pferd am Hals.


    Es war Verus, der einsame Reiter. Er war aus Rom geflohen, um sich selbst zu vergeben und in Ruhe sterben zu können. Sein Herz schmerzte. Ab und an lief Blut aus seiner Nase. Er wusste, dass es zu Ende ging.


    Verus ging einiges durch den Kopf. Seine Gedanken formten sich zu einer Art Lied:

    Weise Männer sagen, gehe einfach bis zu den Anfängen des Lichts. Der Wind bläst in dein Gesicht als die Jahre vorbeigingen.


    Hör die Stimme aus der Tiefe - Es ist der Ruf deines Herzens.
    Schließe die Augen und du wirst aus der Dunkelheit finden.


    Hier bin ich, schickt mir einen Retter,
    Hier bin ich im Land des Morgensterns.


    Weise Männer sagen, du musst nur einen Platz im Zentrum der Welt finden.
    Such die wunderschöne Rose in deinem Leben, doch schütze dich vor ihren Dornen.


    Hier bin ich, schickt mir einen Retter.
    Hier bin ich im Land des Morgensterns.


    So ritt er einsam und verlassen in die Welt hinaus. Irgendwo würde er sich eine kleine Hütte bauen und die ganze Welt hinter sich lassen. Jeder stirbt alleine und dies wollte Verus wortwörtlich umsetzen.

    "Da magst du Recht haben aber dieser Versuch ist der letzte meines Lebens. Mein Herz will nicht mehr und ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe. Ich sehe diesen Versuch als ehrenhaften letzten Kampf an, den ich noch schlagen muss. Wenn es mir um Karriere ginge, wäre ich weiter die Ritterleiter empor geklommen. - Doch ich kann nicht mehr."

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator



    "Aha." Potitus schaute nicht viel begeisterter als zuvor, eher noch weniger. "Hört sich für mich eher so an, als wolltest Du Dich unbedingt mit einem Bauprojekt verewigen, egal mit was."


    "Man kann es so sehen," sagte er ehrlich. "Jedoch dient es auch der Stadt, wenn Männer ein Gebäude in so einem Stadtteil errichten. Es geht ja nicht nur um mich, sondern um viele Menschen. Ich wäre sogar bereit darauf, meinen Namen als Bauherr wegzulassen. Nur dein Name und der Name des Senators Germanicus Sedulus werden ihren Platz darauf finden."

    Verus erhob sich und führte den gewünschten Spaziergang durch. Ihm gingen viele Dinge durch den Kopf. Er war alt und sein Herz machte Probleme. Er würde nicht mehr lange leben, das wusste er. Sollte er wirklich kandidieren? Er würde scheitern. Er könnte eine Kandidatur niemals durchstehen und er würde sie nur lustlos ausfüllen. Doch er musste es tun, um für sich den Schlussstrich zu ziehen. Er konnte nicht mehr. Nach einigen Stunden kehrte er zurück.


    "Ich habe mich entschieden. Ich werde mich zurückziehen. Ich werde kandidieren, auch wenn es keine Aussicht auf Erfolg hat. Nach dieser Niederlage werde ich mich auf mein Landgut zurückziehen. Ich gebe hiermit meinen Posten auf." Verus schaute ernstlich. Ihm war bewusst, dass er nun alles weggeworfen hatte, doch er brauchte Zeit.


    "Mein Herz macht mir Probleme und ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe. Ich will die letzten Tage, nach der Kandidatur, noch genießen. Ich hoffe, dass du dies verstehst."

    Verus verstand. "Es liegt bei dir," sagte er. "Ich werde, sofern du es wünscht meine Kandidatur zurückziehen, sofern ich nicht abkömmlich bin. Ich diene in erster Linie Rom und der Kaiser hat mir diesen Posten anvertraut, also sollte ich auf dein Urteil vertrauen, denn der Kaiser hat dich in seiner Weisheit zu meinem Vorgesetzten gemacht."


    Er nickte.


    "Ich möchte jetzt nun nicht einfach gehen. Es erscheint mir als unsittlich."