Während Decima Lucilla, die Auctrix der Acta Diurna, noch redete, machte es für die Sergierin immer mehr den Anschein, als sollten sich die Kämpfe der Ludi Praetorae in der Arena allmählich ihrem Ende zuneigen. Rings herum erhoben sich bereits so manche Zuschauer, und auch Plotina begann zu überlegen, ob es nicht auch für sie allmählich Zeit würde. Schließlich war sie allein und ohne Sklave gekommen und wollte daher auf ihrem Heimweg nicht noch von der Dunkelheit überrascht werden.
Sie hatte sich jedoch gerade das letzte Stück Melone von ihrem Fruchtspieß in den Mund gesteckt und natürlich auch schon wieder damit angefangen, mit dem nun leeren Spieß herumzuspielen, als sie in Lachen ausbrach, das eine ganze Weile andauerte. Dann schaute sie ihre Gesprächspartnerin ein bisschen schuldbewusst, aber auch schelmisch an.
"O, o, Lucilla! Nein, glaub' jetzt bitte nicht, ich hätte dich ausgelacht, das nicht! Aber du erstaunst mich, wie mich hier in Rom bis jetzt so viele Frauen erstaunt haben!"
Wieder musste Plotina lachen, gewann dann aber endlich wieder einigermaßen die Fassung über sich.
"Weißt du, in Aegyptus habe ich oft über die Frauen von Rom gehört, dass sie sich den ganzen langen Tag über nichts anderes Gedanken machten als über das Heiraten. Das trifft bei dir nun sicher nicht zu, da du als Auctrix der Acta Diurna bestimmt noch genug andere Beschäftigung hast und ja auch früher schon in hohen Ämtern gedient hast. Aber ich merke dir natürlich schon deine - nun, sagen wir: fachmännische Vertrautheit mit dem Thema an, gewiss auch beflügelt durch die Klatschgeschichten, die über deinen Tisch in der Acta Diurna gehen."
Plotina, die sich des leeren Fruchtspießes inzwischen entledigt hatte, trank noch den Rest Wein aus ihrem Becher aus.
"Ich höre dich also frank und frei über dieses Thema reden. Aber täuscht mich der Eindruck, oder ändert sich für die römische Frau alles mit ihrer Hochzeit? Was ist beispielsweise aus Tiberia Livia geworden? So weit ich erfahren habe - und sie ist ja doch eine ziemlich bekannte Persönlichkeit, über die man hier und da etwas hören kann - hat sie sich ganz ins Privatleben zurückgezogen."
An Plotinas Nasenwurzel hatten sich wieder die zwei kleinen Falten gebildet, da sie angestrengt nachdachte.
"Aber vielleicht liegt das alles auch einfach daran, dass ich es in Aegyptus eher mit Frauen zu tun hatte, die nicht den höchsten Schichten entstammten bzw. in diese eingeheiratet haben. Ich vermute, je höher man da kommt, desto mehr hat man sich den Traditionen zu beugen."
Während Plotina dieses gesagt hatte, hatte sie nachdenklich vor sich hin geschaut. Nun aber kehrte ihr Strahlen in ihr Gesicht zurück, und sie sah Lucilla direkt an.
"Tja, und ich stehe zum Glück nicht unter einer Patria Potestas! Das alleine wäre schon ein Grund zum Feiern gewesen, findest du nicht!? Dass ich dann aber heute noch so eine wundervolle Gesprächspartnerin getroffen habe wie dich, war natürlich ein noch willkommenerer Anlass! Also, gegen dich verliere ich gerne Wetten!"
Plotina schaute kurz um sich und sah dann ihre Gesprächspartnerin noch einmal an.
"Jetzt allerdings wird es, glaube ich, so langsam Zeit für mich zu gehen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Unten in der Arena scheint sich auch nicht mehr viel abzuspielen; armer Crassus, aber einige der anderen haben sich ja gerettet. - Lucilla, herzlichen Dank noch einmal für diesen wunderschönen Tag, der mir lange in Erinnerung bleiben wird! Ich hoffe und bin auch ganz sicher, dass wir uns bald wiedersehen werden. Du bist übrigens immer gerne auch in die Casa Sergia eingeladen; das Haus steht dir immer offen. Vale!"
Mit diesen Worten verbeugte sich Plotina leicht vor Lucilla. Sie raffte ihr Kleid, richtete sich auf, und steckte Ambrosius das Geld für das Essen zu, dass er für seine Herrin und Plotina als Einsatz für Plotinas verlorene Wette geholt hatte.