Zitat
Original von Decima Lucilla
Nachdenklich schlürfte Plotina einen Schluck Wein. In ihrer anderen Hand hielt sie immer noch ihren abgenagten Fleischspieß. Sie war froh, als sie ihn an Ambrosius abgeben konnte und dafür einen - noch vollen - Früchtespieß überreicht bekam. Den nahm die Sergierin auch sogleich in Angriff und verleibte sich eine Traube ein.
Trotz dieser kulinarischen Genüsse, die sie unter gewöhnlichen Umständen sicher mehr zu würdigen gewusst hätte, schossen Plotina tausend Gedanken durch den Kopf, Gedanken, die ihr völlig neu und unbekannt waren und mit denen sie einstweilen nicht recht umzugehen wusste. Sie war sich auch nicht sicher, inwiefern sie sich ihrer Gesprächspartnerin hier und jetzt offenbaren sollte; immerhin war man ja hier bei den Ludi, aber ein Blick in die Arena brachte auch Plotina zur Überzeugung, dass der Hauptkampf wohl schon vorbei war. So fasste sich die Sergierin ein Herz und begann, dasselbe ein wenig auszuschütten.
"Darf ich dich etwas Persönliches fragen, Lucilla? Ich weiß, es ist hier nicht der richtige Ort, und wir kennen uns erst eine Weile. Aber da ich im Laufe unseres angenehmen Gesprächs mehr und mehr merke, wie weltgewandt und erfahren du bist, scheinst du mir die richtige Ansprechpartnerin zu sein."
Noch zögerte Plotina einen Augenblick und schaute auch wieder hinunter in die Arena, als ob sie von dort noch irgendeine Rettung erwarte. Schließlich aber sprach sie einfach weiter.
"Was hälst du eigentlich von arrangierten Ehen? Nicht, dass ich glauben würde, dass du jetzt eine solche anstrebst. Nein, ganz allgemein. Ich persönlich muss nämlich sagen, dass ich dagegen durchaus nichts einzuwenden hätte. Es müsste nicht einmal ein Soldat sein. Anders als durch ein solches Arrangement würde jemanden wie mich vermutlich auch niemand nehmen."
Beim letzten Satz kicherte Plotina verlegen. Sie nahm auch schnell wieder ihren Becher und trank Wein, wodurch ihr Gesicht einen Augenblick lang dem Blick der Lucilla entschwunden war. Dann hob sie von Neuem an.
"Wie gesagt, ich möchte mir mit Verlobungen und Heiraten noch ein wenig Zeit lassen. Wenn es denn aber einmal so weit wäre - man müsste sich natürlich in gegenseitigem Respekt begegnen, das ist die Voraussetzung, und nichts tun, was den Partner in der Öffentlichkeit bloßstellen könnte. Aber sonst ... Man könnte sich doch gegenseitige Freiheiten lassen."
Und da sie nun schon einmal ins Reden gekommen war, setzte Plotina noch einmal entschlossen hinzu:
"Übrigens scheinen mir die Frauen in Rom sehr brav zu sein. Die Frauen im Osten sind da ganz anders."