Zitat
Original von Decima Lucilla
"Herrje, das hört sich aber nach einer merkwürdigen Kindheit an."
Während Lucilla noch redete, spielte sich in der Arena vor den Augen der Plotina ein Kontrastprogramm zu den heiteren Worten ihrer Gesprächspartnerin ab. Ganz zu Plotinas Verwunderung hatte der Kämpfer Crassus, auf den ja ihre Wette lief, es irgendwie geschafft, einen Geparden von seiner Beute zu verscheuchen und die Gazelle zu packen. Das Tier und sich selber nun aber auch in Sicherheit zu bringen, überstieg dann jedoch seine Kraft - und wohl einfach auch seinen körperlichen Trainingszustand. Ohne eine Spur von Anstrengung holte die flinke Katze den beleibten Kämpfer ein, streckte ihn zu Boden und fügte ihm, trotz tapferer Gegenwehr, eine tiefe Bisswunde zu, an der der Mann schließlich allmählich verblutete.
Plotina seufzte. Ihre Gebete zu den Göttern hatten dem Armen also kein Glück gebracht. Er hätte ja nicht gerade siegen müssen; einfach nur lebendig die Arena verlassen und ein anderes Mal, und dann eben schon geübt, erfolgreicher kämpfen - das hätte Plotina ihm gegönnt.
In solcherlei Gedanken versunken, knabberte Plotina an ihrem Becher - eine schlechte Angewohnheit von ihr, für die sie schon in Kindertagen oft genug getadelt worden war. Plotina erwischte sich schließlich selbst dabei und stellte den Becher auf der Stelle vor sich hin, das allerdings so vehement, dass sie fast etwas von dem Wein verschüttete. Erschrocken blickte sie zu ihrer Nachbarin auf, ob diese etwa Wein abbekommen hatte; zum Glück war dies nicht der Fall, und der Anblick der schönen Dame Lucilla an ihrer Seite brachte Plotina wieder ein bisschen auf andere Gedanken.
"Nun, diese Wette habe ich wohl verloren - armer Crassus! Aber glückliche Lucilla! Und hungrige Plotina! Als du eben so von den Hähnchen und den Eiern erzählt hast, ist mir schon richtig das Wasser im Munde zusammengelaufen. Vielleicht könnten wir hier etwas zu essen bestellen - darf ich dich einladen? Allerdings müsste ich dabei auf deinen Sklaven zurückgreifen; unserer musste heute in der Casa Sergia bleiben."
Plotina hütete sich natürlich zu sagen, dass die Verhältnisse in der Casa Sergia im Moment alles andere als geordnet waren.
"Lass dir einfach kommen, was du möchtest! Vielleicht gibt es ja hier auch Hähnchen! Auf die mit dem eindrucksvollen KFC-Schild will ich ihn Zukunft mal achten, auch wenn ich eigentlich gar kein Fleisch esse. Ich bin das von Kindheit an so gewohnt."
Schlagartig fiel Plotina an dieser Stelle ein, was Lucilla da vorhin von ihrer 'merkwürdigen Kindheit' herausgerutscht war. Sie verstummte und errötete. Eigentlich hatte sie nie den Eindruck gehabt, dass ihre Kindheit merkwürdig gewesen war; sie selbst hatte sie eben als völlig normal empfunden. Aber nein, das war sie wohl offensichtlich nicht gewesen. Was war überhaupt normal in ihrem Leben gewesen?
Mit einer vehementen Bewegung riss Plotina ihren Kopf herum und tat dabei so, als sei ihr ein Insekt in die Augen geflogen. Nur mit Mühe konnte sie verbergen, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Plotina musste ihre gesamte Kraft zusammen nehmen, um die Tränen zurückdrängen; sie konnte sich jedoch nicht enthalten, laut zu sagen:
"Ja, seitdem ich in Rom bin, sehe ich vieles mit anderen Augen. - Ach ja, und nach Rom bin ich teilweise auf dem Landweg gekommen, richtig. Dabei waren wir - ich und mein paedagogos Basilides - einige Zeit in Edessa. Also, auf mich hat die Stadt einen recht kultivierten Eindruck gemacht, wir haben allerdings auch bei einer Freundin meines paedagogos gewohnt, die selbst Gelehrte ist. Sonst ist die Gesellschaft dort schon auch zum Teil kriegerisch, das stimmt."
Plotina merkte, dass sie sich mit diesem Thema wieder in gefährliches Fahrwasser begeben hatte, gerade angesichts des drohenden Krieges. Daher beeilte sie sich nachzuschieben:
"Dort habe ich übrigens auch auf einem Kamel gesessen, das war lustig, ja! Ich erinnere mich, ich habe auch schon mal als kleines Mädchen auf einem Kamel gesessen, aber da hat mich Basilides festgehalten, das war gar nichts. Aber in Parthien! Also, als ich das erste Mal auf diesem Tier gesessen hatte - meine Güte noch mal, was hat mir da nicht alles weh getan! Aber mit der Zeit, ich muss sagen, das Reiten auf einem Kamel trainiert sogar."
Plotina nahm lachend noch einen Schluck aus ihrem Becher.
"Ach, übrigens, magst du Sport? Ich bin damit aufgewachsen und würde gerne auch einmal hier in die Therme gehen."