Eigentlich war das ja gar nicht Plotinas Art. Sie bemühte sich stets, ihren Gesprächspartnern volle Aufmerksamkeit zu schenken, und hatte schon in jüngeren Jahren als gute Zuhörerin gegolten.
Jetzt aber war sie in einer ihr fremden Stadt und noch dazu nicht in irgendeinem "Marktflecken des Ostens", von dem sie am Anfang ihrer Begegnung mit Antipater gesprochen hatte, sondern in der Hauptstadt des Imperiums. Seit ihrer Ankunft strömten immer neue spannende Eindrücke auf sie ein, und jetzt bewegte sie sich mit Antipater durch ein ihr gänzlich unbekanntes Viertel Roms, das ihr ausnehmend gut gefiel: Nicht so überlaufen wie das Zentrum der Stadt, sondern malerische, schattige Gassen, deren Ladenlokale jetzt um die Mittagszeit zum Verweilen einluden.
Dankbar blickte sie ihren Führer Antipater an. Doch was hatte er gerade gesagt? Plotina musste ihre Gedanken erst einmal wieder auf ihn richten. Ihr würde gleich sicher wieder einfallen, worüber er zuvor gesprochen hatte; zunächst lag ihr etwas anderes auf dem Herzen.
"In diesem Viertel Roms bin ich bisher noch nie gewesen - und ich muss sagen, ich habe etwas verpasst. Ohne dich wäre ich aber sicher nicht so bald hierher gekommen. Schon jetzt danke ich den Göttern, dass ich dir begegnet bin."
Antipater machte gerade vor einem der Ladenlokale Halt und geleitete Plotina in das aufgeräumte und gemütliche Innere. Diese genoss es, sich einmal nicht um alles kümmern zu müssen. Sie hatte ja jetzt auch Mittagspause; erst am Abend, wenn es wieder kühler geworden war, würde sie weiter ... Ach, das war es ja, worüber Antipater geredet hatte!
"Du hast übrigens Recht, ich lerne schon an der Schola Atheniensis. Und ich muss leider sagen, ich merke jetzt, dass vieles von dem, was ich in Ägypten über Rom gelernt habe, doch nur Halbwissen war. Na, umso mehr werde ich dann jetzt ja wohl auch dazu lernen, dann lohnt es sich wenigstens! Du bist sicherlich ein sehr gelehrter Mann - darf ich ganz neugierig fragen: Was hast du in Rom getan, bevor du im Tempel der Ishtar gewirkt hast?"