Beiträge von Sergia Plotina

    Da jetzt zwischen den einzelnen Redebeiträgen eine Pause eingetreten war - oder vielleicht auch gar keine Rede mehr folgte, woher sollte Plotina das wissen? -, hatte der Lärmpegel auch in unmittelbarer Nähe der Rostra wieder zugenommen: Statt zuzuhören, diskutierten die Menschen über das, was in den Reden zuvor angemahnt worden war.


    Plotina hatte deshalb alle Mühe, Theodorus zuzuhören, und sie merkte schon, wie ihr Lächeln sich ein wenig verkrampfte, weil sie sich so anstrengen musste. Dies bedauerte sie umso mehr, als ihr Gesprächspartner sich als wirklich kenntnisreicher Erzähler entpuppte.


    Sie sah sich um, als könnte sie die emotionsgeladen Diskutierenden in ihrer Nähe mit einem bloßen Blick zur Ruhe zwingen. Na, wenigstens schien sich die Menge der Zuhörer nun zu verlaufen, wo es nichts mehr zuzuhören gab. Allmählich wurde das Gedränge rings um die Rostra lichter, und Plotina atmete auf.


    Nun hatte sie aber selber Theodorus nicht mehr ganz so genau zugehört. Etwas erschrocken, sich dabei ertappt zu haben, wandte sich Plotina ihm wieder mit voller Aufmerksamkeit zu. Was hatte er gerade gesagt? Woher sie seine Familie kennt? Plotina lächelte erleichtert. Ja, dazu konnte sie allerdings eine Menge sagen. Sie würde nur einen kleinen Moment brauchen, um ihre ausführliche Antwort auf diese Frage in eine verständliche Form zu bringen.


    Deshalb richtete sie ihren Blick kurz von Theodorus weg in die Ferne und sammelte ihre Gedanken. Beiläufig, fast nur unterbewusst bemerkte sie einen ziemlich angegriffen aussehenden Jungen, der sie kurz ansah und Theodorus streifte. "Seltsam, wo es doch jetzt nicht mehr so voll ist", blitzte es in Plotina kurz auf. Dann wandte sie sich wieder Theodorus zu.


    "Mein Vater war oft auf Reisen, so dass ich fast ausschließlich von einem gelehrten Sklaven erzogen worden bin, Basilides, gebürtig aus Athen. Er war ein Mann von umfassender Bildung in römischer und natürlich griechischer Kultur. Er hatte einen weltoffenen Geist, und schon kurz nach seiner Ankunft in Ägypten hat er Beziehungen zur jüdischen Gemeinde von Alexandria aufgenommen ..."


    und so hätte Plotina noch lange weitererzählt von dem Mann, den sie bewunderte wie keinen anderen - plötzlich schoss ihr etwas durch den Kopf, ein gestochen scharfes Bild von einem Vorgang. Sie hielt bestürzt inne, und fragte sich krampfhaft, wie sie dieses Bild einordnen könnte. Dann hob sie mit einem Mal ihren Kopf, schaute entsetzt um sich, dann packte sie Theodorus an den Schultern und stammelte:


    "Der Junge, wo ist dieser Junge!?"


    Theodorus sah sie entgeistert und höchst beunruhigt an. Er legte nun seinerseits seine Hände auf ihre Oberarme, um sie wieder zu sich zu bringen. Aber da hatte sie ihre Fassung schon selbst wieder gefunden. Sie sah den Gelehrten mit festen Blick an:


    "Verzeih dieses Schauspiel gerade, aber ich bin mir sicher ... Theodorus, wo bewahrst du deinen Geldbeutet auf, ich meine: Bist du sicher, dass du ihn noch hast?"

    Gern legte Plotina Vonones ihre Hand auf die Schulter und ließ seine Worte auf sich wirken.


    "Ich bin ja sehr behütet aufgewachsen und habe deshalb in meinem Leben noch nicht solche Erfahrungen gemacht wie du. Aber wie es sich anfühlt, in dieser Metropole fremd und heimatlos zu sein, erlebe ich ja selbst gerade. Im Grunde bewege ich mich ja im Moment auch wie eine Peregrina in Rom."


    Plotina wurde sehr nachdenklich.


    "Hoffentlich bin ich dem allen gewachsen. Die Gens braucht im Moment eher meine Hilfe als dass ich etwas von ihr erwarten kann, sonst kenne ich hier praktisch niemanden, und auch du erwartest eine ganze Menge von mir. - Hast du eine Idee?"

    "Nun ja, vor einigen Monaten ist mein Vater gestorben; er war mein letzter Verwandter in Ägypten, und der Rest meiner Familie lebt halt hier in Rom. Und so schön Alexandria ja auch ist - ich wollte auch mal in die Hauptstadt des Imperiums."


    Plotina war sehr belustigt, auf dem Forum in Rom, wo gerade Reden zu Ehren des Kaisers gehalten wurden, über Alexandria zu sprechen.


    "Ich bin mir fast sicher, dass du auch hier in Rom als Gelehrter arbeitest - ich meine, wenn man aus so einer Familie kommt wie du. Vielleicht kannst du mir deshalb helfen. Ich bin hier in Rom noch immer auf der Suche nach einer guten öffentlichen Bibliothek; in Alexandria ist daran ja kein Mangel."

    Zitat

    Original von Theodorus von Alexandria
    "Oh Nein, Verzeih meine Unhöflichkeit! Natürlich habe ich dich gerade angesprochen, aber das hat sich schon wieder erledigt. Ich war nur etwas verwundert über die Intention des Redners der ersten Rede.


    Um ehrlich zu sein hat sie mir besser gefallen als die zweite, welche ich doch, wenn auch engagiert, ein bisschen - merkwürdig - fand. Aber der Redner ist ein Bekannter von mir und ich wollte ihn nicht kränken. Mein Name ist übrigens Theodoros, Sohn des Iosephos der Alexandriner. Erfreut, deine Bekanntschaft zu machen."


    Plotina konnte es vor Freude kaum fassen.


    "Nein, das gibt es ja gar nicht! Da fahre ich nach Rom, und wen treffe ich hier auf dem Forum: Theodores, Sohn des Iosephos des Alexandriners!"


    Sie blickte ihn an, als sei ihr in ihm gerade die Inkarnation eines Gottes erschienen.


    "Mein Name ist Sergia Plotina. Das wird dir nichts sagen. Aber dein Name und der deines Vaters sagen mir umso mehr. Ich bin nämlich in Sais aufgewachsen - und habe dort auch bis vor kurzem gelebt - und war natürlich oft zu Bildungszwecken in Alexandria."


    Sie verneigte vor ihm leicht ihren Kopf.


    "Und jetzt stehst du also hier auf dem Forum und lauscht römischen Reden zu Ehren des Kaisers ..."

    Plotina hörte Vonones schweigend zu. Zunächst wunderte sie sich sehr über ihn: Er sprach mit starker, aber irgendwie künstlicher Emphase über dies und das und erwähnte viele Namen und Ereignisse aus seiner Heimat, die Plotina nicht richtig einordnen konnte, obwohl sie ja einige Zeit in Edessa verbracht hatte. Besorgt sah sie ihn an. War er vielleicht ein wenig durcheinander? Was mochte wohl hinter all dem stecken?


    Ganz klar wurden ihr die Hintergründe auch im weiteren Verlauf von Vonones' Erzählungen nicht, sie begann aber zu ahnen, was ihn aus seiner Heimat vertrieben hatte. Eine ganze Zeit lang schwiegen die beiden, dann begann Plotina behutsam zu sprechen:


    "Mein Lieber, in diesem Moment bedaure ich es, noch nicht älter zu sein und mehr Lebenserfahrung zu haben. Denn dann wüsste ich jetzt besser, ob ich einfach weiter schweigen soll, ob ich dir meine Hand auf die Schulter legen darf, oder ob ich dich ganz einfach frage, was du jetzt als nächstes hier in Rom tun möchtest - und wie ich dir dabei helfen kann ..."

    Plotina schüttelte belustigt den Kopf.


    "Aber nein, über Detritus würde ich doch nicht lästern! Dafür bin ich viel zu sehr von ihm beeindruckt und stehe auch sehr in seiner Schuld. Aber du hattest mir so eine schöne Vorlage für eine rhetorische Erwiderung gegeben ... Es ist also deine Schuld!" :)


    Dabei blickte sie Antipater schelmisch an.


    "Jetzt will ich aber wieder im Ernst sprechen. Ich bin fremd hier in Rom und würde mich wirklich sehr glücklich schätzen, in dir einen der ersten Freunde in dieser Stadt zu finden."


    Plotina musste schon wieder lachen.


    "Vor allem auch einen Freund, der die hiesige Gastronomie so gut kennt, denn, du meine Güte, während du gerade so eloquent die Speisen beschrieben hast, die wir beiden uns gleich einverleiben könnten, ist mir das Wasser im Munde zusammen gelaufen. Allmählich werde ich wirklich hungrig. Wollen wir gleich gehen, oder musst du im Tempel noch etwas erledigen (und wenn ja, bitte keine Details!)?" :D

    Was den Wein anbelangte, wusste Plotina jetzt, wovon Caecilius Metellus gerade sprach ...


    Sie hatte sich eine ganze Zeit lang zurückgelehnt und vom eigenen Weingenuss erholt. Jetzt beugte sie sich vor und wandte sich an den Centurio:


    "Natürlich kenne ich dich kaum, aber nach meinem ersten Eindruck kann ich Verus nur zustimmen: ein geborener Offizier, gerecht und streng - und maßvoll, was den Wein angeht! Das sieht man nicht bei jedem Soldaten." ;)

    Plotina freute sich für die Redner - und auch für den Kaiser - über den Jubel, der jetzt allenthalben erscholl. Das würde wohl auch die Sicherheitskräfte beruhigen, die während der Reden an strategischen Punkten des Forums Stellung bezogen hatte.


    Sie selbst war zurückhaltend, was die Sympathiebekundungen für den Kaiser betraf. Nicht, dass sie etwa nicht mit ihm zufrieden gewesen wäre oder ihm Schlechtes gewünscht hätte, im Gegenteil. Aber sie war stets mit allzu überschwänglichen Jubelrufen in der Öffentlichkeit für den Kaiser vorsichtig gewesen: Vielleicht würde man diesen gerade aus dem Munde einer Sergierin misstrauen ... - So beließ sie es bei herzlichem Applaus. :app:


    Dann aber hielt sie inne: Hatte sie nicht eben in dem Trubel ein Mann angesprochen? Sie war sich nicht sicher, und hatte wegen des Lärms auch nichts verstehen können. Sie sah sich um. Ganz in ihrer Nähe stand ein fremdländisch aussehender Mann mit markanten, edlen Gesichtszügen. Er hatte eben laut Hochrufe auf den Kaiser ausgestoßen. Eine Stimme in ihr sagte Plotina, dass dies der Mann gewesen sei, der sie angesprochen hatte.


    Im Moment sah er zu dem zweiten Redner auf, der umgekehrt auch ihn schon in den Blick genommen hatte; die beiden schienen sich zu kennen. Plotina war sich deshalb nicht sicher, ob sie den Mann ansprechen sollte, wagte sich dann aber doch vorsichtig heran.


    "Salve! Entschuldige, aber mir war, als hättest du mich vorhin angesprochen; ich konnte aber im Lärm nichts verstehen. Mir scheint, du kennst diesen zweiten Redner, und seine Rede hat dir gefallen? - Mein Name ist übrigens Sergia Plotina."

    Also die Oberpriesterin der Vesta persönlich! Plotina war überrascht, dass diese Frau überhaupt ein Wort an sie richtete, und noch dazu in so freundlicher und schlichter Rede. Nun wollte auch sie die Vestalin nicht einfach stehen lassen, und sagte daher zu ihr:


    "Mein Name ist Plotina, Sergia Plotina. Nun, vielleicht hast du Recht, und die Menschen verlieren wirklich das Interesse an der Religion; manchmal denke ich das auch. Ich finde aber, dass euer Dienst gerade dann um so wichtiger ist, damit das Gedenken an die Götter nicht ganz aus dem Blickfeld der Menschen verschwindet."


    Plotina wollte noch etwas anfügen, aber die Menschenmenge schwoll immer mehr an, und sie hatte Mühe, nicht einfach mitgerissen zu werden. Deshalb sagte sie nur noch:


    "Ich danke dir nochmals für das Räucherwerk, Agrippina. Gerne werde ich an einem anderen Tag in den Tempel der Vesta gehen und zu ihr beten, an einem Tag an dem es ein bisschen ruhiger ist als heute."


    Sie deutete lächelnd auf die feiernden Menschen und verdrehte im Spaß die Augen.


    "Ich würde mich freuen, dich dann wiederzusehen. Bis dahin möge dich Vesta behüten!"


    Dies sagte sie noch und winkte Agrippina zu, dann wurde sie von der Menge mit fortgezogen.

    Plotina lehnte sich zurück. Dank des Brotes ging es ihr auch wieder besser.


    "Ja, man glaubt wirklich nicht, dass es hier mitten in Rom einen solchen Ort gibt. Wenn man bedenkt, was zum Beispiel auf dem Forum immer los ist, besonders wenn dort Reden gehalten werden." ;)

    Plotina hatte glücklicherweise so gestanden, dass sie jedes Wort der Rede gut verstehen konnte. Sie wunderte sich sehr über Titus Decimus: War das nicht seine erste Rede gewesen? Dass er sich das zugetraut hatte, und dann gleich vor einer so großen Volksmenge an diesem Festtag.


    Plotina sah, wie Verus erleichtert, aber auch erschöpft abtrat; er hatte merklich sehr viel Engagement in seine Rede gelegt und mit ganzem Herzen gesprochen, allein dafür schon applaudierte Plotina. Verus wurde von einem anderen Mann in Empfang genommen, in dessen Begleitung er sich offenbar befand; diesen kannte Plotina nicht, er sah aber auch sehr wichtig und vornehm aus. Ob der jetzt auch noch eine Rede halten würde?


    Zunächst einmal trat aber eine kurze Pause ein, und Plotina sah sich um. Sie war neugierig und wollte gerne wissen, wie die Rede von Verus auf andere Zuhörer gewirkt hatte.

    Um dem Blick des Verus auszuweichen, aber auch aus echter Notwendigkeit sah Plotina zu den Käsebroten, die auf einem Tuch auf der Marmorbank ausgebreitet waren.


    "Wenn ich mir doch eines der Brote nehmen dürfte, ich glaube, dann setzt mir dieser köstliche Wein nicht mehr so zu."


    Sie schwieg einen Augenblick.


    "Ich weiß eigentlich gar nicht, ob das hier in Rom so üblich ist, aber wenn es möglich ist, dann würde ich - auch als Frau - euch beide gerne in diese Taverne einladen. Ich glaube, ich weiß sogar, wo sie ist."

    "Ha, ha, durch und durch Halbgrieche und Halbrömer, das ist gut formuliert."


    Plotina erschrak: Der Wein zeigte erste Wirkung.


    "Nun ja, ich muss sagen, dass der Wein sich bei mir schon etwas bemerkbar macht. Ich glaube, dass ich mich gleich entfernen sollte, bevor ich den Herren noch zur Last falle."


    Sie senkte den Blick.


    "Auf unserem Landgut in Ägypten hatten wir auch eine kleine Brauerei. Schade, dass mir im Moment die Mittel fehlen, etwas Bier nach Rom bringen zu lassen; meine eigene Reise hat schon Unsummen verschlungen. Ich weiß auch nicht, ob das Bier die Überfahrt gut überstehen würde."


    Plotina wandte sich den beiden Männern wieder zu.


    "Ich hätte euch sonst gerne zu einem Krug oder mehreren eingeladen. Oder wisst ihr vielleicht, wo man so etwas in Rom bekommen oder trinken kann? In einer Taverne vielleicht? Ich würde mich gerne für eure Gastfreundschaft hier in den Horti revanchieren."


    ... und jemanden wiedersehen. Aber das behielt Plotina für sich.

    Plotina nippte wieder an ihrem Wein.


    "Ah, dieser ist gar nicht so süß, den kann man wirklich trinken. Na ja, in der Not würden wohl auch Amun und Isis Wein trinken." :)


    Plotina merkte, dass sie aufpassen musste. Sie war Wein nicht gewöhnt, und er durfte ihr nicht zu Kopf steigen; sie wollte hier - besonders vor Verus - nicht aus der Rolle fallen.


    "Aber sagt, seid ihr gebürtige Römer, oder hat euch auch irgendein exotisches Schicksal hierher gespült?"

    "Nein, ich wollte das römische Bier kennen lernen." :D


    "Im Ernst: Ich stamme ja aus der Gens Sergia, aber aus einem Zweig der Familie, der in Ägypten heimisch geworden ist. Vor einigen Monaten ist mein Vater verstorben; er war mein letzter Verwandter im Osten des Reiches, alle anderen leben in Rom. Und weil ich auch in meiner ganzen Erziehung darauf vorbereitet worden bin, Rom zu dienen, so gut ich kann, hielt mich nichts mehr in Ägypten."


    Plotina griff nun doch nach einem Schluck Wein, denn es wurde jetzt immer wärmer.


    "Also, wie gesagt, ich bin nicht gekommen, um mir hier Seidenstoffe anzusehen, sondern um mich nützlich zu machen. Meinst du denn, ich könnte mich an Spurius Purgitius Macer wenden? Wo finde ich ihn?"

    Sim-Off:

    Ich hoffe, man darf zuhören - und sich so seine Gedanken machen!


    Plotina hatte sich von der guten Stimmung der Menschen an diesem Festtag anstecken lassen. Dass sie auf dem übervollen Forum den ein oder anderen Puff abbekam, steigerte eher noch ihre Fröhlichkeit.


    Irgendwie wurde sie immer noch weiter geschoben und befand sich auf einmal vor der Rostra. Sie blickte kurz auf - und traute ihren Augen kaum: Titus Decimus Verus? Wollte er jetzt etwa eine Rede halten?


    Energisch löste sich Plotina von der Menge und machte, dass sie in die Nähe der Rostra kam, um auch ja kein Wort von Verus zu verpassen. Sie schaute erwartungsvoll zu ihm auf und hoffte, auch er würde sie sehen, damit sie ihm einen aufmunternden Blick zuwerfen konnte; er sah nämlich ziemlich angespannt aus.


    Und wenn er jetzt reden wollte, dann hatte er auch etwas Wichtiges zu sagen, so gut kannte sie ihn inzwischen. Sie blickte um sich und hoffte, dass möglichst viele zuhören würden.

    "O nein!" lachte Plotina auf.


    "Jetzt muss ich mich schon wieder als Außenseiterin präsentieren! Also, von Ägypten her bin ich nicht so gewöhnt, Wein zu trinken, und ich hoffe, ich trete den Herren Römern jetzt nicht zu nah, wenn ich sage" -


    Plotina blinzelte beide an -


    "dass mir der römische Wein einfach auch zu süß ist. Und ich finde, verdünnt schmeckt er überhaupt nicht. Ich trinke Wasser oder eben auch - Bier."

    Auf ihrer langen Reise nach Rom war Plotina mit so mancher brenzligen Situation konfrontiert worden. Ohne sich selber loben zu wollen, musste sie doch sagen, dass sie sich in solchen Situationen meist ruhig und überlegt verhalten hatte.


    Jetzt aber errötete sie über und über. Ihr Lehrer hatte sie zeit ihres Lebens erfolgreich vor solchen Begegnungen wie der heutigen abgeschottet. Sie war total konfus und starrte Verus an.


    Dieser musste ihr Glotzen als brüske Zurückweisung auffassen - und Plotina wollte auf keinen Fall, dass er das denkt! Sie hoffte ja noch darauf, dass Quintus Caecilius das Wort wieder ergreifen würde. Der aber schwieg, und sie wusste ja auch, dass es jetzt an ihr war, Verus zu antworten. Sie nahm also ihre ganze Kraft zusammen:


    "Titus Decimus, solche Komplimente sind mir ganz neu und machen mich sprachlos. Ich möchte dieses Kompliment aber gerne an dich und deinen Freund Quintus Caecilius zurückgeben. Ich bin sicher, dass ihr beide einen Weg vor euch habt, auf dem ihr Rom und seinen Bürgern in verantwortungsvoller Weise dienen könnt."


    Linkisch lächelnd fügte sie hinzu:


    "Es wäre mir eine Ehre, wenn ich eines Tages dabei behilflich sein könnte. Wenn es um wichtige Dinge geht, kann ich eine ganz schön redegewandte Propagandistin sein. Lasst mich wissen, wenn ich etwas tun kann." :)


    Plotina war glücklich, dass sie überhaupt irgendetwas Zusammenhängendes über die Lippen gebracht hatte.


    "Und, ach ja, Wasser. Wenn man irgendwo lernt, mit Wasser umzugehen, dann in Ägypten."


    Und sah Verus dankbar an.

    Werden die Römer des Feierns denn gar nicht müde?, dachte Plotina belustigt, als sie die vielen, vor allem jungen Menschen sah, die teils als Hirten verkleidet durch die Straßen der Stadt zogen, um die Parilia feierlich-fröhlich zu begehen.


    Auch Plotinas eigene Stimmung wurde durch die vielen ausgelassenen Jubel-Rufe merklich gehoben. Sie lächelte und hatte auch gar nichts dagegen, ab und zu Stöße zu bekommen - und überhaupt von der Menge in Richtung des Forums gedrängt zu werden. Sie ließ sich einfach treiben und genoss die allgemeine Heiterkeit.


    Auf dem Forum selbst war das Treiben noch bunter und lauter, weil doch die Menschen hier noch enger zusammengedrängt waren als zuvor auf den verschiedenen Zugangsstraßen. Deshalb hätte Plotina auch fast die junge Frau vor dem Tempel der Vesta übersehen. Als Plotina aber erst einmal auf sie aufmerksam geworden war, wusste sie gleich: Dies war eine hohe Virgo der Vesta.


    Plotina hatte schon einmal gehört, dass sie Vestalinnen an den Parilia Räuchermittel ausgaben. Und tatsächlich trug auch diese Vestalin Räuchermittel bei sich. Allerdings stand sie gerade etwas verloren herum, hatte sie ihre Hände sinken lassen und blickte ein wenig traurig um sich.


    Wieder erhielt Plotina einen Stoß, aber wie es Fortuna gefiel, drängte dieser sie geradewegs auf die Vestalin zu.


    "Hohe Frau, ich bin fremd hier in Rom, und du musst verzeihen, ich weiß nicht einmal, wie man dich richtig anspricht. Aber könntest du mir auch Räuchermittel geben, damit ich sie zu Ehren der Götter verbrennen kann?"


    Die Vestalin reichte ihr etwas, blickte aber kaum auf. Plotina wollte ihr gerne noch irgendetwas Aufmunterndes sagen.


    "Es muss dich mit tiefer Freude erfüllen, heute so direkt mit den Bürgern Roms in Kontakt treten zu können, um den Göttern zu dienen?! Ich jedenfalls bin für euren Dienst sehr dankbar!"