Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Salve. Ah ja. Ich bin Pontia, die Haushälterin des Tribuns." sprach die Wächterin der Schwelle, "Nun junger Mann, dann bitte ich dich um einen Moment Geduld, ich werde nachsehen ob der Tribun zu sprechen ist."
    Die Türe ließ sie halboffen, verschwand im Inneren des Hauses und kehrte sogleich wieder zurück.
    "Bitte komm herein." Würdevoll schritt sie dem Besucher voran, durch das Atrium, in dem ein mamorner Athlet, den Speer auf der Schulter tragend, gelassen von seinem Sockel blickte.
    "Er ist im Peristylium.


    * * *


    Mit einer großen Kupferkanne in der Hand ging ich durch das Peristylgärtchen und wässerte die Blumen. Ich mochte diese Tätigkeit, es war so entspannend (wahrscheinlich sprach es das hispanische Landmann-Erbe in mir an), und im Vorübergehen strich ich mit der ausgestreckten Hand fast zärtlich durch die grünen Spitzen meiner prächtig gedeihenden Hanfpfanzen. Tief in Gedanken, widerstreitenden aber doch hypnotischen Gedanken, gefangen, betrachtete ich den Efeu, der in einer Ecke an der Hauswand emporkroch, und der mir sofort den Efeu in der Krone des Meditrinalien-Bacchus lebhaft vor Augen stehen ließ... dann die Iris neben dem kleinen Brunnen – tiefblau, wie die Tinte des Briefes, der mich in diese Verwirrung gestürzt hatte... und die Feuerlilien, ihre sattroten Blätter, die goldenen Staubfäden, aus deren Mitte kühn der Stempel aufragte... Ich seufzte schwer, zum wiederholten Male.
    Gerade füllte ich die Kanne neu, als Pontia hereinkam und mir Besuch meldete. Sie solle ihn reinlassen sagte ich, und goss die Lilien. Ablenkung war mir sowieso willkommen. Doch es wunderte mich ein wenig, dass er hierher kam, irgendwas musste los sein, das er nicht mit seinem Optio oder Centurio klären konnte.
    "Salve Artorius" grüßte ich, als Pontia ihn hereinführte, stellte die Kanne auf dem Brunnenrand ab und wandte mich ihm zu. "Was gibt es?"

    Und mit einem Mal war mein Schreibtisch noch viel voller, als er es sowieso schon gewesen war. Celeste hier? Ich musste einen Termin vergessen haben... kein Wunder, ich war heute einfach nicht bei der Sache... ob sie deswegen so ungnädig dreinschaute?
    "Celeste, salve meine Liebe, welch eine Freude dich zu sehen!" sprach ich, und runzelte kurz die Stirn, denn ob dieser Unterbrechung war mir der Gedankenstrang, den ich gerade verfolgt hatte, entglitten... Etwas verspätet erhob ich mich, gab ihr den obligatorischen Kuss auf die Wange.
    "So schwer beladen?" Mein Blick fiel auf die beiden Soldaten, die offenbar mit ihr gekommen waren, und sich nun vor meinem Officium rumdrückten. "Und so ausgiebig eskortiert?"
    Auf mein "Abite!" traten die beiden weg. Ich schloß die Türe und wandte mich wieder Celeste zu – gut dass sie da war, ich brauchte unbedingt Rat, und zwar von jemand aussenstehendem, unbeteiligten, jemandem mit kühlem Kopf...


    "Celeste", fragte ich drängend, "sag mal. Was meinst du. Ist es schnöde, einen Liebesbrief nicht mit eigener Hand niederzuschreiben? Sondern ihn zu diktieren. Oder findest du, dass das etwas ganz normales ist... etwas, das es gar nicht wert ist, dass man sich darum Gedanken macht?"

    [Blockierte Grafik: http://img203.imageshack.us/img203/5231/pontia.jpg| Pontia


    Pontia erledigte gerade den Abwasch, und Ravdushara trocknete ihr das Geschirr ab. Aber mehr schlecht als recht, und wiederholt musste sie ihn zurechtweisen, weil er schlampig arbeitete, oder das Geschirr ganz ohne Rücksicht auf die in ihrer Küche herrschende Ordnung wegräumte. Als das Klopfen von der Türe her drang, ließ sie ihn, nach einer weiteren Ermahnung, in der Küche alleine und strebte, sich die Hände an der Tunika trockend, zum Eingang. Mit energischem Schwung öffnete sie die Türe und fasste den jungen Soldaten davor aufmerksam ins Auge.
    "Ja bitte?"

    Eine Erschütterung des Rumpfes, dann begann das Schaukeln - wir hatten vom Pier des Mareotishafens abgelegt. Ich befand mich unter Deck, ging mit eingezogenem Kopf durch den düsteren Raum mit der niedrigen Decke, in dem die Soldaten dicht an dicht untergebracht waren und vergewisserte mich, dass hier alles in Ordnung war. Wie Schiffe das so an sich haben war es verdammt eng. Die Pferde waren direkt daneben angebunden, man hörte ihr unruhiges Stampfen und ihr Geruch vermischte sich mit dem Dunst der Bilge und des Teers. Die Luken nach oben standen weit offen und ließen ein wenig warmen Wind herein.
    Ich befahl die Tesserarii zu mir und besprach mit ihnen die Einteilung zum Rudern, alsbald trat dann auch der erste Schwung Soldaten an, wurde von einem Optio der Classis grob eingewiesen, dann legten sie sich in die Riemen und das Schiff gewann an Fahrt. Darauf begab ich mich wieder an Deck und warf einen Blick über die weite, in schmerzhafter Helligkeit gleißende Wasserfläche des Mareotis-Sees, auf dem sich unsere Flotte nun entfaltete. Mit einem Gefühl der Erleichterung wurde mir bewusst, dass wir nun wirklich unterwegs waren.


    Erschöpft von all diesen Aktivitäten in meinem nicht gerade Bestzustand begab ich mich in meine Kabine, sie war klein, aber unter den gegebenen Umständen betrachtete ich sie als Luxus. Mein Leibsklave war auch schon dort. Er half mir die Riemen des Harnischs zu lösen, und mit einem Seufzen der Erleichterung legte ich das Metall ab, streifte das gepolsterte Subarmalium und die verschwitzte Tunika ab, ließ mich auf den Boden sinken, den Rücken an die Koje gelehnt und schloß die Augen.
    "Als wir damals nach Parthien aufgebrochen sind, uns in Ravenna eingeschifft haben, da haben die Leute uns zugejubelt... Blumen geworfen und so... Aber hier gar nicht... hier hab ich eher den Eindruck sie freuen sich uns los zu sein..." Undankbare Peregrine. "...ooh, ich hab so entsetzliche Kopfschmerzen, Ravdushara, tust du mal bitte was dagegen..."
    Mein neuer Sklave war nämlich sehr talentiert. Er nickte und benetzte sich die Finger mit wohlduftendem Verbenenöl, dann setzte er sich hinter mich und legte die kühlen Finger gefühlvoll an meine Schläfen. Mit sanftem Druck begann er sie zu massieren. Ich legte den Kopf zurück und entspannte mich, lauschte dem Strömen des Wassers an den Planken, während das Schiff auf den vielbefahrenen Kanal zustrebte, der diesen See mit einem der Nilarme des Deltas verband, ab da würden wir dem großen, mythenumwobenen Strom folgen, bis in den äussersten Süden des Imperiums. Was mochte uns dort erwarten...

    Warum nur musste er so elendig laut sprechen... Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich die Rede über mich ergehen. Octavius war offenbar wenn's drauf ankam, trotz seiner umgänglichen Art ein harter Hund. Endlich war es vorbei, und die angetretenen Offiziere strömten wieder zu ihren Einheiten.
    "Die erste und zweite Centurie der zweiten Cohorte hier rüber!" tönte ich. "Sobald die Pferde verladen sind, geht ihr an Bord des Flagschiffes Furia."
    Es war schon faszinierend, wie unsere gut geölte Befehlsmaschinerie sich in Gang setzte und die Anordnungen des Praefectus bis zum letzten Legionär, Reiter und Trossklaven trug, wie nach und nach die verschiedenen Truppenteile in Bewegung gerieten und sich mitsamt Ausrüstung, Tieren, Wägen, Proviant, Wasserfässern, Pila muralia, schwerem Gerät und was weiß ich noch allem auf die verschiedenen Schiffe der Flotte verteilten.
    Eine arg zusammengewürfelte Flotte war es, nicht besonders elegant, zu den Schiffen der Classis gesellten sich zivile Getreidebarken, Handelsschiffe und Lastkähne. Aber das Einschiffen ging ziemlich reibungslos vonstatten. Bis auf die Pferde, die machten einen ganz schönen Aufstand. Das Verladen in Ostia hatte ich wesentlich weniger dramatisch in Erinnerung. Müßig spekulierte ich vor mich hin, ob die Neuzugänge, die vor kurzem die Sturmfahrt über das Mare Nostrum durchlitten hatten, die anderen vielleicht irgendwie mit ihrer Angst 'angesteckt' hatten. Mein Noctifer gebärdete sich jedenfalls als wolle ich ihn zur Schlachtbank führen, und als ich ihn endlich auf dem Flagschiff hatte, war ich ebenso schweißbedeckt wie er. Das fing ja prächtig an.


    >>

    Alle, ich nickte bestätigend. Mich hatte das auch überrascht, aber dachte mir, dass es ja nicht schaden konnte... schließlich wussten wir nur wenig über den Feind und seine Mannstärke.
    Und dann war ich überfragt, ich hatte nämlich leider gerade nicht im Kopf, welcher der Ausbilder zur Zeit die Probati schliff.
    "Ähm, nun, das hängt davon ab wie weit deine Ausbildung schon fortgeschritten ist." wand ich mich um eine klare Antwort. Aber morgen, da würde ich auf jeden Fall dazukommen, anlässlich dieses neuen Rekruten und sowieso wollte ich sehen wie weit die Probati schon waren.
    Was den Sklaven anging... ich blickte ihn einen Moment lang nachdenklich an. Eigentlich war es schade, so eine Arbeitskraft wieder wegzuschicken, aber hier stellten ja die Immunes die Scribae, und man konnte es einem römischen Soldaten unmöglich zumuten, zusammen mit einem Sklaven zu arbeiten, der die gleichen Aufgaben wahrnahm, das wäre ja eine Degradierung des Bürgers. Schade dass der Mann nicht Pferdeknecht war. Und wenn ich ihn zu meinen Sklaven dazu nähme... nein, ich wollte niemandem im Haus haben, dessen Loyalität jemand anderem galt.
    "Meine Schwester besitzt eine Buchhandlung in der Stadt." wandte ich mich an den Sklaven.
    "Libri Decimae. Also, meine Schwester selbst ist in Rom, aber wenn du dem Verwalter sagst, dass ich dich geschickt habe, hat er bestimmt Arbeit für dich."


    Ich beschrieb ihm noch den Weg, dann widmete ich mich weiter dem Schimmel.
    "Ja, die Iberer sind doch die Schönsten!" stellte ich zufrieden fest. "Und die Tapfersten. Echte Kämpfernaturen! Ich habe auch zwei Stuten von der Sorte, sie bilden ein gutes Gespann." Freundlich klopfte ich dem Tier auf den hellglänzenden Hals. "Na du Schöner..."
    Sogar eine Brotkruste fand ich noch in meiner Gürteltasche, aber sobald ich sie rausgekramt hatte schoß ein schwarzer Kopf nach vorne... und schon hatte Noctifer sie sich geschnappt. "He! Benimm dich. Oder ich nenne dich... Vorax!" drohte ich ihm grinsend, und präsentierte ihn dann im Gegenzug. "Hab ihn ganz neu. Cyrenaische Beduinen züchten diese Pferde, sie sollen besonders gut für die Wüste geeignet sein."
    Ausserdem hatte ich jetzt endlich auch einen schicken schwarzen Hengst, wie alle (jedenfalls gefühlt alle) Offiziere, und fiel somit nicht mehr aus dem Rahmen. Musste nur noch trainieren, ihn sich aufbäumen zu lassen. Und dabei im Sattel zu bleiben.


    Aber genug geplaudert. Eigentlich schon zu viel. Tja, ich fand den Artorier eben sympathisch und wenn nicht der Rang gewesen wäre, hätte ich ihn doch glatt mal auf ein Glas Wein eingeladen.
    "Also dann Artorius, willkommen bei der XXII." sprach ich nun wieder etwas zackiger, nickte ihm knapp zu und strebte weiter meiner Behausung zu.
    Dort brachte ich erst mal meine vielen Einkäufe unter, dann sandte ich das Versetzungsdokument direkt ins Tabularium Legionis, mit einem Vermerk wo der Rekrut eingeteilt war, damit ab da alles seinen ordnungsgemässen Gang gehen konnte.

    [Blockierte Grafik: http://img203.imageshack.us/img203/5231/pontia.jpg| Pontia


    "....und noch einmal nach Rom, dann einmal nach Mantua, und..."
    Aus den Falten ihres Gewandes zog Pontia noch ein weiteres Brieflein und legte es auf den Stapel der anderen.
    "...noch einmal nach Narbo Martius. Und hier das Porto..."
    Diesmal schob sie sogar ein kleines Trinkgeld hinzu.
    "...und der Rest ist für dich."



    An
    Iunia Axilla
    Casa Iunia
    Roma



    F. Decimus Serapio s.d.


    Werte Iunia, ich wende mich an Dich da ich, Tribun bei der Legio XXII, mit den Ermittlungen zu dem schändlichen Mord an Deiner Verwandten Iunia Urgulania betraut bin. Über die Ergebnisse unserer Nachforschungen kann ich im Moment noch nicht viel verlauten lassen, doch sei gewiss, dass wir den Schuldigen mit aller Hartnäckigkeit auf der Spur sind.


    Um mögliche Hintergründe dieses Verbrechens besser einschätzen zu können, ist mir daran gelegen, ein umfassendes Bild der Verstorbenen zu gewinnen.
    Ich habe erfahren, dass Du längere Zeit mit ihr gemeinsam in Alexandria gelebt hast. Aus diesem Grund möchte ich Dich bitten, mir, soweit es Dir möglich ist, brieflich zu schildern, was für ein Mensch Iunia Urgulania im Privaten, fernab der politischen Bühne war. Welche Gewohnheiten sie pflegte und welchen Umgang, welche Freund- und Feindschaften. Wem vertraute sie? Wen fürchtete sie? War es üblich, dass sie spätabends noch die Tempel besuchte? Gehörte es zu ihren Gepflogenheiten, ohne Begleitschutz in der Stadt umherzugehen, oder war sie eher auf ihre Sicherheit bedacht?
    Gab es Schmuck, den sie ständig trug, wenn ja, kannst Du ihn mir beschreiben? Lieh sie sich manchmal, oder verlieh sie, größere Summen Geld? Und zuletzt, sagt Dir der Name Demetrios Bagaeos, genannt "der Perser", etwas?


    Ich bedaure es, Iunia, Dich mit dieser Vielzahl teilweise indiskreter Fragen belästigen zu müssen. Doch um das Mosaik der Ereignisse zusammenzufügen und das Verbrechen zu sühnen, könnte ein jedes Steinchen, und möge es noch so unbedeutend erscheinen, wichtig sein.


    Vale



    F. Decimus Serapio
    Tribunus Angusticlavius
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis



    An
    Primus Pilus Marcus Iulius Licinus
    Legio Prima Traiana Pia Fidelis
    Mantua
    Italia



    Salve Licinus!


    He, tu mal nicht so bescheiden! Primus Pilus, ich fasse es nicht, das ist ja phantastisch. Herzlichen Glückwunsch, Du Erster der Ersten der Ersten! Das ist ganz schön lässig!! Mann, mir kommt es vor wie gestern, als wir – wo war das noch, Zeugma oder Edessa, Edessa glaube ich – ums Feuer hockten und Deine Beförderung zum Signifer feierten. Na gut, dann sehe ich ein, dass man Dich in nächster Zeit wohl kaum wird abwerben können....
    Auch wenn Ägypten und die XXII. jede Menge zu bieten haben! Zum einen haben wir mit Octavius Dragonum einen richtig guten Kommandanten, einen altgedienten Soldaten der weiß was er tut, zum anderen ist es nur ein Katzensprung nach Alexandria, und diese Stadt ist einfach der Hammer, und nicht zuletzt sind wir hier gut beschäftigt. Also, wir müssen nicht auf Rindviecher zurückgreifen, wenn wir uns schlagen wollen. Der Pöbel von Alexandria ist nämlich ziemlich unruhig und begehrt immer wieder mal auf.
    Aber noch viel spannender: wir rücken bald aus! Es geht in den Süden, dort treiben wohl einige Räuberbanden/räuberische Stämme ihr Unwesen, mit denen nicht zu spassen ist. Angeblich sind es Acephali, na ich bin mal gespannt. Wenn ich welche einfange, dann verkaufe ich sie teuer nach Rom an die Arena und bin ein gemachter Mann.


    Übrigens ist unser alter Freund Sparsus jetzt auch hierher versetzt worden, was mich wahnsinnig freut. Und der Sohn von Imperiosus ist jetzt auch in meiner Cohorte, Menas, er ist so ein ganz ernster, entschlossener junger Mann. Und der Statthalter, der uns den Marschbefehl gegeben hat, ist niemand anderes als unser ehemaliger Tribun Terentius. Was für einen unglaublichen Palast der jetzt bewohnt, das kann ich Dir gar nicht beschreiben, muss man mit eigenen Augen gesehen haben.
    Diese Stadt, dieses Land haben schon etwas märchenhaftes an sich, etwas geheimnisvolles und auch extremes. Man findet viele monumentale, beindruckende Überreste der ägyptischen Kultur, aber die Ägypter heutzutage sind völlig runtergekommen und verelendet. Die Landschaft hier im Delta ist sehr lieblich, helle Strände, grüne Palmen, und jede Menge Blumen. Alles wächst wie verrückt. Ich hab mir vor einem Monat ein bisschen Hanf angepfanzt, und der ist jetzt schon hüfthoch aufgeschossen. Im Inneren der Provinz erwartet uns die Wüste. Es soll dort gigantische Dünen geben, die ständig, vom Wind getrieben, umherwandern, so dass die Landschaft fortwährend ihr Gesicht ändert. Und Geister, die einen mit Trugbildern narren, und nur darauf lauern einen in den Treibsand zu locken. Also nicht dass ich das glauben würde, aber es wird viel davon erzählt.


    Ich denke, die kleine Esquilina hat Glück, dass sie an einen so großherzigen Menschen wie Dich geraten ist. Ist doch schön, dass Du ihr helfen kannst. Eine Adoption ist natürlich ein riesiger Schritt... Meine eigene Erfahrung dazu ist nicht unbedingt vergleichbar, ich war ja schon erwachsen als Livianus mich als seinen Sohn angenommen hat, aber trotzdem war es für mich unheimlich wichtig und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Ich würde aber, jedenfalls wenn die Wahl besteht, ein kleines Mädchen nicht in einer Castra aufwachsen lassen, lieber auf dem Land mit einer Erzieherin oder so, sonst übernimmt sie am Ende noch die rauhen Sitten der Soldaten. Erzähl mir, wofür Du Dich entschieden hat, durch Deine Berichte ist sie mir unbekannterweise ans Herz gewachsen.
    Überhaupt würde Dein Rang es jetzt ja erlauben, eine Familie zu gründen, hast Du denn solche Pläne?
    Ich selbst bin froh, dass ich hier in Ägypten fürs erste ausser Reichweite meiner Tanten und ihrer Verheiratungspläne bin. Ich habe ihnen ja deutlich gesagt, dass ich nicht mag, aber irgendwie sind sie auf diesem Ohr taub. Naja, in der Wüste bin ich jedenfalls in Sicherheit vor ihnen.


    Also dann, mach es gut und lass von Dir hören!
    Vale bene!


    Faustus



    PS. Sag mal, behauptest Du etwa ich würde flunkern?! Das Fundament des grauenhaften Gebirges bestand natürlich aus Wachstafeln. Schwere, klobige, wachs- und staubverkrustete Dinger, gegen die man mit einer filigranen Feder vollkommen verloren gewesen wäre. Mir schaudert jetzt noch, wenn ich an dieses zähe Ringen zurückdenke!


    Decima Lucilla, Casa Roscia, Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Verehrte Domina,


    über Deinen Neffen kann ich Dir viel Gutes berichten. Jedoch auch manches, das weniger erfreulich ist.
    Er leistet seinen Dienst mit Eifer und Fleiß. Zur Zeit ermittelt er in dem noch immer ungeklärten Mord an der Prytanin Iunia Urgulania. Ausserdem kümmert er sich um die Patrouillen in Alexandria und mit um die Vorbereitung des Feldzuges. Die Legion wird nämlich bald nach Syene ausrücken, und dann in die Wüste. Sie soll dort wohl die Handelswege sichern.
    Einmal wurde die Patrouille, die Serapio gerade durch Alexandria führte, angegriffen. Da hat er sich wacker geschlagen. Wenn ich auf dem Markt in Alexandria die Lebensmittel einkaufe, was nicht oft vorkommt, denn in Nikopolis gibt es auch ganz ordentliche Geschäfte, und der Weg ist bei der Hitze doch etwas beschwerlich für meine alten Knochen, dann höre ich bisweilen, wie über ihn getratscht wird. Da fällt dann der Name "der Löwe von Alexandria".
    In seiner Freizeit widmet Serapio sich seinem Streitwagen, seinen Pferden, oder seiner Korrespondenz, und manchmal fährt er in die Stadt um dort seine kleine keltische Freundin zu treffen. Die beiden scheinen sich ehrlich zugetan und auch als Scriba ist das Mädchen ihr Gehalt wert.
    Serapio isst regelmässig was ich für ihn koche. Er befindet sich bei guter Gesundheit.
    Soweit, so gut.


    Jedoch, er hat es noch immer nicht gelernt mit Geld umzugehen. Anstatt auf meinen Rat zu hören, und seinen Sold zu sparen, um ihn später klug investieren zu können, gibt er ihn mit vollen Händen aus. So hat er erst vor kurzem zwei neue Sklaven erworben, der eine ein Paedagogus mit dem er zur Übung Griechisch spricht, und der durchaus eine Bereicherung für diese Hausgemeinschaft ist – der andere ein arbeitsscheuer junger Schönling, den Serapio beinahe jede Nacht mit in sein Cubiculum nimmt. Zudem hat er das Mosaik im Triclinium, welches Paris mit Juno, Minerva und Venus darstellte, unter dem Vorwand es wäre beschädigt (dabei war es noch sehr hübsch, nur an einer Ecke etwas angeschlagen) sehr kostspielig austauschen lassen. Nun sieht man dort Apollon und Hyazinthus.


    Darüber hinaus verheimlicht er mir etwas. Vor kurzem kam ein Brief, der ihn offensichtlich mit großer Euphorie erfüllte, er wollte mir aber auf meine freundliche Anteilnahe hin nichts über den Inhalt verraten, und später verschloß er ihn in einer schweren Truhe. Die hat er in seinem Cubiculum stehen, und den Schlüssel gibt er nicht aus der Hand.
    Aber ich bleibe dran, Domina, Du kannst auf mich zählen. Auf die Wüstenexkursion freilich kann ich ihn nicht begleiten, doch ich stehe auf gutem Fuß mit seinem Burschen. Der ist mit ein paar Leckereien leicht zu bestechen und wird mir nach der Rückkehr sicherlich alles berichten, so dass ich es getreulich an Dich weiterleiten kann.
    Den Segen der Götter erflehe ich für Dich, meine allergnädigste Herrin!


    Deine treue Dienerin
    Pontia


    Sim-Off:

    überwiesen :)

    ...als sich mit einem Mal ein Missklang in die jubilierende Symphonie meiner Sphären einschlich. Diese kurze Notiz, die da beigefügt war, und die offenbar von einem Sklaven stammte...


    Da mein Herr es als zu unsicher erachtet, seine Worte in diesem speziellen Fall den kaiserlichen Postreitern anzuvertrauen, überbringt dies ein privater Bote. Jener Bote wird in der Taberna Zur lachenden Hyäne in Rhakotis in der Chora tes Alexandreias auf deine Antwort warten, gleichgültig wie lange dies dauern mag, um sie mit nach Rom zurück zu nehmen. Lasse deine Nachricht dem Wirt der Taberna zukommen mit der Weisung, sie an den Läufer der Sonne zu übergeben. Der Name meines Herrn braucht auf der äußeren Seite keine Erwähnung zu finden, der Bote kennt sein Ziel.


    Zuerst realisierte ich nur, dass mein Aton, extra für mich, einen privaten Boten auf die Reise geschickt hatte, dass er keine Mühen und keine Kosten (so eine Überfahrt ist verdammt teuer!) gescheut hatte, damit seine Worte mich erreichten, dass er so auf spendable Weise das Risiko vermied, das mit dem Cursus Publicus einherging – zuerst also war ich nur geschmeichelt und geblendet... er würde sich ja sicherlich nicht in solche Unkosten stürzen, wenn ich ihn nichts bedeuten würde.


    Aber dann fiel mir auf, dass die beiden Briefe in der selben Handschrift verfasst waren.
    Ich stutzte, dachte zuerst ich müsste mich irren, blinzelte, hielt die Schreiben nebeneinander, verglich die einzelnen Buchstaben im Detail. Tatsächlich, die kleine, beiliegende Notiz war nur mit kleinerem Schriftbild verfasst als der eigentliche Brief, aber es war eindeutig die selbe Handschrift! Und wenn ich mir die Unterschrift genauer ansah, die wiederum davon abwich, dann war kein Zweifel mehr: den wundervollen Liebesbrief, den hatte er gar nicht selbst zu Papyrus gebracht! Nur unterzeichnet hatte er (wahrscheinlich) selbst. Die Worte, die ich mit glutheißer Leidenschaft in mich aufgesogen hatte – ein Sklave hatte sie geschrieben.
    Das erschütterte mich. Und hinter dieser Erkenntnis erhob sofort das häßliche Ungetüm Mißtrauen sein Haupt: wenn er die Worte nicht selbst geschrieben hatte, stammten sie dann überhaupt von ihm? Hatte er sie diktiert, oder... oder ließ er generell irgendeinen poetischen Sklaven seine Liebesbriefe verfassen (pflegte er womöglich so viele flüchtige Liebschaften, dass er selbst mit dem Schreiben an alle seine Gespielen nicht mehr nachkam?!!), und unterzeichnete sie dann bloß noch...?
    Alles war so perfekt gewesen, meine Euphorie so vollkommen, dass mich diese kleine Irriation gerade besonders traf. Was mochte es noch alles geben, das ich für gegeben nahm, auf das ich mich verließ ohne es zu hinterfragen, obgleich es womöglich doch ganz anders war, obgleich Aton womöglich doch ganz anders war. Ich meine, ich kannte ihn ja kaum.


    Die Unterschrift war ausserdem ziemlich nachlässig. Ich starrte auf das M, das damit verschmolzene A, das N, das zu einem bloßen Aufstrich reduziert war, das krumme I, das zittrige U, das S, in dem allein ich einen gewissen Schwung erkennen konnte.
    Natürlich sagte ich mir, dass ich nur Gespenster sah. Schließlich war sein Stil unverwechselbar, kein Sklave könnte das imitieren. Aber warum schrieb er mir dann nicht eigenhändig?! Warum diese lieblose Unterschrift? Früher hätte ich dem wahrscheinlich keine Beachtung geschenkt, aber seit der Sache mit Hannibal war ich viel eher geneigt, hinter einer perfekten Fassade hässliche Lügen und Unwahrheiten zu vermuten.
    Ich seufzte wieder, diesmal vor allem verwirrt. War das alles nur Blödsinn, litt ich unter krankhaftem Argwohn? Aber ich traute mir selbst nicht mehr, in dieser Sache...! Womöglich hatte ich mich mal wieder viel zu rasch in etwas verstrickt, das gar nicht gut für mich war. (Aber ich muss zugeben, dieser Gedanke schreckte mich nur am Rande. Eher gab es dieser Liaison einen neuen, spannenden Beiklang. Im Grunde stand ich nämlich auf die fiesen Typen, leider. Weiß auch nicht warum.) Ach, wenn ich doch nicht in Ägypten gewesen wäre, wenn ich Aton doch von Angesicht zu Angesicht sehen könnte, anstatt über seinem Brief zu grübeln.


    Eine Erklärung fiel mir noch ein: vielleicht hatte mein Aton einfach keine schöne Handschrift. Aber das konnte ich mir bei solch einem vollkommenen, allseits wie ein Juwel geschliffenen Patrizier eigentlich nicht vorstellen.

    Ein Brief von ihm...!! Aton, mein Aton hatte mir geschrieben!!! Ich wurde rot und ich wurde blass, und das Herz schlug mir bis zum Hals... Mit unendlicher Erleichterung las ich – kein Vorwurf über mein Verschwinden... aber er vermisste mich! Oh was für wundervolle, in ästhetischer Rauschhaftigkeit prangende Worte, voll bitterer Sehnsucht...
    Ich war selig, vollkommen selig, wie auf Wolken schwebte, nein tanzte ich durchs Haus, wobei ich selbstvergessen vor mich hinsang, dann warf ich mich auf eine Cline unter den Jasminsträuchern um dort, malerisch hingestreckt, diesen kostbaren Brief wieder und wieder zu lesen, die Worte zu verschlingen, erst gierig, dann, als ich nicht mehr so vollkommen ausgehungert war, sachter, eher wie ein Feinschmecker; genussvoll griff ich nach den Worten meines fernen Geliebten, goutierte einen besonders exquisierten Satz, ließ mir eine in ihrer Perfektion leuchtende Formulierung langsam auf der Zunge zergehen, wiederholte leise, andächtig flüsternd, einzelne Partien...


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus



    Gruß und Heil dir, prächtiger Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!


    Hinfortgeweht waren alle Worte, war alles Fühlen und Denken in jenem Augenblicke, da deine klandestinen Worte in meine Sinne troffen, jede Freude hinfort rissen mit sich, jede Hoffnung, Sehnsucht und Leidenschaft raubten, als wäre die Welt für immer um sie betrogen, als könnten nie wieder das Leben sie bereichern. Fahl und blass blieb zurück mein eigenes Sein, gleich dem Antlitz des Mondes in Winternacht, und wie diesem unmöglich schien es auch mir, je wieder das Leuchten der Sonne zu blicken. Fahl und blass scheinen mir noch immer die Tage, da längst jener Zeitpunkt verronnen, der so süße Wonne versprach, so flammendes Feuer, doch gleichsam ward ich erinnert an die Glut unserer Vereinigung, war doch nicht jeder Funke erloschen, glomm die Sehnsucht zu tief in meinem Herz.


    Dir meine Zeilen zu senden batest du mich, doch wie soll in Schrift ich fassen, für was selbst Worte zu gering sind, wie soll in die Grenzen dieses Pergamentes ich zwingen, was grenzenlos, was endlos mir scheint? So will ich dir nicht schreiben über das Sehnen, welches in mir erwächst, nicht über drängendes Verlangen, hoffnungsloses Begehren und verzehrende Sehnsucht, so will ich dir nur berichten über Rom und die Welt, die dir nun so fern ist.


    Endlich, nach diesem viel zu kalten, viel zu trostlos kargen Winter, endlich nach diesen blassen und unscheinbaren Anfängen des Frühlings, weht vom Meer her der sanfte Hauch der Wärme und umhüllt die Stadt mit seinem lieblichen Atem, lockt den Schleier der Wolkenfetzen hinfort, dass die zarten Strahlen der Sonne die Welt können umfassen, Terras Schoß lockend liebkosen, dass diese ihre Sprösslinge ziehen lässt und das Antlitz Floras endlich wieder die Natur einkleidet. Im Garten vor dem Fenster recken die Äste eines wundervollen Mandelbaumes sich dem Himmel entgegen - er steht seit Jahrzehnten dort, bereits in meinen Kindertagen suchte ich des Sommers seinen Schatten, erfreute mich an der rauen Rinde seines Stammes, welcher in seiner natürlichen Härte meinem jungen Leib stets Halt bot -, und jeden Tag öffnen sich mehr seiner Knospen, entfalten mehr der roséfarbenen Blüten ihren Zauber, verströmen ein Meer aus zartem Odeur nach himmlischer Vergessenheit, auf deren Wogen treibend nichts mehr von Bedeutung scheint, nichts noch Bangen und Zaudern anrühren kann.


    Unbezweifelt hast du auch im fernen Aegyptus längst die Ergebnisse der Wahlen zum Cursus Honorum vernommen, an deren Spitze nun mein Vetter steht - welcher eigentlich mein Neffe ist, doch sträubt in mir sich stets alles dagegen, ihn derart zu titulieren, ist er doch um einige Jahre älter als ich -, was einerseits selbstredend überaus erfreulich ist, bringt es doch unserer Gens Prestige und unbezweifelt auch Vorteile, andererseits mir die eigenen Erwartungen vor Augen führt. Es ist dies ein Teil jener Mauern, welche die Sonne in meinem Innersten gefangen hält, dass mir dies durch meine Herkunft bestimmt ist - gleichsam gibt es nicht viel, was mir mühseliger, lästiger, wiewohl abominabler scheint denn die Politik, und nur wenig, was seinem Ideal ferner strebt. Ist die Lüge hässlich gleich dem Verrat, ist Narzissmus schändlich wie Täuschung, so scheint es mir kaum etwas zu geben, das die Seele mehr könnte torquieren als Politik.

    Allmählich entschwindet der Duft nach Mandelessenz, haben doch die Blüten ihre zarten Blätter ineinander gelegt, da die Nacht über Rom aufzieht, so plötzlich scheint mir dies indes, dass sie jeden Abend auf ein Neues mich mit ihrer Anwesenheit gänzlich überrascht. Darob will ich nun meinen Leib betten in weiche Kissen, dass mein Geist ausziehen kann, die traumsandige Wüste zu durchstreifen und deiner zu harren - darum bleibe wachsam des Nachts, hehrer Hephaistion, halte die Augen offen und Ausschau nach mir, dass unsere Lippen sich können berühren in den süßen Landen aus Traumgeflecht, in welchen Entfernung keinerlei Bedeutung hat.


    [Blockierte Grafik: http://img686.imageshack.us/img686/6982/manius.png]


    "....da längst jener Zeitpunkt verronnen, der so süße Wonne versprach, so flammendes Feuer, doch gleichsam ward ich erinnert an die Glut unserer Vereinigung, war doch nicht jeder Funke erloschen, glomm die Sehnsucht zu tief in meinem Herz.... hach......"
    Ich schmolz dahin. Was für ein Glück... Ich würde seine Worte mit in die Wüste nehmen, als Talisman... Ich seufzte selig. So schön...


    Meine Sklaven glaubten wohl, ich hätte den Verstand verloren, und wahrscheinlich hatten sie recht, über mich war der Eros gekommen und damit die Raserei. Pontia erkundigte sich mitfühlend nach meinem Befinden, aber ich wimmelte sie ab, und endlich war ich wieder alleine, mit meinem Brief und meiner Sehnsucht.
    "Oh Aton..." hauchte ich, und träumte von einem Wiedersehen, malte es mir in den allerleuchtendesten Farben aus, "... wenn ich doch nur bei Dir sein könnte....."

    [Blockierte Grafik: http://img203.imageshack.us/img203/5231/pontia.jpg| Pontia


    Und wieder einmal erschien die ältliche Haushälterin auf dem Postamt. Sie atmete auf, als sie die etwas kühleren Räume betrat und tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn.
    "Puh, was für eine Hitze da draussen!"
    Trotzdem war ihr Gruß wie immer sehr energisch.
    "Salve junger Mann! Na, immer fleissig bei der Arbeit wie ich sehe?"
    Ein Bündel versiegelter Briefe wurde auf den Tisch geblättert.
    "So, da hätten wir einmal nach Mogontiacum, einmal nach Narbo Martius, einmal nach Rom...."



    An
    Legatus Legionis Marcus Decimus Livianus
    Legio Secunda Germanica Fidelis Constans
    Mogontiacum
    Germania



    Lieber Vater,


    Erlaube mir, Dir zu Deinem erneuten Legionskommando zu gratulieren. Ich habe den Niederschlag der Ereignisse in der Acta verfolgt, und finde, dass sich darin vor allem offenbart, was für ein Haufen von Duckmäusern die meisten Senatoren doch sind! Wie kleine Kaninchen, die sich am liebsten ganz flach machen und die Ohren anlegen, und die sich bedroht fühlen sobald jemand über ihr bescheidenes Maß hinausragt und sich nicht scheut, deutlich Stellung zu beziehen.
    Aber darf ich fragen, worin Deine Meinungsverschiedenheit mit dem Praefectus Urbi gründet? Ich will nicht respektlos erscheinen, jedoch muss ich sagen, dass ich ihn in meiner Zeit bei den Stadtkohorten als wirklich fähigen Kommandanten erlebt habe. Er ist sehr anständig gegenüber den Soldaten, und sie schätzen seine ungekünstelte Art. Mich hat er gefördert, und obgleich euer Verhältnis da wohl schon angespannt war, hat er dem Wunsch Octavius' nach meiner Versetzung stattgegeben und meine Karriere damit begünstigt. Es mag sein, dass ich die Ereignisse im Herzen des Imperiums von hier, aus der Ferne, nur unvollständig wahrnehme... doch mich erscheint der Umstand dass er, trotz eurer Meinungsverschiedenheit, deinem Kommando über eine ruhmreiche Legion zugestimmt hat, eher als ein Zeichen von Größe.


    Wie steht es eigentlich um unser Verhältnis zu den Germanicern? Dieser merkwürdige Acta-Artikel, so etwas wäre doch genau der Stil dieser Wadenbeisser. Vielleicht kann ja Seiana herausfinden, wer dafür verantwortlich ist.
    Um meine Schwester mache ich mir zur Zeit Gedanken. Sie hat mir sehr gefasst geschrieben, dass ihr windiger Verlobter sie wegen einer anderen hat sitzen lassen, sie schreibt auch von ihrem neuen Amt als Praeceptrix, und dass sie überlegt, an die Spitze der Acta zu treten. Aber ich glaube, dass das schon ein schwerer Schlag für sie war, immerhin war die Hochzeit schon fest geplant und jetzt steht sie in ihrem Alter auf einmal ganz ohne Mann da. Was hattest Du denn für einen Eindruck von ihr, wie sie das verkraftet?
    Mir kam die Idee, dass Octavius Dragonum doch ein guter, solider Heiratskandidat für sie wäre, als verdienter Militär und treuer Klient von Dir. Wenn Du einverstanden bist, und Lucilla, und auch Seiana, dann werde ich das weiter verfolgen. Oder auch Terentius Cyprianus, was meinst Du zu ihm? Und kennst Du sonst vielversprechende Kandidaten, die für sie in Frage kämen?


    Hier bei der XXII. stecken wir gerade bis über beiden Ohren in den Vorbereitungen zum Ausrücken. Wir werden schon in wenigen Tagen in den Süden der Provinz ziehen, denn es gibt im Grenzland eine richtige Räuberplage, ständig werden Karawanen überfallen und es ist ihnen sogar eine Patrouille einer Cohors equitata aus Syene zum Opfer gefallen.
    Es freut mich Dir berichten zu können, dass Octavius mir für diese Unternehmung das Kommando über die zweite Cohorte der XXII. erteilt hat. Ich kann es kaum erwarten, sie gegen die Banditen in den Kampf zu führen. Vielen Dank ausserdem für Deinen Rat zur Kommandoführung, ich werde ihn beherzigen.


    Vale bene!
    Viele Grüße aus dem Süden sendet Dir


    Dein
    Faustus




    An
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Liebe Tante Lucilla,


    bitte, reicht es Dir denn nicht, dass wir in Gestalt Deines Bruders bereits einen siegreichen Triumphator und überlebensgroßen Stier in der Familie haben? Auch wenn es nur scherzhaft gemeint war, ich muss Dir ehrlich sagen, dass ich in der Hinsicht mit wenig Humor gesegnet bin. Seitdem ich denken kann stehe ich im Schatten all dieser Giganten an deren Größe ich sowieso nie heranreichen kann. Ich tue doch schon mein bestes.


    Und was hat es mit den Haien, Abgeschlachteten und Lemuren auf sich? Du könntest Pythia werden, Tante. Ich verstehe jedenfalls kein Wort, aber ich weiß, dass mein Geliebter ein edler Mann ist, eine noble Seele, und ich erlaube es nicht dass Du solche nebulösen, gemeinen Dinge über ihn sagst! Ich leide unter der Trennung, die Du so begrüßt, und ich ersehne den Tag an dem ich ihn wiedersehe.
    Ausserdem möchte ich Dir hiermit mitteilen, dass ich nach reiflicher Überlegung beschlossen habe, mein Leben unverheiratet zu verbringen. Ich würde eine etwaige Ehefrau ja doch nur unglücklich machen. Bitte respektiere diesen Entschluss.


    Aber was Seiana angeht, müssen wir etwas unternehmen. Ich konnte diesen miesen Aelier ja von Anfang an nicht ausstehen und bin froh dass sie ihn los ist, aber nun braucht sie wirklich bald einen neuen Kandidaten. Ich denke dabei an meinen Kommandanten, den Legionspräfekten Octavius Dragonum, er ist Klient von Livianus, nett, vermögend, gutaussehend und ledig. Bist Du damit einverstanden, dass ich mit ihm diesbezüglich in Verhandlung trete? Der Statthalter Terentius Cyprianus wäre auch interessant, findest Du nicht? Oder weißt Du jemanden, der noch besser geeignet ist?


    Alexandria ist wirklich eine Traumstadt. Neulich bin ich endlich dazu gekommen, mal eine richtige Besichtigungstour zu unternehmen, ich war sogar oben auf dem Pharos, ein ganz furioses Erlebnis. Leider sind manche der Einheimischen, vor allem die niederen Schichten, sehr feindselig uns gegenüber eingestellt. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass wir es sind, die Ordnung und Sicherheit in ihrer Stadt gewährleisten, und sie werden schnell renitent. Aber das ist nur eine lästige Nebensache in dieser Stadt der Wunder. Ich bin sicher, Du wärst hellauf begeistert. Vielleicht kannst Du es ja wirklich einmal einrichten, Cossus und mich zu besuchen.
    In nächster Zeit bin ich allerdings nicht in Nikopolis. Die Legion rückt aus, um die Handelswege im Süden zu sichern. Es gab dort einige grausame Überfälle, angeblich von monströsen kopflosen Wüstenbarbaren verübt. Ich bin gespannt ob sich dieses Gerücht bestätigt. Übrigens musst du Dich in keinster Weise sorgen, denn als Stabsoffizier stehe ich natürlich weit hinter der Schlachtreihe. Aber ich fürchte, auch wenn es uns gelingt diese Räuber in Grund und Boden zu stampfen – für einen Triumphzug wird das wohl nicht reichen.


    Vale bene!


    Dein
    Faustus



    An
    Titus Decimus Verus
    Casa Decima Mercator
    Roma



    Salve Vetter Verus,


    aus der Acta Diurna habe ich erfahren, dass Du nach Rom zurückgekehrt bist. Ich selbst bin mittlerweile nach Ägypten versetzt worden und leiste meinen Dienst bei der XXII. in Nikopolis.
    Wo warst Du eigentlich? Das konnte mir keiner so genau sagen, es war als ob Dich der Erdboden verschluckt hätte. Jedenfalls freut es mich, dass Du den Weg zurück zur Familie gefunden hast, und ich hoffe, dass es Dir auch gesundheitlich besser geht.


    Was mich allerdings beunruhigt ist, dass man Dich in jenem unsäglichen Artikel über unseren sogenannten "Fall" der Nähe zu den Christianern bezichtigt. Versteh mich nicht falsch, es liegt mir fern, solchen Verleumdungen Glauben zu schenken – die Acta bewegt sich da echt auf allerniederstem Niveau, und ich wüsste nur zu gerne wer es ist, der da gegen unsere Familie hetzt – aber ich habe Bedenken, dass der ein oder andere Leser sich dadurch vielleicht doch gegen uns aufbringen lässt.
    In meiner Zeit bei den Stadtkohorten hatte ich das ein oder andere Mal mit Christianern zu tun und konnte erkennen welch schändlicher, staats- und götterfeindlicher Einfluss von dieser obskuren Sekte ausgeht.


    Darum bitte ich Dich, lieber Vetter, damit diesbezüglich auch nicht der Schatten eines Verdachtes auf unsere Familie fällt, in die Tempel der Stadt zu gehen und den unsterblichen Göttern ein Opfer darzubringen. Am besten dem Divus Iulianus, denn es heißt, die Christianer würden dessen Kultus strikt ablehnen, und am besten an einem Tag, an dem im Tempel viel los ist, damit viele Bürger Zeuge Deines Opfers werden.
    Bitte verzeih, dass ich, als der jüngere, so zu Dir spreche – es ist lediglich die Sorge um die Familie, die mich Dir diesen Wunsch antragen lässt.


    Vale bene!


    Dein Vetter
    Faustus Decimus Serapio

    Nachdem wir uns haufenweise Tempel angesehen hatten, ließen Celeste und ich die Biga in Isatis' Obhut zurück und bestiegen die Fähre zur Insel Pharos. Inmitten eines Schwarmes anderer Touristen gingen wir an Land. Da standen wir, im Schatten eines Weltwunders, umgeben von pittoresken Ruinen, es war unglaublich schön, nur leider wurden wir sofort von aufdringlichen Fremdenführern bestürmt, ein jeder wollte uns herumführen, uns lautstark eine Spezialbesichtigung zum Sonderpreis aufschwatzen,der lauteste schwor, die anderen seien alle Banditen, er selbst dagegen verschwägert mit dem Leuchtturmwärter, darum könne er uns auch problemlos bis auf die alleroberste Plattform hinaufbringen... wir entkamen nur mit Mühe und eilten schnell zu der Treppe, die in unzähligen Stufen hinauf in die Höhe führte.
    Ausser Atem erreichten wir die erste Aussichtsplattform,und blickten aus schwindelerregender Höhe (60 Schritt stand in meinem Reiseführer!!) auf die Stadt. Und es ging sogar noch höher hinauf! Mein Magen zog sich merkwürdig zusammen als wir dann oben auf dem Oktogon standen, über uns ragte nur noch das Rondell auf, in dem das Leuchtfeuer brannte, gekrönt von einem majestätischen Zeus. Ich hielt mich erst mal einen Augenblick an der Mauer, dann schöpfte ich Mut und wagte mich mehr zum Rande hin. Es war atemberaubend.
    "Sieh nur Celeste!" Begeistert ließ ich meinen Blick über offen daliegende Szenerie schweifen. "Die Häuser, wie Spielzeug... und da läuft gerade ein Kriegsschiff ein... und man kann bis Nikopolis schauen! "
    Das Meer blitzte fröhlich im Sonnenlicht. Ich fühlte mich wie ein Adler, hoch und erhaben über dem Alltäglichen schwebend.
    "Ist das nicht UNGLAUBLICH?!"


    Wieder rollte ich meinen Reiseführer auf und begann voll Eifer für uns beide daraus die interessanten Sachen zu zitieren.
    "Also, hier steht, dass einst Menelaos auf dieser Insel gelandet ist. Er traf einen Fischer und fragte ihn, wie die Insel hieße und wem sie gehöre. Der Fischer sagte 'Pharao', aber Menelaos verstand 'Pharos', das bedeutet Tuch, oder Segel, und seitdem heißt sie so... Erbaut wurde der Turm von Sostratos von Knidos, und zwar im Auftrag von Ptolemaios dem Ersten und Ptolemaios dem Zweiten, vor beinahe vierhundert Jahren.... Er steht auf einem Fundament aus Granit, der Turm selbst ist aus Kalkstein, die Blöcke sind mit Blei verbunden... es gibt ausserdem einen Schacht, der bis ganz nach oben verläuft und in dem mit einem Seilaufzug das Brennmaterial transportiert wird. Die Figuren da unten, an denen wir eben vorbeigekommen sind, stellen übrigens die ersten Königspaare der Ptolemaier dar, im ägyptischen Stil. - Celeste, wir stehen hier gerade wahrscheinlich gerade auf dem höchsten Gebäude der Welt, das ist so FURIÓS!"
    (Falls die großen Pyramiden nicht noch höher waren, da war sich mein Reiseführer nicht ganz sicher.)
    An das Geländer gelehnt, verfolgte ich mit den Augen die Strassenzüge, suchte die Agora, dann das große Theater, darauf wandte ich mich mit einem verheißungsvollen Lächeln wieder an Celeste.
    "Und für später habe ich noch eine Überraschung."

    Es war bewundernswert, wie der Mann Haltung bewahrte. Alles hier war dazu geeignet, die Gefangenen klein und wertlos zu machen, Tierkäfig war ein treffender Begriff, trotzdem trat er ausgesprochen souverän auf, hatte sogar den Nerv uns anzuschuldigen. Ich hob die Brauen und betrachtete ihn schweigend, ohne darauf einzugehen. Natürlich würde ich mich nicht auf eine Diskussion mit ihm einlassen, das hatte ich nicht nötig. Mir war angenehm bewusst, dass ich hier die Macht vertrat, und so ziemlich alles machen konnte was ich wollte, ohne Konsequenzen, oder sagen wir ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Und obwohl ich nicht sagen würde, dass ich ein grausamer Mensch bin, so hatte diese Position doch einen gewissen Reiz.
    "Wenn du meine Fragen aufrichtig beantwortest, Bagaeos, dann ließe sich sicherlich über eine Erleichterung deiner Haftbedingungen reden." gab ich schließlich in begütigendem Tonfall zur Antwort.
    Aalglatt äusserte er sich über die Iunia. Aber war da nicht... ein Zögern? Oder war er nur geblendet, ich vermochte es nicht zu sagen.
    "Ja, eine außergewöhnliche Frau. Kanntest du sie eigentlich persönlich? Als Geschäftsmann pflegst du doch sicherlich eine Vielzahl von Kontakten."
    Ich griff nach der Karaffe und goss mir in schwungvoll gewölbtem Strahl etwas verdünnten Massikerwein ein, trank ein wenig, um dann nach einem zweiten Becher zu greifen und mich zuvorkommend zu erkundigen:
    "Auch ein Schluck?"

    <<


    "...dürfe wohl das Nichtseiende um nichts weniger sein als das Seiende. Denn sowohl das Nichtseiende ist nichtseiend, als auch das Seiende ist seiend, so dass um nichts mehr sind als nicht diese Dinge. Wenn aber dennoch das Nichtsein ist, so ist, sagt er, das Sein nicht, als dessen Gegenteil. Denn wenn das Nichtsein ist, gehört es sich, dass das Sein nicht ist. "
    Aus der halboffene Türe des Hörsaales, neben dem ich wartete,drangen diese Worte. Verständnislos – aber fasziniert – spähte ich hinein, sah die jugendlichen Schüler, die aufmerksam an den Lippen ihres hageren Lehrers hingen. Bei allem Respekt für die Gelehrsamkeit... was brachten einem solche Spitzfindigkeiten? Mal abgesehen von einem Knoten in den Gedankengängen...


    "Tribun Decimus Serapio?"
    Ich wandte mich der Stimme zu und sah eine Dame den Säulengang entlang auf mich zu schreitend. Kühl, aber längst nicht so alt wie ich sie mir vorgestellt hatte, im Gewand einer Gelehrten.
    "Der bin ich. Und du musst die Philologa Theokleia sein. Sei gegrüßt." Ich reichte ihr die Hand. "Man sagte mir, du seist die Meisterin auf dem Gebiet der Chiffren und Verschlüsselungen, ungeschlagen darin die Tiefen verborgenen Sinns auszuloten."
    Sie nickte zustimmend.
    "Gehen wir doch ein Stück. Im Gehen fällt das Denken leichter. Was führt dich her, Tribun?"
    "Ein Rätsel, das ich nicht zu ergründen vermag."
    Nicht nur ich hatte mir die Zähne an der geheimen Botschaft ausgebissen, auch die beiden Frumetarii, die ich zu meiner Unterstützung hinzugezogen hatte, hatten vergeblich daran herumgerätselt.


    "Werte Theokleia, ich bitte dich in dieser Angelegenheit jedoch um Stillschweigen. Es könnte nämlich von größerer Bedeutung für eine unserer Ermittlungen sein."
    Wir wandelten durch den wunderschönen Park des Museions, und ich schilderte ihr, ohne auf die genaueren Umstände einzugehen, den Fund der geheimen Botschaft. Weich war das Gras unter unseren Füßen, die Zweige der Palmen beschatteten unseren Weg, und immer wieder erblickte ich exotische Tiere, die dort in Gehegen gehalten wurden. Darunter sogar ein Flußpferd, das mich aus unerfindlichen Gründen an meinen früheren Kommandanten erinnerte.
    Die Gelehrte hörte mich ruhig an. Schließlich zeigte ich ihr die Botschaft, und damit schien ihr intellektuelles Interesse zu erwachen, zeigte sich auf den beherrschten Zügen auf einmal so etwas wie Jagdinstinkt.
    "Es scheint polyalphabetisch substituiert zu sein."
    Aha?
    Sie eilte in einen leeren Hörsaal, ich hinterher, und dort überlegte sie nicht lange, schrieb ein wenig auf die Schiefertafel, und extrahierte aus dem Buchstabenwust
    ciur lg jqwjiy iqzzid kmuiv ybzv or hynfeiy miiiv ivtdyx, zyktrv vov qiumal sthlvmz.
    qc kilbplqfb eov lmvutmk.

    im Handumdrehen:


    Wenn du wieder einmal einen Mord in Auftrag geben willst, suchen dir jemand anderen.
    Du schuldest mir einiges.


    Ich war sprachlos.
    "Bona Dea!! Der ist geliefert. - Ich danke Dir, ich danke Dir! Und ich werde dem Museion natürlich eine große Spende zukommen lassen. Aber wie bei allen Göttern hast du das gemacht?"
    Ehrlich, ich hätte die Frau küssen können.
    "Das Verfahren basiert auf der Methode Caesars. Jedoch werden ausgehend von einem Schlüsselwort verschiedene Verschiebungen kombiniert. Geheimnis ist hier der Schlüssel. Der erste Buchstabe wird um g verschoben, also um sechs Stellen, der zweite um e, also vier, der dritte um h etc."
    Ja, jetzt wo sie es sagte, erschien es mir auch ganz einfach. Aber da musste man erst mal drauf kommen! Ich bedankte mich noch unzählige Male bevor ich wieder nach Nikopolis aufbrach, voll Vorfreude auf das anstehende Verhör mit dem Perser.



    Sim-Off:

    Der Ruhm der Theokleia gebührt übrigens einer gewissen Decima Lucilla :D

    <<
    Diese Alexandriner waren ganz schön raffiniert.
    Tiefe Nacht lag über der Castra, nur die Laternen der Wächter auf dem Wällen bildeten kleine Lichttupfer im Dunkeln, und dann gab es noch ein einzelnes Fenster in der Principa, das noch immer erleuchtet war. Dahinter sass ich, in meinem Officium, zwischen zerknüllten Papyri, vollgekritzelten Wachstafeln und verschiedenen Abschriften der Odyssee, und rätselte im Schein der Öllampen verbissen über der geheimen Botschaft, die wir im Hause des verdächtigen Persers entdeckt hatten. Aber ich kam einfach nicht weiter, schob schon seit Stunden Alphabete hin und her, nummerierte Buchstaben, zählte sie, versuchte es mit Häufigkeiten, zählte Positionen im Text aus, von vorne und von hinten, mit leeren Stellen und ohne, schlug nach wie Caesar es gemacht hatte, baute das Wort Geheimnis ins Alphabet ein bevor ich es verschob.. nach hinten und nach vorne... dann Odysseus, Agamemnon und, weil ich nicht mehr weiter wusste, noch mehr Atriden.


    iur lg jqwjiy iqzzid kmuiv ybzv or hynfeiy miiiv ivtdyx, zyktrv vov qiumal sthlvmz.
    qc kilbplqfb eov lmvutmk.


    Kopfzerbrechen machte mir besonders das miiiv. Am ehesten noch hielt ich es für eine Zahl... Als der Morgen graute, sass ich immer noch über dem Papyros und alle meine Methoden ergaben nur Buchstabensalat. Mein Nacken schmerzte. Ich stand auf und reckte mich, gähnte und öffnete das Fenster. Die Sonne stieg glutrot über den Horizont. Ich atmete tief die kühle Morgenluft und beschloss, jemanden zu fragen, der sich damit auskannte.

    Zu den Kürzeln konnte ich auch nur die Schultern zucken. Die Nase tief ins Rechnungsbuch gesteckt verfolgte ich die Zahlenreihen mit den Augen und versuchte, mir einen Reim darauf zu machen. Erst als einer der Soldaten anfing den Ofen abzubauen, und ein Versteck darin entdeckte, sah ich auf... und ärgerte mich gelinde darüber, dass mir eben gar nicht aufgefallen war, dass der Ofenrost keinerlei Rußspuren aufwies. Naja, ich merkte mir jedenfalls das Gesicht dieses aufmerksamen Miles. Meine Neugier wuchs, als ich den Optio beim Lesen betrachtete, erst schmunzelte er, dann stutzte er, dann schüttelte er den Kopf. Begierig nahm ich das Schriftstück entgegen, las die Verse und stellte zuallererst mißbilligend fest:
    "Der Absender ist ein Banause."
    Einfach einen Fetzen aus der Odyssee zu reißen, das gehörte sich nun wirklich nicht.
    "Das ist doch... im Hades, nicht wahr? Agamemnon."
    Die Stelle war mir im Gedächtnis geblieben, weil sie so schön misogyn war, und ein schlaues Zitat bot, mit dem man es mittels klassischer Bildung untermauern konnte, wenn man sich lieber von Frauen fernhielt. Lass deshalb auch du von dem Weibe nimmer dich lenken. Das fand ich gut. (Rein theoretisch jedenfalls. Verwandte mal ausgeschlossen.)


    Die Rückseite war noch viel spannender. Ein unverfänglicher Text und dazu...
    "Eine verschlüsselte Botschaft..." Ich strahlte bis über beide Ohren, glücklich endlich etwas verdächtiges in der Hand zu haben. "Na also, hat er doch Dreck am Stecken. Gut gemacht, Miles! ...Wir müssen rausfinden was da steht. Hm... also, es sieht vom Schriftbild, und von den Satzzeichen her aus wie Worte, aber die Buchstaben scheinen durcheinander – nein, zuviel y... - nein, sie scheinen nach einem bestimmten Muster ersetzt worden zu sein... Der Vers ist bestimmt eine Aufforderung zur Verschwiegenheit, und das unterstrichene Wort, das könnte eine Art Schlüssel sein, anhand dessen man auf Basis des Verses... "
    Ich ließ mich in der Sitzecke nieder und begann über den Zeilen zu brüten, während einer der Soldaten das Geld aus dem Beutel zählte und zu kleinen Türmchen auf dem Tisch aufbaute, und während die Wohnung weiter ausführlich durchstöbert wurde, und während die Soldaten zusammenpackten, und während sie alle schon wieder bereit zum Gehen waren. Mich hatte der Eifer gepackt, diesen Zeilen ihr Geheimnis zu entreissen und ich kritzelte wild auf einer Wachstafel.
    "vov... nun... non....Tat? ....Nein. ...Rar... - tot! Hm... nein...."
    Doch obwohl der Absender womöglich ein Banause war - ihm auf die Schliche zu kommen war nicht so leicht. Und so packte ich das Fundstück sorgfältig ein, als wir aufbrachen und des Persers Domizil hinter uns ließen. In der Castra würde ich mich in Ruhe damit befassen.

    Ich kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und versuchte mich zu konzentrieren, aber meine Gedanken schürften schmerzhaft an der Innenseite meines Schädels entlang – jedenfalls fühlte es sich so an – und wer, wie, wo jetzt auf welches Schiff sollte erschien mir gerade ziemlich kompliziert. Jedenfalls wurde mir klar, dass der Kommandant durchaus auf Angriffe während der Nilfahrt gefasst war.
    "Ähm... auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte, dass die Banditen es wagen unseren Konvoi direkt anzugreifen, Praefectus... es ist auf jeden Fall ein vortrefflicher Plan, mit dem wir auf alles gefasst sind." (Ich glaube, es lag an der Zeit, in der ich unter Vescularius Salinator gedient hatte, dass ich mir das Schmeicheln angewöhnt hatte.)
    "Es wird auch gut sein, dass die Soldaten selbst rudern müssen, damit gewöhnen sie sich gar nicht erst an den Müßiggang."
    Ja, Müßiggang, der Todfeind der Disziplin, seine fatale Wirkung verspürte ich ja gerade am eigenen Leibe.

    Schon traf Verstärkung ein. Jedenfalls der erste Vorbote der Verstärkung, ohne Cohorte zwar, aber auf jeden Fall verbesserte Sparsus' Erscheinen schon mal die Stimmung.
    "Thermopylen!" grinste ich amüsiert, und augenblicklich wurden die Häuserzeilen zu Felswänden, der Mob zu persischen Horden, meine Legionäre zu Spartanerkriegern (knapp bekleideten, muskelstrotzenden Spartanerkriegern), und ich selbst, ich war der tapfere König Leonidas höchstpersönlich...
    Aber zurück zur Realität. Ich wich dem Stein aus, der von Sparsus' Helm abgeprallt war und überlegte was wohl das klügste Vorgehen war.
    "Bis zum Eintreffen der Verstärkung beschränken wir uns auf....-" begann ich, als ein Soldat, der Meldung machen wollte, mich ablenkte. "Ja, Miles?"
    Seitenstrassen dicht, wunderbar - Plünderer, weniger gut. Es widerstrebte mir, diese Wilden einfach toben und zerstören zu lassen... trotzdem zögerte ich noch einen Augenblick, sollte ich meine Männer wirklich da rein führen? In diesem Augenblick erklomm von der Seite der Aufständischen her ein bärtiger Mann die Barikade, und während seine Kollegen uns mit einem Steinhagel eindeckten, der lustig auf die Schilde einprasselte, lüftete der Bursche sein Lendentuch und präsentierte uns den blanken Hintern.
    "Römer, geht nach Hause!" johlte der Mob. "Römer raus! Scheiß Römer, verpisst euch!"
    Es klang wie ein großer Schwarm von Hornissen, die wütend durcheinander summen.
    "Jetzt ist es aber genug." murmelte ich erbost, darauf wandte ich mich zu meinem treffsicheren Freund Sparsus, deutete stumm auf sein Pilum, dann auf den unverschämten Kerl auf der Barrikade.


    Und dem Miles, der mir eben Meldung gemacht hatte, befahl ich: "Gib mir Deckung." Abgeschirmt von seinem Scutum reckte ich mich zu voller Größe und sprach mit flammendem Eifer zu meinen (leider recht überschaubaren) Truppen:


    "Militeees! Wir rücken vor! Wir zeigen diesem jämmerlichen Pöbel was es heißt die Soldaten des Kaisers herauszufordern! Wir lassen nicht zu, dass sie Chaos verbreiten und die Geschäfte ehrbarer Bürger zerschlagen. Soldaten, wir werden diesen Randalierern nun eine ordentliche Lektion erteilen. Doch -", und an der Stelle hob ich die Stimme, um das auch wirklich einem jeden von ihnen einzuschärfen, "-dieser renitente Abschaum ist es nicht wert, dass wir unsere Klingen mit ihrem schäbigen Blut besudeln. Schlagt sie mit den Lanzenschäften, verhaut sie mit den Scuta, prügelt sie von der Strasse! Aber lasst sie am Leben. Ich will hier kein Gemetzel sehen, kein wildes Blutvergiessen!"
    Mein Wort in der Götter Ohr. Ich besah mir die Strassensperre und suchte nach dem schwächsten Punkt, dann teilte ich die Soldaten in zwei gleichgroße Trupps und verkündete:
    "Wir bilden zwei Keile. Ihr folgt Centurio Iulius, er führt den Angriff über die linke Flanke. Der Rest folgt mir, wir brechen in der Mitte durch. Nach dem Überwinden der Strassensperre nehmen wir wieder eine gemeinsame Formation ein und säubern die Strasse vom Pöbel."
    Es war ein gutes Gefühl, endlich in Aktion zu treten! Ich schnappte mir ein Parma und schwang mich kühn wieder aufs Pferd.
    "Militees! In cuneus venite! Peeergite!!"
    Ich setzte mich an die Spitze des Keils. Wir rückten vor.

    (Eigentlich hatte Livianus ja bloß geschrieben, ich solle Dragonum an sein Patronatsverhältnis erinnern... Drei Säulen und so. Aber ich wusste, dass Livianus viel von Dragonum hielt, von daher fand ich das mit dem Gruß eine lässliche Ergänzung.)
    Der Praefectus übergab mir also den Befehl über die Cohorte und stellte mich mit viel Vorschußlorbeeren vor. Ich lächelte mit falscher Bescheidenheit und setzte zu einer Erwiderung an – doch warum war mein Mund auf einmal so trocken? Warum mein Kopf so leer? Dabei hatte ich mir doch am Vorabend eine ganz wunderbare, umfangreiche Ansprache überlegt, drei Seiten lang, eloquent und mitreissend, hatte sie in meinem Cubiculum einstudiert, aber jetzt waren all die Sätze waren wie weggeblasen, als ich wirklich und wahrhaftig vor all den Soldaten meiner Cohorte stand und das Wort an sie richten sollte. Mist.
    Es war ganz still. Ich sollte jetzt wirklich etwas sagen. Ich räusperte mich. Ein Windhauch strich über den Campus, spielte mit den Helmbüschen der Soldaten. Vom Meer her trieben streifige Wolken über den Himmel. Und dann nahm ich (seit langer Zeit mal wieder, es war schon länger nicht mehr nötig gewesen) Zuflucht zu meiner Strategie für den Notfall – stellte mir vor, es wäre alles nur ein Theaterstück, in einem großen Amphitheater, und ich, der Hauptdarsteller, würde den Artorius Avitus spielen, die Verkörperung des perfekten Soldaten. Da war auf einmal alles ganz einfach, als wäre tatsächlich sein Genius über mich gekommen, ich fühlte mich gelassen und würdevoll.


    "Praefectus..."
    sprach ich, und meine Stimme war ruhig und volltönend,
    "Du befiehlst und ich übernehme hier und heute das Kommando über die Zweite Cohorte."
    Ich wandte mich zu den versammelten Soldaten.
    "Ich könnte jetzt viele unnütze Worte machen. Doch nur soviel: ich verlange von euch stete Disziplin, ordentliche Formation und unbedingten Einsatz. Wenn wir diese Tugenden stets beherzigen, dann kann kein Feind gegen uns bestehen. Schon gar keine Barbaren.
    Aber alles zu seiner Zeit. Heute abend erhält ein jedes Contubernium guten Samoswein und frischen Zickleinbraten. Mein Adjutant, Centurio Iulius Sparsus, ebenfalls Parthien-Veteran"
    – ich machte eine vorstellende Geste zu ihm hin – "wird die Verteilung überwachen."
    So konnte er sich gleich mitbeliebt machen. Eigentlich war meine Haushälterin, die diesen Großeinkauf organisiert hatte. Sie meinte, es ginge ganz schön ins Geld (merke: in nächster Zeit keine teuren Spielzeuge kaufen). Natürlich war es nicht sonderlich originell mit solchen Gaben um Beliebtheit zu buhlen, es machten ja alle, aber ich dachte mir, dass die Soldaten es wahrscheinlich trotzdem zu schätzen wüssten.
    "Stärkt euch. Alsbald werden wir in den Süden ziehen, und den Feind mit eiserner Hand niederwerfen. Der Praefectus wird stolz auf uns sein. Roma Victrix!!"
    Na also.

    Ich wurde nicht enttäuscht, Artorius nahm die Nachricht mit dem gebührenden Eifer auf, und wollte gleich mehr wissen.
    "Erst einmal geht es nach Syene, an der Grenze zum Zwölfmeilenland." verriet ich, denn das war kein Geheimnis (sehr viel mehr wusste ich selbst übrigens auch nicht), nickte dann mit wissendem Veteranen-Blick, als es um die Wüste ging.
    "Mhm, man muss viel trinken, tagsüber ist es wie in einem Backofen, nachts verdammt frisch." Ich erinnerte mich, wie wir Durst gelitten hatten, auf dem Weg nach Edessa, an die vergifteten Brunnen in der Einöde, an die mörderische Hitze, aber auch an die seltsame Faszination die dieses Land auf mich ausgeübt hatte... Die ägyptische Wüste sollte noch viel sandiger sein als die parthische, und es hieß man fände dort riesige Dünen, ständig in Bewegung. Ich war begierig, das mit eigenen Augen zu sehen. "Es ist eine fremdartige, vage, aber auf ihre Weise sehr reizvolle Landschaft. Die Leere hat etwas grandioses, und in den Nächten erscheinen die Sterne zum Greifen nahe... -"
    Sterne? Mensch Faustus, was quatscht du da für Zeug? Ich rief mich zur Ordnung.
    "Und der Sand verteilt sich schnell überall, ist eine verdammte Plage das."
    Welche Kohorten? Sicher fragte er sich ob er auch dabei sein durfte. Da konnte ich ihn beruhigen.
    "Alle."


    Das Dokument nahm ich entgegen und warf einen flüchtigen Blick darauf. Memmius kannte ich nicht persönlich, aber ich wusste, dass er den Ruf hatte, die Probati ordentlich zu schleifen. Das war gut, denn allzuviel Zeit für die restliche Ausbildung würde vor dem Ausrücken nicht mehr bleiben.
    "Mhm. Das hier kommt dann zu den Akten und du kommst in die zweite Cohorte, das ist die unter meinem Kommando, und zwar in..." Da fiel mir doch spontan die Centurie ein, auf die ich bei den Ermittlungen zurückgegriffen hatte. "...die zweite Centurie. Deren Baracken liegen da drüben. Melde dich dort bei Optio Septimius Palaemon. Es gibt noch einige andere Probati in der Cohorte, mit denen gemeinsam trittst du morgen früh auf dem Campus an, dann werde ich mir ein Bild machen was du bei Centurio Memmius gelernt hat. Alles klar soweit?"
    Schon wollte ich ihn wegtreten lassen, als mein Blick auf seinen Begleiter und die Pferde fiel, und sie damit in den Bereich meiner Aufmerksamkeit rückte.
    "Ist das dein Sklave? Der muss gehen, sobald ihr abgeladen habt, und die Pferde dürfen natürlich auch nicht bleiben. Aber einen schönen Schimmel hast du da, welcher Abstammung ist das Tier?" Ich mochte doch edle Pferde, und Schimmel ganz besonders. Aufmerksam betrachtete ich das Tier, die Mimik, die Haltung und das Ohrenspiel, als ich die freie Hand hob und es andächtig am Mähnenkamm kraulte.