Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus
Gruß und Heil dir, prächtiger Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!
Hinfortgeweht waren alle Worte, war alles Fühlen und Denken in jenem Augenblicke, da deine klandestinen Worte in meine Sinne troffen, jede Freude hinfort rissen mit sich, jede Hoffnung, Sehnsucht und Leidenschaft raubten, als wäre die Welt für immer um sie betrogen, als könnten nie wieder das Leben sie bereichern. Fahl und blass blieb zurück mein eigenes Sein, gleich dem Antlitz des Mondes in Winternacht, und wie diesem unmöglich schien es auch mir, je wieder das Leuchten der Sonne zu blicken. Fahl und blass scheinen mir noch immer die Tage, da längst jener Zeitpunkt verronnen, der so süße Wonne versprach, so flammendes Feuer, doch gleichsam ward ich erinnert an die Glut unserer Vereinigung, war doch nicht jeder Funke erloschen, glomm die Sehnsucht zu tief in meinem Herz.
Dir meine Zeilen zu senden batest du mich, doch wie soll in Schrift ich fassen, für was selbst Worte zu gering sind, wie soll in die Grenzen dieses Pergamentes ich zwingen, was grenzenlos, was endlos mir scheint? So will ich dir nicht schreiben über das Sehnen, welches in mir erwächst, nicht über drängendes Verlangen, hoffnungsloses Begehren und verzehrende Sehnsucht, so will ich dir nur berichten über Rom und die Welt, die dir nun so fern ist.
Endlich, nach diesem viel zu kalten, viel zu trostlos kargen Winter, endlich nach diesen blassen und unscheinbaren Anfängen des Frühlings, weht vom Meer her der sanfte Hauch der Wärme und umhüllt die Stadt mit seinem lieblichen Atem, lockt den Schleier der Wolkenfetzen hinfort, dass die zarten Strahlen der Sonne die Welt können umfassen, Terras Schoß lockend liebkosen, dass diese ihre Sprösslinge ziehen lässt und das Antlitz Floras endlich wieder die Natur einkleidet. Im Garten vor dem Fenster recken die Äste eines wundervollen Mandelbaumes sich dem Himmel entgegen - er steht seit Jahrzehnten dort, bereits in meinen Kindertagen suchte ich des Sommers seinen Schatten, erfreute mich an der rauen Rinde seines Stammes, welcher in seiner natürlichen Härte meinem jungen Leib stets Halt bot -, und jeden Tag öffnen sich mehr seiner Knospen, entfalten mehr der roséfarbenen Blüten ihren Zauber, verströmen ein Meer aus zartem Odeur nach himmlischer Vergessenheit, auf deren Wogen treibend nichts mehr von Bedeutung scheint, nichts noch Bangen und Zaudern anrühren kann.
Unbezweifelt hast du auch im fernen Aegyptus längst die Ergebnisse der Wahlen zum Cursus Honorum vernommen, an deren Spitze nun mein Vetter steht - welcher eigentlich mein Neffe ist, doch sträubt in mir sich stets alles dagegen, ihn derart zu titulieren, ist er doch um einige Jahre älter als ich -, was einerseits selbstredend überaus erfreulich ist, bringt es doch unserer Gens Prestige und unbezweifelt auch Vorteile, andererseits mir die eigenen Erwartungen vor Augen führt. Es ist dies ein Teil jener Mauern, welche die Sonne in meinem Innersten gefangen hält, dass mir dies durch meine Herkunft bestimmt ist - gleichsam gibt es nicht viel, was mir mühseliger, lästiger, wiewohl abominabler scheint denn die Politik, und nur wenig, was seinem Ideal ferner strebt. Ist die Lüge hässlich gleich dem Verrat, ist Narzissmus schändlich wie Täuschung, so scheint es mir kaum etwas zu geben, das die Seele mehr könnte torquieren als Politik.
Allmählich entschwindet der Duft nach Mandelessenz, haben doch die Blüten ihre zarten Blätter ineinander gelegt, da die Nacht über Rom aufzieht, so plötzlich scheint mir dies indes, dass sie jeden Abend auf ein Neues mich mit ihrer Anwesenheit gänzlich überrascht. Darob will ich nun meinen Leib betten in weiche Kissen, dass mein Geist ausziehen kann, die traumsandige Wüste zu durchstreifen und deiner zu harren - darum bleibe wachsam des Nachts, hehrer Hephaistion, halte die Augen offen und Ausschau nach mir, dass unsere Lippen sich können berühren in den süßen Landen aus Traumgeflecht, in welchen Entfernung keinerlei Bedeutung hat.
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