Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Er schien mich zu verstehen, und wirkte jetzt auch nicht mehr ganz so verschreckt. Aber immer noch enorm misstrauisch. Wie energisch er die Medizin ablehnte – drollig sah das aus, ich musste mir ein Schmunzeln verbeißen.
    "Was ist da denn drin?" fragte ich den Medicus.
    "Ein Stärkungsmittel, Tribun, um die Bildung neuen Blutes anzuregen, somit der Dyskrasie entgegenzuwirken. Wein, Speikwurzel, Tordicornpulver, etwas Mohnsaft." erklärte der Mann, wobei er etwas eingeschnappt wirkte.
    "Mhm… und kann man das auch als Gesunder trinken?"
    "In Maßen."


    Ich nahm ihm den Becher ab und wandte mich wieder an den Jungen.
    ~"Keine Furcht, es ist nur Arznei. Für… äh… mehr Kraft. Du hast verloren des Blutes eine… Vielzahl als du wurdest verwundet."
    Ich lächelte ihm zu und setzte todesmutig selbst den Becher an die Lippen, um einen Schluck zu nehmen und ihm damit zu demonstrieren, dass der Inhalt ganz harmlos war. Brr! Ich verzog das Gesicht als ich schluckte, zwar schmeckte ich die vertraute liebe Note des Mohnsaftes heraus, aber das Gebräu war trotzdem nicht gerade eine Gaumenfreude. Darauf stellte ich, um den Jungen nicht gleich zu sehr zu bedrängen, den Becher auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab, erklärte aber dazu mit ernstem Gesicht.
    ~"Dass du dieses trinkst, ist der Gesundung zwecks sehr wichtig."~


    Es gab eine ganze Menge was ich wissen wollte. Vor allem anderen warum er mich so tollkühn beschützt hatte. Mein Blick ruhte nachdenklich auf diesen eigensinnigen Zügen.
    "~Wie heißt du? Und… deine Eltern wer sind? Wir müssen geben Bescheid zur Vermeidung von Sorge."~

    Mit entsetzlich dröhnendem Schädel ritt ich als ein Teil dieses endlosen Heerwurmes durch die Strassen zum Hafen, verfluchte den Lärm und das grelle Licht... Das Spektakulum unseres Aufbruchs, die imposanten Bilder, ich hatte gar nichts davon. Dafür hatte ich etwas anderes, nämlich arge Bedenken ob die Kollegen von der XXIII. wohl alle unsere Aufgaben in Alexandria miterledigen könnten. Wahrscheinlich feierten die Verbrecher und Aufrührer der Stadt gerade ein wildes Freudenfest… Aber vielleicht, sprach eine zynische Stimme in mir, vielleicht macht es auch gar keinen Unterschied ob wir da sind oder nicht, oder die Stadt wird sogar ruhiger, weil der Pöbel von Rhakotis nicht mehr weiß wen er denn mit Steinen bewerfen soll…
    Als der Kommandant uns heranwinkte, lenkte ich mein Ross zu ihm und setzte - so gut wie eben möglich, bei dieser Pein - eine aufmerksame Miene auf.

    Ich hatte den Eindruck, dass Artorius Menas davon gar nichts hören wollte, aber ich hätte nicht sagen können, ob das dran lag, dass ihm das mit seinem Vater wenig oder vielleicht zu sehr nahe ging. Erst als ich den Namen Avitus' aussprach, reagierte er auf eine Art die ich eher verstand.
    "Das war er!" stimmte ich voll Überzeugung zu. Es hätte mir, glaube ich, gefallen, mich mal mit jemandem austauschen zu können, der auch so eine hohe Meinung von meinem Idol hatte – aber es war natürlich nicht der Moment dafür, und dann war da ja auch noch der Rangunterschied. Zu dem Thema hatte ich ja gerade erst den Rat von meinem Vater bekommen, immer schön zu trennen zwischen dem Umgang mit den Offizieren und dem mit der Mannschaft.


    Der Aufbruch war da doch ein viel unbeschwerteres Thema. Es überraschte mich, dass Artorius gar nicht bescheid wusste.
    "Wir bereiten uns auf das Ausrücken vor. Werden im Süden der Provinz gebraucht. Es gab dort einige sehr unverfrorene Karawanenüberfälle. Wir werden hingehen und diese Wüstenräuber zur Rechenschaft ziehen." erklärte ich unternehmungslustig, und auch etwas neugierig wie der Sohn des Imperiosus diese Enthüllung aufnehmen würde. (Ich tippte mal darauf, dass er ganz wild drauf war, dort seinen Mann zu stehen, erwartete richtig, dass er gleich leuchtende Augen bekam. )
    Ins Rekrutierungsbüro, das fand ich keine gute Idee, denn ich hatte Bedenken, dass der Diensthabende dort den Artorier eigenmächtig in eine andere Kohorte schicken könnte, schließlich waren alle Offiziere scharf darauf, ihre Einheiten in voller Stärke antreten zu lassen. Und ich hatte es bisher versäumt, dem Mann was zuzustecken.
    "Das ist nicht nötig. Gib mir bitte deine Versetzungsunterlagen, ich kümmere mich darum. Wo genau, in welchem Rang und mit welchen Aufgaben hast du denn zuletzt gedient?"

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    Das unerwartete Erscheinen des Artorius Menas, kurz vor unserem Ausrücken, das führte dazu, dass ich mich deutlich an den Tag zurückerinnerte, als er bei uns in Rom in der Castra aufgetaucht war, und ich ihn zum Fahneneid ins Sacellum begleitet hatte... ein sehr markanter Tag in meiner Erinnerung, denn eben an diesem Tag war es auch gewesen, dass der blöde Peltrasius mir gedroht hatte, mich anzuschwärzen, und meiner Karriere damit ein Ende zu machen. Was ein Glück, dass mein Centurio damals seine Hand über mich gehalten hatte... sonst wäre ich jetzt kein schneidiger Tribun sondern eine gescheiterte Existenz.


    Wir gingen die Via Praetoria entlang. Sobald wir etwas Abstand zu den Soldaten am Tor hatten, wandte ich mich zu Artorius und ergriff wieder das Wort, aber etwas ungelenk, denn es betraf ein Thema, an das ich sehr ungern dachte.
    "Ich möchte... möchte dir zuerst mein ehrliches Beileid ausdrücken, Artorius. Ein Freund aus Mantua hat mir davon berichtet, dass dein Vater verstorben ist. Imperiosus war, bei all seiner Strenge, ein sehr guter Kamerad für uns, damals in Parthien..."
    Es war ein gemeiner Winkelzug des Schicksals, ausgerechnet so einen überzeugten Soldaten durch eine Krankheit dahinzuraffen. Aber was mich eigentlich noch viel stärker betroffen hatte, das war der Tod meines strahlenden Vorbildes Artorius Avitus, des Helden, des Damoklesschwertes, des lässigsten ersten Speers den es je gegeben hatte und jemals geben konnte.
    "Und auch an Artorius Avitus denke ich zurück, mit... mit sehr viel Respekt. Also... mein Beileid."
    Der Tod hatte keinen Respekt vor großen Männern, er mähte sie genauso dahin wie die allerbedeutungslosesten Tagelöhner. Ich fand das stillos und.... beunruhigend.

    "Danke." Ich konnte mir ein kleines selbstzufriedenes Lächeln nicht verkneifen, wenn ich daran zurückdachte, dass ich noch Princeps Prior gewesen war, als Artorius bei uns eingetreten war, und kommentierte gutgelaunt:
    "Da bist du ja gerade noch rechtzeitig eingetroffen."
    Natürlich würde ich die Gelegenheit nutzen und ihn gleich für meine Kohorte "beschlagnahmen". Leider waren unsere Reihen, obwohl wir uns in letzter Zeit sehr um Verstärkung bemüht hatten, noch immer nicht bei voller Mannschaftsstärke - aber wann waren sie das schon jemals.
    Mein nervöser Hengst begann schon wieder herumzuzicken. Ich schwang mich von seinem Rücken und nahm ihn am kurzen Zügel.
    "Komm mit, Artorius."
    Auf seinen kleinen Tross achtete ich nicht weiter, aber meinen Trägern winkte ich mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass auch sie mir folgen sollten, und schritt durch die Porta Praetoria hinein in die Castra.

    Mein Kopf... oh weh mein Kopf.... der Helm schien Zentner zu wiegen, und das Licht, das von den Harnischen, Helmen, Speerspitzen blitzte, bohrte sich wie Myriaden von Pfeilen in meine geröteten Augen. Ich presste die Lippen zusammen, kämpfte gegen das unwohle Gefühl in meinem Magen und bereute es zutiefst, die letzte Nacht nicht friedlich in meinem eigenen Bett verbracht zu haben. Aber auch wenn es nur gegen Banditen ging, man konnte immer mal Pech haben, und wenn ich über den Styx schipperte und traurig zurückblickte, dann würde ich es zutiefst bereuen, wenn ich in der letzten Nacht vor dem Ausrücken nicht die Reize von Alexandria ausgekostet hätte.
    Tapfer harrte ich aus, auf meinem viel zu unruhigen Noctifer (der immerhin, wenn ich mich so umsah und meinen schwarzen Hengst mit den schwarzen Hengsten der anderen Offiziere verglich, voll im Trend lag). Ich war auf endlose Ansprachen gefasst, aber unser Praefectus Legionis hatte ein Einsehen, und hielt seine Rede wunderbar knapp und prägnant.
    "Ruhm und Ehre!!"
    erschallte es, aus tausenden von Kehlen, in ganz entsetzlicher Lautstärke, auf dem Campus, und leidend mischte auch ich meine Stimme in das schmetternde
    "Roma Victrix!!!"
    und trieb mein Pferd an. Also los.

    Hier in Ägypten ging die Sonne sehr schnell unter und die Dämmerung währte nicht lange. Pontia entzündete schon die Lampen. Ich sass im Peristylgarten, wo ich zusammen mit meinen Sklaven – meiner Hausgemeinschaft – zu Abend gegessen hatte. Üppig wucherte hier das Grün, Blumen und Stauden, ein Jasminstrauch wölbte sich über die Sitzecke mit den Steinbänken, verströmte einen schweren Duft, und auch das Beet mit dem thrakischen Hanf, das ich eigenhändig angelegt hatte, wuchs und gedieh, ja, die Pflanzen schossen zu meiner Freude nur so in die Höhe.
    Es waren nur noch wenige Tage bis zum Aufbruch der Legion. Ich schob mir ein Stück Pistaziengebäck in den Mund und betrachtete den Garten, dann die Gesichter meiner Sklaven, in denen rötlich das Licht der Öllampen wiederschien. Seitdem ich die beiden neuen Sklaven erworben hatte, war das Haus endlich nicht mehr so leer und still. Pankratios war sehr gebildet, ein angenehmer Gesprächspartner, und Rav'dushara versüßte mir meine Nächte. Selbst Pontia wirkte, seitdem sie Gesellschaft hatte, etwas entspannter. So gefiel mir meine Rolle als Hausherr, ich hatte mich hier wirklich eingelebt und ertappte mich dabei, wie der Gedanke, jetzt schon bald wieder aufzubrechen, mein Zeug zusammen packen, den ganzen Komfort hinter mir zu lassen und hinaus in die Wüste zu ziehen, zu Kampf und Gefahr, mich mit einem gewissen Unwillen erfüllte... Oh verdammt! Oh je! Wurde ich etwa alt?!!


    Vor dem Abmarsch wollte ich noch einige Briefe beantworten, darum erhob ich mich, säuberte meine Finger in einer Glasschale mit warmem Zitruswasser und begab mich ins Tablinum. Auf meinem Schreibtisch lag das Schreibzeug in Reih und Glied, die Schriftstücke in ordentlichen Stapeln, ganz so wie ich es schätzte. Ich hatte in letzter Zeit eine Menge Post bekommen, was wunderbar war, vor allem da ich so weit weg von Rom, den Freunden und der Familie war, aber zum Zurückschreiben hatte ich bisher noch keine Muße gefunden.


    Zuerst nahm ich Livianus' Brief zur Hand, und begann:
    Lieber Vater!
    – und stockte schon wieder, auf der Suche nach den angemessenen Worten, die den Respekt ausdrückten, den ich ihm schuldete, ohne dabei zu förmlich zu klingen, und die Zuneigung, aber auf der anderen Seite auch nicht zu sentimental waren... ein unmögliches Unterfangen.
    Erlaube mir, Dir zu Deinem erneuten Legionskommando zu gratulieren. Ich habe den Niederschlag der Ereignisse in der Acta verfolgt, und finde, dass sich darin vor allem offenbart, was für ein Haufen von Duckmäusern die meisten Senatoren doch sind! Wie kleine Kaninchen, die sich am liebsten ganz flach machen und die Ohren anlegen, und sich bedroht fühlen sobald jemand über ihr bescheidenes Maß hinausragt und sich nicht scheut deutlich Stellung zu beziehen!
    Ne wirklich, dass der Senat meinen Vater nicht gewählt hatte, aber dafür diesen Flavier, der keinerlei Kriegsruhm aufzuweisen hatte, dafür einen Auszeichnungs-Skandal, (und der mir bei der Gerichtsverhandlung um den Octavius-Mörder vor allem durch Schweigen aufgefallen war), darüber konnte ich mich jetzt noch heftigst aufregen!
    Allerdings glaubte ich auch, dass mein aufrechter und heroischer Vater an der Spitze einer Legion viel mehr in seinem Element war, als im Schlangennest Rom. Das Bild von den drei Säulen des Imperiums fand ich zwar etwas beunruhigend – ich stellte mir für einen Augenblick Livianus, Magnus, Octavius Dragonum und mich vor, wie wir als Kouroi-Statuen dieses gewaltige Dach auf unseren Schultern trugen – aber zugleich schmeichelte es mir, dass mein Vater mich in seine staatstragenden Überlegungen miteinbezog.

    Fragend wandte ich den Blick zu Sparsus, um zu sehen wie er diese Nachricht aufnahm, und ob ich mich vielleicht noch etwas ins Zeug für ihn legen sollte, doch er schien damit ganz zufrieden. Und mir war das natürlich auch sehr recht, um so mehr konnte ich auf seine Hilfe zurückgreifen.
    "Ja, und Verhalten bei Pfeil- und Speersalven. Ich rede später mit dem Praefectus Castrorum, damit er die erhöhten Zuweisungen in seine Kalkulationen aufnimmt."
    Der Mann war ein wenig eigen, das hatte ich schon gemerkt, aber ich sah da kein Problem wenn man es nur rechtzeitig einplante.
    Nach einer kurzen Pause, und während wir da über den Campus marschierten, nutzte ich die Gelegenheit um beiläufig einfließen zu lassen: "Bevor ich es vergesse... ich soll dich von meinem Vater grüßen, Praefectus. Er ist jetzt wieder in Germanien, hat dort das Kommando über die Secunda übernommen."
    (Von wegen tiefer Fall der Decimer!)
    Dann standen wir vor den Soldaten, und ich achtete auf meine entschlossen-aufrechte Haltung, als ich meinen Blick über die versammelte Mannschaft schweifen ließ. Man kann schon sagen: es war ein großer Tag für mich.

    Zitat

    Original von Marcus Artorius Menas


    Ich war auf dem Rückweg von meiner dringend notwendigen Exkursion auf die Märkte von Alexandria und ritt wohlgemut auf meinem neuen, wundervollen, wenn auch ungebärdigen, hohen Ross auf die Porta Praetoria zu. Die zwei Lastenträger, die meine Einkäufe in großen Körben und Ballen auf dem Rücken trugen, schleppten sich erschöpft hinter mir her.
    Ich lenkte meinen Phobos/Thanatos (oder vielleicht doch lieber Noctifer?) an den Männern vorbei, die da gerade mit der Torwache sprachen, ohne dass ich ihnen größere Beachtung schenkte. Die Soldaten grüßten und nahmen Haltung an, ich grüßte zurück und beugte mich zum Wachhabenden.
    "Später werden noch zwei Sklaven für mich geliefert. Lass die Überbringer dann bitte direkt zu meinem Domus führen."
    "Jawohl Tribunus."
    Ich wandte mich im Sattel zu den Trägern, um zu sehen wo diese Fußlahmen denn blieben, da traf mein Blick auf ein bekanntes Gesicht. Der Legionär, der da mit einem Schriftstück stand, und an dem ich gerade einfach vorbeigeritten war, das war doch... ich blinzelte erstaunt, aber ja, wie könnte ich dieses hübsche Gesicht (und diese illustre Verwandschaft) vergessen.
    "Artorius?"

    Da, ein Blinzeln! Gelobt sei der heilende Apollo! Ich tauchte aus meinem Grübeln auf und beugte mich erwartungsvoll vor. Der Medicus stürzte sich sofort auf den Jungen und jagte dem Armen damit einen panischen Schrecken ein. Ich war richtig bestürzt diese Furcht zu sehen, dabei hatte der Junge bestimmt schon genug durchgemacht.
    "Ruhig liegen!" schnarrte der Medicus unwirsch.
    "So lass ihn doch erst einmal zu sich kommen." gebot ich ihm Einhalt, darauf trat er einen Schritt zurück. Mitleidig betrachtete ich das verängstige Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen, suchte mir die Worte auf Griechisch zusammen, und sprach sanft zu ihm, wie zu einem scheuenden Pferd.
    ~"Du musst haben keine Angst, Junge, es will niemand dir ein Leid tun an. Im Nikopolis bist du hier, in unserem Valetudinarium, damit du wieder gesund wirst. Ich bin Tribun Decimus Serapio und ich bin... sehr Dir verbunden, sehr dankenbar für dein Handeln auf dem Xenai Agorai."~
    Der Medicus füllte derweil eingedickten roten Wein aus einem Krug in einen großen Becher, gab mit spitzen Fingern zerriebene Kräuter dazu, dann ein Pulver. Der Löffel schabte am Ton als er umrührte.
    ~"Wie fühlst du dich, hast du der Schmerzen arge?"~
    "Das muss er trinken." Auffordernd hielt der Medicus dem Jungen den Becher vor die Nase. Die Arznei roch vor allem nach Wein, aber mit einem bitteren Unterton, und kleine Krümel getrockneter Kräuter schwammen auf der Oberfläche.

    Zuletzt stattete ich dem Rossmarkt einen Besuch ab, denn ich brauchte ein Pferd für unsere Wüstenmission, meine beiden schönen Schimmel waren ja nicht als Schlachtrösser ausgebildet. Nach langem Suchen hatte ich endlich ein gutes, standhaftes Tier gefunden, ein Fuchswallach von zwölf Jahren, der sich von nichts aus der Ruhe bringen ließ.
    Aber ganz überzeugt war ich noch nicht. Denn so ziemlich alle Offiziere ritten immerzu schwarze Hengste, einer schwärzer als der andere, mit martialischen Namen, und mir war, als würde das zum guten Ton gehören, da konnte ich doch nicht auf so einem ollen Wallach ankommen...?
    Nein, ich suchte weiter – und fand dann auch einen prächtigen schwarzen Hengst, aus Beduinen-Zucht. Rassig, feurig, mächtig, trainiert für den Kampf, einfach perfekt. Zwar gebärdete er sich ein bisschen sehr wild, um ehrlich zu sein warf er mich beinahe ab, aber wir würden uns schon aneinander gewöhnen, Tertia hatte ich ja auch in den Griff bekommen. Ich kaufte mir das Tier, beschloss ihn Noctifer (oder Phobos - vielleicht auch Thanatos, ja, Thanatos klang gut!!!) zu nennen, und ritt übermütig auf ihm gen Nikopolis, die Träger im Schlepptau. Auf dem Weg warf Noctifer/Phobos/Thanatos mich dann einmal in den Strassengraben, aber ich stieg wieder auf und ritt weiter – von sowas ließ ich mir doch meine neue, teuer erworbene, gute Laune nicht verderben!

    Zwei Träger hatte ich angeheuert, die schnauften schwerbepackt hinter mir her, als ich meine Schritte schließlich zum Sklavenmarkt lenkte, vorüber an den schmutzigen Käfigen und schlecht gezimmerten Bühnen, hin zu den einladenen Geschäften wo man die hochwertige Ware erwerben konnte. Hier hielt ich mich länger auf, und ließ mir von verschiedenen Händlern ihr Sortiment präsentieren. Schließlich erwarb ich einen schon etwas älteren Griechen, der Hauslehrer gewesen war, und ausser dem gewöhnlichen Koine gut Latein und Attisch sprach. Ich war nämlich sehr betrübt darüber, dass der Bibliothekar im Museion mein Attisch belächelt hatte, und festentschlossen, es zu verbessern. Pankratios hieß der Sklave, und wirkte auf eine angenehme Weise stoisch. Ich besprach die Lieferung und schlenderte weiter, sah mich noch etwas um. Pontia könnte noch Hilfe im Haushalt gebrauchen.
    Aber was mir dann ins Auge sprang war zu schade zum Böden scheuern oder Getreide mahlen. Volle Lippen, ein weiß blitzendes Lächeln, leicht bronzefarbene Haut, durchtrainiert... ein bildhübscher junger Mann präsentierte sich gelassen auf einem Podest, wurde angepriesen als geübter Leibsklave, aus Nabataea. Wie exotisch. Ich beschloss, dass ich dringend einen Leibsklaven brauchte und bot mit, ersteigerte ihn für eine beträchtliche Summe.
    So langsam fühlte ich mich besser.
    "Wie heißt du?"
    "Rav'dushara ist mein Name, Herr." Sein Latein war nicht das beste, aber für sprachliche Angelegenheit hatte ich ja jetzt Pankratios. Ich musterte ihn, er musterte mich, freimütig aus tiefbraunen Augen.
    Viel besser.
    "Nein vielen Dank, kein Brandzeichen", wehrte ich das liebenswürdige Angebot des Händlers ab, und drückte meinen Siegelring lässig in die Wachstafel mit dem Kaufvertrag. "Liefere ihn heute abend in die Castra der XXII."

    "Salve Demetrios Bagaeos" grüßte ich den Gefangenen in höflichem Tonfall, als die Stiernacken ihn hereinführten. Ich musterte ihn scharf, beobachtete wie er auf das unschöne Interieur reagierte, versuchte einen umfassenden ersten Eindruck gewinnen. Gebrochen wirkte er jedenfalls nicht. Die scharfen Gesichtszüge, die schwerlidrigen Augen... ich war natürlich durch den Verdacht vorbelastet, doch ich fand dass er etwas 'lauerndes' an sich hatte.
    "Bitte nimm Platz" sprach ich lächelnd, ganz so als wäre dies ein nettes Treffen, während die Soldaten den Gefesselten bereits auf den Sitz drückten, dann einen Schritt hinter ihm stehen blieben.
    "Ich bin Tribun Decimus. Sei doch bitte so freundlich mir zu berichten, in welchem Verhältnis du zu der verstorbenen Iunia Urgulania standest."

    Joah... so wirklich ruhmreich fand ich diese Episode nicht, aber es war nett wie verständnisvoll sich Octavius zeigte, und so aufgewühlt wie mein Inneres gerade war, tat mir das schon gut. Ich rang mir ein Lächeln ab. Was ich von der Idee der öffentlichen Danksagung halten sollte, das wusste ich nicht so recht. Es war gerissen, doch ich stellte es mir etwas peinlich vor, der Stadt zu verkünden, dass ein zerlumpter Junge sich für mich aufgeopfert hatte, weil ich nicht richtig auf meinen Rücken aufgepasst hatte. Aber wenn's denn der Sache dienlich war.... der Praefectus schien jedenfalls keinen Widerspruch hören zu wollen. Erst mal, sagte ich mir, erst mal war es sowieso nur eine Idee, erst mal musste das Junge das überleben.
    Ich nickte.
    "Ja. Danke Praefectus."
    Und schon war er wieder weg. Der Medicus verdrehte die Augen und grummelte leise etwas in seinen Bart, dann kam er zum Krankenbett. Noch immer betrachtete er den Jungen eher wie ein lästiges Insekt, aber jedenfalls demonstrierte er Aktivität, fühlte Puls und Stirn, und verbrannte noch mehr Heilkräuter, so dass der reinigende Rauch dicht um uns herumwogte und mich würzig in der Nase kitzelte. Ich reckte meine Schultern und streckte meinen Nacken, dann lehnte mich zurück, entschlossen weiter hier auszuharren.

    "Da hast du wohl recht, Optio." Diese Annahme entsprach jedenfalls meinem Bild vom heuchlerischen Politiker. "Den Gymnasiarchos scheint das aber nicht zu stören."
    Ich verstaute das Papyrus sorgsam in der Tasche für beschlagnahmtes Gut und trat in den ersten Raum hinein. Den uns begleitenden Soldaten gebot ich mit einer Geste am Eingang zurück bleiben, auch wenn die Wohnung schon durchsucht war, wolte ich sie erst einmal ungestört auf mich wirken lassen. Ich trat in die Mitte des Zimmers und drehte mich langsam um die eigene Achse. Ich befand, dass der Bewohner wirklich Geschmack hatte, die Einrichtung war stilvoll zusammengestellt. Unordentlich war es, aber das mochte auch den Soldaten zuzuschreiben sein, die vor uns hier gewesen waren. Ich nickte auf Septimius' Bemerkung hin und ging langsam durch die anderen Räume. Manchmal verriet eine Wohnung viel über den Besitzer... (was würde wohl ein Eindringling in meinem Haus denken?)... Hier wirkte alles sehr kultiviert. Keine Zuschaustellung von Geld, oder von Waffen, oder von Gelehrsamkeit, oder von Kunst oder sonst irgendetwas "auffälligen"... keine Zuschaustellung von irgendwas. 'Verhalten' war das Wort, das mir in den Sinn kam. Ich blieb bei einer großen Pflanze stehen, die neben der Sitzecke in einem dezent bemalten Topf stand, und knipste gedankenverloren eines ihrer völlig vertrockneten Blätter ab.
    "Mhm... ja... nehmen wir uns das Schriftliche vor. Milites, ihr sucht nach seiner Barschaft, denkt dabei auch an mögliche Verstecke in Boden und Wänden." Ich war gespannt ob sich die Summe, die der Perser von der Iunia anscheinend bekommen hatte, wiederfinden ließ.


    Wir machten uns an die Arbeit. Was wir an Schriftstücken fanden, erschien harmlos, es vor allem Rechnungen und Verträge eines Geschäftsmannes, der offenbar mit den verschiedensten Waren handelte. Und dazu noch Geld verlieh. Ich wünschte, ich hätte Celeste mitgenommen, besonders als wir dann ein Geschäftsbuch vor uns hatten, in dem fein säuberlich in Abkürzungen unzählige Einnahmen und Ausgaben verzeichnet waren. Bei allem Jagdeifer, die endlose Zahlenkolonnen erschlugen mich, ich hab's halt nicht so mit Zahlen. Aber einer der späten Einträge war interessant.


    +1700 I.U.
    - 372 5x G., P., Ci., Ca. ...
    - 600 M.
    s.s. + 728

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    Ich brauchte... eine Menge Dinge. Vor allem Trost! Aber auch neue Klamotten, einen Attischlehrer, ein Schlachtross... Für's erste schlenderte ich ziellos über den Markt und kaufte unnütze schöne Sachen, weil ich sowas immer äusserst entspannend fand. Zu viel Geld hatte ich ausserdem, bei meinem Tribunensold, und seitdem Celeste meine Verwalter aufgemischt hatte, schickten die mir auch ständig jede Menge Aurei.
    Aber auch als ich um ein Dutzend mamorne Oscillae (mit bukolischen Szenen, im Peristyl aufzuhängen) reicher war, und um eine lustige rotfigurige Schale (oben ganz harmlos mit Efeu, unten mit einer Satyrorgie bemalt), und um eine Polyklet-Kopie für mein Atrium (ein athletischer Doryphoros, der gleich morgen geliefert würde), und um eine Horaz-Gesamtausgabe, eine Malachitgemme, eine Phiole klares Verbenenöl und allerlei Kleinigkeiten – auch dann war meine Sehnsucht noch immer sehr präsent, und es quälte mich der Gedanke: was wenn ich in der Wüste ums Leben kam, dann würde ich meinen Aton niemals wieder sehen... (Wenn man überhaupt von meinem Aton sprechen konnte, et cetera, et cetera.)
    Auch eine elegante Garnitur griechischer Gewänder, aus lavendelschimmernder Seide, kunstvoll bestickt, dazu ein Ballen des selben Stoffes für meine Schwester in Rom, ja, selbst ein Paar feinste Schlangenleder-Calcei vermochten meinen Gram nicht zu lindern...

    Klang doch ganz einfach, so betrachtet. Ich machte ein entschlossenes Gesicht und nickte feierlich.
    "Jawohl Praefectus! Ich werde mein Bestes geben!"
    Und schon identifizierte ich mich mit meiner Kohorte, so dass mich Sparsus' Kommentar schon beinahe ein bisschen kränkte.
    "Bis zum Abmarsch werden wir die Zeit dafür nicht mehr haben. Wenn sich unterwegs die Möglichkeit bietet, dann legen wir noch ein paar Trainingseinheiten ein. Reiterabwehr und so... Und dann wird die Wüste sie schleifen."
    Ich wandte mich wieder zu Octavius und erkundigte mich, während wir weitergingen, hochinteressiert:
    "Welche Centurie ist denn für Centurio Iulius vorgesehen, Praefectus?"

    Ich quittierte die Meldung mit einem "militärisch-knappen" Nicken und trat nach draussen auf die Schwelle der Taberna. Dort sprach ich schneidig zu meinen versammelten Truppen:
    "Militees! Wir gehen jetzt nach Rhakotis und treiben die Ratten zurück in ihre Löcher! Ihr kommt mit mir, wir nehmen die... Via Serapis! Ihr geht mit Tribun Camurius auf der Via Aspendia. Und du, Miles, reitest rasch nach Nikopolis und holst mir eine Kohorte zur Verstärkung her. Und den Centurio Marcus Iulius Sparsus. "
    Der Bote entschwand, ich besprach mich noch einen Augenblick mit meinem phlegmatischen Kollegen, verlangte dann "Mein Pferd!" und schwang mich dynamisch in den Sattel.
    "Peergite!"


    Auf meinem weissen Ross und in meinem schönen Harnisch traf ich mit meinen Leuten am Ort des Geschehens ein. Schon von ferne hatte ich das Gebrüll vernommen, wie Summen in einem Wespennest, jetzt dröhnte es in den Ohren, deutlich verstand ich die hasserfüllten Parolen, die der Mob skandierte.
    Die Aufständischen – es waren viele, wirklich viele - hatten eine Strassensperre gebaut, aus einem zerschlagenen Karren, Fässern, einem umgehackten Baum und allem möglichen Müll, ihnen gegenüber stand ein Trupp der Stadtwache, und eine versprengte Patrouille. Wir gesellten uns hinzu, blockierten die Straße. Einige der Soldaten, die bereits vor Ort waren, trugen Spuren der Auseinandersetzung mit dem Pöbel. Sie verschanzten sich hinter ihren Scuta, weil ständig Steine flogen. Auch an mir sauste so ein Ziegelbrocken nur knapp vorbei, was mich dazu bewog, schleunigst vom Pferd zu steigen und ebenfalls in Deckung zu gehen.
    Nach Rhakotis rein zu stürmen, um den "Dudus" zu jagen, war wohl gerade keine so gute Idee..... naja, hauptsache diese Chaoten kamen nicht raus und konnten den Aufruhr nicht noch weiter tragen. Ich schickte Teile meiner Truppe in die Nebenstrassen, um auch diese zu blockieren. Hier auf der Hauptverkehrsader sah es, jedenfalls im Moment, nicht so aus als ob die Chaoten gleich durchbrechen wollten.
    "Stellung halten. Ruhig Blut."
    Trotzdem wäre mir etwas Verstärkung sehr lieb gewesen, schließlich konnte das ganze auch schnell umschlagen.