Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Endlich rückte der Statthalter mit der Sprache raus. Eine Patrouille niedergemacht... das war schon ganz was anderes als Überfälle auf Karawanen, klar, das durften wir uns nicht gefallen lassen, da mussten wir zurückschlagen, mit eiserner Faust und so.
    Und der Feind war also doch beritten.
    Wüstenreiter...
    Ich bin Faustus' aufsteigendes Unbehagen.
    Ich schluckte, und dachte lieber schnell an den Kampfesruhm, der dort sich dort erringen ließ.


    "Ja Praefectus." Zum Statthalter meinte ich erklärend: "Ich habe im Museion nach Berichten über die Kopflosen nachgeforscht", dann fasste ich meine Erkenntnisse zusammen. "Herodot, Plinius maior und andere berichten übereinstimmend, das solch ein Volk wirklich existiert. Sie werden als "Blemmyer" bezeichnet, sie sollen das Gesicht auf der Brust tragen und sehr wild und kriegerisch sein. Es gibt die Vermutung, dass sie in den Oasen im Südosten dieser Provinz hausen, andere sagen, sie stammen aus Aethiopien oder tief aus dem Reich der Nubier. Angeblich haben sie sich in ihrer rohen Wildheit gegen ihre Götter aufgelehnt, zur Strafe nahmen die ihnen die Köpfe.
    Allerdings behauptet keiner der Autoren, die Blemmyer mit eigenen Augen gesehen zu haben, und es wird auch vermutet, dass sich Plinius' Beschreibung auf Herodots Werk stützt, welches..."
    Wie hatte der nette Bibliothekar so schön gesagt... "häufig als unzuverlässig geschmäht wurde. - " Ich machte eine nachdenkliche Pause.
    "Aber wenn man die neuen Berichte jetzt, die der Überlebenden meine ich, dazunimmt... dann, denke ich, sollten wir es auf jeden Fall in Betracht ziehen, dass wir es wirklich mit nicht menschlichen Kreaturen zu tun haben."

    Requirieren... seit Edessa, damals, hatte dieses Wort in meinen Ohren einen ganz unangenehmen Klang. Aber ich sagte mir, dass das Requirieren in diesem Fall gewiss ganz anders laufen würde, unter kontrollierten Bedingungen, mit Entschädigungen und so weiter... Ganz bestimmt.
    "Zwei Wochen, das ist gut. Da sind wir etwa doppelt so schnell wie zu Fuss." Ausserdem kamen wir dann ausgeruht im Süden an, und der Rückweg würde sogar noch schneller gehen. "Und mit Hilfe requirierter Schiffe wäre es also möglich die gesamte Legion zu transportieren? Auch die Turmae mit ihren Pferden? - Zur Zeit warten wir ja noch auf den Marschbefehl, und ich weiß nicht, ob wirklich die gesamte Legion ausrücken wird, aber wir wollen alle Optionen bedenken. - Ich werde dann nochmal Rücksprache mit meinem Kommandanten halten, aber ich denke er wird sich für den Wasserweg entscheiden."
    Dann zog ich ein dickes Bündel Wachstafeln aus meiner Ledertasche.
    "Und hier habe ich noch eine Liste dabei, von unserem Praefectus Castrorum, mit den Gütern, die auf jeden Fall mitmüssen, vom schweren Gerät bis zum Getreide. Ist alles mit Stauraum verzeichnet, auch wenn es natürlich noch von der Anzahl der Kohorten abhängt, aber dafür hat er, hier glaube ich, einen Faktor eingefügt..."
    Was für eine schreckliche Kleinarbeit, ich konnte mir echt keinen schlimmeren Posten vorstellen als Praefectus Castrorum.

    So langsam schwirrte mir der Kopf von all diesen merkwürdigen Völkern und Ländern, eines zungenbrecherischer als das andere. Ich arbeitete mich weiter durch die Historia naturalis, aber meine Konzentration ließ gerade nach, und immer wieder ertappte ich mich dabei, dass ich meiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit schenkte als den Texten, und verstohlen die anderen Besucher dieser Hallen studierte. Das gab es aber auch interessante Gestalten! Fleissige Studenten, von denen längst nicht alle griechischer Herkunft zu sein schienen, gehetzte Sklaven, die wie Bienen in ihrem Bienenstock zwischen den Regalen herumschwirrten, gravitätische Gelehrte, die sich absonderliche Themen heraussuchen ließen... Es war eine fremde, faszinierende Welt.
    Besonders der Auftritt des grauhaarigen Bibliothekars fesselte mich. Wie der wetterte, so farbig, so dramatisch, da musste ich ein Grinsen unterdrücken. Der Mann war ein Original! Und ich, an meinem Tisch, war ganz begeistert, mal solch einen eindrücklichen, unverfälschten Blick auf das alexandrinische Wesen werfen zu dürfen. Ich schwärmte doch für alles hellenische, und wollte wirklich gerne mehr über die Einheimischen erfahren, aber wenn ich aus Nikopolis rauskam, dann meistens mitsamt einer schwerbewaffneten Patrouille, und das war ja nun nicht unbedingt die beste Voraussetzung dafür.


    Als der Mann gegen meinen Tisch lief, konnte ich mein Glück kaum fassen.
    ~"Es macht sich nichts, ehrenwerter Bibliothekar"~ erwiderte ich und lächelte ihm zu... aber hatte ich das jetzt korrekt gesagt? Ach, die blöde Grammatik... in diesem Tempel der Bildung schämte ich mich richtig, nicht perfekt Attisch parlieren zu können. Er warf einen Blick auf die Schriftrollen auf meinem Tisch, und mich überraschte es sehr als ich, so aus der Nähe, erkannte wie jung er eigentlich war. Von ferne hatte ich ihn für einen betagten Mann gehalten, aber das Gesicht war jung, ungesund zwar, doch es strahlte auch so einen, wie soll ich sagen... einen anämischen Charme aus. Sofort ergänzte meine lebhafte Phantasie diese Eindrücke zu der Vorstellung eines von Wissensdurst getriebenen und von unbedingter Erkenntnis, illusionsloser Klarheit, von durchwachten Nächten, verbracht über uralten, pfeffrig riechenden Schriftrollen, vorzeitig gealterten jungen Gelehrten...
    ~"Das wäre überall... Verzeihung.... überaus freundlich! Ich bin zum ersten Male hier und ich bin ganz, ähm..."~ Überwältigt? ~"... besinnungsberaubt. - Ich interessiere mich für das Volk der Blemmyer sowie für... das Land an dieser Provinz Grenzen in jenem sie ihre... Behausungen haben."~

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    Am frühen Nachmittag trafen wir bei der Wohnung des Persers ein. Das Haus lag in einer ordentlichen Gegend und machte einen adretten Eindruck, die friedliche Atmosphäre mochte gar nicht zu den dunklen Machenschaften passen, die wir hier vermuteten.
    Einer der Legionäre, die uns begleiteten, öffnete mit einem eisernen Schlüssel die Kette, die die Eingangstüre zuhielt. Die Soldaten, die zuletzt hier gewesen waren, hatten das Ding angebracht, damit nicht jeder hereinspazieren konnte. Natürlich war die Wohnung nach dem Fluchtversuch ihres Bewohners schon durchsucht worden, darum schätzte ich die Chance, hier auf bahnbrechende neue Erkenntnisse zu treffen auch nicht als allzugroß ein, trotzdem wollte ich mich genau umsehen. Die Kette knirschte und die Türe schwang auf. Der Luftzug, der dabei entstand, wirbelte ein Stück Papyrus auf, das da auf dem Boden gelegen hatte. Ich fing es auf und murmelte beim Lesen leise vor mich hin.
    "Einladung... Wahlfeier... Gymnasiarchos Cleonymus... herzlichst eingeladen... Kapeleion Archaon, nicht anders, sondern besser..."
    Erstaunt lies ich es sinken. Der Mann, der da in unserem Carcer sass, verkehrte offenbar mit den höchsten Kreisen der Stadt.

    "Ach so. Ja. Hmhm." Das hatte ich mißverstanden gehabt, aber wunderbar, dann konnte ich ja noch darauf hoffen, jemanden zu finden, der die Dame gekannt hatte, und mir mehr über ihre Gewohnheiten sagen konnte.
    "Gut, dann waren das meine Fragen, Optio. Ich danke dir. Was die Auswahl des Spitzels angeht – sprich mit Miles Annaeus und finde heraus ob er der Aufgabe gewachsen ist. Wenn das der Fall ist, dann..." "schicke ihn zu mir" wollte ich schon sagen, aber eigentlich war es Blödsinn alles selbst machen oder kontrollieren zu wollen. Ich hätte mich ja am liebsten höchstpersönlich in die Zelle dazubegeben und Scharade gespielt, aber dafür war ich nunmal zu beschäftigt.
    "...dann sorge baldmöglich für seinen Einsatz. Fragen? - Ansonsten wegtreten, und wir brechen dann zur Hora octa zur Durchsuchung auf."

    Hier wurde das Thema schon mal diskutiert:
    http://www.imperium-romanum.in….php?postid=577689#577689


    Was Cannabis angeht, denke ich, dass man es im Spiel ruhig als Rausch- und Rauch-Mittel vorkommen lassen kann. Schon Jahrhunderte vor unserer Spielzeit wird es bei Herodot erwähnt. Aus "Rausch und Realität – Drogen im Kulturvergleich", 2. Bd., Kapitel "Skythen und Haschisch" von Karl Jettmar:
    "Herodot (IV 73-75) weiß zu berichten, dass sich die Pontischen Skythen nach Abschluss des Bestattungsrituals durch ein Schwitzbad reinigen.(...) 'Zuerst reiben sie sich den Kopf ein und waschen ihn ab. Um aber den Körper zu säubern, verfahren sie folgendermassen: Sie bauen ein Zeltgerüst aus drei zueinander geneigten Stangen und ziehen darüber Wolldecken, die sie so gut wie möglich abdichten. In diese Hütte stellen sie ein flaches Gefäß mit glühenden Steinen gefüllt... Dann schlüpfen sie unter die Filzplanen und werfen mitgebrachte Hanfsamen zwischen die Steine. Sofort beginnt es zu rauchen und zu dampfen, mehr noch als in einem griechischen Schwitzbad. Begeistert heulen die Skythen auf."


    Also, wenn ich ein römischer Drogenliebhaber wäre, dann würde ich diese Anleitung einfach mal ausprobieren. ;) Ich glaube kaum, dass die Menschen damals im Bezug auf den Drogenkonsum weniger erfinderisch waren als heute. Ehrlich gesagt ist mir hier bei diesem Forumsrollenspiel auch die spielerische Freiheit wichtiger als die 100%ige Orientierung an der "Authentizität", zumal man historische Korrektheit sowieso nie wirklich erreicht. Schlimmstenfalls ist es ein harmloser Anachronismus, anders als wenn so deutlich modernere Errungenschaften im Spiel vorkommen wie der erwähnte Kaffee, oder Schokolade, oder christliche Werte.

    Wie zum Hades hatte das passieren können?! Fassungslos starrte ich auf den Jungen, der da in seinem Blute lag, und ich wünschte mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen, nur um ein paar Herzschläge, um das was geschehen war, verhindern zu können. Zeit, es wirklich zu begreifen, blieb aber nicht, denn ich sah mich den Anführer der Aufrührer gegenüber, und seine Klinge war deutlich länger als meine. Ich sprang wieder auf die Füße und rief nach dem "Capsarius!" unserer Patrouille – ohne zu wissen, ob der Mann nicht gerade selbst mitten im Kampfgetümmel steckte. Einen Blick zu riskieren wagte ich nicht, denn dafür hätte ich meinen Gegner aus den Augen lassen müssen. Aber verdammt, wie kam so ein zerlumpter Bengel dazu, hier auf einmal den Helden zu spielen?! Jedenfalls hatte er mir gerade den Arsch gerettet. Fortuna musste ihn mir gesandt haben. Hoffentlich war er noch zu retten...


    "Pendejo tío mierda, dafür wirst du bezahlen..." knirschte ich, und fixierte den Feind, diesen heimtückischen Mordgesellen, mit zusammengekniffenen Augen, sah ihm direkt in die Augen, lauernd, und versuchte aus deren Bewegung seinen nächsten Angriff vorherzuahnen. Ich war so unendlich wütend, aber auf eine kalte, schneidende Weise. Den würde ich fertigmachen, den würde ich leiden lassen! Ein bisschen ging ich in die Knie, wandte ihm, den Dolch in Grundhaltung, meine rechte Körperseite zu, während ich unauffällig den linken Fuß unter die Kette schob, die da noch am Boden lag. Mit der rechten täuschte ich an, zugleich zog ich die Kette hoch, packte sie und schleuderte sie dem Perro asqueroso entgegen, nur um ihn abzulenken, während ich nun wirklich in die Offensive ging. Ich musste ganz nah an ihn dran, damit ihm die längere Waffe nichts mehr nützte... Mit diesem Gedanken schnellte ich mich vor, suchte sein Gladius zu parieren und führte, von unten nach oben ausholend, einen tiefen Stich gegen seinen Bauch... -

    Sehr zuvorkommend zeigte Terentius sich heute, aber ich hatte das Gefühl, dass er uns bloß noch länger auf die Folter spannen wollte. Ich war gespannt wie ein... wie ein parthischer Bogen, zu hören was es neues gab.
    "Vielen Dank Praefectus, für mich nichts." lehnte ich mit einem höflichen Lächeln ab.
    "Ich muss gestehen, dass es mich viel mehr nach den Neuigkeiten dürstet, die du für uns bereithältst."

    Da ich bei der Stabsbesprechung meinen Mund nicht hatte halten können, war ich jetzt also für den Kontakt zur Classis zuständig. Und so begab ich mich, nachden ich mich vorher höflich angekündigt hatte, in deren Stützpunkt am Megas Limen. Ich hatte sogar eine Eskorte dabei (und das nicht nur des Auftrittes wegen, ich empfand es mittlerweile als gefährlich, hier in der Stadt unterwegs zu sein, wenn man deutlich als Soldat zu erkennen war.) Sobald ich den Posten am Eingang passiert hatte, ließ ich meine Männer aber zurück.
    Ein Soldat der Classis führte mich über den Stützpunkt, vorbei an einem Trockendock, in dem eine gewaltige Trireme aufgebockt war. Ein Haufen Flottensoldaten war gerade dabei sie zu überholen, sie kratzten Algen vom Rumpf und besserten irgendwas an der Takelage aus. Es roch nach nassem Holz hier, Öl, Teer und Algen. Dieses Schiff war eindeutig für die Seefahrt gemacht, und ich fragte mich, ob die Classis Alexandrina denn auch solche Flusschiffe besass, wie sie die Classis in Germanien auf dem Rhein benutzte. In dem Moment musste ich auch an einen Traum zurückdenken, den ich vor einiger Zeit gehabt hatte – ein ganz seltsamer Traum, in dem ich tatsächlich Soldat der Classis war, und in so einem Flussschiff zusammen mit vielen anderen durch eine flache Sumpflandschaft ruderte... Über uns schwebte erhaben die Göttin Victoria, aber ich sah sie doppelt, so dass ich mich im Traum fragte ob ich betrunken war, und wilde Germanen drängten sich an beiden Ufern, winkten uns freundlich zu und riefen "Salve Varus!"zu uns rüber. Schon verrückt, was man so zusammenträumt.


    Aber zurück zur Realität. Der Soldat brachte mich zu einem Flottentribun, und nach der Begrüssung und Vorstellung erläuterte ich sogleich mein Anliegen:
    "Es ist wegen der Karawanenüberfälle im Süden. Wir von der 22. werden wahrscheinlich bald ausrücken, um dem Spuk ein Ende zu machen. Dabei wären wir dankbar für eure Unterstützung, vor allem beim Transport der Vorräte. Eventuell auch der Truppen – wie sind denn da eure Kapazitäten? Uns würde auch interessieren, wie lange so ein Transport auf dem Nil eigentlich unterwegs ist, von hier bis Syene."

    Das Museion, das große, das ruhmvolle, das erhabene Museion zu Alexandria! Ich konnte es kaum fassen, wirklich hier zu sein. Nur leider nicht als Akroates... hier Literatur zu studieren, besonders das griechische Drama, davon hatte ich als Jugendlicher sehnlich geträumt, aber meine Mutter hatte es nicht erlaubt. Zum einen fand sie diese Wahl zu unsolide, zum anderen hatte sie keine hohe Meinung von den alexandrinischen Sitten gehabt, und gefürchtet, sie könnten ihren kostbaren Jüngsten verderben.
    Wenn mich meine Mutter jetzt hätte sehen können, wäre sie sehr zufrieden gewesen. Flankiert von drei Immunes, die als Scribae in der Legio dienten, strebte ich, in der schneidigen Ausgeh-Kluft eines Tribuns, dynamischen Schrittes auf das Hauptgebäude zu – versehen mit jeder Menge Wachstafeln und dem offiziellen Auftrag, Nachforschungen über die kopflosen Wüstenkrieger anzustellen, bevor wir gegen sie ins Feld zogen. Ja, Mutter wäre stolz gewesen.
    Im Gehen bestaunte ich meine Umgebung, sah mit großen Augen um mich, und ließ mich von den zahlreichen Statuen der weltberühmten Gelehrten beeindrucken, die hier im Park aufgestellt waren. Bei Minerva, sie alle hatten hier gewirkt, waren hier auf diesem Boden, auf den auch ich gerade meine Füße setzte, gegangen, während sie über ihre Erkenntnisse nachgedacht hatten! Mir lief vor lauter Ehrfurcht eine Gänsehaut über den Rücken bei der Vorstellung. Neidisch betrachtete ich die Studenten, die an mir vorbeischlenderten oder auf den Bänken sassen, ein Grüppchen hockte auf dem Gras im Schatten einiger Palmen und lauschte einem grauhaarigen Lehrer. Es war ein idyllisches Bild, genau so wie ich mir das vorgestellt hatte, und einen Augenblick lang wünschte ich mir inständig, mit einem von ihnen tauschen zu können....


    Das Innere der Bibliothek war einfach atemberaubend. Nur das quirlige Treiben machte es, für mein Empfinden, ein klein bisschen weniger würdevoll. Ich wandte mich an einen der Angestellten und bat, etwas stockend aber in meinem schönsten Schul-Attisch, um Litteratur über die Stämme im Süden der Provinz und im Grenzland, und ganz besonders über die kopflosen von ihnen. Er war sehr hilfreich, kurz darauf hatten meine Begleiter und ich einen Berg von Schriften vor uns, und begannen mit der Recherche. Gut, dass ich nicht alleine gekommen war, sonst hätte das sicher ewig gedauert. Ich nahm mir die Historia naturalis von Plinius maior vor, denn die war auf Latein, was mir natürlich leichter fiel. Und im fünften Buch – "Ein Bericht von Ländern, Nationen, Meeren, Städten, Hafen, Flüssen, Entfernungen und Völkern die heute existieren oder zu früherer Zeit existiert haben" – da fanden unter den zahlreichen wilden Barbarenvölkern tatsächlich auch die Kopflosen Erwähnung, die hier Blemmyer genannt wurden.


    ...Wenn wir durch das Innere Libyens nach Süden fortschreiten, jenseits der Gaetuli, werden wir, nachdem wir die Wüste durchquert haben, zuerst die Libyaegypter finden, dann das Land, in dem die Leucæthiopianer hausen. Jenseits davon sind die Nigritæ, aethiopische Völker, deren Name vom Fluss Nigris herstammt, die Gymneten, auch genannt Pharusii, und, am Rande des Ozeans, die Perorsi. Jenseits dieser Völker, erstrecken sich nach Osten hin weitläufige Wüsten, bis wir in das Gebiet der Garamenten kommen, der Augylae und der Troglodytæ. Wohlbegründet ist die Meinung derer, die zwei Aethiopien jenseits der Wüsten Libyens vermuten, insbesondere die Homers, der uns berichtet, dass die Aethiopier in zwei Nationen geteilt sind, die des Ostens und die des Westens.
    Der Fluss Nigris ähnelt dem Nil, er bringt Schilfgras hervor und Papyrus und genau die selben Tiere, und er schwillt zur selben Jahreszeit an. Seine Quelle ist zwischen den tarraelianischen Aethiopiern und den Oecalicae. Magicum, die Stadt der letztgenannten, wird von einigen Gelehrten inmitten der Wüste vermutet, neben den Atlantes, dann folgen die Aegipani, halb Mensch, halb Tier, die Blemmyer, die Gamphasanten, die Satyren und die Hiemantopoden.


    Die Atlantes haben, wenn man den Geschichten Glauben schenken darf, alle menschlichen Eigenschaften verloren, und es ist unmöglich sie dem Namen nach zu unterscheiden. Wenn sie in die aufgehende und die untergehende Sonne blicken, rufen sie ihr grauenvolle Verwünschungen zu, denn sie ist tödlich für sie, ebenso wie für ihr Land. Auch träumen sie nicht wie alle anderen Sterblichen.
    Die Troglodyten graben Höhlen in der Erde, die ihnen als Behausung dienen, Schlangenfleisch ist ihre Speise, sie haben keine Stimme, und geben nur quiekende Geräusche von sich, sie können sich nicht durch Sprache verständigen.
    Die Garamanten kennen die Institution der Ehe nicht, sie leben in unzüchtigem Konkubinat mit ihren Frauen. Die Augylae verehren ausschließlich die Götter der Unterwelt.Die Gamphasanten gehen nackt und kennen den Krieg nicht, mit Fremden wollen sie nichts zu tun haben.
    Die Blemmyae haben keine Köpfe, ihre Münder und Augen befinden sich auf ihrer Brust.
    ...


    Dies alles klang ziemlich unglaublich, ich las es mit Staunen, aber Plinius der Ältere war ein angesehener Gelehrter gewesen, und noch dazu Praefectus Classis, ein Posten, den man nicht durch Phantasterei bekommt, also musste schon etwas dran sein, an diesen Geschichten. Auch in anderen Schriften tauchten die Blemmyer auf, bei Herodot stand, sie seien sehr wild und kriegerisch. Ein anderer schrieb, sie hätten einst Köpfe gehabt, doch als sie sich gegen ihre Götter erhoben, hätten diese sie kopflos gemacht. Manche hätten aber ihre Köpfe noch, und könnten sie auf- und absetzen, würden sie für gewöhnlich aber in den Händen tragen. Im Süden und Osten Aegyptens, sollten sie leben, zwischen den Flüssen "Astapus" und "Astobores".
    Es gab sogar eine Illustration:

    "Mala leche! Immer diese Kollisionen! Warum, bei allen Lares compitales können die Leute nicht besser aufpassen..." grummelte ich noch, missmutig, dass das Problem der unübersichtlichen Wegkreuzungen, das in Rom so allgegenwärtig war, dass man bereits allenthalben darüber spottete, ja, das schon zu einer Menge leidenschaftlicher Leserbriefe in der Acta (und zu völlig absurden Lösungsvorschlägen) geführt hatte, dass dieses Problem auch in Alexandria so gravierend war.
    Nach meinem Ausbruch wirkte der Junge jedenfalls angemessen zerknirscht. Damit sah ich meine Würde als wiederhergestellt an, und wollte eben von dem armen Kerl ablassen, als...


    Es war genau wie in einer dieser thessalischen Schauergeschichten. Die Spannung steigt... und steigt... und steigt ins unerträgliche, jeden Augenblick erwartet man die Katastrophe, doch dann stellt sich heraus, dass das Rascheln im Gebüsch nur von einer harmlosen Katze stammt. Man liest es erleichtert, man lacht, und genau in diesem Moment tritt das Grauen auf den Plan.
    In meinem Fall war der Junge die Katze, und der Mob, der waffenschwingend um die Ecke stürmte, das Grauen. Genau das, was ich seit Beginn der Patrouille befürchtete, genau das wovon ich mir gesagt hatte Nein Faustus, jetzt übertreib mal nicht, wir sind nicht in Edessa, definitiv nicht, wir sind nicht mal in Rhakotis, es ist hellichter Tag, es wird schon nichts passieren...


    Ich blinzelte. Der Wimpernschlag schien eine Ewigkeit zu währen. Alles war in der Schwebe, während dieses Wimpernschlages, die Angreifer zögerten, es konnte noch immer ohne Blutvergiessen ausgehen. Mein Magen verkrampfte sich. Irgendwo kläffte ein Hund. Ich starrte in das Gesicht des vordersten Mannes, es war hart und zornig. Die konnten doch nicht... sie waren etwa soviele wie wir, die würden doch nicht allen Ernstes eine vollbewaffnete, gutgerüstete Patrouille angreifen, das war doch der blanke Irrsinn! Es sei denn, sie hatten noch etwas in der Hinterhand. War dies eine Falle, ein Hinterhalt?! Handelte es sich hier etwa um den berüchtigten "Dudus"?! Es blieb keine Zeit zum Überlegen, doch obgleich mein Kopf wie leergefegt war, reagierte ich zum Glück ganz automatisch mit der antrainierten Routine. Und sobald ich handelte, war auch die Angst auf einmal fort, oder bessergesagt, sie war schon noch da, aber weit in den Hintergrund gerückt, viel bedeutsamer war es das richtige zu tun, damit meine Männer und ich mit heiler Haut da raus kamen.
    Ungewöhnlicher klar traten die Dinge nun hervor, all die Details, alle zugleich... – die scharfumrandeten, bläulichen Schatten, die umwundenen Flechten im dunklen Schopf des Jungen auf dem Boden, der zerfranste Saum am Gewand des Aufständischen vor mir, die krummen Zähne, die er nervös bleckte, die Rostflecken auf der schweren Kette in seiner Hand...


    Es ging sehr schnell.
    "Scuta sursum! Gladios stringite! In aciem!" bellte ich, als sie auf uns losstürmten, und die Soldaten hoben die Schilde höher, rückten zusammen, Schulter an Schulter (so gut das auf dem engen Raum ging), und die, die es noch nicht von sich aus getan hatten, zogen die Gladii, so erwartete unsere kleine Formation den Aufprall des Mobs. Ich selbst packte den Jungen am Kragen, zischte ~"Nach hinten mit dich!"~ und gab ihm einen Schubs, der ihn hinter mich, und damit aus der unmittelbaren Kampfzone befördern sollte. Ich wollte ja nicht über ihn stolpern, und natürlich auch nicht, dass er zwischen den Fronten zu Schaden kam.
    Ein Schritt nach vorne, und ich bildete das rechte Ende unserer (krummen) Linie. Warum der Anführer der Aufrührer das rief, was er rief, war mir zwar sehr unklar, doch um Zuversicht zu demonstrieren, rief ich markig zurück:
    "Das kannst du haben, demens!" Mit dem blanken Gladius zeigte ich unheilverkündend auf ihn. "DU bist schon... -"


    Der brachiale Angriff des kettenschwingenden Wilden würgte meinen flotten Spruch ab. Mit einem Klirren wickelte sich die Kette um mein vorgerecktes Gladius, dann ein kräftiger Ruck, und da ich auf so einen komischen Angriff ja mal gar nicht gefasst war, riss es mir glatt die Waffe aus der Hand. Sie flog, sich drehend und in der Sonne lustig blitzend, durch die Luft, bis sie gegen eine Hauswand prallte und zu Boden fiel.
    Verdammte Scheiße! Jetzt vermisste ich doch sehr mein Scutum, mein gutes schweres solides Scutum, das ich getragen hatte bevor ich ein schicker Stabsoffizier geworden war, der sowas nicht mit sich rumschleppte, weil er eigentlich hinter die Linien gehörte. Der Kampf war voll entbrannt, und soweit ich das mitbekam schlugen meine Soldaten sich echt gut, was bei dermassen unterlegenen Angreifern ja kein Wunder war. Allerdings kämpften diese Leute extrem verbissen, total fanatisch!
    Der Miles neben mir, Numerius Granius, stieß einem Angreifer den Schildrand voll unters Kinn, doch der klammerte sich trotzdem wie ein Affe am Scutum fest und hackte mit einem Kurzschwert nach dem Soldaten. Er verletzte ihn am Waffenarm, Blut tropfte zu Boden, aber dann stach Granius ihn nieder.


    "Militeeees! In Linie vorwärts. Schritt! Und Schritt!" ließ ich mich wieder vernehmen.
    (Und seit, und ran! flüsterte spöttisch eine Stimme in meinem Kopf. Waah, wie kam ich denn jetzt auf so was?) Die Feinde mit den Schilden zurückdrängen und sie dabei niedermachen, das war mein Plan. Doch da, ein ohrenbetäubendes Scheppern dröhnte mir in den Ohren, ein Stoss – die Kette hatte meinen Helm getroffen. Erschrocken wich ich zurück und beschloß, mich jetzt, gemäß meines Ranges und so, hinter die Linie zu verziehen um von dort aus den Überblick zu behalten, und meine Leute zu befehligen. Nur leider ließ mein Gegner mich nicht, schon wieder schwang er diese tückische Waffe, aber diesmal duckte ich mich drunter durch und versetzte ihm einen kräftigen Tritt zwischen die Beine. Ha! Mit den genagelten Sohlen war das echt übel. Während er sich krümmte, schnellte ich wieder hoch, riss meinen Pugio aus der Scheide und stach ihn dem Mann in einer fließenden Bewegung von oben hinter das Schlüsselbein... drehte die Klinge herum... und er brach in die Knie, keuchte und röchelte. Die Kette rieselte herab, lag dann zu meinen Füßen wie eine eiserne Schlange. Für den Moment hatte ich Luft, ich reckte mich und versuchte das Kampfgeschehen zu überblicken.

    Natürlich beeilte ich mich, trotzdem war ich der letzte, der vor der Principa eintraf, aber das lag nur an meinem neuen Harnisch. Er war ganz phantastisch, die Schiede in der Fabrica hatten sich wirklich selbst übertroffen, ich sah darin aus wie ein junger Mars, aber er war ungewohnt anzulegen, und bis mein Bursche alle Schnallen richtig geschlossen hatte, dauerte es eben etwas länger.
    Dafür war mein Pferd schon gesattelt, ein Calo führte es gerade herbei.
    "Ave Praefectus! Salve Decurio!" grüßte ich, und nahm die Zügel meines weißen Rosses.
    "Dann geht es also los."

    "Unwahrscheinlich...." musste ich zugeben, und unter dem verdutzten Blick des Praefectus und der anderen Stabsoffiziere war mir meine Frage ein wenig peinlich. Ich hatte mich ja eigentlich nur absichern wollen, in Erinnerung an Parthia wo die Geheimhaltung so übertrieben gewesen war, dass meine Briefe immer nur total verstümmelt ankamen.
    Ich nickte verständig, und hüllte mich dann erst einmal in Schweigen. So hatten auch die anderen Gelegenheit, dumme Fragen zu stellen, während die Besprechung ihren Lauf nahm.

    Von dieser Stadt wurde mir ganz schwindlig. Die scharfen Gerüche, die intensiven Farben, der Lärm, das Gedränge... Was mich anfangs hellauf begeistert hatte, wurde mir im Verlauf der Patrouille einfach zuviel. Es war alles so unübersichtlich, so anders, so fremd. Die wilden Geschichten, die ich gehört hatte, von Römer-Hassern, Verschwörern und dem berüchtigten alexandrinischen Mob taten ihr übriges, um mich mit einem gewissen Mißtrauen zu erfüllen, manchmal schweifte mein Blick ganz von selbst zu den Dächern, wie um mich zu vergewissern, dass dort oben keine Bogenschützen lauerten. Unsinn? Ja, ich weiß, aber ich war eben angespannt.


    Wie heiß es hier war, schon so früh im Jahr. Die Sonne brannte auf meine Lorica und heizte das Metall auf. Aus einem Torbogen drang ein Schwall von Tiergestank, der mir fast den Atem nahm. Ich hielt die Luft an und sah im Vorübergehen hinein, es war der Hof einer Karawanserei und er stand voller Dromedare, urtümliche Tiere mit grellbunten Satteldecken. Ein Wasserträger kreuzte unseren Weg und beschleunigte seine Schritte, taumelnd unter seinem schweren Joch, um uns aus dem Weg zu gehen, dann fiel mein Blick auf eine Dame mit hennarotem Haar und großem Gefolge, die nur einen Wickelrock um die Hüften trug, dann auf einem Fischer, der inmitten des Trubels seelenruhig sein Netz flickte.
    Ich hatte beschlossen, eine Zeitlang an den normalen Patrouillen teilzunehmen, um die Stadt kennenzulernen, ein Gespür für sie zu bekommen, aber gerade wünschte ich mich doch eher in die Castra, am besten in den kühlen Innenhof meines Hauses. Natürlich bewahrte ich trotzdem Haltung, die Soldaten sollten ja nicht denken, ich wäre einer dieser verweichlichten Senatorensöhnchen-Tribunen. Ich marschierte weiter mit hallenden Sohlen zwischen den Ständen entlang, über pittoreske Plätze, breite Strassen und durch enge Gassen, fuhr mir bloß verstohlen mit den Fingerspitzen unter das Kinn, und lockerte den schweißigen Kinnriemen meines Helmes ein wenig..... als ich mit einem Mal aus dem Augenwinkel eine rasche Bewegung wahrnahm. Aber da war es schon zu spät, bevor ich überhaupt irgendwas tun konnte (ausser zu denken Römerfeinde, Verschwörer, alexandrinischer Mob) prallte jemand gegen mich, das heißt gegen meine eherne Brust. Ich bekam einen ordentlichen Schubs und einen noch ordentlicheren Schreck.


    "He!" japste ich, und prallte meinerseits gegen den Soldaten hinter mir. Es schepperte laut, aber der tüchtige Miles fing mich geistesgegenwärtig auf, und so fing auch ich mich wieder, und wandte mich schnell dem Angreifer zu. Das Herz schlug mir bis zum Hals, und ich hatte schon die Hand am Gladiusknauf (ja, ich war eben ein bisschen nervös an dem Tag), als mir erst bewusst wurde dass dies gar kein Angriff war. Der Mann, oder eher Junge, der da in mich reingerannt war, war zu Boden gegangen, wirkte benommen. Der musste sich ganz schön den Kopf angeschlagen haben.
    Unwillkürlich blickte ich runter auf meine Rüstung, der gute Stahl zeigte natürlich keine Spur dieser Kollision, dann strich ich mein scharlachrotes Paludamentum, dessen Falten jetzt leider ganz durcheinander geraten waren, über die Schulter zurück - und dann baute ich mich über dem Gestürzten auf und blickte strafend auf ihn hinab. Dem würde ich jetzt die Leviten lesen! Immerhin war ich Tribun in Roms glorreicher Armee, da musste ich doch meine Würde wahren, da konnte mich doch nicht jeder dahergelaufene Alexandriner auf die Hörner nehmen.
    "Was fällt dir ein, Bursche?! Hast du keine Augen im Kopf?!"
    Naja, römisch sah der nicht gerade aus. Eher exotisch. Eigentlich ziemlich hübsch. Aber auch ziemlich lumpig. Und irgendwie drollig, wie er so unter seiner Mütze hervorspähte, da muste ich ein Schmunzeln unterdrücken. Hoffentlich hatte der Junge sich nichts ersthaftes getan. Ob der mich überhaupt verstand? Wahrscheinlich verschwendete ich mein Donnerwetter. Aber als gebildeter Mensch konnte ich durchaus auch auf Griechisch wettern. Nichts leichter als das:
    ~"Was mag dir einfallen, Malefizgesell?! Hast keine Augen du in dem Haupte?! Beim schnellfüßigen Hermes, warum so mächtig geschwind du dahineilest? Hm?!"~

    Einen Augenblick lang war mir, als wäre ich zu weit gegangen, als würde sich das Weib nun wirklich auf mich stürzen. Ich spannte schon alle Muskeln an, um mich zu wehren, aber dann stand sie doch nur da und bebte und tötete mich mit Blicken. Bei Bellona, was für ein Zorn....
    "Sehr erfreut."
    Ich hatte es spöttisch sagen wollen, aber es klang eher... beklommen in meinen Ohren. Nein, die Lust diese Furie noch weiter zu reizen, die war mir vergangen. Unbehaglich wartete ich darauf, dass Celeste bereit war. Ich lächelte höflich als sie sich bedankte, dabei überlegte ich, dass die Reaktion der Nubierin doch wohl darauf hinwies, dass sie mich für ernsthafte Konkurrenz hielt, für einen gefährlichen Verführer, und dass ihr Zorn damit ja eigentlich ein Kompliment für mich darstellte. Auch nicht schlecht. Trotzdem wollte ich um keinen Preis noch länger hier verweilen.


    Celeste hingegen ließ sich von dem nubischen Zorn gar nicht irritieren, ich hatte sogar den Eindruck, dass ihr die ganze Konstellation Spass machte. Wie ein Schmetterling flatterte sie erst zu Amneris dann zu mir. Sie hakte sich sogar ein, was ich jetzt nicht unbedingt unangenehm fand, aber doch unerwartet, ebenso unerwartet wie die Lockenfrisur zum Beispiel.
    "Ähm...ja, die Biga wartet vor dem Haus auf uns." antwortete ich, überrumpelt von dieser Geste, und setzte mich in Bewegung. Die Nubierin streifte ich noch mit einem kurzen, schrägen Blick, dann führte ich Celeste hinaus und die Treppe hinab. Erst drei Stockwerke weiter unten ging mein Atem wieder normal. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich war richtig erleichtert, diese unheimliche Begegnung überstanden zu haben.
    "Ich glaube," grinste ich, in dem Bedürfnis das ganze ins Lächerliche zu ziehen, schnitt dann eine Grimasse und lachte ganz lässig, "deine Freundin mag mich nicht!"


    Vor dem Haus wartete Isatis, die Pferde am Zaum haltend, und es war mir eine Genugtuung als er bei Celestes strahlender Erscheinung große Augen bekam, dann schnell wegsah, dann wieder hin. Stolz präsentierte ich meiner Alibi-Freundin mein Prunkstück, das sie nur im auseinander genommenen Zustand kannte. "Kaum wiederzuerkennen, oder? Komm, steig auf."
    Natürlich bot ich ihr gallant die Hand.
    "Was möchtest du zuerst sehen, mi corazon ?"


    Die Patrouille, die eben mit viel Getöse über die Agora marschiert war, machte vor den Aushängen halt. Einer der Soldaten griff nach eben jenem Aushang und riss ihn schwungvoll von der Wand.
    "Der ist ja nu Geschichte" bemerkte er mit zufriedenem Gesicht, und ein anderer nickte beifällig, erkundigte sich dann: "Warst du selbst dabei?"
    Viele Zeugen hatte dieser Auftritt, Markhändler und Käufer, Müssiggänger und Passanten, viele achteten nicht auf die Soldaten, aber der ein oder andere sah sehr genau hin und spitzte die Ohren, als der erste Soldat antwortete:
    "Nein, aber der lange Rufus war dabei, hat's mit eigenen Augen gesehen. Der sagt, der Kerl war schon mausetot als sie ihn fanden. Lag einfach in der Gosse, bäuchlings im Dreck... Wo er hingehört, hehehe! Der macht uns keinen Ärger mehr."
    Ein triumphierendes Grinsen begleitete diese Worte. Der Soldat zerknüllte den Aushang, dann schepperte die Patrouille von dannen.



    Ich merkte auf. Dass solch eine prominente Frau nachts alleine unterwegs war... gut, es gab leichtfertige Exzentriker, die einfach gerne nachts alleine spazierengingen... aber es gab auch andere Gründe. Aussergewöhnliche Gemütszustände, lichtscheue Unternehmungen, ein Stelldichein... oder vielleicht hat sie jemand erpresst, schoß es mir spontan durch den Kopf. Ich furchte die Stirn, machte mir wirre Notizen und murmelte leise: "...merkwürdig..."
    Keine Wertgegenstände. "Hm... du sagst, es gibt nur einen entfernten Verwandten?" Es erschien mir immer wichtiger, ein Bild der Ermordeten zu gewinnen, von ihren Gewohnheiten, ihrem Wesen, um all diese Informationen überhaupt einordnen zu können.
    "War sie reich? Wer hat sie beerbt?"


    Aufmerksam lauschte ich auch der Charakterisierung des Verdächtigen. "Verstehe. Dann sehen wir uns doch mal seine Behausung an, vielleicht findet sich noch etwas, das sich im Verhör als Druckmittel nutzen lässt. Hat der Mann eigentlich Familie? Ausserdem möchte ich ihm einen Spitzel mit in die Zelle setzen, hast du zufällig jemanden unter deinen Männern, der sich gut für diese Aufgabe eignet, Optio? Sonst nehme ich einen der anderen Gefangenen dafür."

    "Jawohl Praefectus" bestätigte ich, und nickte auch zur zweiten Anweisung. "Ich kann Griechisch, jedenfalls einigermassen, aber die Scribae werden mir natürlich eine Hilfe sein."
    Ich freute mich richtig darauf, mein Griechisch zu erproben, es war so eine schöne, klangvolle Sprache. Lesen ging gut, aber bisher hatte ich selten die Gelegenheit zum Sprechen gehabt, ausser mit meinem widerspenstigen Parther. (Hoffentlich hatte sein gräßlicher Akzent nicht auf mich abgefärbt.) Die Form des Koine, das die Leute hier in Alexandria sprachen, war allerdings auf Anhieb nicht so leicht zu verstehen, da würde ich mich erst mal dran gewöhnen müssen.
    "Eine Frage noch... wie geheim sollen wir die Vorbereitungen halten?"