An
Decima Lucilla
Casa Roscia
Narbo Martius
Gallia Narbonensis
Salve Lucilla,
ich hoffe es geht Dir gut. Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen. Mir ist klar, dass ich mich Dir gegenüber im Ton vergriffen habe. Das tut mir sehr leid. Ich hoffe du verzeihst mir. Ich war ziemlich aufgebracht, weil Du derart niedrige Motive bei mir vermutet hast. Außerdem habe ich nicht nachgedacht, bevor ich den Brief losgeschickt habe. Mittlerweile bin ich nicht mehr wütend, aber noch immer erschüttert, dass Du so von mir denkst.
Ich weiß ja, dass Du das Soldatentum nicht sonderlich schätzt, aber meiner Meinung nach, gibt Dir das nicht das Recht, so abfällig über meine Leistungen zu urteilen. Was ist denn eine "richtige Karriere"?! Ich finde nicht, dass Du das Recht hast, mich einen Träumer zu nennen, nur weil ich nicht Senator werden will. Politik besteht zur Hälfte aus Geschwafel, zur Hälfte aus Intrigen, und am Ende entscheidet dann doch der Kaiser, beziehungsweise seine Vertreter. Das ist nichts für mich. Du weißt sehr wohl, dass ich die Träumereien, die ich tatsächlich früher gehegt habe, aufgegeben habe, um der Familientradition zu folgen, aber mir scheint dass, egal was ich tue, ich es der Familie doch sowieso niemals recht machen kann.
Übrigens bin ich versetzt worden. Der neue Praefectus Legionis der XXII. will mich als ritterlichen Tribun in seinem Stab, und ich werde mich schon in Kürze nach Ägypten einschiffen. Ich würde ja anbieten, mich dort ein wenig um Deinen Sohn zu kümmern, aber wenn er schon so verschreckt von mir ist, dann will ich ihn natürlich nicht noch mehr verstören.
Was die alte Geschichte mit den Kleidern angeht – ich kann sie einfach nicht mehr hören. Du musst Dir keine Vorwürfe machen. Wer ich bin und wen ich liebe, das liegt tief in meinem Wesen, ja ich möchte sagen meiner Seele, es ist weit mehr als ein "Gemütszustand", und es liegt auch ganz gewiss nicht an solchen kleinen Begebenheiten, wie Du sie schilderst.
Versuchst Du eigentlich, mir jenen Senator madig zu machen? Was hast Du gegen ihn und seine Familie? Die sind doch unheimlich vornehm und angesehen. Ich weiß absolut nicht, worauf Du anspielst, und ich würde Dich bitten, mir die Fakten mitzuteilen, auf denen Dein Urteil beruht.
Verzeih bitte die Kürze meines Schreibens, doch meine Versetzung kam überraschend, und ich habe vor der Abreise noch alle Hände voll zu tun. Ich werde aus Ägypten von mir hören lassen.
Vale,
Faustus
An
Centurio Marcus Iulius Licinus
Legio Prima
Mantua
Italia
Salve Licinus!
Na, da bin ich ja froh, dass Du den Schock verkraftet hast! Und was den Wein angeht, werde ich Dich beim Wort nehmen. Leider erst in ferner Zukunft, denn zuerst mal wird es mich in den fernen Süden verschlagen – stell Dir vor, ich bin nach Ägypten versetzt worden! Ich werde Tribun bei der XXII. Das kam völlig überraschend, und, so schwer es mir auch fällt, Rom zu verlassen, ich freue mich unheimlich darauf. Ich will einfach noch mehr von der Welt sehen, auf dem Feldzug sind wir zwar viel rumgekommen, aber Land und Leute konnten wir ja nicht so wirklich kennenlernen, und Ägypten hat mich immer schon fasziniert, die uralte Kultur, die griechischen Einflüsse..
Das Problem mit den Papyrus-Bergen kenne ich übrigens sehr gut. Ich habe mich, als ich so urplötzlich versetzt wurde, in aller Eile in den Kampf mit dem auf meinem Schreibtisch gestürzt, und mein bestes getan, ihn zu bezwingen, um meine Centurie wenigstens einigermassen geordnet übergeben zu können. Ich kann Dir sagen, er hat sich mit aller Macht gewehrt, einige Male wäre ich um ein Haar von seinen steilen Papyrus-Hängen abgeglitten, im staubigen Treibsand seiner Täler erstickt, oder in Tintenseen ertrunken. Doch am Ende habe ich, bewaffnet nur mit Stylus und Abakus, obsiegt!
Nach dem, was Du da von eurem Übungsmarsch erzählst, seid ihr ganz schön einfallsreich bei der Ausbildung. Pass nur auf, dass es sich nicht rumspricht, dass sich die Prima seit neustem bloß noch mit Rindviechern herumschlägt. Und tröste Dich über Deine lahmen Rekruten – die hier bei den CU sind noch viel schlimmer. Es ist unglaublich, was für Rübensäcke hier teilweise antanzen und Soldat werden wollen. Manche schaffen noch nicht mal ein paar Klimmzüge, und vor allem fehlt ganz vielen der Biss, der einfach nötig ist um die Grundausbildung durchzustehen. Mal sehen wie die bei der XXII. so sind.
Was ist denn mittlerweile aus dem kleinen Mädchen geworden, das ihr gerettet habt? Die Geschichte klingt so schon echt dramatisch, und da ich weiß, dass Du eher zur Unter- als zur Übertreibung neigst, noch viel mehr. Ich meine, da herauszuhören, dass Du Dich ernst mal um sie kümmern willst? Finde ich gut.
Neulich, da ging es mir ähnlich, da habe ich eine Selbstmörderin aus dem Tiber gefischt (sie war zum Glück erst halbtot) und danach habe ich mich auf einmal so richtig verantwortlich für sie gefühlt. Zuerst schien sie völlig jenseits von hier und jetzt, nicht zu erreichen, vollkommen verzweifelt, und als ich sie zu ihrer Familie zurückbringen wollte, ist sie mir einfach entwischt. Einige Zeit später – ich dachte, sie sei längst Fischfutter – tauchte sie plötzlich vor der Castra auf, mit ihrem kleinen Sohn an der Hand, schien wieder ganz bei Sinnen zu sein und hat sich höflich bedankt. War ein tolles Erlebnis.
Ich hoffe, dass es auch Deiner kleinen Esquilina bald besser geht!
Und damit schließe ich für heute. Wünsch mir Glück auf der Überfahrt, und in der neuen Truppe.
Vale bene,
Dein alter Kamerad
Faustus
Ist überwiesen. Danke