Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    An
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Salve Lucilla,


    ich hoffe es geht Dir gut. Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen. Mir ist klar, dass ich mich Dir gegenüber im Ton vergriffen habe. Das tut mir sehr leid. Ich hoffe du verzeihst mir. Ich war ziemlich aufgebracht, weil Du derart niedrige Motive bei mir vermutet hast. Außerdem habe ich nicht nachgedacht, bevor ich den Brief losgeschickt habe. Mittlerweile bin ich nicht mehr wütend, aber noch immer erschüttert, dass Du so von mir denkst.
    Ich weiß ja, dass Du das Soldatentum nicht sonderlich schätzt, aber meiner Meinung nach, gibt Dir das nicht das Recht, so abfällig über meine Leistungen zu urteilen. Was ist denn eine "richtige Karriere"?! Ich finde nicht, dass Du das Recht hast, mich einen Träumer zu nennen, nur weil ich nicht Senator werden will. Politik besteht zur Hälfte aus Geschwafel, zur Hälfte aus Intrigen, und am Ende entscheidet dann doch der Kaiser, beziehungsweise seine Vertreter. Das ist nichts für mich. Du weißt sehr wohl, dass ich die Träumereien, die ich tatsächlich früher gehegt habe, aufgegeben habe, um der Familientradition zu folgen, aber mir scheint dass, egal was ich tue, ich es der Familie doch sowieso niemals recht machen kann.


    Übrigens bin ich versetzt worden. Der neue Praefectus Legionis der XXII. will mich als ritterlichen Tribun in seinem Stab, und ich werde mich schon in Kürze nach Ägypten einschiffen. Ich würde ja anbieten, mich dort ein wenig um Deinen Sohn zu kümmern, aber wenn er schon so verschreckt von mir ist, dann will ich ihn natürlich nicht noch mehr verstören.


    Was die alte Geschichte mit den Kleidern angeht – ich kann sie einfach nicht mehr hören. Du musst Dir keine Vorwürfe machen. Wer ich bin und wen ich liebe, das liegt tief in meinem Wesen, ja ich möchte sagen meiner Seele, es ist weit mehr als ein "Gemütszustand", und es liegt auch ganz gewiss nicht an solchen kleinen Begebenheiten, wie Du sie schilderst.
    Versuchst Du eigentlich, mir jenen Senator madig zu machen? Was hast Du gegen ihn und seine Familie? Die sind doch unheimlich vornehm und angesehen. Ich weiß absolut nicht, worauf Du anspielst, und ich würde Dich bitten, mir die Fakten mitzuteilen, auf denen Dein Urteil beruht.


    Verzeih bitte die Kürze meines Schreibens, doch meine Versetzung kam überraschend, und ich habe vor der Abreise noch alle Hände voll zu tun. Ich werde aus Ägypten von mir hören lassen.


    Vale,
    Faustus




    An
    Centurio Marcus Iulius Licinus
    Legio Prima
    Mantua
    Italia



    Salve Licinus!


    Na, da bin ich ja froh, dass Du den Schock verkraftet hast! Und was den Wein angeht, werde ich Dich beim Wort nehmen. Leider erst in ferner Zukunft, denn zuerst mal wird es mich in den fernen Süden verschlagen – stell Dir vor, ich bin nach Ägypten versetzt worden! Ich werde Tribun bei der XXII. Das kam völlig überraschend, und, so schwer es mir auch fällt, Rom zu verlassen, ich freue mich unheimlich darauf. Ich will einfach noch mehr von der Welt sehen, auf dem Feldzug sind wir zwar viel rumgekommen, aber Land und Leute konnten wir ja nicht so wirklich kennenlernen, und Ägypten hat mich immer schon fasziniert, die uralte Kultur, die griechischen Einflüsse..


    Das Problem mit den Papyrus-Bergen kenne ich übrigens sehr gut. Ich habe mich, als ich so urplötzlich versetzt wurde, in aller Eile in den Kampf mit dem auf meinem Schreibtisch gestürzt, und mein bestes getan, ihn zu bezwingen, um meine Centurie wenigstens einigermassen geordnet übergeben zu können. Ich kann Dir sagen, er hat sich mit aller Macht gewehrt, einige Male wäre ich um ein Haar von seinen steilen Papyrus-Hängen abgeglitten, im staubigen Treibsand seiner Täler erstickt, oder in Tintenseen ertrunken. Doch am Ende habe ich, bewaffnet nur mit Stylus und Abakus, obsiegt!


    Nach dem, was Du da von eurem Übungsmarsch erzählst, seid ihr ganz schön einfallsreich bei der Ausbildung. Pass nur auf, dass es sich nicht rumspricht, dass sich die Prima seit neustem bloß noch mit Rindviechern herumschlägt. Und tröste Dich über Deine lahmen Rekruten – die hier bei den CU sind noch viel schlimmer. Es ist unglaublich, was für Rübensäcke hier teilweise antanzen und Soldat werden wollen. Manche schaffen noch nicht mal ein paar Klimmzüge, und vor allem fehlt ganz vielen der Biss, der einfach nötig ist um die Grundausbildung durchzustehen. Mal sehen wie die bei der XXII. so sind.


    Was ist denn mittlerweile aus dem kleinen Mädchen geworden, das ihr gerettet habt? Die Geschichte klingt so schon echt dramatisch, und da ich weiß, dass Du eher zur Unter- als zur Übertreibung neigst, noch viel mehr. Ich meine, da herauszuhören, dass Du Dich ernst mal um sie kümmern willst? Finde ich gut.
    Neulich, da ging es mir ähnlich, da habe ich eine Selbstmörderin aus dem Tiber gefischt (sie war zum Glück erst halbtot) und danach habe ich mich auf einmal so richtig verantwortlich für sie gefühlt. Zuerst schien sie völlig jenseits von hier und jetzt, nicht zu erreichen, vollkommen verzweifelt, und als ich sie zu ihrer Familie zurückbringen wollte, ist sie mir einfach entwischt. Einige Zeit später – ich dachte, sie sei längst Fischfutter – tauchte sie plötzlich vor der Castra auf, mit ihrem kleinen Sohn an der Hand, schien wieder ganz bei Sinnen zu sein und hat sich höflich bedankt. War ein tolles Erlebnis.
    Ich hoffe, dass es auch Deiner kleinen Esquilina bald besser geht!
    Und damit schließe ich für heute. Wünsch mir Glück auf der Überfahrt, und in der neuen Truppe.


    Vale bene,
    Dein alter Kamerad
    Faustus



    Sim-Off:

    Ist überwiesen. Danke :)

    Es war am Tag vor meiner Abreise nach Ägypten. Alles war gepackt, das Officium leergeräumt, bis auf die Möbel. Ich sass am Schreibtisch, die Ellenbogen auf dem Tisch, das Kinn in die Hand gestützt, die Stirn tief gefurcht, festentschlossen meine Korrespondenz zu erledigen, bevor ich in See stach.
    Gerade brütete ich über dem letzten Brief, den Lucilla mir gesandt hatte. Er war niederschmetternd. Vernichtend. Ich seufzte schwer, und verspürte, in einer Intensität wie schon sehr lange nicht mehr, das Gefühl dass mich niemand, aber wirklich niemand, verstand...!
    "Eine richtige Karriere"? "Träumereien"! Pah! Und dann die Kleider-Geschichte! Da konnte ich doch nur die Augen verdrehen! Echt, was sollte man darauf schon antworten? Nur stockend, Satz für Satz, vieles streichend, vieles neuschreibend, stückelte ich meine Antwort zusammen.


    An
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Salve Lucilla,


    ich hoffe es geht Dir gut. Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen. Mir ist klar, dass ich mich Dir gegenüber im Ton vergriffen habe. Das tut mir sehr leid. Ich hoffe du verzeihst mir. Ich war sowas von wütend! ziemlich aufgebracht, weil Du derart niedrige Motive bei mir vermutet hast. Außerdem habe ich nicht nachgedacht, bevor ich den Brief losgeschickt habe. Mittlerweile bin ich nicht mehr wütend, aber noch immer erschüttert, dass Du so von mir denkst.
    Ich weiß ja, dass Du das Soldatentum nicht sonderlich schätzt, aber meiner Meinung nach, gibt Dir das nicht das Recht, so abfällig über meine Leistungen zu urteilen. Was ist denn eine "richtige Karriere"?! Ich finde nicht, dass Du das Recht hast, mich einen Träumer zu nennen, nur weil ich nicht Senator werden will. Politik besteht zur Hälfte aus Geschwafel, zur Hälfte aus Intrigen, und am Ende entscheidet dann doch der Stadtpräfekt der Kaiser, beziehungsweise seine Vertreter. Das ist nichts für mich. Du weißt sehr wohl, dass ich die Träumereien, die ich tatsächlich früher gehegt habe, aufgegeben habe, um der Familientradition zu folgen, aber mir scheint dass, egal was ich tue, ich es der Familie doch sowieso niemals recht machen kann.
    [Strike]Bona Dea, es kann doch nicht jeder ein Triumphator sein!!
    Übrigens bin ich versetzt worden. Der neue Praefectus Legionis der XXII. will mich als ritterlichen Tribun in seinem Stab, und ich werde mich schon in Kürze nach Ägypten einschiffen. Ich würde ja anbieten, mich dort ein wenig um Deinen Sohn zu kümmern, aber wenn er schon so verschreckt von mir ist, dann will ich ihn natürlich nicht noch mehr verstören.


    Was die alte Geschichte mit den Kleidern angeht – ich kann sie einfach nicht mehr hören. Du musst Dir keine Vorwürfe machen. Wer ich bin und wen ich liebe, das liegt tief in meinem Wesen, ja ich möchte sagen meiner Seele, es ist weit mehr als ein "Gemütszustand", und es liegt auch ganz gewiss nicht an solchen kleinen Begebenheiten, wie Du sie schilderst.
    Versuchst Du eigentlich, mir jenen Senator madig zu machen? Was hast Du gegen ihn und seine Familie? Die sind doch unheimlich vornehm und angesehen. Ich weiß absolut nicht, worauf Du anspielst, und ich würde Dich bitten, mir die Fakten mitzuteilen, auf denen Dein Urteil beruht.


    Verzeih bitte die Kürze meines Schreibens, doch meine Versetzung kam überraschend, und ich habe vor der Abreise noch alle Hände voll zu tun. Ich werde aus Ägypten von mir hören lassen.


    Vale,
    Faustus



    Joa, das musste gehen... Ich schrieb es gleich ins Reine. Und wenn ich schon mal bei den Tanten war, konnte ich auch gleich noch eine Notiz an Tante Venusia verfassen.


    Liebe Tante Venusia,


    hast Du schon von meiner Versetzung gehört? Ich werde ritterlicher Tribun bei der XXII. Es kam sehr überraschend, und ich werde mich schon morgen einschiffen. Da ich Dich bei meiner Abschiedsrunde nicht angetroffen habe, möchte ich Dir auf diese Weise auf Wiedersehen sagen. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, Dich und die Kinder kennenzulernen und mit euch zusammen das Compitaliafest zu besuchen. Ich hoffe, Du findest hier in Rom alles, was du noch benötigst, um Misenum zu einem wohnlichen Ort zu machen.
    Ausserdem möchte ich mich bedanken, dass Du so viel Anteil an der Frage einer Ehe für mich genommen hast - wo das doch wirklich nicht selbstverständlich ist. Meine Abreise wird das Thema ja nun vorerst beenden, und ich hoffe sehr, dass Du Dir in dieser Hinsicht noch nicht zu viel Mühe gemacht hast.
    Ich bin schon wirklich gespannt auf Ägypten, auf Alexandria. Es war immer schon mein Traum, diese Stadt einmal mit eigenen Augen zu sehen. Kannst Du mir vielleicht ein paar gute Tipps geben, was man dort auf jeden Fall unternehmen sollte?


    Vale bene,
    Dein Neffe
    Faustus



    Der nächste Brief ging mir leicht von der Hand! Mit Licinus zu korrespondieren, das war als würde man locker am Lagerfeuer sitzen und sich unterhalten. Ich las nochmal sein letztes Schreiben, schmunzelte an manchen Stellen in mich hinein, dann brachte ich eine Antwort zu Papyrus.


    An
    Centurio Marcus Iulius Licinus
    Legio Prima
    Mantua
    Italia



    Salve Licinus!


    Na, da bin ich ja froh, dass Du den Schock verkraftet hast! Und was den Wein angeht, werde ich Dich beim Wort nehmen. Leider erst in ferner Zukunft, denn zuerst mal wird es mich in den fernen Süden verschlagen – stell Dir vor, ich bin nach Ägypten versetzt worden! Ich werde Tribun bei der XXII. Das kam völlig überraschend, und, so schwer es mir auch fällt, Rom zu verlassen, ich freue mich unheimlich darauf. Ich will einfach noch mehr von der Welt sehen, auf dem Feldzug sind wir zwar viel rumgekommen, aber Land und Leute konnten wir ja nicht so wirklich kennenlernen, und Ägypten hat mich immer schon fasziniert, die uralte Kultur, die griechischen Einflüsse..


    Das Problem mit den Papyrus-Bergen kenne ich übrigens sehr gut. Ich habe mich, als ich so urplötzlich versetzt wurde, in aller Eile in den Kampf mit dem auf meinem Schreibtisch gestürzt, und mein bestes getan, ihn zu bezwingen, um meine Centurie wenigstens einigermassen geordnet übergeben zu können. Ich kann Dir sagen, er hat sich mit aller Macht gewehrt, einige Male wäre ich um ein Haar von seinen steilen Papyrus-Hängen abgeglitten, im staubigen Treibsand seiner Täler erstickt, oder in Tintenseen ertrunken. Doch am Ende habe ich, bewaffnet nur mit Stylus und Abakus, obsiegt!


    Nach dem, was Du da von eurem Übungsmarsch erzählst, seid ihr ganz schön einfallsreich bei der Ausbildung. Pass nur auf, dass es sich nicht rumspricht, dass sich die Prima seit neustem bloß noch mit Rindviechern herumschlägt. Und tröste Dich über Deine lahmen Rekruten – die hier bei den CU sind noch viel schlimmer. Es ist unglaublich, was für Rübensäcke hier teilweise antanzen und Soldat werden wollen. Manche schaffen noch nicht mal ein paar Klimmzüge, und vor allem fehlt ganz vielen der Biss, der einfach nötig ist um die Grundausbildung durchzustehen. Mal sehen wie die bei der XXII. so sind.


    Was ist denn mittlerweile aus dem kleinen Mädchen geworden, das ihr gerettet habt? Die Geschichte klingt so schon echt dramatisch, und da ich weiß, dass Du eher zur Unter- als zur Übertreibung neigst, noch viel mehr. Ich meine, da herauszuhören, dass Du Dich ernst mal um sie kümmern willst? Finde ich gut.
    Neulich, da ging es mir ähnlich, da habe ich eine Selbstmörderin aus dem Tiber gefischt (sie war zum Glück erst halbtot) und danach habe ich mich auf einmal so richtig verantwortlich für sie gefühlt. Zuerst schien sie völlig jenseits von hier und jetzt, nicht zu erreichen, vollkommen verzweifelt, und als ich sie zu ihrer Familie zurückbringen wollte, ist sie mir einfach entwischt. Einige Zeit später – ich dachte, sie sei längst Fischfutter – tauchte sie plötzlich vor der Castra auf, mit ihrem kleinen Sohn an der Hand, schien wieder ganz bei Sinnen zu sein und hat sich höflich bedankt. War ein tolles Erlebnis.
    Ich hoffe, dass es auch Deiner kleinen Esquilina bald besser geht!
    Und damit schließe ich für heute. Wünsch mir Glück auf der Überfahrt, und in der neuen Truppe.


    Vale bene,
    Dein alter Kamerad
    Faustus



    Ja.... und dann kam das schwerste. Ich musste Aton absagen. Manius... formte ich leise mit den Lippen. Es war zum Heulen und Zähneknirschen! Er war toll, umwerfend, einfach faszinierend, und jetzt würde ich ihn jahrelang nicht wiedersehen können! Warum nur, warum hatten wir das Stelldichein nicht ein paar Tage früher vereinbart?!
    Melancholisch kaute ich auf meinem Stylus herum, und dachte darüber nach, ob das vielleicht ein Zeichen war, dafür dass der Meditrinalien-Zauber doch lieber einzigartig bleiben sollte, oder vielleicht auch dafür, dass man in der Liebe keine Spielchen spielen sollte. Andererseits, Ehrlichkeit rächte sich ja auch. Ach, bei Eros und Anteros, ich war in der Hinsicht einfach mit Unglück geschlagen!!
    Dazu kam die Schwierigkeit, dass ich ihm nicht offen schreiben konnte. Könnte ja jemand anderes lesen, musste ja harmlos klingen... Ach, ich wünschte, es wäre nicht so kompliziert!



    An
    Senator M. Flavius Gracchus
    Villa Flavia



    Salve Senator Flavius,
    leider muss ich Dir mitteilen, dass ich überraschend nach Ägypten zur Legio XXII versetzt wurde. Die Ermittlungen, wegen der wir uns neulich besprachen, werde ich darum nicht mehr persönlich durchführen könne. Doch ich habe Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Kollegen, und ich bin zuversichtlich, dass durch ihre Ermittlungen die Unklarheiten in dieser Angelegenheit dahinschmelzen werden wie der letzte Schnee unter der Wärme der erstarkten Frühlingssonne, auf dass die Wahrheit ans Licht kommt, und Du das Dir geraubte Kleinod eines Tages wieder in den Händen halten kannst.







    Vale,
    F. Decimus Serapio
    Centurio Cen IV Coh I Cohortes Urbanae



    Dann stibitzte ich eine Zwiebel aus der Küche, und quetschte den Saft aus ihr heraus. Mit tränenden Augen tauchte ich einen ganz feinen Stylus in den Zwiebelsaft, und schrieb, hochkonzentriert, in Miniaturbuchstaben auf den Rand des Briefes folgende Sätze:


    Manius, mi anime,
    morgen schon sticht das Schiff in See, das mich nach Ägypten bringt. Mein Himmel hat sich verdunkelt, als ich dies erfuhr, und nun gehe ich umher wie ein Blinder. Dabei sehe ich Dich, immerzu nur Dich, sehe Dein Antlitz, möchte es mit tausend Küssen bedecken, höre Deine Stimme, möchte Deine Worte trinken, mich an ihnen berauschen wie an starkem Meditrinalienwein, spüre wieder Deine Glut, will in Deiner Lohe gleißend vergehen, will Feuer von Deinem Feuer sein!
    Schreib mir, geliebter Aton, sende mir Deine Worte wie Strahlen der göttlichen Sonne, lindere meine Sehnsucht, denn sonst wird sie mich restlos verzehren!


    Welch ein Jammer! Gut, etwas künstlerische Freiheit war dabei, doch als ich dies schrieb fühlte ich mich wirklich sehr verliebt, und sehr verzweifelt! Ich seufzte tief, blickte schwermütig aus dem Fenster und fühlte mich wie der Held in einer tragischen Romanze. Doch zu lange durfte ich in diesem Leid nicht schwelgen, zu viel war noch zu tun.
    Ich wedelte mit dem Papyrus in der Luft herum, bis der Zwiebelsaft getrocknet war, und die Buchstaben meiner "Geheimschrift" spurlos verblasst, faltete ihn zusammen und versiegelte ihn, und ebenso die anderen, dann machte ich mich auf, um die Briefe sogleich zu verteilen.

    "Du meinst also, er starb an einem gebrochenen Herzen?" erwiderte ich reserviert. Es ging mir gehörig gegen den Strich, dass ein Vetter, den ich nie zuvor gesehen hatte, meinte, mehr über Appius zu wissen als ich.
    "Das glaube ich nicht. Ein gesunder Mann stirbt nicht einfach an so etwas. Ich habe mit einem Kameraden von ihm korrespondiert. Er meinte, der Medicus habe gesagt, Appius Herz hätte einfach nicht mehr weitergeschlagen. Er kann nicht gesund gewesen sein."
    Dann erst dämmerte mir etwas. Ich blickte auf, starrte Celsus geradezu feindselig an.
    "Oder willst du etwa andeuten... NEIN. Appius hätte so etwas nicht getan. Er kannte seine Pflicht, und hätte sich ihr niemals auf diese Weise entzogen! Ausserdem... ausserdem hat er mir einen Brief aus Germanien geschrieben, kurz vor seinem Tod, und der war heiter und... zuversichtlich..."
    NEIN. Unmöglich. Ich war wie vor den Kopf gestossen. Doch ich verschloss mich vor diesem Gedanken. Ich ließ ihn nicht zu. Und den Vetter, der diesen Gedanken in meine behagliche Behausung hereingetragen hatte, den wollte ich nur noch so schnell wie möglich loswerden.
    Ich erhob mich und verabschiedete Celsus mit kühler Höflichkeit.
    "Danke, aber ich möchte dich nicht aufhalten. Ich werde meine Antwort später verfassen. Etwas Zeit, um in der Casa Decima vorbeizuschauen wird dir aber doch bestimmt noch bleiben? - Es hat mich gefreut deine Bekanntschaft zu machen, und ich wünsche dir eine gute Rückreise."
    Als die Türe hinter ihm zufiel, ließ ich mich schwer auf meinen Stuhl zurücksinken.
    Nein.
    Ausgeschlossen.

    Dieser Iudex musste der "andere" Senator Flavius sein. Unwillkürlich suchte ich in seinen Zügen nach einer Ähnlichkeit... hm... ja, doch, ein wenig.... bevor ich mich ganz auf die Fragen konzentrierte. Die erste war tatsächlich nicht so einfach zu beantworten, denn ich wollte weder den dicken Decius noch seine Frau, auch nicht die alte Pulicia und schon gar nicht Celeste da mithineinziehen. Es war eine traurige Tatsache: wer mit uns Urbanern kooperierte, der war in der Subura seines Lebens nicht mehr sicher. Andererseit war ich froh, noch mal das Wort ergreifen zu dürfen, denn der Ankläger, der bereits verstummt war, schien mir nicht sonderlich ambitioniert, den Gefangenen seiner gerechten Strafe zuzuführen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die Octavier hätten als Ankläger einen Advocatus benannt, der nichts mit dem Toten zu tun hatte, und sich in diesem Prozess mit professioneller Distanz hätte engagieren können.


    "Zu dieser Frage kann ich in der Tat nicht zu sehr ins Detail gehen. Der Angeklagte hatte eine Kleinigkeit am Tatort zurückgelassen. Ich nehme an, dass der Gegenstand ihm bei dem Handgemenge mit dem Opfer verlorengegangen ist. Anhand dieses Indizes ist es uns in langer Ermittlungsarbeit gelungen, ihn aufzuspüren.
    Aber nein, die Mordwaffe, oder die Mordwaffen, haben die beiden Verbrecher nicht bei dem Leichnam zurückgelassen. Der Capsarius, der sich den Toten damals angesehen hat, konnte erkennen, dass die Wunden durch Messerstiche beigebracht wurden. Die Klingenbreite betrug circa zwei Digiti. Ein, oder zwei, größere Messer also.... Als wir den Gefangenen festgenommen haben, haben wir ihm jedenfalls ein Messer abgenommen, dessen Maße dem durchaus entsprechen.“
    Da ich hier ja unbedingt die Wahrheit sagen musste, fuhr ich, innerlich widerwillig, fort: “Ich muss allerdings dazusagen, dass Waffen dieser Art und dieser Ausmaße in der Subura weit verbreitet sind.“
    Es gab eben keinen kurzen und knackigen Beweis in der Sache, nur Indizien. Trotzdem fand ich es lasch, wie milde hier bei der Verhandlung mit solchem Mordgesindel verfahren wurde. Da kam es mir gerade recht, zum Sprechen aufgefordert zu sein, und ich nutzte diese Gelegenheit so richtig aus.
    “Wenn ich noch mal die Erkenntnisse von uns Urbanern zusammenfassen darf:
    Es steht fest, dass Varius Burrus bei dem Mord zugegen war. Er hat an diesem Ort einen persönlichen Gegenstand verloren, und er hat es selbst hier und heute zugegeben, dass er mit seinem Komplizen dort war. Er trug bei seiner Festname eine Waffe bei sich, die zu den Wunden des Opfers passt. Er sagte selbst, dass er „das Geld gebraucht“ habe.
    Wir haben am Tatort eine Zeugin befragt, die gesehen hat, dass es zwei Männer waren, die Octavius Cato angegriffen haben. Varius Burrus neigt schnell zur Gewalt, dies hat er bei seiner Festname bewiesen, als er erbitterten Widerstand geleitet hat. Hier und heute hat er uns durch seine unflätigen Beschimpfungen demonstriert, wie stark sein Hass gegenüber höherstehenden Personen ist.
    Dass er selbst zugestochen hat, hat er mir gegenüber im Verhör bereits zugegeben. Hier hat er es wiederrufen, und stattdessen uns Urbaner der Folter beschuldigt. Dies ist eine schamlose Lüge, und wird als solche offenbar werden sobald er seine Tunika auszieht.“

    Obgleich ich darauf brannte, diesen miesen Halsabschneider ad bestias zu sehen, sprach ich ruhig und eindringlich, voll Überzeugung, meine Worte mit Gesten untermalend, mal die Richter und mal das Publikum ansehend, eingedenk meines Rhetorikunterrichtes früher. Es war zwar nicht meine Aufgabe als Zeuge, hier eine Anklage vom Stapel zu lassen, aber es war meine Pflicht als Römer, alles zu tun damit dieses Stück Gossendreck seine Strafe erhielt.


    “Varius Burrus ist ein Lügner. Dies beginnt schon bei seinem Namen – er war hier in Rom unter dem falschen Namen „Sadales Polxemidas“ bekannt – , dies zeigt sich in seinen dreisten Lügen über die angebliche Folter, und dies straft auch den plötzlichen Widerruf seines Geständnisses Lügen.
    Auch wenn wir ihn nicht mit der blutigen Waffe auf frischer Tat ertappt haben – zweifelsfrei ist er ein Strassenräuber, zweifelsfrei hat er Beihilfe zu diesem grausame Verbrechen geleistet. Und alles spricht dafür, dass er selbst zugestochen hat: Er war dort. Er hatte ein Motiv, die Geldnot. Er besass eine Waffe, die zu den Wunden des Opfers passt. Er zeigt die Gewaltbereitschaft, das verrohte Wesen eines Mörders, und er hasst jene, die über ihm stehen, abgrundtief.

    Ich machte eine Kunstpause, sah in die Gesichter der Zuschauer, dann wies ich mit ausladender Geste auf den Angeklagten, und hob die Stimme, als ich ihn nun zum Ende leidenschaftlich anprangerte. Ich hoffte ja darauf, dass, wenn die Gemüter der Zuschauer erhitzt waren, dass, wenn diese Blut sehen wollten, das auch die Richter nicht unbeinflusst lassen würde. Schließlich machte es nicht gerade populär, wenn man dem Volk eine erhoffte Hinrichtung vorenthielt.
    “Dieser Mann hat für ein paar Sesterzen ein angesehenes Mitglied des Ordo Senatorius heimtückisch angefallen, hinterrücks ermordet! Er ist nicht besser als ein wildes Tier, und unter den Klauen und Zähnen wilder Bestien sollte er sein verdientes Ende finden.“






    Sim-Off:

    Wenn möglich bitte nicht mehr anspielen, bin in Ägypten.


    edit: simoff

    Das war zuviel. Ich krallte meine Hände um die Armlehnen, und konzentrierte mich darauf, einzuatmen, auf den Luftstrom, der meine Nasenflügel wölbte, meine zugeschnürte Kehle entlangfloss, meine Brust wölbte...
    Es war nicht nur die Trauer, die da wieder an die Oberfläche kam. Auch eine Art... Wut auf meinen großen Bruder, der mich einfach alleine gelassen hatte. Zweimal. Zuerst als er spurlos aus Tarraco verschwunden war, dann als er so völlig unerwartet starb. Unsinnig, natürlich war diese Wut unsinnig, ganz und gar kindisch, aber sie war vorhanden.
    Dann war es, als würde sich eine starre Maske über meine Züge legen, und mit einem Mal war der Aufruhr in mir weit weg, hinterließ eine Art Taubheit. Als stünde ich neben mir. Meine Stimme klang nüchtern, beinahe unbeteiligt.
    "Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen. Celsus. Mein Bruder ist in Germanien verstorben. Ganz unerwartet. Es scheint, dass er sehr krank war, ohne es zu wissen."
    Düster starrte ich auf meinen Weinbecher, und zitierte ohne die geringste Überzeugung: "Quem di diligunt adulescens moritur."

    Den Umständen entsprechend, lief das ganz gut. Auch wenn ich schwer einschätzen konnte, was Valeria und vor allem Venusia über "meine Freundin" denken mochten... Seiana jedenfalls reagierte einfach perfekt, obwohl sie sicherlich ahnte, dass da was faul war, und Celeste zeigte sich so einnehmend, dass ich große Hoffnungen in diesen Auftritt setzte. Es beschlich mich der Gedanke, dass ich nun wirklich tief in ihrer Schuld stand, und das war, bei ihrem nicht unbedingt über alle Zweifel erhabenen Hintergrund, wahrscheinlich nicht so geschickt... Aber egal, Hauptsache sie rettete mich vor einer grauenvollen Zwangsehe mit irgendeinem hirnlosen jungen Hühnchen, oder – Brrr!!! - einem drallen, liebeshungrigen Weib, oder einer zänkischen Matrone.
    "Aber du siehst doch ganz fabulös aus, mi corazón!" schmachtete ich, lächelte ihr strahlend zu, und ein bisschen begann mir diese Sache sogar Spass zu machen. Das Küsschen wiederum erschreckte mich doch ein wenig, auch wenn ich mir sagte, dass es ja nur Theater war, rutschte mir da doch für einen kurzen Augenblick das Lächeln aus dem Gesicht. Ich hoffte nur, dass die Damen das für einen Ausdruck meiner Befangenheit in Gesellschaft der Familie, und damit für ein Zeichen guter Erziehung hielten...
    Schnell hatte ich mich wieder im Griff und strahlte wieder mit Celeste um die Wette. Was für ein Augenaufschlag! Ich hatte gar nicht gewusst, dass Celeste solch schauspielerisches Talent in sich trug. Ob sie das bei ihrer früheren Arbeit entwickelt hatte?
    "Warte, ich helfe dir tragen!" ergriff ich schnell die Gelegenheit, mich dem Tribunal zu entziehen, und nahm höchst ritterlich die schweren Schriftrollen zur Hand.
    "Bitte, seid doch so gut mich für einen Moment zu entschuldigen", bat ich in ausgesprochen höflichem Tonfall die drei Damen, bevor ich mich zusammen mit meiner Alibi-Freundin – ihr den Vortritt lassend – aus dem Staub machte.


    Sobald wir das Triclinium hinter uns gelassen hatten, die Türe hinter uns geschlossen war, atmete ich auf, und flüsterte, voll Erleichterung, wirklich aus tiefster Seele:
    "Danke!!!"
    Und nachdem mich Fortuna bis dahin so in die Pfanne gehauen hatte, meinte sie es auf einmal wieder gut mit mir: ein Laufbursche kam aus der Castra herbeigeeilt, und teilte mir mit, dass ich dort dringend gebraucht würde. Irgendein Streit zwischen meinen Männern und denen von der dritten Centurie. Er war ganz zerknirscht, mich deswegen zu stören, aber nichts hätte süßer in meinen Ohren klingen können. Gesegnet seien die Streithähne. Was für ein unverhofftes Glück!
    Ich hielt einen Sklaven auf, der gerade mit dem Braten auf dem Weg ins Triclinium war, und trug ihn auf, dies den Damen mitzuteilen, und auch wie sehr es mir leidtat – dann verließ ich eilends die Casa und flüchtete zurück ins Kastell.

    Ich sparte meinen Atem, und umklammerte eisern den Arm, verdrehte ihn brutal immer weiter, presste das Großmaul mit aller Kraft zu Boden. Dass er von Ehre keine Ahnung hatte, das hatte er ja schon zu Genüge gezeigt, so überraschte es mich nicht, dass er in seiner Verzweiflung zum Sand griff, und ihn mir entgegenwarf. Ich kniff die Augen zusammen, und duckte mich, entging so dem plumpen Angriff, und aus dieser Bewegung heraus warf ich mich auf die Kanaille, Knie voran mit voller Wucht. Ein Fausthieb traf meine Rippen, ließ mich ächzen, doch man merkte es dem Kerl einfach an, dass er zwar über Kraft, aber nicht über Ausbildung und Erfahrung verfügte. Hemmungen hatte ich trotzdem keine mehr, nicht nach dem Sand, mich erfüllte nur kalte Wut, und mit zusammengepressten Kiefern verstärkte ich den Griff, drückte ihn erbittert auf den Boden runter, bohrte dann mein Knie in seinen Nacken und quetschte sein Gesicht mit aller Kraft in den Sand.
    Wenn es nach mir ginge, sollte der am besten jämmerlich ersticken! Genau, das sollte er, der Lump, der es gewagt hatte seine trüben Augen zu meiner Schwester zu erheben, sich gar mit ihr zu verloben! Ausserdem hatte er mich Tunte genannt... bei dem Gedanken daran verlagerte ich genüsslich noch mehr Gewicht auf seinen Nacken, und zwischen den Zähnen presste ich hämisch hervor:
    "Da, du Wurm......friss Dreck!!!"

    Mmmh.... seine Worte, wunderschön, berauschend schön... Ich lauschte gierig, diese Worte waren nur für mich, ich wollte sie am liebsten alle in eine Truhe stecken, wie ein Geizhals, sie dort für immer aufbewahren, dann von Zeit zu Zeit die Truhe aufschließen, diese meine Schätze betrachten und mich heimlich an ihnen ergötzen.
    "Ich kann es kaum erwarten..." raunte ich verzückt, "...Manius...." Schön, melodiös, weich und volltönend glitt dieser Name über meine Lippen, und zugleich fühlte es sich sehr intim an, ihn so vertraut anzusprechen, vielleicht zu sehr, vielleicht sollte ich es besser bei 'Aton' belassen? Aber ich hatte mich (wieder mal) viel zu schnell und viel zu heftig in diese Sache verstrickt, und es verlangte mich ungeheuer danach, diesen Senator auch jenseits seiner Sonnenmaske kennenzulernen, ich wollte sein wandelbares Wesen ergründen, wissen was er für ein Mensch war.... eigentlich wollte ich alles über ihn wissen!
    Und wieder konnte ich gar nicht anders, als verklärt – und geschmeichelt – zu lächeln, bei solch einer charmanten Gegenfrage.
    "Das liegt natürlich ganz bei jenem Gefährten" kokettierte ich, sah ihm schmachtend tief in die Augen, um ihm schließlich zu verraten: "Faustus. Das ist mein Name." Und ich wollte ihn nur zu gerne aus seinem Munde hören, bei 'Hephaistion' fühlte ich mich nämlich nicht so recht angesprochen.


    Es lag etwas in der Luft, zwischen uns. Ich sollte ja jetzt eigentlich gehen, aber ich konnte meine Hand gar nicht von ihm lassen. Wie von selbst fuhr sie langsam am Rande seines Antlitzes entlang - ich verwende dieses Wort bewusst, denn 'Gesicht' wäre viel zu profan für das noble Antlitz des Manius Flavius Gracchus! - umrahmte die Linie des Kinns, streichelte sacht seinen Hals, ein wenig unterhalb des Ohrs. Oh nein, ich glaubte ihm das nicht im Geringsten, dass "Aton" hier in dieser Villa keinen Zutritt hatte, und ohne Abschiedskuss würde er mich nicht loswerden!
    "Ich fürchte, ich muss jetzt gehen..." seufzte ich theatralisch, und näherte mich ihm doch bei diesen Worten umso mehr an, ließ meine Hand in seinen Nacken wandern, ihn dort selbstvergessen liebkosen. "Wir sehen uns in sieben Tagen... in den Bädern..." Seine Lippen, wieder fand ich sie, zuerst so zart wie zuvor, dann hielt ich meine Leidenschaft nicht länger im Zaum, ich küsste ihn so innig, dass es mindestens für eine Woche ausreichen musste!
    Aber wenn es am schönsten ist, soll man gehen, leider.
    "...und bis dahin ...in Deinen Träumen." (Der Spruch war nicht von mir aber ich fand ihn gut, und ein klein bisschen wollte ich jenen Senator auch ärgern. Denn noch war ich nicht vollständig darüber hinweg, dass er mich quasi vertröstet hatte.)
    Ich trat zurück, meine Hand ruhte dabei so lange wie noch möglich in seinem Nacken, löste sich nur widerstrebend. Dann strich ich meine Tunika zurecht, schloss den Kinnriemen des Helms, und schritt zur Türe, bedauernd zwar, doch fest entschlossen meinen eleganten Abgang jetzt wirklich durchzuziehen. (Die Befragung, die ich als Vorwand genommen hatte, um hier zu Erscheinen, die hatte ich, angesichts dieser aufregenden und dramatischen Begegnung, mittlerweile leider vollkommen vergessen.)
    Ein letzter, feuriger Blick, über die Schulter hinweg ihm zugeworfen, und ich öffnete die Türe, verließ das Gemach festen Schrittes, in der Gewissheit dessen faszinierenden Bewohner bald wiederzusehen.


    Tja. Hätte ich doch gewusst, dass ich gerade mal drei Tage später nach Ägypten versetzt werden würde.

    Eigentlich war Seiana diejenige von uns, die sich weit besser im Griff hatte, aber heute zeigte sie doch deutlich, wie nahe ihr der Abschied ging. Das trug auch zu meiner Beherrschung nicht unbedingt bei, und ich schluckte heftig, blinzelte energisch, als meine Augen auf einmal so wässrig wurden. Undenkbar, vor den Soldaten Tränen zu vergiessen! Damit hätte ich mich sofort lächerlich gemacht. Ganz verstohlend, es in der Umarmung kaschierend, wischte ich mir eine Spur Feuchtigkeit aus dem Augenwinkel, dann atmete ich tief ein, gab Seiana schnell einen Kuss auf die Wange und löste die Umarmung. Haltung! Ja, ging doch! Ich straffte mich und erwiderte tapfer das schiefe Grinsen.
    "Mach ich. Versprochen. Hab ja auch einen Glücksbringer."
    Ich deutete auf meine Brust, wo das Serapis-Amulett hing. (Neben dem alten Ancilium-Amulett. Schließlich konnte man nie genug Götterbeistand haben.)
    "Sobald ich da bin, schreibe ich Dir. Aber Du musst mich auch auf dem Laufenden halten, ja? Also dann..."
    Es war noch mal ein kritischer Moment, als ich von ihr zurücktrat... ich musste daran denken, wie viel von der Zeit, die wir in Rom miteinander hätten verbringen können, draufgegangen war, weil wir uns so gestritten hatten... Und wenn wir uns das nächste Mal sehen würden, dann würde sie bestimmt schon mit diesem doofen Aelier verheiratet sein... Meine Seiana. Manchmal würde ich gerne das Rad der Zeit festhalten, nur nicht zulassen dass es sich weiterdrehte.
    "...Alles Gute Dir! Vale!"
    Widerstrebend wandte ich mich ab, strebte wieder auf das Schiff zu. Den Abschiedsschmerz ließ ich mir zwar nicht anmerken, aber meine Miene war doch ziemlich ernst, mühsam beherrscht eben. Die Matrosen lösten schon die Taue von den Pollern, Ruder streckten sich ins Wasser wie die Beinchen eines Insekts. Ich drehte mich nochmal um, bevor ich den Steg betrag, lächelte Seiana zu, und hob die Hand zum Abschiedsgruß. Meine Schritte klangen hohl, als ich den hölzernen Steg überquerte, sobald ich drüben war, wurde er eingezogen. Dann stand ich wieder an Deck der Glauke, neben den anderen, den Seeleuten im Weg herum.


    Jetzt hallten Kommandorufe, Ruder tauchten platschend in das Wasser, und in den gewaltigen Rumpf des Schiffes kam Bewegung. Der Abstand zwischen uns und dem Pier vergrößerte sich rasch. Solange es ging, blickte ich zu Seiana hinüber, deren vertraute Gestalt immer kleiner wurde, bis sie mit dem fleckigen Hintergrund der Hafenfront verschmolz, und nicht mehr auszumachen war.
    Der Bug richtete sich auf das offene Meer, wir glitten hinaus aus dem Hafen, und sobald wir nicht mehr im Wind-und Wellenschatten der Mole waren, ergriff uns ein kräftiger Wellengang, ließ die Glauke auf und ab schwingen wie der Rücken eines galoppierenden Pferdes. Es knarrte und ächzte in der Takelage, die Flaggen flatterten wie wild, und ein kalter Wind trieb uns salzige Gischtfetzen ins Gesicht. Die Mannschaft setzte die Segel und ließ das Rudern sein, worauf die Bewegungen des Schiffes deutlich harmonischer wurden. Wie weiße Schwingen eines riesigen Seevogels blähten sich die Segel über uns, und das ganze Schiff legte sich schräg vor dem kräftigen Westwind, der uns zügig die Küste entlang trieb. Ostia verschwand in unserem Kielwasser, und zu unserer Linken zog die Linie der küstennahen Berge vorüber. Nun waren wir wirklich und wahrhaftig auf dem Weg nach Ägypten...

    Ich zuckte zusammen. Nur einen hatte es gegeben, der mich so genannt hatte, und es versetzte mir einen Stich, diesen alten Kosenamen auf einmal wieder zu hören, so vollkommen unerwartet. Es erinnerte mich an den Verlust, den ich weit, sehr weit von mir geschoben hatte. Einen Moment lang starrte ich Celsus einfach nur an, rang darum, jetzt nicht die Fassung zu verlieren. Tief atmete ich ein. Und aus.
    "Du... kanntest meinen Bruder?"

    Alles war jetzt an Bord – das Gepäck, die Sklavin von Celeste, und auch meine beiden schönen Schimmelstuten, die ich in Ägypten vor die Biga zu spannen gedachte. Später würde ich nach ihnen sehen, und mich vergewissern, dass sie gut untergebracht waren, aber für den Moment lehnte ich noch an der Reling nahe des Hecks, wollte den Moment des Ablegens nicht verpassen. Ich beugte mich tiefer, ließ den Blick entlang des Rumpfes schweifen, und las den Namen des Schiffes, der dort in bronzenen Lettern angebracht war: "Glauke".
    Als ich wieder aufsah, erblickte ich eine Gestalt, die am Ende des Piers aus der Menge der Schaulustigen auftauchte, und Anstalten machte, sich dem Schiff zu nähern. War das nicht... ich kniff die Augen zusammen – Seiana!! Bona Dea, ich war echt gerührt, hätte ja nicht damit gerechnet dass sie bis nach Ostia kam.
    "Da ist meine Schwester! Ich bin sofort wieder da." Mit diesen Worten enteilte ich, überquerte den Steg und lief schnell, mit großen Schritten, den Pier entlang auf sie zu. Wahrscheinlich fluchte der Octavier gerade, weil jetzt alle Welt auf mich warten musste... Aber mein Lächeln wurde trotzdem bei jedem Schritt ein bisschen breiter.
    "Seiana!" Ich strahlte sie an, achtete nicht auf den Seesoldaten, der da herumstand, und schloss meine Schwester liebevoll in die Arme.
    "Mensch, du hättest doch nicht extra hierherkommen müssen! Aber ich freu mich trotzdem unheimlich! Du, ich muss mich echt beeilen, das Schiff legt gleich ab. Nicht dass sie ohne mich fahren, oder, naja, zu lange warten müssen wegen mir!" Ich drückte sie ganz fest. Wir hatten uns ja schon verabschiedet, aber das machte diesen Abschied hier trotzdem nicht leichter. "Ach Schwesterherz, ich werde dich vermissen. Das ist so eine blöde Ironie, kaum kommst du nach Rom zurück, gehe ich nach Ägypten. Magst du nicht mitkommen? Ich schmuggel dich auch in meiner Tasche!", scherzte ich, wollte nicht der Melancholie des Abschieds nachgeben. "Pass auf dich auf, ja?"

    Das Verladen ging zügig voran. Die Effizienz und die Disziplin, die die Equites dabei an den Tag legten, gefielen mir. Man sagte den im heißen Süden stationierten Legionen ja eine gewisse Lässigkeit nach, den Hang zur Verweichlichung, aber hier war davon nichts zu bemerken. Auch die vielen gutgepflegten Pferde waren wahrlich eine Augenweide!
    Auf Deck liefen die Seeleute geschäftig hin und her, kauderwelschten in ihrer unverständlichen Seemanssprache, und bereiteten das Auslaufen vor. Ich warf einen Blick auf das Kai, auf die Hafenstadt von Ostia, und in Richtung Rom... dann sah ich skeptisch gen Himmel. Bisher sah das Wetter ganz ordentlich aus, aber die Winterstürme, das hatte ich mir sagen lassen, zeichneten sich ja auch dadurch aus, dass sie schnell und überraschend zuschlugen... Schaudernd dachte ich an das Schicksal des ehemaligen Prätorianerpräfekten, der vor einiger Zeit auf der Überfahrt von den Wellen verschlungen worden war – ja, Macht und Ansehen, sie waren wertlos angesichts der rohen Gewalt der Elemente. Gar nicht mehr so reiselustig wie eben, gesellte ich mich dann wieder zu Octavius und Celeste und erwartete das Auslaufen.

    Schön wie Celeste mitspielte! Ich nickte eifrig bei dem "nicht zu verschmerzen", und dachte mir, dass ich echt mal einen Weg finden musste, ihr diesen kostbaren Einsatz zu honorieren.
    Zu hören, dass genug Platz auf dem Schiff vorhanden war, das war eine große Erleichterung. Es stimmte ja, mein Wagen war ein Spielzeug, aber ein ganz besonders schönes.
    "Die erste?" wiederholte auch ich, und gab ebenfalls sogleich einen Ratschlag zum besten: "Oder aber du bleibst auf Deck und hältst den Blick immer auf die Küste gerichtet, das hilft auch. Es wird dir bestimmt gefallen!"
    Ich selbst hielt mich ja für gefeit gegen die Seekrankheit. Allerdings hatte ich auf See noch nie mehr als eine frische Brise erlebt...
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie zwei der Seeleute, die gerade das Schiff beluden, sich an der Biga zu schaffen machten. Da musste ich natürlich eingreifen, nicht dass sie was beschädigten.
    "Halt! Moment!" rief ich zu ihnen rüber, und entschuldigte mich bei Octavius und Celeste: "Wenn ihr mich exkulpieren würdet?" Die Zügel meiner Stute drückte ich kurzerhand Celeste in die Hand. "Kümmerst du dich bitte kurz um Tertia?"
    Schnellen Schrittes ging ich dann zu den beiden Matrosen, dort fasste ich mit an, gab mit wichtiger Miene knappe Kommandos, und mit vereinten Kräften bugsierten wir mein Spielzeug über den Steg, auf Deck, verstauten es dann glücklich in einem Winkel des Laderaums.

    Voll Erleichterung nahm ich den väterlichen Segen für meine Entscheidung entgegen, stand noch etwas gerader, als sich die Hand auf meine Schulter legte.
    "Danke, Vater!" Und die väterliche Ermahnung kam gleich hinterdrein. Da musste ich mich dann allerdings beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen – war doch klar, dass ich auf meinen Kommandanten hören würde! Aber ich nickte brav. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass Livianus es nicht so ganz mitbekommen hatte, dass ich mittlerweile zu den Erwachsenen zählte. Aber irgendwie... war das auch in Ordnung. Es war einfach wunderbar, einen Vater zu haben. Und der Abschied machte mich richtig bedrückt... Sowieso mochte ich keine Abschiede. Doch ich
    erwiderte tapfer das Lächeln.
    "Ich schreibe dir. Versprochen!"
    Ich kämpfte den unsinnigen Impuls nieder, ihm jetzt um den Hals zu fallen, statt dessen trat ich einen Schritt zurück.
    "Also dann. Ich wünsche Dir alles Gute, Vater, und bitte pass auf dich auf! Und... auch auf meine Schwester, bitte."
    Es half ja nichts es herauszuzögern.
    "Vale!" verabschiedete ich mich endgültig, und trat wieder hinaus. Als nächstes würde ich mich von Seiana verabschieden, dann vom Rest der Familie und von den Sklaven, dann rasch meine Sachen packen... die Abreise stand schon kurz bevor.

    Was war denn los? Celsus schien so abwesend, und auf einmal auch so verschlossen. Ich lehnte mich zurück und trank noch einen Schluck, blickte meinen Kousin fragend an.
    "Lange ist übertrieben. Wir sind praktisch direkt nachdem ich sub aquila gegangen war, nach Parthien losgezogen. Und nach unserer Rückkehr, da ließ sich mein damaliger Centurio sehr bald hierher versetzen und hat mich mitgenommen. Leider musste er dann doch den Dienst quittieren, er war in Parthien verwundet worden und hat sich nicht richtig davon erholt... - Mhm ja, aber ich war jedenfalls lang genug in Mantua um zu wissen, dass dort absolut nichts los ist."

    "Du auch! Viel Glück euch beiden!"
    Ich sah den beiden noch kurz hinterher, eine große und eine kleine Gestalt, bevor ich mich umwandte und auf den Rückweg zur Castra machte. Im Gehen hob ich die Lacerna und berührte den frischgewaschenen Stoff mit der Wange. Mhmm, herrlich flauschig.
    Motivierend war diese Begegnung auch für mich gewesen, sehr sogar, so dass ich mich gleich mit ganz neuem Elan auf meine Arbeit stürzte – ohne zu ahnen, dass meine Tage in der Castra bereits gezählt waren.

    Sobald die ganzen Zivilisten fort waren, war es doch wesentlich übersichtlicher hier.
    "Ja, allerdings ziemlich langsam, es war sehr viel los auf der Via.", antwortete ich auf Celestes höfliche Erkundigung. Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken, als Octavius bei ihrem Anblick sogleich seinen Charme spielen ließ. Sie schien ihm zu gefallen, doch ich vermutete, dass sein Charme hier verschwendet war... zum Teil jedenfalls. Mir sagte seine schwungvolle, ein wenig rauhbeinige und dabei eher lockere Art wirklich sehr zu.
    "Mag sein", grinste ich, "ich werde wohl gut auf sie achtgeben müssen!"
    Dabei zwinkerte ich Celeste schelmisch zu. Und hoffte, dass sie mir den dummen Spruch nicht übel nahm, und es unter der Alibi-Sache verbuchte.
    "Und, bist du bereit in See zu stechen, Celeste?"
    Angesichts der vielen Pferde, die gerade verladen wurden, der unzähligen Säcke mit Futter und Kisten mit was-weiß-ich-was, die sich noch auf dem Kai türmten, begann ich mir langsam Sorgen zu machen, ob meine Biga überhaupt noch Platz auf dem Schiff hatte... Schließlich war sie nicht wirklich überlebensnotwendig.
    "Ja, das ist mein Zweispänner," präsentierte ich Octavius das Gefährt, "- Karosserie in Leichtbauweise als Holz-Leder-Kombination, Steineichenachse, solide sechspeichige Räder, doppelt beschlagen für Überlandfahrten. Ich habe gehört, dass das Gelände um Alexandria ideal zum fahren ist." Unschlüssig rieb ich mir den Nacken. "Ich hoffe nur, es findet sich noch ein kleines freies Eckchen dafür auf dem Schiff... - Interessierst du dich auch für den Rennsport, Praefectus?"

    Wie zu erwarten, sie wurde stinkwütend. Ganz instinktiv machte ich einen Schritt zurück, zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Wenn meine große Schwester zur Furie wurde, dann wollte ich mich eigentlich lieber nicht mit ihr anlegen... Aber pah, ausgerechnet mir jetzt Respektlosigkeit vorzuwerfen! Trotzig presste ich die Lippen zusammen, schnaubte wie ein iberischer Stier und tönte:
    "Er hat mich herausgefordert. Und unsere Familie beleidigt! Nur dir zuliebe hab ich ihm nicht alle Knochen gebrochen! - Ja, ich weiß auch nicht wass ich noch machen soll. Du bist so stur."
    Als es mal für einen Moment still war, wurde mir das Geräusch des Regens draussen wieder bewusst... ein Prasseln, Trommeln, Rieseln, Flüstern.... und ich musste wieder an das arme tote Mädchen in der Gosse denken. Die war solcher Sorgen entrückt. Tauschen würde ich trotzdem nicht. Ich seufzte leise, blickte zerknirscht zu Seiana... - ich machte mir doch nur Sorgen, dass sie unglücklich würde, aber gerade schien sie eher unglücklich wegen mir zu sein... - dann fragend zu Livianus. Vielleicht war es besser, wenn ich die beiden das in Ruhe besprechen ließ, Livianus war eine höhere Instanz, da würde Seiana sich wahrscheinlich eher was sagen lassen als vom kleinen Bruder.
    "Also... ich habe jetzt eigentlich alles gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Und ich muss dann auch weiter." Raus in den Regen, einem mutmasslichen Würger mit mutmasslich gelber Tunika hinterherschnüffeln. Grandios. "Wenn ihr mich entschuldigt? Valete..."
    Und so brach ich wieder auf. Raus in den Regen...