Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Jetzt, jetzt auf einmal, zeigte er, dass ihm anscheinend doch was an mir lag... und bei den zögernden Worten, die so gar nicht zum dringlichen Griff meiner Schulter passen mochten, und als er gar bat, stammelnd, er, der sonst über eine einzigartige Eloquenz verfügte... das war Balsam für meinen verletzten Stolz. Meine Schultern, angespannt zurückgenommen, lockerten sich, und während mein Körper noch immer in halb abgewandter Haltung verharrte, als wolle ich im nächsten Moment von dannen schreiten, wandte ich ihm das Gesicht zu, blickte erst spröde, dann nachdenklich... er wirkte so gequält, das wollte ich nicht – demonstrieren, dass ich verdammt noch mal nicht selbstverständlich hier war, das schon, aber nicht, ihn wirklich in einen schlimmen Zwiespalt stürzen. Mich beschlich das seltsame Gefühl, dass er wirklich ehrlich war, und schon die ganze Zeit gewesen war. Merkwürdig. Es war sehr merkwürdig, jemanden zu treffen, der auf die üblichen Spielchen einfach verzichtete... weltfremd auf eine gewisse Weise, und zugleich zu gut um wahr zu sein. Wenn es denn so war.
    Dann die Fingerspitzen an meiner Wange... diese ganz kleine, ganz leichte Berührung ging mir durch und durch... Ich schluckte, und murmelte leise, fast verschämt:
    "Trotzdem... ist deine Berührung wie ein wärmender Sonnenstrahl an einem eisigen Wintertag wie diesem..."
    Oh, wie kitschig das in meinen Ohren widerhallte – aber wenn es doch wahr war! Meine Sprödigkeit schmolz jedenfalls schon wieder rasant dahin. Aber was, bei Minervas Haupt, war mit "exkulpieren" gemeint? Aus dem Zusammenhang heraus tippte ich natürlich schwer auf "entschuldigen", aber vielleicht war damit auch so etwas wie "hinnehmen" gemeint, oder "mit Akzeptanz behandeln". Ich würde es zu Hause nachschlagen müssen, nachfragen war ausgeschlossen, nicht dass er mich für ungebildet hielte!
    "Ja... ich exkulpiere es."


    Er roch so gut. Ich beugte mich einen Hauch näher zu ihm, und sog tief die Luft ein. Sandelholz, und noch etwas anderes. Vergessen wollte er sich, uns, ab und an... Ich biss mir auf die Lippen, schlug verwirrt die Augen nieder. Welterschütternde Leidenschaft, das war es was ich wollte, und Liebe, die alle Schranken sprengte, trotz allem war ich doch noch immer unsäglich romatisch veranlagt. Nicht, dass ich mutig, oder rücksichtslos, genug gewesen wäre, sowas auszuleben. Die Familie, die Karriere... Aber ich wollte mir gern die Illusion bewahren, ich wollte nicht ab und an im Terminkalender des respektablen Senators stehen (als unverfängliche Abkürzung wahrscheinlich), für diskrete Treffen, und wenn man sich sonst mal über den Weg lief, dann kannte man sich nicht. Auch wenn es vernünftig war. Und realistisch.
    Vergessen was ist... mir war es, als würde ich mich doch sowieso fortwährend vergessen, ich meine, das vergessen, was mir wirklich wichtig war, um das zu tun, was man von mir erwartete. Es machte mich konfus, lag aber vielleicht auch an der Perspektive...
    "Ich glaube... ich möchte mich lieber mit dir treffen, um mich zu erinnern." Mit einem Lächeln vertrieb ich den Ernst dieser Worte, und sah ihn ein bisschen schräg, unter halbgesenkten Wimpern an – ach, die schönen, schönen braunen Augen. Wäre der Tag nur nicht so trübe, ich wollte sie so gern im Licht sehen, jede Nuance, jede Schattierung, und den goldenen Schimmer auf ihrem Grund. Aber wie es aussah, würden wir uns wohl eher wieder unter dem Mantel der Nacht begegnen.


    "Kennst du die Thermen des Zenodorus, an der Via Crastina? Da kann man wunderbar ungestört sein. - In einer Woche?" Am liebsten hätte ich "heute abend" vorgeschlagen, aber ich hatte mal wieder Wachkontrolle auf der Stadtmauer, ausserdem sollte er ruhig sehen, was er davon hatte, und sich erst mal noch ein bisschen nach mir sehnen. Dass ich mich auch sehnen würde, das musste ich leider in Kauf nehmen.
    Nun völlig ihm zugewandt, tat ich einen halben Schritt, um die verbleibende Entfernung zu überbrücken, und hob die Hand. Sacht, ganz sachte, als wäre da ein scheues Tier, das ich nicht verscheuchen durfte, strich ich über sein dunkles Haar, seitlich an der Schläfe, streifte mit der Rückseite meiner Finger seine noble Stirn.
    "Zwei Stunden nach Sonnenuntergang?" Langsam beugte ich mich näher und hauchte ihm verheissungsvoll ins Ohr: "Ich werde im phönizischen Salon auf dich warten, Aton, lux mea, gehüllt in nichts anderes als meine verzehrende Sehnsucht nach Dir!"
    Ganz leicht und flüchtig streifte ich seine Lippen mit den meinen, das konnte ich nicht lassen, auch wenn die Wangenklappen meines Helmes mein Gesicht kühl umrahmten, eine stete Erinnerung an Pflicht und Verleugnung. Voll Wärme lächelte ich ihn an, lachte kurz auf, als mir ganz plötzlich wieder bewusst wurde:
    "Und dabei kenne ich noch nicht mal deinen vollen Namen!"

    Dankend nahm ich den Brief entgegen, behielt ihn aber für den Moment noch ungeöffnet in der Hand.
    "Ja, unsere Familie ist echt riesig." Da konnte man schon mal den Überblick verlieren, wenn fast alle auf einem Haufen zusammenkamen. Aufmerksam hörte ich zu, wie mein Vetter erzählte, was die Brüder so machten, doch ich war ein klein bisschen irritiert, dass er mich weiter mit Rang anredete. Fast war es mir unangenehm. Aber bei der Prima waren die Sitten ja auch ganz schön streng.
    "Wo wir hier so zwanglos unter uns sind, kannst du gerne auf den Rang verzichten." meinte ich freundlich, schob ihm den Weinkrug rüber (der übrigens einen guten, schnörkellosen Hispanier enthielt), und lud ihn ein:
    "Bitte, bedien dich." Er war ja nicht in meiner Centurie, da musste ich ihm gegenüber nicht den harten Hund markieren. Ausserdem hatte er mich vor dem Ungetüm von Schrank gerettet. Ich verdünnte meinen Wein ein wenig, prostete Celsus kurz zu und trank einen Schluck. Das tat gut, nach dem Schreck eben.
    "Was hast du vor?" erkundigte ich mich interessiert, als er von weiteren Plänen sprach. "Nicht zufrieden in Mantua? Ist ja auch ein Kaff."

    Ich konnte das gut verstehen, dass die Murmeln für den Kleinen interessanter waren, und lächelte milde, als er abzog. Es waren ja nur so ein paar kurze Eindrücke, die ich da mitbekam, aber nach denen zu urteilen, war Bridhe doch wirklich eine gute, treusorgende Mutter.
    Wütend auf die irre Selbstmörderin... ja, das konnte ich nicht so ganz leugnen... und kommentierte es nur mit einem vagen Schulterzucken. Aber dass ich so harsch geworden war, das lag meiner Meinung nach vor allem daran, dass es so ein mieser Morgen gewesen war, und ich zur Zeit viel zu dünnhäutig... was ich jetzt aber nicht an die große Glocke hängen wollte. Ich war an dem Morgen unprofessionell genug gewesen, und hoffte nur, dass es Bridhe aufgrund ihres eigenen Grams nicht aufgefallen war. Komisch... wie sie das mit dem Weglaufen sagte, kam sie mir fast wie eine Seelenverwandte vor.
    "Das finde ich gut! Das ist mutig, dass du diesen Schritt tust!" meinte ich ganz solidarisch, auch wenn ich natürlich nicht den Hintergrund kannte, und wie der Vater so drauf war. "Ich bin mir sicher, der kleine Bursche wird ihn um den Finger wickeln. - Also, ich wünsche Dir wirklich ganz viel Glück dafür."
    Gedankenverloren strich ich über den weichen Stoff meiner Lacerna.
    "Es klingt vielleicht abgeschmackt... also eigentlich klingt es sehr abgeschmackt, aber es ist doch wahr, dass so ein Tiefpunkt auch die Chance für Neues in sich birgt... denke ich."
    Bei mir war das jedenfalls absolut so gewesen. Ich zögerte, machte dann ganz schüchtern einen Vorschlag.
    "Bridhe... was hältst du davon, wenn wir in Kontakt bleiben? Ich würde echt gern wissen, wie es bei euch weitergeht. Oder, naja, man kann das ja nicht jeden erzählen, also falls du mal reden magst..." Bona Dea, ich klang genau wie meine Schwester! "...oder einfach so mal treffen, dann schreib mir doch einfach kurz, hier in die Castra oder noch besser in die Casa Decima."

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus nickte dem Mann zu, der sich leider entschlossen hatte, nach Aegyptus zu gehen. "Mach mir dort unten Ehre, Decimus. Vor allem: lass Dir nicht einfallen, unterwegs verloren zu gehen, wie Crassus." Mit diesen Worten verabschiedete sich Salinator von seinem Centurio. Oder besser: ehemaligem Centurio.


    Dieser launige Ratschlag erinnerte mich daran, dass es zu dieser Jahreszeit gerne mal stürmisch wurde, unterwegs. Ich sollte besser eine Gabe an Neptun vorbereiten. Und ja, Ehre machen, das hatte ich, neben den touristischen Aspekten dieser Versetzung, natürlich fest vor.
    "Jawohl Praefectus, das werde ich!" gelobte ich, und noch einmal stand ich kerzengerade, führte zackig die Faust zur Brust, erwies dem Präfekten meinen Respekt.
    "Vale Praefectus Vescularius, mögen die Götter dich stets behüten!"
    Dann trat ich ab, verließ die Castra Praetoria endgültig, und machte mich auf zu neuen Ufern.

    [Blockierte Grafik: http://img169.imageshack.us/im…3/sklaveianitorfr0rt1.jpg]


    Des Ianitors Gesicht erhellte sich bei den Worten "Decima" und "Tarraco", und ein Netz vieler kleiner Fältchen überzog sein Gesicht, als er lächelte.
    "Willkommen, junge Herrin!" sprach er würdevoll zu Amaesia und machte eine einladende Geste. "Bitte tritt herein." Und wieder an Castor gewandt: "Leider weilt Dominus Mattiacus zur Zeit nicht im Hause. Und nicht einmal in Rom... er leistet ein Tribunat bei der Zweiten Legion ab. In Germanien" Marcus furchte die Stirn, grübelnd wie er am besten zu helfen vermochte.
    "Hm... auch der Senator Decimus Livianus ist ausser Haus und wird erst heute abend wieder zugegen sein. Einen Moment bitte, ich werde anfragen, ob die Matrona Duccia Venusia - die Schwägerin der beiden Herren – die junge Dame zu empfangen wünscht."
    Und so geschah es, Marcus führte die Neuankömmlinge ins Atrium und setzte die Duccia über ihre Ankunft in Kenntnis.

    Ach, Seiana. Eine Welle der geschwisterlichen Liebe wogte in mir auf, als sie so wundervoll reagierte. Das war gar nicht selbstverständlich. Wir waren ja streng erzogen, und selbst ich, der ich doch theoretisch dem Ideal anhing, wild und frei und jenseits der ganzen Prüderie, die die griechische Liebe umgab, zu leben, auch ich trug eine Menge Vorbehalte und Tabus mit mir herum. (Vor allem natürlich, wenn es um andere ging, aber nicht nur.)
    Mein Lächeln war verschleiert, begeistert von meiner Schwester, und zugleich wehmütig, weil ich doch immer noch Hannibal hinterhertrauerte.
    "Ja, das war ziemlich arg. Aber ich glaube, ich war selbst schuld... hab mir halt was vorgemacht. Weißt du, als ich in Parthien war, da hab ich einen Brief von ihm bekommen, einen so furios wunderschönen Brief, und den hab ich viel zu ernst genommen. Hab ihn immer bei mir getragen, und mir Wunder was ausgemalt für nach der Rückkehr... Aber Hannibal hatte viele Liebschaften, und ich wollte... das Absolute oder so, ich glaube das war ihm lästig."
    Es war eine bittersüße Wohltat endlich mal davon erzählen zu können. Ich hätte stundenlang reden können, seine Erinnerung heraufbeschwören, in alten Gefühlen wühlen, schwärmen...
    "Er war so schön! Hatte die hinreissendsten Augen die du dir nur vorstellen kannst, wie ein Reh... durfte man ihm aber nicht sagen, das... und ein umwerfendes Lächeln, so ein bisschen süffisant immer..."
    Ich seufzte tief, und dann war es wieder an mir, an der Pfeife zu ziehen. Das tat ich ausgiebig und gierig, bis das Kraut verglommen war und die Pfeife erlosch. Unzufrieden inspizierte ich das Gerät und stellte fest:
    "Das blöde Ding ist schon aufgeraucht. Warte ich mach uns noch eine... Also gleich..."


    Für den Moment war es einfach zu perfekt, da auf dem Stroh rumzuliegen und den Rauchschlieren beim Vergehen zuzusehen... ich wollte mir gerade nicht den Stress machen, meine Utensilien aufzusammeln... Funken zu schlagen.... nein, hier lag es sich wunderbar. Gutes Zeug, wirklich...
    "Seiana? Ich muss dich jetzt mal drücken."
    Das tat ich dann auch, legte die Arme um sie und zog sie an mein Herz, träge und sehr liebevoll. "Weißt du, du bist so ein toller Mensch. Der tollste Mensch den ich kenne!"
    Ich blinzelte treuherzig und strahlte sie überschwänglich an.
    "Hör mal, es tut mir wahnsinnig leid! Dass ich so rumgebrüllt hab, ich weiß gar nicht was da in mich gefahren ist... also eigentlich weiß ich's schon, bin einfach zur Zeit neben der Spur wegen dem allen und so, aber, Mensch, dass ich das an dir ausgelassen habe, also nee..."
    Ich schüttelte den Kopf, zutiefst bestürzt dass ich sowas unentspanntes hatte tun können.
    "Nee, also wirklich, das ist keine Art. Also, der Ton. Die Sache, ja, ich weiß auch nicht, die Sache ist mir gerade zu komplexiert... ähm... kompli... ment... ziert? Kompliment, meine Komplizin...haha...hihiha...haha..."
    Das war urkomisch! Ich prustete los, kriegte mich gar nicht mehr ein, und als ich mir die Lachtränen aus den kaninchenroten Augen wischte, hatte ich endgültig und komplett den Faden verloren.

    Auf dem Rücken meiner Apfelschimmelstute Tertia ritt ich hinter meinem neuen Kommandanten her, und ich muss gestehen, als wir Ostia erreichten, tat mir der Hintern weh. Ich war eben seit langem immer nur zu Fuß gegangen. Verstohlen im Sattel hin und her rückend, nahm ich meine Umgebung in mich auf, sog tief die Luft durch die Nase. Es roch nach Salz, Fisch, Hafenwasser, Teer... Dazu Trubel am Hafen und das Kreischen der Möwen, dies alles weckte mein Fernweh, machte mir bewusst, dass es nun wirklich und wahrhaftig auf ins Unbekannte ging, und ich lächelte schwärmerisch, abenteuerlustig in mich hinein. Bis wir dann auf die Equites trafen, da trug ich wieder eine professionell-abgeklärte Miene zur Schau.
    "Möge Neptun uns gewogen sein." kommentierte ich fromm den Hinweis auf das Schiff und betrachtete es abschätzend. Für einen Laien wie mich sah es ziemlich solide aus, das sollte es auch, schließlich war gerade nicht unbedingt die beste Reisezeit. Von meinem erhöhten Ausblickspunkt erspähte ich auch einen blonden Schopf – Celeste. Sie war schon vor mir aufgebrochen, zusammen mit den Sklaven meiner Familie, die mein Gepäck und die zweite Schimmelstute hierhergebracht hatten.
    Mein Gepäck war etwas speziell. Eigentlich hatte ich nur ganz wenig eingepackt, kaum mehr als ein Marschgepäck, aber worauf ich nicht verzichten wollte, das war meine neue Biga. In Ägypten würde ich, mit all dem Sand und so, sicher ganz wunderbare Bedingungen zum Fahren haben! Der Streitwagen war demontiert, die weiß-schwarze Kanzel mit dem Genswappen mit vielen Strohwischen gepolstert, die Deichsel abgenommen, die Räder obendrauf verschnürt, damit er nicht gar so viel Platz wegnahm.


    Ich winkte Celeste grüßend zu und schwang mich vom Pferd. Dann stellte sich die Frage, wie ich meinen Kommandanten korrekt titulieren sollte. Mir war nicht ganz klar, ob er jetzt schon, oder erst am Ziel der Reise, mit Antritt des Kommandos, Praefectus legionis war. Hm... besser ein Rang zu hoch als einer zu niedrig, sagte ich mir.
    "Praefectus Octavius, darf ich dir meine Schreiberin vorstellen? Sie wird mich nach Ägypten begleiten." Mit förmlichen Handbewegungen machte ich meine hübsche Kameradin mit dem markigen Kommandanten bekannt.
    "Celeste, meine Scriba personalis – Tiberius Octavius Dragonum, Praefectus legionis der Legio XXII."

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus erwiderte den Salut gewohnt nachlässig. "Salve, Centurio. Eigentlich hätte ich gerne einen offizielleren und festlicheren Rahmen hierfür geschaffen, aber weder Deine noch meine Zeit reichen heute dafür aus. Also erhältst Du hier Deine Auszeichnung. Du hast sehr gute Arbeit geleistet und nur ungern lasse ich Dich ziehen. Diese Phalera hast Du Dir hart erarbeitet." Der Praefectus erhob sich, während er sprach, und trat um den Schreibtisch herum. Hier überreichte er Serapio die Phalera und die dazugehörige Urkunde. "Trage sie mit Stolz."


    Oft genug hatte ich mit dem Urbaner-Dasein gehadert, mit der Korruption in der Truppe, der Feindseligkeit der Leute, der Sisyphusarbeit und der Vergeblichkeit im allgemeinen, und mir gewünscht, das alles hinter mir zu lassen. Jetzt wo dieser Fall tatsächlich ganz unvermittelt eingetroffen war, erschien mir die Castra plötzlich in den leuchtendsten Farben.
    Das Lob, die Auszeichnung... ich freute mich ganz kolossal darüber! Mit stolzgeschwellter Brust nahm ich Phalera und Urkunde entgegen. Meine erste Phalera! Sie würde die neue Tribunenrüstung sicher vorzüglich schmücken.
    "Vielen Dank, Praefectus!" bedankte ich mich ganz überschwänglich, und fügte, wirklich von Herzen kommend, hinzu:
    "Es war mir eine Ehre, unter Dir zu dienen, Praefectus!!"

    Zögerlich öffnete ich die Türe, lächelte schüchtern, und trat ein, zwei Schritt in den Raum. Es sah geradezu drollig aus, wie die beiden Sklaven mit Livianus' Toga zugange waren... musste schrecklich sein, den ganzen Tag diese Stoffmassen am Leibe zu tragen.
    "Ähm...heute war der neue Praefectus Legionis der XXII. in der Castra", begann ich meine Erklärung ohne Umschweife. "Octavius Dragonum. Er will mich als Tribun in Ägypten! Er meinte, er habe das schon mit Dir besprochen..." Dass ich das erst nach der Szene beim PU erfahren hatte, stellte ich mal lieber nicht in den Vordergrund. "Der Stadtpräfekt hat mir die Wahl überlassen, er war echt großzügig, er hat mir sogar ein Tribunat hier angeboten. Aber ich habe mich für Ägypten entschieden. Ich hoffe, das findet deine Zustimmung..."
    So ziemlich mein ganzes bewusstes Leben war ich ohne Patria Potestas gewesen, und jetzt war ich mir echt unsicher wie meine Pflichten waren, und bei welchen Dingen ich denn nun eigentlich Livianus' Einverständnis suchen musste und wo nicht.
    "Es ist doch eine großartige, eine einzigartige Chance", fügte ich etwas kleinlaut hinzu, "da musste ich einfach zugreifen!"

    So eine wohlklingende Abfuhr hatte ich noch nie bekommen. Ich drehte mein unberührtes Glas in den Händen, und fühlte ganz deutlich, wie all die Leichtigkeit - das spielerische und unbekümmerte, das mich auf dem Weg hierher beflügelt hatte - aus mir entwich und sich wie Rauch im Wind verflüchtigte.
    Die Stimme so ernst. Die Miene so beherrscht. Das Seufzen so schwer. Die Haltung so förmlich. Aton wollte wirklich nicht, dass ich hier war. Ich störte einfach nur. Sein ganzes Gebaren sprach so deutlich davon.... und die Worte von der Leidenschaft, der verborgen lohenden, sie klangen schön, aber sie blieben Worte ohne Tat, reine Theorie. So sehr konnte man sich doch nicht verstellen! So verleugnen! Nicht mal die kleinste Geste, die bescheidenste Annäherung untermalte diese angebliche Leidenschaft, und darum konnte ich nicht an sie glauben und fühlte mich einfach nur zurückgewiesen.
    Ich kam mir so blöd vor! Wie in aller Welt war ich auf die Schnapsidee gekommen, einfach hier aufzukreuzen? Wie zum Hades hatte ich glauben können, dass aus einem Orgienamüsement vielleicht irgendwas weitergehendes erwachsen könne? Ich hätte es wirklich besser wissen müssen... denn Hannibal hatte ich ja auch auf einer Orgie kennengelernt... und bei ihm hatte ich auch fatalerweise einen galanten Brief für bare Münze genommen... und viel zu viel und alles auf einmal gewollt. Aber warum, warum nur machte ich dieselben Fehler immer, immer wieder, rannte blindlings los, warf mich jedem halbwegs interessanten gleich an den Hals, wollte ALLES oder NICHTS... ?!!


    Waidwund sah ich ihn an. Aton... Jetzt hielt er mich für 'leichtfertig', für einen billigen Amasiunculus, bestimmt dachte er, ich wäre nur für eine schnelle Nummer hierhergekommen. Aber, beim Schweife des Satyren, ich kannte es einfach nicht anders, als dass man bei solchen Treffen ohne viel Umschweife zur Sache kam.
    "Ich dachte...... - ", murmelte ich geknickt, mit belegter Stimme, mir würde, nach einer langen Nacht, die Sonne neu lachen, dachte, du könntest womöglich der eine, der ganz besondere irgendwo da draussen sein, an den ich eigentlich ja gar nicht glaube, aber von dem ich doch irgendwie hoffe dass es ihn gibt und... - was zum Henker denke ich hier eigentlich schon wieder für romantischen Scheiss...?! Mit wegwerfender Geste winkte ich ab.
    "- ...ach, egal."
    Ich verstummte. Stellte das Glas abrupt zurück auf den Tisch. Der Wein schwappte hoch, und ein leises Klirren durchdrang die drückend gediegene Atmospäre des Raumes. Mein iberischer Stolz erwachte, ließ mich die Schultern straffen, das Kinn recken. Verärgert blitzte ich ihn an, diesen kühlen Senator der mir einfach die kalte Schulter zeigte. Das konnte ich auch.


    "Oh nein," erwiderte ich zynisch, "mir tut es leid. Dein Brief war... wunderschön, doch ich habe ihn offenbar vollkommen falsch verstanden! Also bitte verzeih mein Eindringen in dein schattiges Gemach, Senator Flavius, wenn hier ewige Nacht herrscht, dann liegt es mir natürlich fern, dabei zu stören. Es wird nicht wieder vorkommen."
    Dazu ein sarkastisches Schnauben, und ich wandte mich ab, marschierte wieder auf die andere Seite des Tisches und ergriff meinen Helm, den ich zuvor dort deponiert hatte. Unwirsch zog zog ihn auf, aber ich war so aufgewühlt, meine Finger trotz der Wärme wie klamm, dass ich den Kinnriemen nicht in die Schnalle bekam. Diese Kleinigkeit irritierte mich gerade masslos. "Jolín..." fluchte ich leise, und ließ den Riemen lose hängen. Ein tiefer Atemzug hob und senkte meine Brust, ich machte eine halbe Wendung zur Türe und verharrte dann doch, vollkommen ambivalent, unschlüssig, hin- und hergerissen, bestürmt von widerstreitenden Impulsen. Eigentlich wollte ich davonstürmen, effektvoll abtreten und dabei hoffte ich doch sehr, dass er mich aufhielte... ich wollte diesen kaltherzigen Patriziersnob nie wieder sehen und hatte doch eine überwältigende, eine ganz schreckliche Sehnsucht danach, wieder in seine Arme zu sinken.

    Es war am Abend des Tages, an dem Tribun Octavius Dragonum in die Castra gekommen war, als ich beklommen an die Türe meines Adoptivvaters klopfte. Obgleich der Tribun mir zu meiner Erleichterung erklärt hatte, dass er die Sache zuvor bereits mit ihm besprochen hatte, war ich mir ganz und gar nicht sicher, ob Livianus meinen Entschluss gutheißen würde. Schließlich hatte er schon mal gemeint, dass er mich lieber in Italia hätte. Aber diese ungeheure Chance, die musste ich doch einfach ergreifen... Ich meinte, von drinnen ein Geräusch gehört zu haben, und sprach laut, damit es auch auf der anderen Seite der Türe zu hören war:
    "Salve, hier ist Faustus. Hättest Du einen Moment Zeit für mich, Vater?"

    Ich wünschte, ich wäre auch so lässig, so abgeklärt wie Valeria. Einfach sagen können 'Nein, das möchte ich nicht näher erläutern', das wäre klasse. Statt dessen versuchte ich, es allen recht zu machen, und verstrickte mich dabei heillos. Ich nickte zu ihrer Erklärung, und hatte auch echt nicht das Bedürfnis, sie da noch weiter zu nerven. Und dann, mit einem Mal, stand Celeste im Zimmer. Wenn man vom Pluto spricht!
    "C...Celeste. Oh."
    Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoß. Was sollte ich denn jetzt bloß tun!? Fliehen war unmöglich. Es gab nur einen Weg: Augen zu und durch.
    "Nein bitte, bleib doch!" Ich sprang auf, und eilte auf sie zu, nahm linkisch ihre Hand. (Die freie, die nicht mit Schriftrollen beladen war.) Dem Decimer-Frauen-Rudel den Rücken zuwendend, schnitt ich eine verzweifelte Grimasse, sah Celeste beschwörend an, und säuselte:
    "Ich möchte dich gern meinen Verwandten vorstellen, mea carissima... Sie sind schon gespannt, dich kennenzulernen."
    Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich ließ Celeste keine Chance, es sich anders zu überlegen. Die Lippen wieder zu einem breiten, verkrampften Lächeln verziehend, ihre Hand noch immer in der meinen, wandte ich mich erneut dem Rudel zu und begann einfach mit der Vorstellung.
    "Dies ist meine Freundin Celeste. - Meine Tante Venusia, meine Cousine Valeria, und meine Schwester Seiana..."
    Letzterer konnte ich dabei aber nicht in die Augen sehen.

    Es tat wahnsinnig gut, das zu hören. Wir Urbaner bekamen so selten mal eine Danke zu hören, und noch seltener hatte ich den Eindruck, dass wir wirklich was bewirken konnten. Aber hier hatte ich den lebenden Gegenbeweis!
    "Ich war einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort." meinte ich ein wenig verlegen, und erwiderte ihr Lächeln voll Sympathie. Über die Entschuldigung ging ich rasch hinweg. "Ach, das macht doch nichts. War eben eine komische Situation."
    Als ich mich daran zurückerinnerte, wie sehr ich ihr gegenüber in die Luft gegangen war, wurde ich noch verlegener.
    "Und ich fürchte, ich war ein bisschen, ähm... ruppig...", begann ich schüchtern, "also da möchte ich auch noch sagen, dass es es mir leid tut, was ich da so alles, ähm, unfreundliches von mir gegeben habe, das hatte eigentlich gar nichts mit dir zu tun..."
    Schön zu sehen, wie liebevoll sie mit dem Kind umging. Vor allem wenn ich daran dachte, was für eine schreckliche, bodenlose Verzweiflung sie an dem Morgen ausgestrahlt hatte.

    Wehe du lachst mich aus... Bei sowas war ich empfindlich. Er lachte nicht. Offenbar handelte es sich um einen äusserst disziplinierten Soldaten. - Und ausserdem um einen Verwandten!
    "Erlaubnis erteilt, Eques." sprach ich voll Überraschung. Ich freute mich wirklich sehr, von Licinus zu hören, das ließ mich mein Mißgeschick von eben schon fast wieder vergessen.
    "Und nun genug der Förmlichkeit. Komm herein, Vetter." Mit einer einladenden Geste bat ich ihn aus der Diele in die Wohnstube – ein spartanisch eingerichtetes Zimmer, äusserst ordentlich und ziemlich leer, dem nur die Theatermasken an den Wänden eine persönliche Note verliehen. Aber schön warm war es hier, im Ofen prasselte ein Feuer.
    "Setz dich doch." Ich wies auf einen der Scherenstühle, die um den Tisch herumstanden, und holte zwei Becher, dann einen Krug Wein und einen mit Wasser. Ich schenkte ein und schob Celsus einen hin, dann setzte ich mich selbst und grinste meinen Besucher fröhlich an.
    "Freut mich, dich mal kennenzulernen! Auf der Fiesta zu Livianus' Rückkehr müssen wir uns ja irgendwie verpasst haben. Wie geht's denn Vestinus? Seid ihr zusammen bei der Reiterei?"

    "Danke, das kann ich nur zurückgeben!" erwiderte ich durchaus geschmeichelt auf die liebenswürdigen Worte des Aureliers. Man merkte deutlich, dass er Politiker war, fand ich. Und das Kompliment des Iunius Brutus ließ mich gar ein wenig erröten. "Danke, es war mir wirklich eine Freude, mit euch beiden zu diskutieren!"
    Nur zu gerne hätte ich mich dem Umtrunk angeschlossen, aber ich musste dummerweise ablehnen.
    "Ich habe leider keine Zeit." meinte ich bedauernd. Es war schade, ich hätte nach der gemeinsam ausgestandenen "Gefahr" wirklich gerne noch mit den beiden darauf einen Krug gelehrt. Aber ich musste dringend zurück in die Castra, darum sammelte ich zügig meine Wachstafeln ein, verabschiedete mich höflich von der ganzen Runde und machte mich auf den Weg.

    Einen Tag nach dem Auftauchen des Tribuns Octavius und der vollkommen überraschenden Neuigkeit, die er mit sich gebracht hatte, begab ich mich wiederum ins Officium des Stadtpräfekten. In aller Eile hatte ich meinen Weggang geregelt – gepackt, hastigst den liegengebliebenen Papyruskram erledigt, mich von meiner Centurie verabschiedet, und sie fürs erste an den Optio übergeben. Der dienstälteste CU-Centurio würde bestimmt bald hier erscheinen, um sein traditionelles Vorrecht wahrzunehmen und einen Nachfolger für mich vorzuschlagen. Meine Unterkunft war geräumt, die Kisten schon abtransportiert. Ich hatte kaum geschlafen, war ganz übernächtigt, dieser plötzliche Aufbruch fühlte sich unwirklich an.
    Im Vorzimmer wartete ich eine Weile, bis der Scriba mich reinschickte, dann trat ich zackig grüssend ein und nahm Haltung vor meinem noch-Kommandanten an.
    "Ave Praefectus Urbi Vescularius! Melde mich wie befohlen. Meine Abreise steht jetzt bevor."
    Bona Dea, ich wurde ganz nostalgisch...

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus ließ seinen Blick noch einen Moment lang auf seinem Centurio liegen. "Ich werde Deine Entlassung morgen aussprechen. Viel Glück als Tribun in Aegyptus, Centurio Decimus." Er reichte seinem Offizier die Hand. "Melde Dich morgen noch einmal bei mir, bevor Du die Castra verläßt."


    Das ging alles so schnell...
    "Jawohl, Praefectus. Vielen Dank, Praefectus!"
    Überrascht über diese joviale Geste, nahm ich die gereichte Hand und drückte sie ehrfürchtig. Ich fühlte mich wirklich geehrt. Noch einmal schneidig salutiert, dann trat ich ab. Zuerst würde ich mich mit meinem neuen Kommandanten besprechen müssen, und dann ganz flott meine Abreise vorbereiten.

    Zitat

    Original von Titus Octavius Marsus
    Marsus, sich in eine Bürgertoga hüllend, machte sich auf zum Tor. Er grüßte mit einem kurzen Wink und näherte sich den Wachen. "Ich möchte zum Stadtpräfekten," sagte er mit seiner melodischen aber dennoch starken Stimme. "Ich habe zwar keinen Termin aber ich denke, dass der Präfekt, einen guten Schreiber braucht. Ich würde mich ihm gerne anbieten. Ich bin Octavius Marsus, Sohn des Senators Octavius Detritus. Könntet ihr ihm dies mitteilen?" Richtete er an die beiden Wachen, die ihm nun den Weg versperrten.


    Marsus hatte einige Gerüchte gehört, dass Vescularius Salinator der neue Mann in Rom war und sich eine persönliche Unterwerfung bzw. eine Anstellung bei diesem Mann nur als nützlich erweisen kann. Vielleicht würde sie ihm helfen, in die nötigen Ämter zu kommen, um die Suche nach seinem Vater auszuweiten. Marsus hatte gelernt, dass man in Rom mächtige Freunde brauchte und man ab und an auf das richtige Pferd setzen musste. Der Stadtpräfekt war wohl so ein richtiges Pferd, auf das man bedingt gut wetten konnte. Marsus war bereit diesem Mann die Loyalität zu schwören.


    "Ohne Termin wird das schwierig." bemerkte einer der Wächter. "Es warten bereits mehrere Besucher auf eine Audienz. Aber du kannst bei dem Scriba, den er schon hat, vorsprechen, Octavius."
    "Zuvor müssen wir dich durchsuchen. Arme hoch, Beine breit." meinte ein zweiter Soldat. Er machte sich ans Werk und filzte den Besucher gründlich. So er dabei nichts gefährliches entdeckte, wurde Octavius Marsus daraufhin eingelassen und zum Vorzimmer Salinators gebracht.




    [Blockierte Grafik: http://img146.imageshack.us/img146/8347/cumilesdt0.png]

    Zitat

    Original von Manius Aurelius Orestes
    Nach einigen Tagen im Amt des Quästors, in denen der junge Aurelier hauptsächlich die Unterlagen und Akten gesichtet hatte, begab er sich auf eine kleine Tournee der Antrittsbesuche. Einer der unangenehmeren, so dachte er es sich zumindest, würde der beim Stadtpräfekten werden. Er hatte daher lange überlegt, ob er sich im Vorhinein einen Termin würde geben lassen, und wenn ja ob er einen Sklaven oder einen Brief schicken würde. Schließlich hatte er sich für das persönliche Vorbeigehen entschieden. Das war riskant, aber die anderen Varianten hätten auch nicht viel besser ausgesehen.


    Am Tor der Castra angekommen, sprach er die Wache an: "Salve, Soldat, ich bin Manius Aurelius Orestes, Quästor Urbanus, und will meinen allfälligen Antrittsbesuch beim Präfectus Urbi machen."


    "Salve Quaestor." Der Soldat steckte die Nase ins Wachbuch. "Ohne Termin? Das kann dauern. Vor dem Eintreten muss ich dich auf Waffen durchsuchen. Wenn du dann bitte die Arme ausbreiten würdest?"
    Aurelius Orestes wurde durchsucht, dann geleitete ihn ein Urbaner in die Principa, zum Vorzimmer des Stadtpräfekten.



    [Blockierte Grafik: http://img146.imageshack.us/img146/8347/cumilesdt0.png]