Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator


    Oh je, ich hatte ja keine Ahnung gehabt, dass das so wichtig war! Aber so schnell konnte man sich in die Nesseln setzen. Die ganze Villa-Tiberia-Sache stand eben unter einem schlechten Stern. Ich schämte mich für mein Versäumnis, und fixierte ganz betreten einen Punkt an der Wand hinter dem erzürnten Präfekten. Aber ich bewahrte Haltung, ich habe nämlich schon viel vernichtendere Standpauken überstanden, welche die wirklich an die Substanz gingen, dagegen war Vescularius äusserst sachlich.
    "Jawohl Praefectus. Es wird nicht wieder vorkommen, Praefectus!", gelobte ich, mit einer Mischung von Zerknirschung und dem Tatendrang, es in Zukunft besser zu machen, in der Stimme. Die Zerknirschung war echt, der Tatendrang geheuchelt - Berichte schreiben ist so öde! Und die Aussicht, alles über diesen unglücklichen Einsatz noch mal minutiös aufzuschreiben - entsetzlich! Wenn man dabei wenigstens ein bisschen kreativ sein dürfte! Aber nein, es muss natürlich alles den Tatsachen entsprechen. Wie Bleigewichte beschweren die Fakten so einen Text, und jeden zart aufkeimenden Anflug von Poesie mähen sie sofort grausam nieder.

    Meine Sympathie, die ja ursprünglich bei dem Hopliten gelegen hatte, begann zu schwanken, als die Amazone nach dem Sturz so standhaft weiterkämpfte. Bei Mars, was für ein Kampfgeist! Und das bei einer Frau. Seit sie ohne Maske war, konnte man die Regungen ihres Gesichtes sehen, da erschien sie natürlich gleich viel... - na, ich will nicht sagen menschlicher, sie war halt eine Gladiatorin - echter trifft es besser.
    "Bei Bellona, er macht Hackfleisch aus ihr!", bangte ich, als ich die Frau, hinkend, dem Hopliten mit dem grossen Schild gegenüber sah.
    "Wart's ab..."
    "Bravooo!!!"
    :app:
    Das galt der Dolchattacke. Schön zu sehn, wie Flinkheit und Geschick grobe Kraft ausstachen. Es ging hin und her, ich war ganz beeindruckt von der Unerschrockenheit dieser Frau, und immer drängender kam mir der Gedanke, dass ich mir an ihr ein Beispiel nehmen sollte. (Ist das nicht auch die edle Aufgabe der Gladiatorenspiele, dass sie uns Zuschauern diese grossen Tugenden - Kühnheit, Niemals-Aufgeben, Gelassenheit in Angesicht des Unterganges - vor Augen führen, um Welten deutlicher als eine moralische Abhandlung das jemals könnte?)
    Ja, ich beschloss, mich meinem Verhängnis zu stellen. Und wenn er lachen würde, wenn er es lächerlich finden würde, wenn er spotten würde - dann würde ich es mit edler Gelassenheit hinnehmen, wie ein besiegter Gladiator der gefasst den Todestoss empfängt.


    "Miles Marius, Du übernimmst hier."
    Er nickte und bejahte, starrte dabei gebannt in die Arena.
    Und ich ging wieder in die Richtung wo ich Namenlos zuvor erblickt hatte. Im Gehen nahm ich meinen Helm ab, mit dem ich schon auf grosse Entfernung auffiel - was ja eigentlich auch der Sinn der Crista transversa war, aber schlecht wenn man eben gerade nicht zu sehr auffallen wollte. Einige Stufen stieg ich empor, sah mich suchend um. Menschen, überall dichtgedrängt Menschen, schreiend, jubelnd, eine wilde Menge in der der einzelne völlig unterging, und aufgepeitscht wie das Meer bei einem Sturm. Ein Aufheulen ging durchs Theater. Ich sah wieder auf den Kampf und biss mir bedauernd auf die Lippen. Meine Heldin war zu Boden gegangen, Blut floss reichlich, der Hoplit setzte zum tödlichen Stoss an! Ach nein... Das wollte ich jetzt wirklich nicht sehen.
    Ich wandte den Kopf zur Seite, und da... da neben einer Säule... da blieb mein Blick hängen. Verdammt. Da war er. Ich schluckte schwer, und bahnte mir den Weg, immerhin, alle waren gefesselt vom Geschehen in der Arena und achteten auf nichts anderes ... Nachdrücklich schob ich einen Souvenirverkäufer zu Seite, stieg über Beine und Hände, war jetzt bei den Säulen... Mein Herz hämmerte hart gegen meinen Brustkorb. Mit verschlossenem Gesicht kam ich direkt auf ihn zu.

    Jetzt stieg doch ein Lächeln in mir auf, erreichte auch mein Gesicht und liess meine Mundwinkel zucken... unsere mysteriöse Expertin schien eine Romantikerin zu sein. Und wie sie das mit der Pflicht und dem Vergnügen sagte, das klang schon irgendwie drollig.
    "Freut mich, dass Du das so siehst.", meinte ich schmunzelnd, aber eigentlich hatte sie ja recht: wenn alle das so sehen würden wäre Rom ein grosses Stück besser! Ich wandte den Kopf zur Seite und blickte sie an, wie sie die Kapuze zurückschlug, und auch mit dieser Geste schien sie etwas mehr von sich preiszugeben.
    Tja, die Karte... ich zuckte die Schultern. Da würde ich schon noch dahinterkommen. Aufmerksam hörte ich, was sie zu den Gerüchten zu sagen hatte, ich hatte da ja einige Schauergeschichten gehört, damals in der Subura, Dinge die wirklich die Phantasie anregten, wie die Sache mit den Krokodilen zum Beispiel, aber ob es mehr als Ammenmärchen waren, konnte auch Celeste mir nicht sagen.
    "Hmm... stimmt, das ist das Wesen einer Maske..."


    Ich schlug den linken Weg ein, mehr ein Trampelpfad, der uns durch einen kleinen Zypressenhain hindurch führte. Wenn es wärmer war, dufteten die Bäume ganz wunderbar.
    "Ich war auch noch nie da unten... Bin auch gar nicht scharf darauf. - Um Circesium einzunehmen, in Parthien, da haben wir uns durch die Abwasserkanäle in die Stadt hinein geschlichen, und dann von innen die Tore geöffnet. Danach haben wir gestunken wie die Pest."
    Circesium... An manches aus der Nacht konnte ich mich noch so überdeutlich erinnern! Anderes war einfach weg. Warum erzählte ich eigentlich überhaupt davon? Im Gehen streckte ich die Hand aus, und fuhr geistesabwesend an den Zweigen entlang...
    Auf einer kleinen Lichtung zwischen den dunklen Bäumen blieb ich schliesslich stehen. Ich wandte mich Celeste zu, und blickte ihr ruhig, und voll Aufmerksamkeit ins Gesicht - streng sah sie heute aus - als ich ihr nun die wesentliche Frage des Abends stellte:
    "Hast Du Dir denn mein Angebot durch den Kopf gehen lassen? Hast Du eine Entscheidung getroffen?"

    Ich genoss es ungeheuer, in diesem Moment so im Mittelpunkt zu stehn. Ruhm ist ja so flüchtig, also sollte man sich an ihm freuen solange er währt. Und der Applaus! Hach, der Applau, er liess mein Herz höher schlagen! Mit ein Grund, warum ich früher unbedingt Schauspieler werden wollte. Aber ich hatte mich total verausgabt, keuchte, war erschöpft, und froh, bei der nächsten Disziplin aussetzen zu können. Nachdem ich wieder genug Luft zum Sprechen übrig hatte, konnte ich auch auf die Glückwünsche antworten.
    "Danke!", rief ich Redivivus zurück, erwiderte fröhlich Caecilius' Grinsen, und blickte voll Optimismus in die Runde. "Dann lasst uns mal so weitermachen, Männer! Bei der nächsten Disziplin liegt es an euch."
    Schliesslich musste ich den anderen ja auch mal eine Chance lassen... oder bessergesagt, schliesslich wollte ich mich nicht blamieren, bei der harten Konkurrenz, die von der Prima zu erwarten war.
    Ich sah mich um, suchte mit den Augen nach meinem Cousin, und sah, wie er schon zielstrebig auf mich zusteuerte. Also hatte ich mich doch nicht getäuscht.
    "Vestinus!" rief ich hocherfreut, und kam ihm schnell entgegen. "Ich hab Dich ja fast nicht erkannt, zuerst! Casi nada, compañero, wie lange ist es her!" Überschwänglich ergriff ich seine Hand, drückte und schüttelte sie und klopfte ihm zugleich herzlich auf die Schulter. "Sag, wie hat es Dich hierher verschlagen?!"

    Mein Vorsatz für heute war: mich nicht provozieren lassen! Ich zog die schwere, quietschende Türe hinter mir zu, und wandte mich der Gestalt im Dunklen zu, entschlossen vernünftig mit dem Mann zu reden... Aber auf das, was dann kam, war ich nicht gefasst, konnte ich nicht gefasst sein, konnte niemand je gefasst sein. Wie erstarrt blieb ich da stehen wo ich war, und sah ihn nur ungläubig an. Mit grossen Augen. Dann musste ich schlucken. Wurde blass.
    Denn er hatte mich durchschaut.
    Mit dem Scharfsinn des Wahnsinnigen hatte er erkannt, welche Kränkungen mir heute noch die Seele vergifteten, und er pflückte mich auseinander, als würde er mir die Haut abziehen, nahm er eine Fassade nach der anderen von mir. Nicht jeder der Pfeile, die er auf mich abschoss, entsprach der Wahrheit - ich möchte doch betonen, dass ich durchaus Freunde hatte, ich war sogar recht beliebt als Kind, wenn man mich auch oft zugleich belächelte, beliebt-belächelt war ich, wie ein Maskottchen - aber die anderen trafen mich grausam.
    (Was konnte ich denn dafür, dass ich nicht, wie die meisten anderen Decimer, die harten, männlich-markanten Züge eines iberischen Kriegsfürsten abbekommen habe? Ich kam eben mehr nach meiner Mutter! Als ich klein war, hatten die Fischerjungs vom Hafen, wenn sie mich hänselten, mich oft 'das Mädchen' genannt! Seiana oder Appius hatten dann meine Ehre verteidigen müssen... Aber jetzt hatte ich ja meine verwegene Narbe, glücklicherweise.)
    Und die Sache in der Villa Tiberia... es war nicht das erste Mal das mir so etwas passiert war, und wie er es aussprach, gewann die Erkenntnis auf einmal Realität. Ich hatte es nicht wahrhaben wollen, aber es war nun einmal so: Ich hatte den Krieg nicht verkraftet. Was die Kameraden einfach so wegsteckten, mich hatte es tief getroffen, und meinen Geist verwirrt, so dass ich die Bilder immer wieder sah, und mich vor ihnen fürchtete wie damals, ja, manchmal wusste ich doch überhaupt nicht mehr was wirklich war und was nicht.
    "Ich bin nicht verrückt...", flüsterte ich benommen, mich gegen die Erkenntnis sträubend, "Aber du bist es, du bist ja völlig durchgeknallt...!!"
    Er machte mir Angst. Es kam alles zusammen... die Furcht den Verstand zu verlieren... der Tod meines Bruders... das Desaster mit Hannibal... und die Albträume... Ich hielt mich an meiner Vitis fest, aber selbst die erschien auf einmal in einem ganz anderen Licht. Erschüttert sank ich auf die Stufe, die vom Eingang her hinab ins Innere der Zelle führte.


    Ja, ich war anders! Ja, ich wollte dazugehören... und ich dachte eigentlich, ich hätte es geschafft.... bis da so ein hergelaufener Probatus kam, und mit ein paar Worten die ganze Scharade zerschmetterte... Aber ich hatte doch Freunde: Macro! Lucullus war mein Freund gewesen! Und Sparsus! Marcus Sparsus, ich dachte an ihn wie man sich an einen Rettungsring klammert, ein Freund wie man keinen besseren findet. Er kannte mich ganz genau, wusste wie anders ich war, und hielt doch zu mir. - Aber wusste ich, ob er nicht vielleicht doch hinter meinem Rücken über mich gelacht hatte, über den 'Kleinen', der seine Hilfe gebraucht hatte, um sich gegen den grossen bösen Titus zur Wehr zu setzen?
    Ich holte tief Luft. Nein, auch wenn es alles nur Scharade war, es war meine Scharade und ich hatte hart dafür gearbeitet - von diesem kranken Bastard würde ich mir gar nichts kaputtmachen lassen!!!
    "Probatus", sagte ich sanft, "sag mir eines. Wenn ich wirklich so verrückt sein sollte, warum sollte ich dann so einen gestörten, grosskotzigen und gemeinen Unruhestifter wie dich - der mir noch dazu auf absurde Weise droht! - jemals wieder hier raus lassen, hmm? - Freundschaft kannst du dann mit den Ratten schliessen. Ich bin dein Centurio, und ich kann dich hier drinnen lassen bis du verfault bist, ist dir dieser Gedanke jemals in dein armes kleines irres Hirn gekommen?"

    Scharf sog ich die Luft ein, als die Amazone mit der scheußlichen Fratze auf einmal auf den Hopliten zupreschte, anstatt zu grüssen und noch etwas zu posieren, wie man das eben gewöhnt war. Das gehörte sich aber nicht! Nun ja, die Amazonen waren ja auch wilde Barbarinnen gewesen (ob man wohl heutzutage noch welche in freier Wildbahn fand, irgendwo tief in der skythischen Steppe?), die hielten sich nicht an Regeln, die attackierten plötzlich aus dem Hinterhalt, wie die Parther. Um mich herum begann es zu brodeln, manche klatschten in dem Rythmus der exotischen Kampfschreie, es erklangen Anfeuerungsrufe für die kühne Amazone und für den Hopliten.
    "Potz Blitz, was für ein Teufelsweib! - Reite ihn niiiieder!!", schrie selbst Musca, der sonst doch eher zurückhaltend war. Ich aber fühlte mit dem Fussoldaten, ich glaubte an die Überlegenheit der Infanterie, überhaupt war ich für die Behauptung der Zivilisation gegen wilde Reiterhorden, und so brüllte ich:
    "Reiterabwehr! Hol sie vom Pfeeeerd!!"

    Wir schlenderten nebeneinander her, über den Kiesweg und durch ein Spalier, das sommers grün berankt war, jetzt waren da nur kahle Zweige.
    "Ich mag diese Gärten. Vor allem im Sommer." Weit von der Castra war es auch nicht. Eigentlich mutig von Celeste, dass sie sich hierher, sozusagen in den Schatten der Kastellmauern begeben hatte.
    "Ganz gut. Viel Arbeit.", antworte ich auf die Frage wie's mir ging, das stimmte zwar nicht so wirklich, aber es waren ja nur Höflichkeitsfloskeln, und mein Befinden sollte hier nicht das Thema sein.
    "Ja... ja, sie waren informativ und damit auch nützlich." Toll, Faustus, ganz toll, Du bist ein Meister der locker-leichten Konversation! Wenn Celeste auch eine Einbrecherin war, sie war doch gleichzeitig eine nette hübsche junge Frau, die nicht mit mir verwandt war, und eigentlich sollte ich, wenn ich mal auf so ein seltenes Exemplar stiess, die Chance nutzen, mich im Anknüpfen einer geistreichen Plauderei zu üben, schon rein aus Gründen der Verschleierung meiner wahren Interessen - aber ich fühlte mich heute so geistreich wie ein Holzklotz. Es war einer dieser Tage, an denen der alte Drang nach dem Opium wieder zum Vorschein kam. Nur ein paar Züge, nur ein kleiner Rausch, und alles was mich bedrückte und plagte, würde sich sogleich in Wohlgefallen auflösen, sich von mir heben und leicht, wie Rauch zum Himmel hinaufschweben... Ich gab mir einen Ruck, versuchte nicht zu unleidlich zu sein.
    "Um genau zu sein, bin ich immer noch mit der Karte beschäftigt."
    Das Problem dabei war, dass, obgleich sie recht genau war, es schwer zu sagen war, wo unter der Stadt der abgebildete Bereich lag. Es fehlte ein Ansatzpunkt, der Einstieg in das Labyrinth des Minotaurus. Ich hatte die Zeichnung mit Plänen der Stadt, der Aquäduktabgänge und Zisternen und so weiter verglichen, und nach Übereinstimmungen gesucht, aber noch war ich nicht fündig geworden.
    "Kennst Du Dich eigentlich ein bisschen unter Rom aus? In den Kanälen... und Kellern und Katakomben? Man hört ja, dort unten würden ganz seltsame Gestalten hausen, Sielmenschen und die Vogelmaske, was hältst Du von diesen Gerüchten?"

    "In Tarraco!", rief ich begeistert aus. "Ach! Ich komme auch von dort. Meine Familie stammt aus der Gegend."
    Da hatten wir ja etwas gemeinsam. Eine Duftwolke kam mir entgegen, von dem Stand, den Celerina ansteuerte. Ich folgte, und betrachtete mir, was es da so alles gab. Aufmerksam beugte ich mich dann zu dem Fläschchen, das sie versucht hatte. Es schmeichelte mir schon ein bisschen, von solch einer fashionablen Dame in dieser Frage zu Rate gezogen zu werden, und so fächelte ich mir eifrig mit der flachen Hand, ganz locker aus dem Handgelenk, etwas von dem Duft zu.
    "Hmm..." Ich sog prüfend den Duft ein, legte den Kopf schief, atmete noch einmal tief ein. "Hmm... das hat sicherlich etwas betörendes, aber es erscheint mir zugleich ein wenig schwer... meiner Meinung nach erstickt diese Note zu leicht die natürliche Frische in der Ausstrahlung einer Frau."
    Ausserdem erinnerte mich die Süße darin ein ganz klein wenig an den Geruch verwesender Leichen - es war nur eine Nuance, die andere wahrscheinlich anders rochen, aber es reichte aus um mir den Geruch ein für alle Mal zu verleiden. Ich nahm ein anderes Fläschchen zur Hand - 'Zistrose-Jasmin' - entkorkte es, und goutierte den Duft. Nein, das wiederum war zu flüchtig, hatte zu wenig Substanz. Aber ich muss zugeben, ich fand es herrlich, so stöbern zu können, unter der Legitimation Celerina zu beraten.
    "Soll es denn etwas blumiges sein?", erkundigte ich mich, und versuchte 'Pomeranzenblüte'. Kein schöner Name, aber "Das finde ich interessant, sehr aromatisch, allerdings eher frühlingshaft", befand ich, und reichte es lächelnd der Flavia, damit sie es auch begutachten konnte.

    In Gedanken versunken wartete ich. Der Himmel färbte sich immer dunkler, zwischen den Bäumen und Sträuchern konnte man kaum noch Einzelheiten erkennen. Ich sagte mir, dass ich umsonst wartete, und jetzt aufbrechen sollte, aber dann blieb ich doch sitzen. Geistesabwesend fuhr ich mit den Fingerspitzen über den rauhen Stein der Brunnenumfassung. Ein Band von Muscheln und Wassertieren war dort zum Schmuck in den Stein gehauen. Ein Aal schlängelte sich, ein Hummer reckte seine Scheren, ein schuppiger Fisch glotzte hervor. Das Rauschen des Wassers hatte etwas beruhigendes. Durch die Weiden ging ein Windhauch, und liess kleine welke Blätter herabrieseln. Zarte Kreise breiteten sich auf der Wasseroberfläche aus, und ich verfolgte mit den Augen die Blätter, die wie winzige Flösse dahintrieben, dann über den Rand des Überlaufs kippten und verschwanden.
    Steine knirschten. Als ich aufsah, stand Celeste vor mir, wie aus dem Boden gestampft. Überrascht blickte ich sie an, und unwillkürlich fragte ich mich sofort, ob sie unter dem Mantel etwas versteckte. Eine gewisse Anspannung war schon da, denn auch wenn ich der Meinung war, sie einigermaßen einschätzen zu können, auch wenn ich wirklich hoffte sie würde dem Verbrechen entsagen - es blieb natürlich ein Risiko.
    "Salve Celeste. Es freut mich Dich wiederzusehen. Wie geht es Dir?" Ich stand auf, und machte eine vage Bewegung zu einem der Wege. "Wollen wir ein Stück gehen?"

    Entsetzlich... Mir liefen kalte Schauer über den Rücken bei der Vorstellung von dem kleinen Jungen, der für immer im Dunkeln aufwacht. Bewegt, und in den Bann gezogen stützte ich den Kopf auf die Hände, und hing an Tuccas Lippen als er von seiner Tragödie erzählte. Ich wagte kaum zu atmen, und die einzige Bewegung die ich machte, war das abwesende Führen meines Bechers zum Mund. Die Götter waren erbarmungslos, säten launisch das Verderben über die Welt, mal hier mal dort, ohne Unterschied wen es traf... sie waren blinder als Tucca, wenn sie einen Achtjährigen so straften, vielleicht für ein Vergehen seiner Familie, oder vielleicht auch nur einfach so.
    "Scheiße...", kommentierte ich tiefbewegt, mit leiser Stimme, "...die Götter sind grausam!"
    Erst mit dem Auftreten von Tuktuk nahm die Geschichte eine Wendung ins Bessere. Da war es natürlich kein Wunder, dass der Sklave mehr wie ein Freund erschien, wenn er Tuccas Augen ersetzte, dann konnte man ihn ja fast als einen Teil von Tucca betrachten. Mal wieder war mein Becher leer, und über mir schwankte mittlerweile so merkwürdig das Gebälk.
    "Riesig und verwinkelt. Ich verlaufe mich auch noch manchmal!", stimmte ich zu, in dem Bedürfnis, Tuktuk etwas nettes zu sagen. Mann, wie konnte man bloss eine ganze Stadt im Kopf haben, Ravenna war ja auch nicht soo klein.
    "Dann musst Du mächtig gut hören können... kannst Du eigentlich rein an der Stimme erkennen, ob jemand die Wahrheit sagt, oder ob er lügt?"
    Blinde sollten doch so einen Sechsten Sinn haben. Das wäre praktisch für die CU-Arbeit!


    Ich visierte den Krug an, zog ihn über den Tisch und sah hinein. Schon wieder halbleer, aber ich hatte jetzt auch das dumpfe Gefühl, dass ich genug hatte... die Dinge waren nicht mehr so fest wie sein sollten, und irgendwie sollte ich vielleicht doch noch versuchen, zur Castra zurückzufinden. Oh je, Morgen würde infernalisch werden.
    "Tucca", sagte ich feierlich, und etwas schleppend, eben mit schwerer Zunge, "Tucca, ich muss jetzt mal sagen, ich bin sehr froh, Dich getroffen zu haben! Heute Nacht, in dieser finsteren Nacht hier, heute, da hat mir die Vorsehung einen Menschen geschickt. Einen Menschen!"
    Mir fiel auf, dass ich den Sklaven außer acht liess, und weil ich mich gerade ganz im weinseligen Geiste epikureischer weltumspannender Freundschaft fühlte, korrigierte ich mich gerührt: "Nein! Zwei!"
    Auch wenn er nicht trinken wollte, der Banause.
    Ich schwenkte den Krug, so dass der Rest darin plätscherte, und rückte auf der Bank ein Stück um den Tisch herum, beugte mich ganz nah zu Tucca und legte ihm beseelt, voll Überschwang den Arm um die Schultern. Bona Dea, aus dieser Perspektive hatte er wirklich einen Caesarenkopf.
    "In diesem Krug ist noch genug für zwei Becher. Tucca, Du bist wirklich ein feiner Mensch, also ich hab selten so einen noblen und tapferen Menschen getroffen... Du hast mich inspiriert! Tucca, lass uns Brüderschaft trinken!"
    Ich schenkte ein, und verteilte den Rest bis zum letzten Tropfen auf unsere Becher.

    Nein, neeeiiiin!!
    "Ostras!!!"
    Um Zycus war es geschehen. Mit langem Gesicht sah ich wie mein Favorit tot hinausgetragen wurde. Ich fluchte aufgebracht und schlug mit der Faust auf die Stufe neben mir.
    "Jolín! Er hätte niemals das Scutum fallen lassen dürfen!"
    Miles Marius Musca neben mir sah das anders.
    "Er war doch schon verwundet, mit dem Scutum hatte er keine Wahl denke ich. Aber gegen Ende, da war er sich seiner Sache zu sicher!"
    "Ja, es reicht eben nicht, die Barbaren zu Boden zu ringen, man muss ihnen sofort den Garaus machen...", philosophierte ich. "Er hatte auch die Sonne gegen sich. Sie hat ihm genau ins Gesicht geschienen."
    "Sowas kann schon einen entscheidenden Unterschied machen."
    "Ja... das erinnert mich an den Kampf von Fulvius Invictus damals, gegen Olympos..."
    "Was macht eigentlich Fulvius mittlerweile?"
    "Der hat ein eigenes Ludus aufgemacht, in Capua."
    "Ich frag mich, ob er nochmal in die Arena zurückkommt."
    "Ich hoffe es! - Hast du eigentlich mal wieder was von Mactator gehört? Ist so still geworden um ihn."


    Wir fachsimpelten noch ein wenig, dann zogen die Akrobaten ein. Oh, eine Löwenhatz auf einen Parther, das klang gut! Erwartungsvoll beugte ich mich vor, grinste breit beim Anblick des erbärmlichen 'Parthers' und der possierlichen 'Löwen'.
    Dann allerdings fragte ich mich, ob unsere Mitrömer durch solche Nummern nicht ein gefährlich falsches Bild gewannen, von dem wirklich bedrohlichen Feind direkt an unserer Ostgrenze? Aber komisch war es schon. Vor allem als der Komödiant selbst vor die Hunde geriet. Ich lachte herzlich über den feigen Parther, und applaudierte lautstark.
    Dann wandte ich mich wieder zur Seite, und suchte mit den Augen in der Menschenmenge nach... niemandem. Ich sah mich bloss um.

    Was sollte ich bloss mit dem Caecilier machen? Die Sache auf dem Campus lag mir schwer im Magen. Aber so eine Ungeheuerlichkeit musste doch Konsequenzen haben! Eine Nacht lang hatte ich ihn im Carcer schmoren lassen. Ich wusste nur zu genau, wie perfekt dieser Ort war, um einen mürbe zu machen. Am darauffolgenden Tag, am Mittag, begab ich mich selbst dorthin - widerwillig, jede Stufe die ich hinabstieg war eine Überwindung, allein der Geruch weckte wieder die Erinnerung an einige der dunkelsten Stunden meines Lebens. Brr, mir war als stiege ich hinab in Plutos Reich. Bei Charon, bessergesagt dem Optio Carceris, informierte ich mich über das Betragen des Arrestanten.
    "Er hat gelacht, Centurio. Laut gelacht. Die ganze Zeit über." war die Antwort.
    Hatte der Mann den Verstand verloren? Oder simulierte er vielleicht? Hatte er sich voreilig verpflichtet und wollte nun rausgeworfen werden? Ein metallisches Rattern erklang aus der Finsternis zwischen den Zellen - einer der Wärter, der im Vorübergehen mit einem Knüppel an den Stäben entlangfuhr - mir lief es eisig über den Rücken, und ich wollte am liebsten gleich wieder hinauf, ans Licht! An die Luft! Raus hier! Ein Schweisstropfen ran mir über den Nacken. Ruhig Blut sagte ich mir, ruhig Blut, und dass ich jederzeit gehen konnte.
    Der Optio sah mich so merkwürdig an. Oder bildete ich mir das nur ein? Ja, ohne Zweifel bildete ich es mir ein. Ich nahm mir eine brennende Fackel, und liess mir die Türe zur Arestzelle aufschliessen. Der Schlüssel schabte im Schloss, die Türe quietschte, muffiger, modriger, widerlicher Kerkerdunst kam mir entgegen, so dass ich erst mal den Atem anhielt.
    "Warte draussen", hiess ich dann den Miles, leuchtete mit der Fackel in die Zelle, und trat in einem Akt grösster Selbstüberwindung hinein zu dem Übeltäter. Ich war gespannt in welchem Zustand ich ihn vorfinden würde.

    Ob sie kommen würde? Ich betrat den kleinen Platz vor dem Nymphaeum, und sah mich um. Hier war man mitten in der weitläufigen Parkanlage, die sich am Stadtrand, gerade noch innerhalb der Mauer erstreckte. Tagsüber war hier eine Menge los, die meisten der Menschen in der Stadt lebten ja dicht an dicht, auf engstem Raum, und verlagerten gerne einen Teil ihres Lebens nach draussen. Aber heute war es kalt, ausserdem wurde es schon langsam dämmrig, und nachts war es im Park nicht ungefährlich. Mir waren nur zwei Spaziergänger entgegengekommen, und am Rande des Platzes baute gerade einer seinen Essens-Stand ab, und verstaute alles in seinem Handwagen. Ein grosses Schild an dessen Seite verkündete, dass er das beliebte Kornbrot der Bäckervereinigung der Via Lata verkaufte - nur die beste Qualität. Da musste ich gleich an den armen Equus October-Fahrer denken. Der Mann mit dem Handwagen verschwand auf einem der Wege, die wie die Streben eines Fächers von diesem Platz abgingen, und jetzt war niemand mehr zu sehen.


    Ich setzte mich auf den Rand des Brunnens, und betrachtete schwermütig, wie das Wasser aus dem oberen Becken in das untere floss. Ganz oben stand zwischen Säulen eine Gruppe von Nymphen, Naiaden, die aus ihren Krügen das Wasser rinnen liessen, und hinter dieser Umfassung stieg das Gelände zum Hang des Viminal an, der ganz oben von den klobigen Wehrmauern der Castra Praetoria gekrönt wurde. Hohe Weiden umschlossen den Platz, ein paar ihrer Zweige streiften die Wasseroberfläche.
    Heute trug ich, anders als beim vorigen Treffen mit meiner mysteriösen neuen Bekannten, meine Rüstung, darüber mein Sagum, und an der Seite mein Gladius. Nur den Helm hatte ich in der Castra gelassen. - Eigentlich hielt ich es für ziemlich unwahrscheinlich, dass sie kam, obwohl ich natürlich darauf hoffte... Wie lange ich warten sollte? Rumsitzen und Nachdenken tat mir zur Zeit nicht gut, in der Castra dagegen hatte ich immer was zum Ablenken. Wieder drehte ich den Kopf, und liess langsam den Blick über die Wege schweifen.

    Vor einigen Tagen hatte ich vom Tod meines Bruders erfahren, und ich konnte es immer noch nicht wirklich glauben. Es war doch noch gar nicht lange her, dass er mir aus Germanien geschrieben hatte, es ginge ihm gut... Ich bewunderte meinen grossen Bruder, und hatte viele schöne Erinnerungen an die Zeit als wir Kinder gewesen waren, wie er mich auf seinem Pferd hatte reiten lassen, mich in Schutz genommen hatte, wie stolz ich gewesen war, wenn ich wegen ihm auch bei den Grossen hatte mitspielen dürfen. Später war er einfach aus Tarraco abgehauen, was mich ziemlich vor den Kopf gestossen hatte, aber ein paar Jahre darauf hatte ich genau das selbe gemacht... Danach hatte ich ihn nur noch ein einziges Mal getroffen, nach meiner Rückkehr aus Parthien, als er schon im Aufbruch nach Germanien war, da war er mir sehr verändert vorgekommen aber immer noch nah, und wir hatten uns beide irrsinnig über das Wiedersehen gefreut. 'Faustillus' hatte er mich genannt, wie früher. Jetzt war er tot.
    Aber ich musste funktionieren, ich durfte vor den Soldaten keine Schwäche zeigen, und so schob ich die Trauer in einen Winkel meiner Seele, und verschloss sie dort, und liess mir nichts anmerken... ausser dass ich vielleicht ungeduldiger oder reizbarer war als sonst. Wenn ich dann alleine war, überfiel es mich dafür um so mehr. So wie jetzt. Ich sass auf meinem Bett und starrte die Wand an. Neben mir lag Schreibzeug. Ich musste ja Seiana Bescheid sagen. Und an Appius' Vorgesetzen schreiben, denn ich wusste ja nicht einmal, wie er gestorben war. Aber selbst dafür fand ich keine Worte, und an meine Schwester schon gar nicht. Sie war meine Briefe sicher längst leid, weil ich ihr immer Vorwürfe machte, wegen ihrer tollkühnen Ägyptenreise und ihres komischen Verlobten, und jetzt musste ich ihr diese schlimme Nachricht übermitteln...
    Nach einer Weile tunkte ich das Schreibrohr in die Tinte, und begann zu schreiben, aber über die ersten Worte kam ich nicht hinaus. Dann kritzelte ich nur noch Linien, und Ranken auf das Blatt, und bald liess ich das Schreibzeug wieder sinken und starrte auf die Wand. Sie verschwamm, als mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich weinte, aber leise, den Kopf auf die Knie gelegt, das Schluchzen erstickend, damit niemand es hören konnte.

    Ich glaube, Macro verstand ziemlich genau was mich bewegte. Es tat mir echt leid, einen Freund so anzufahren, und innerlich war ich ebenso zerknirscht, wie Macro gerade aussah, aber ich liess es nicht bis nach aussen dringen. Es war mir jedenfalls eine grosse Erleichterung, dass er sich so respektvoll entschuldigte. Ich erwiderte seinen Blick - er sah so aus, als würde er es wirklich, wirklich ernst meinen - und fragte mich für einen Moment, ob in der militärischem Hierarchie, in der wir lebten, so eine Freundschaft überhaupt andauern konnte. Hatte ein Artorius Avitus Freunde in seiner Truppe? Ich konnte es mir kaum vorstellen, aber vielleicht wollte ich dann doch nicht ganz so sein wie er. Ich nickte ernst, zum Zeichen dass ich das Versprechen annahm und würdigte, und antwortete etwas steif:
    "Dann ist gut."
    Noch mehr Wind wollte ich wirklich nicht darum machen. Aber ich beschloss, Macro nach unserer mehr oder weniger triumphalen Rückkehr einfach mal ganz außerdienstlich zum Essen einzuladen.
    Der Rest unserer kleinen 'Vexilatio' traf jetzt ein, ich gab noch ein paar Tips zum Tragen des Marschgepäcks, schwang mich in den Sattel und los ging es. Wir verliessen die Castra, verliessen Rom, und zogen durch die eisige Landschaft in Richtung Mantua wo uns die Wettkämpfe erwarteten.

    "Salve Senator, salve Civis", grüsste der Angesprochene, darauf folgte wie immer die übliche Prozedur der Durchsuchung, und nachdem die Torwächter sich überzeugt hatten, dass keiner der beiden Besucher einen Dolch im Gewande trug, wurden sie eingelassen, und von einem der Soldaten zu den Arbeitsräumen des Vescularius Salinator geleitet.





    [Blockierte Grafik: http://img146.imageshack.us/img146/8347/cumilesdt0.png]

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus fuhr mit der flachen Hand über seine Glatze, während der Centurio seine Vorschläge vortrug.


    "Ah, der Brand bei den Tiberia ist ein gutes Stichwort." warf er ein. "Ich habe vor kurzem einen Brief von einem Octavius Sowieso bekommen, ehemals Tribun oder Praefectus bei den Vigiles. Er lobte darin den Einsatz eines Contuberniums der Cohortes Urbanae und strich dich und den Miles Caecilius Macro hervor." Und er schlug noch Auszeichnungen vor, was Salinator für eine ungeheuerliche Frechheit hielt. Er selber schlug Auszeichnungen vor und vergab sie, aber kein Aussenstehender. Salinator griff nach dem Bericht, den der Centurio ihm kurz zuvor gegeben hatte. "In deinem Bericht steht von diesem heldenhaften Verhalten jedoch kaum etwas drin." bemerkte Salinator. "Warum nicht?"


    Oh! Der Vigilentribun hatte uns gelobt? Das war aber nett von ihm!! Schliesslich war er es, der uns in dem brennenden Haus zur Hilfe gekommen war, und er, der uns vom Balkon gehievt hatte... und er, der mich bei der Stange gehalten hatte, als ich halb am Durchdrehen gewesen war... Das musste ich unbedingt Macro erzählen, und wir sollten dem Mann eine gute Amphore Wein schicken.
    "Ähm... Wir haben ja nur unsere Pflicht getan", antwortete ich befangen, "ich war zufällig gerade mit einer Patrouille ganz in der Nähe, als wir den Rauch sahen, darum sind wir kurz vor den Vigilen eingetroffen. Wir begannen schon mit dem Löschen - ich habe vom Feldzug her ein wenig Erfahrung damit, die Parther haben mehrfach Brandwaffen eingesetzt..... - aber das Feuer breitete sich schnell aus, und als ich hörte, dass sich noch Menschen in der Villa befanden, sind Miles Caecilius Macro und ich reingegangen um zu helfen. Jeder einzelne meiner Männer hat in dieser Situation sehr gut reagiert. Miles Redivivus hat die Schaulustigen zu einer Löschkette organisiert, und selbst unser neuester Probatus, Caecilius Paulinus hat tapfer den Flammen getrotzt und ein wertvolles Mamorkunstwerk gerettet. Die Vigilen haben schliesslich die Rückmauer der Villa eingerissen und den Brand vom Peristyl aus unter Kontrolle gebracht. Der Tribun Octavius selbst war äusserst heldenmütig."
    Eigentlich wusste ich selbst nicht so recht, warum ich den Einsatz nicht ausführlicher erwähnt hatte. Vielleicht weil ich nicht gern Berichte schrieb, vielleicht weil ich es im Nachhinein bescheuert fand, dass Macro und ich unser Leben für Sklaven riskiert hatten. Und an meine Aussetzer angesichts der Feuersbrunst wollte ich erst recht nicht zurückdenken, denn sobald ich diese Gedanken zuliess, stellte sich mir gross und finster die unheimliche Frage: Was war eigentlich mit mir los? War ich überhaupt noch bei Trost?

    Nein, dass ich mich dabei nur elend fühlte, das war gelogen. Auf eine verdrehte Weise hatte diese Bestrafung schon auch einen Beigeschmack von Vergnügen. Schliesslich hatte der Bursche mich herausgefordert! Seine Späße mit mir getrieben! Habe ich schon erwähnt, dass ich es hasse wenn man über mich lacht? In meinem Leben war echt schon genug über mich gelacht worden, aber jetzt, jetzt wo ich Centurio war, und eine Vitis hatte, da musste ich mir das nicht mehr gefallen lassen.
    "Memme", zischte ich, als der Probatus um Hilfe flehte, "trag es wie ein Mann."
    Er sackte zusammen - simulierte er, um der Strafe zu entgehen? Ich schlug nochmal zu, aber er reagierte nicht mehr. Ich beugte mich zu ihm, ja, er atmete noch. Ich hatte ihn bewusstlos geprügelt. Die Finger um die Vitis gekrallt sah ich auf ihn runter, mit zuckenden Lippen, sog die Luft durch die Nase ein. Dann trat ich von ihm weg, und gab den beiden Rekruten, die so plötzlich zu meinen Handlangern geworden waren, einen Wink.
    "Bringt ihn in den Carcer, aber in die Arrestzelle für Soldaten. Sagt dem Optio carceris, dass der Probatus als Disziplinarstrafe bis auf weiteres unter Arrest steht! Und gebt im Valetudinarium bescheid, dass ein Capsarius bei ihm vorbeischauen soll."
    Die beiden taten wie befohlen, und zogen den Caecilier hoch, wobei ein leises Knirschen ertönte. Wahrscheinlich hatte er jetzt wieder eine gebrochene Rippe, oder zwei... und wenn schon, ach, er konnte froh sein, dass ich kein Simplex oder gar Avitus war, ich hatte ja nicht mal meine Vitis auf seinem Rücken zerbrochen, nein, sie war noch ganz und er hatte sich dies alles allein selbst zuzuschreiben. Die zwei Probati trugen den Caecilier zwischen sich weg, verschwanden in Richtung Carcer, und ich wandte mich wieder dem Rest zu.
    "Probati paarate! Ad dextram! Cursim peergite!"
    Ich schickte sie laufen, denn ich brauchte einen Moment um mich wieder zu fangen. Scheiße, es war einfach ganz was anderes, einem Mit-Römer Schmerzen zuzufügen, als einem Parther im Krieg. Und dieser Beiklang von Genugtuung, von Spass verstörte mich irgendwie. So war ich doch nicht.... Schliesslich fand ich meine ungerührte Miene wieder, und machte weiter mit dem Programm, welches ich eigentlich vorgehabt hatte. So verbrachte ich den Tag damit, mir ein Bild vom Ausbildungsstand der Rekruten zu machen, und kam erst am Abend wieder dazu, mir Gedanken um den renitenten Caecilier zu machen.

    Heute war mein Tag! Es lief wunderbar, ich hielt mein Tempo, atmete in gleichmäßigem Rhythmus, sah einzig und allein auf das Ziel, und sauste so geschwind wie ein Hase - oder vielleicht auch wie eine ranke, schlanke Gazelle :D - die Bahn entlang. Ja, flink bin ich immer schon gewesen, aber das ist nur fair, denn von Natur aus bin ich eher, nun ja, nicht besonders stämmig, feingliedrig könnte man wohl dazu sagen... wenn ich auch, durch das ständige Training, da natürlich viel ausgleichen kann.
    "Prima! Prima!" riefen zwar die allermeisten Zuschauer, aber das stachelte meinen Ehrgeiz nur noch mehr an, ich mobilisierte alle meine Kräfte, gab alles, und tatsächlich! Ich überquerte als erster die Ziellinie, hui, unglaublich, ich hatte gewonnen! Ich hatte echt gewonnen, und die Zuschauer um mich herum jubelten!
    Hurra! Sieg für die CU!! Triumphierend riss ich die Arme hoch, grinste breit und glücklich, und drehte mich dann um - wobei ich die Arme wieder sinken liess, aber noch immer von einem Ohr bis zum anderen strahlte - um zu sehen wie die anderen sich geschlagen hatten, vor allem natürlich meine Jungs und mein kleiner - nein, inzwischen überhaupt nicht mehr kleiner - Cousin.

    Ein Diener kam vorbei, und versorgte auch uns Urbaner mit Bechern. Der Wein war gut gewässert, also gab es nichts dagegen einzuwenden. Ich benetzte meine Kehle, und schmunzelte über die Männer mit den Werbeschildern, ja, ich würde die beiden Flavier sicherlich wählen, aber ich war leider kein Senator. Als ich mich zur Seite drehte, um den Becher auf einer Stufe abzustellen, beschlich mich mit einem Mal ein merkwürdiges Gefühl... Ich merkte auf, und liess den Blick über die Menge schweifen, die sich teils schon auf den Plätzen verteilt hatte, teils noch am suchen und drängeln war - und riss die Augen auf, wurde ganz blass.
    Denn da war Hannibal. Ohne zu übertreiben, mir stockte der Atem, und es versetzte mir wie einen Schlag, als ich ihn, nur einen Wimpernschlag lang sah, erst im Profil - dieses edle Profil... - dann hatte er sich abgewandt, und ich sah nur noch sein dunkles - sein glänzendbraunes, sich ganz leicht wellendes Haar... - dann war er in der Menge verschwunden. Ohne Nachzudenken stürzte ich ihm nach. Genau drei Schritt weit. Dann setzte das Denken wieder ein, und abrupt blieb ich stehen, biss die Zähne zusammen und starrte mit bebenden Nasenflügeln auf die Stelle wo er verschwunden war.
    Der Mistkerl hatte mir das Herz gebrochen. Den Lügner hatte ich ein für alle Mal aus meinem Leben gestrichen. Nicht mal mehr seinen Namen wollte ich denken! Nein, der war für mich nur noch Namenlose, längst vergangene, Ex-Affäre. Über den war ich hinweg. Scheiße, warum nur nahm es mich dann so mit, ihn zu sehen...
    Ruhig Blut, Faustus... Ich schluckte, atmete tief ein und aus, und kehrte zu den anderen zurück.
    "Alles in Ordnung", sagte ich gepresst, denn natürlich hatte dieser plötzliche Aufbruch meine Soldaten aufgeschreckt. Das Erscheinen der Gladiatoren lenkte dann aber zum Glück aller Aufmerksamkeit wieder auf die Arena, und auch ich starrte nach unten, als der Kampf begann, und versuchte, mich mit dem Anblick der wohlgestalteten Körper von meinem Unglück abzulenken, auch wenn sich ein anderes Bild penetrant davor schieben wollte. Wider Willen sah ich auch immer mal wieder über die Schulter, zu der Stelle wo ich ihn gesehen hatte.
    Aber natürlich, er blieb verschwunden, und schliesslich ergriff die allgemeine Aufgeregtheit um mich herum auch mich selbst, ich liess mich bereitwillig hineinfallen in den Taumel der Masse, der für den Moment meinen Kummer betäubte, und brüllte lauthals mit all den anderen:
    "Stich ihn ab! Zycus! Zycus!!!"
    Denn ich sympathisierte natürlich mit dem Großschildner, der so wie wir Soldaten bewaffnet war, und darum auch ähnlich kämpfte. Bravo, schöner Schildhieb!
    "Jaaaa Zycus!!! Los los, mach ihn fertig, gib ihm den Rest!"