Vollkommen perplex sah ich der Vorführung der Probatus zu. Das hier fiel derart aus dem Rahmen, dass mich zuerst nur ein Gefühl höchster Befremdung, und Absurdität überkam. Wie in einem komischen Traum, einem Albtraum. So etwas gab es einfach nicht, im Militär. Und auch die Rekruten schienen von dem Wahnsinn dieses Caeciliers in den Bann gezogen. Alles sah auf ihn. Die letzte Frechheit erst brach den Bann, ich lief rot an und brüllte los, und wie ich brüllte, markerschütternd brüllte ich:
"Mala leche!! Wer hat dir ins Hirn geschissen, Probatus?! Hiergeblieben! Du hast ja völlig den Verstand verloren, für wen hältst du dich?! Ich habe Dir einen Befehl gegeben!!"
Die Rekruten standen immer noch da, und machten grosse Augen. Ich musste hier dringend die Kontrolle zurückgewinnen, ich musste hart durchgreifen. Ich zeigte auf zwei der Männer, die in meiner Centurie waren, und die mir bisher zuverlässig erschienen waren.
"Vortreten. Greift euch den Mann und macht seinen Rücken frei!" Einen schrecklichen Augenblick lang sahen die beiden mich nur weiterhin mit grossen Augen an, wie verschreckte Schafe, erst als ich sie anfuhr: "Agite! Wird's bald!", zuckten sie zusammen und gehorchten eilig, packten den Caecilier und begannen ihm die Riemen seiner Rüstung zu lösen, diese und das Subarmalium dann abzustreifen und die Tunika hochzuschieben.
Ich trat derweil vor den Caecilier, und roch an ihm - war er betrunken? War das der Grund für diesen Auftritt?
"Runter mit ihm." Meine Handlanger kamen dem nach und drückten ihn zu Boden, auf Hände und Knie.
Vielleicht war dieser ungeheuerliche Vorfall sogar ganz gut, sagte ich mir, um einige Dinge klarzustellen?
Also begann ich, hochaufgerichtet und voll Pathos, den Rekruten eine kleine Rede zu halten.
"Probati", begann ich feierlich, "unser Dienst an Imperator und Patria basiert auf einigen wichtigen Prinzipien. Treue! Ehre! Mut! Das sind die Tugenden, die ein Soldat des Kaisers in seinem Herzen tragen muss.
Disziplin! Formation! Gehorsam! Auf diesen Grundlagen haben wir Römer die Welt erobert, und diese Grundlagen müssen einem jeden von euch in Fleisch und Blut übergehen!"
Mit bekümmerter Miene blickte ich hinab auf den Caecilier, und liess die Vitis in meiner Hand sanft auf und ab wippen.
"Euer Kamerad hier hat das noch nicht verstanden. Die Armee ist kein Tummelplatz für Komödianten. Dies ist kein Spiel, Probati, wir bereiten euch hier darauf vor, draussen, auf den Strassen von Rom das Verbrechen in die Schranken zu weisen, gegen all das infame Gesindel vorzugehen, das nicht davor zurückschreckt euch in der Überzahl aufzulauern oder hinterrücks abzustechen. Disziplin, der Einhalt der Formation, und Gehorsam in jeder Situation zeichnen den römischen Soldaten aus. Wer jedoch Befehlen nicht gehorcht, bringt nicht nur sich, sondern auch seine Kameraden in Gefahr. Im Ernstfall: in Lebensgefahr!"
Gewichtig und todernst liess ich den Blick über die Männer schweifen, die starr nach vorne sahen, offensichtlich versuchten sie alle gerade angestrengt, nicht aufzufallen.
"Darum ist Befehlsverweigerung in jeder Hinsicht ein sehr ernstes Vergehen", tönte ich weiter, "und wird mit aller Härte bestraft!"
Ich hatte noch nie wirklich jemanden mit der Vitis verprügelt, aber jetzt holte ich aus und liess sie auf den nackten Rücken des Caeciliers niederfahren. Wieder und wieder schlug ich zu, mit zusammengebissenen Zähnen. Es machte mir keinen Spass, ich fühlte mich eher elend dabei, aber Strafe musste nun mal sein.