Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Mit einem gesattelten und bepackten Pferd am Zügel - ja, es hatte einen Haufen Vorteile, Centurio zu sein - kam ich vor die Baracke. Ich fror, obwohl ich warme Feminalia trug, und die Tibialia bis zum Knie gewickelt hatte. Redivivus wartete schon. Der Wind griff die Paenulae und liess sie malerisch flattern, es hätte zu einem weit epischeren Aufbruch gepasst.
    "Salve Redivivus. Bereit für den kleinen Ausflug?", grüsste ich, gutgelaunt trotz der Kälte. Ich war froh über diese Abwechslung, und über die Aussicht, in Mantua ein paar alte Kameraden wieder zu treffen. Obwohl die Leute von der Prima natürlich harte Gegner sein würden, aber meine Soldaten würden ihnen schon zeigen was sie draufhatten. Gut war auch, dass wir den Weg für einen Gepäckmarsch nutzen konnten, für die, die das noch nicht kannten.

    Ein von der Reise schlammbespritzter Urbaner kam zur Curia geritten, und gab beim Pförtner folgendes Schreiben ab:



    An
    Tiberius Decimus Crassus
    Magistratus der Stadt Mantua



    Salve Magistratus,


    hier einige Anmeldungen für das grosse Turnier von Mantua. Als Vertreter der Cohortes Urbanae werden ich und drei meiner Soldaten in die Stadt kommen, um an den Wettkämpfen teilzunehmen:


    Centurio Faustus Decimus Serapio – Wettlauf und Ringkampf
    Miles Galeo Redivivus Tychicus – Wettlauf und Speerwerfen
    Miles Kaeso Caecilius Macro – Wettlauf und Ringkampf
    Probatus Galeo Caecilius Paulinus – Wettlauf, Speerwurf, Ringkampf


    Vale und auf bald.


    Faustus Decimus Serapio
    Centurio IV Cen I Coh CU


    PS Würde mich freuen, wenn wir, als Decimer, diesmal Gelegenheit fänden, uns etwas auszutauschen. Beim Equus October ging doch alles sehr rasant.

    An Decima Seiana
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Aegyptus


    Grüss Dich Schwesterherz,


    was, das warst wirklich Du, mit dem Artikel in der Acta??! Bona Dea, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich doch nie im Leben die Kameraden derart mobilisiert! Ich glaube Dir ja, dass Du es nicht böse gemeint hast, aber Du musst verstehen, für uns war es wirklich sehr kränkend das zu lesen. Nach allem was wir geleistet haben, und den Opfern die wir gebracht haben. Das alles ist kein einziges Mal richtig gewürdigt worden. Es gibt kein Denkmal für die Gefallenen, und wir Überlebenden haben nicht ein einziges Mal eine Geste der Anerkennung bekommen, nicht mal ein Donativum. Das ist schon sehr ernüchternd, man darf den Kopf hinhalten für das Imperium, kommt nach Hause und wird bloss bekrittelt. Schliesslich war es nicht unsere Schuld, dass die Praetorianer den Kaiser nicht gut genug geschützt haben. Oder wahrscheinlich kann man nicht mal der Garde was anlasten, die Bogenschützen der Parther sind einfach zu gut.
    Klar war die Schlagzeile in der Imago plump, aber für mich war das ein 'Willkommen zurück', bei dem mir warm ums Herz wurde, während die Reaktion der Acta auf unseren Leserbrief ja wohl absolut unzulänglich war! Sonst werden lang und breit auch die allerschwachsinnigsten Briefe abgedruckt, aber unseren Protest hat man um den aussagekräftigsten Teil, nämlich die vielen, vielen Unterschriften aller Dienstgrade vom Miles bis zum Legatus, beschnitten. Das fand ich damals wirklich blöd, und kann mich heute immer noch drüber aufregen! Unter Lucilla hätte es das nicht gegeben. Aber das soll jetzt nicht gegen Dich gerichtet sein, ich denke es ist sowieso schwer, als Zivilist über militärische Dinge zu berichten, ich glaube Dir, dass es anders gemeint war, und sowieso kann ich Dir eh nicht wirklich böse sein. Naja, und ich hoffe Du bist mir auch nicht böse. So mit Abstand betrachtet ist es fast komisch, dass ausgerechnet Du den Artikel geschrieben hast, und ich den Leserbrief.


    Ja... was Du sonst noch geschrieben hast, ist mir viel im Kopf herumgegangen. Ich weiss nicht so recht was ich dazu sagen soll. Natürlich klingt das phänomenal, was Du von Ägypten erzählst, und Deine Beschreibungen haben wirklich mein Fernweh geweckt. Ich bin auch ganz begeistert davon, und stolz, dass Du Dich an so einer berühmten Bildungsstätte wie dem Museion betätigen wirst. (Manchmal träume ich ja selbst noch davon, alles hinzuwerfen, und doch noch nach Alexandria zu gehen, und dort Flötenspiel und Philosophie zu studieren... aber ich träume nur, ich werde es natürlich nicht tun. Ich stehe nun mal im Dienste des Kaisers und habe meine Pflicht zu tun.) Sicher bist Du eine sehr gute Lehrerin, mir kam schon bei dem Cursus Continuus der Gedanke, dass Du so etwas doch auch mal machen solltest.
    Das heisst also, Du willst wirklich in Alexandria bleiben... Ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht verstehen könnte, was Du mir als Deine Beweggründe genannt hast. Und, naja, ich fürchte ich habe kein Recht, Dir Vorwürfe zu machen. Nachdem ich meinen letzten Brief abgeschickt hatte, fand ich manche Worte dann doch zu harsch. Also, es tut mir leid, ich weiss dass ich kein Recht habe, Dir gegenüber den Moralprediger zu geben.
    Und jetzt kommt das 'aber'. Aber ich weiss, wie schnell man abrutschen kann! Gut, Du bist vernünftiger als ich, also wirst Du wohl nicht die selben Fehler machen wie ich, aber trotzdem... Du willst frei sein, Dich ausleben, Du sagst, es ist Dir egal was die Leute sagen, aber wir leben nun mal nicht alleine auf der Welt, sondern eingebunden in eine Gesellschaft, wo der Ruf sehr wichtig ist, und wo man sich mit einer unbedachten Tat - wie zum Beispiel als unverheiratete Frau bei irgendeinem Mann zu wohnen - schnell mal die Zukunft ruinieren kann.
    Ausserdem machst Du Dich damit weniger 'wertvoll' für jeden Mann, denn wir wollen nicht das, was wir leicht bekommen können. Was einem in den Schoß fällt, bleibt nicht lange interessant. Sollte Dein Aelier ernsthafte Absichten haben, muss er auf jeden Fall erst mal bei mir anfragen. Onkel Meridius ist nicht da, Onkel Livianus noch immer verschollen, und auch wenn Du sui iuris bist, bin ich schliesslich Dein Bruder und es gehört sich so.
    Und unbedingt musst Du Dir einen Leibwächter zulegen, gerade bei den ganze Reisen in riskante Gebiete, die du da geplant hast! Ich sende Dir hier etwas Geld dafür mit, und ich bestehe absolut darauf, dass Du es annimmst, und Dir damit einen kräftigen, zuverlässigen Sklaven kaufst, das dient dann zu meiner Beruhigung, also ist es purer Eigennutz von mir, ergo kannst Du das Geld ruhig nehmen, zurücknehmen werde ich es nämlich nicht. Basta.


    Was die Familie angeht, so gibt es mehrere gute Neuigkeiten. Von Appius habe ich einen Brief aus Germanien bekommen. Er ist wie geplant zur Secunda gekommen, und schreibt von seiner harten Ausbildung, aber auch dass es ihm gutgeht, und dass er diese schreckliche Sache mit seiner Freundin langsam verwindet.
    Tante Lucilla hat einen Sohn zur Welt gebracht! Caius Germanicus Cossus heisst er, und ist gesund und munter. Ich habe ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, da sie immer noch auf dem Land bei Grosstante Drusilla sind, aber ich glaube, dass es Lucilla bestimmt schon bald in die Stadt zurückziehen wird.
    Dann ist noch etwas sehr überraschendes passiert. Zwei Zwillingsgeschwister, Flavus und Flava sind hier aufgetaucht, sie kommen aus Britannien und sind die Kinder von Livianus! Ihre Geschichte klingt erst mal unglaublich, aber die Ähnlichkeit mit ihrem Vater bestätigt sie. Livianus weiss nichts von ihnen, denn ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben, er stand damals in Germanien im Felde, und die Grosseltern, bei denen die beiden aufgewachsen sind, haben ihm die Existenz der beiden einfach verheimlicht! Verrückt, oder, was für Geschichten das Leben manchmal hervorbringt.
    Beim Equus October bin ich mitgefahren, das war wirklich ein einmaliges Erlebnis. Onkel Meridius hat mir seinen Segen gegeben, und ich bin mit einem todschicken goldenen Gespann gestartet. Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist, über die Bahn zu jagen, umtost vom Gebrüll der Menge. Die Konkurrenz war aber ganz schön tückisch. Dreimal darfst Du raten, wie es ausgegangen ist.


    Ich muss nochmal auf das Thema Freiheit und so weiter zurückkommen... Es fällt mir schwer, meine Gedanken dazu in eine niederschreibbare Form zu bringen. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir Geschwister - wir alle! - so sehr den Drang haben, eigene Wege zu gehen. Mittlerweile bin ich wieder "eingeschert", und Appius ja auch. Ich bin da in meinem Inneren aber immer noch zwiespältig, manchmal kommt es mir vor, als hätte ich mir eine Maske aufgesetzt, die nun mehr und mehr mit meinem Gesicht verwächst. Ich glaube an das was ich tue, ich bin gerne Centurio, und ich möchte meiner Familie Ehre machen... aber ich muss auch viel von mir selbst verleugnen, das ist der Preis dafür, und manchmal fällt mir das schwer, dann schlafe ich schlecht, und träume beängstigende Dinge. Es gibt sogar manche "Träume", die mich in den Tag hinein verfolgen, Sachen vom Feldzug. Ich meine nicht, wie gewöhnliche Tagträume, sondern viel realer. Oder eigentlich vollkommen 'real' in dem Moment, danach erkenne ich erst, dass es nur ein Hirngespinst war. Der Feldzug hängt mir nach, das was ich erlebt habe, und was ich im Rahmen meiner Pflicht getan habe. Aber das klingt jetzt dramatischer als es ist, ich habe das im Griff und bin sicher, dass es sich mit der Zeit wieder legen wird. Ich bin halt einfach von meinem Wesen her nicht jemand, den es kalt lässt zu töten. (Es ist so merkwürdig, an manche Dinge erinnere ich mich in allen Details, als wären sie tief eingraviert in meinen Kopf, andere sind nebulös geworden, so das sich mir überhaupt nicht mehr sicher bin, was da wirklich passiert ist.)
    Was ich eigentlich sagen wollte - ich glaube Freiheit hat ihren Preis, aber Anpassung genauso. Vielleicht ist es möglich, ganz man selbst zu sein, ohne dabei die anderen vor den Kopf zu stossen... oder eine Balance zu finden, bei der es einem doch gut geht, und man mit sich selbst im Reinen ist... ich hoffe dass das möglich ist, und eigentlich traue ich es vor allen anderen Dir zu, das hinzukriegen. Und mach Dir keine Vorwürfe, wegen der Gedanken an unsere Eltern! Es ist, wie es ist, Gedanken ändern nichts daran. Du warst diejenige, die bei Mutter geblieben ist, Du hast die Stellung gehalten und alles für sie getan, während ich weggegangen bin, obwohl ich wusste, dass es nicht gut um ihre Gesundheit stand. Du hast Dir wirklich nichts vorzuwerfen. Mutter war nun mal sehr streng. Sie hat uns geliebt und wir haben sie geliebt, und ich will nicht schlecht über sie reden, sie hatte gewiss ihre Gründe und sie hatte in vielen Dingen im Prinzip recht... aber es hat uns doch allen förmlich die Luft abgeschnürt! Es ist nicht verwerflich, wenn man erleichtert ist, wieder atmen zu können. So sehe ich das jedenfalls.


    Vale meine liebe Schwester! Halt mich auf dem Laufenden!


    Dein Faustus



    Sim-Off:

    überwiesen :) danke

    Die beiden waren urkomisch. Ich lachte herzlich, bei dem kleinen Wortgefecht, das sie sich lieferten, und rief voll Überzeugung: "Klar machen wir den leer! Aber ich muss auch in meinen Wein weinen, wenn ich sehe, wie Tuktuk hier die Gabe des Bacchus so kaltherzig verschmäht. Pah!"
    Mit den Augen rollend, seufzte ich übertrieben. "Ich geb's auf..." Dieser Sklave war nicht nur weit herumgekommen, er war auch ausgesprochen standhaft.
    "Aber ich sehe, Du verstehst mich, Tucca!" Überschwänglich legte ich ihm die Hand auf den Arm und schwadronierte: "Nein, wir lassen uns nicht beirren. Nieder mit der Askese. In den Staub mit dem faden Verzicht! Auf den Rausch, in dem einzig die Wahrheit liegt!"
    Ich schenkte uns nach, und trank tief von dem Segovier, der mir gut mundete, auch wenn man etwas Phantasie benötigte, um wirklich die Sonne darin zu schmecken.
    "Weinhändler!" Wieder musste ich grinsen. "Gut, meine Familie hat Weinberge, deshalb habe ich einen Bezug dazu, aber nein, ich bin kein Weinhändler. Aber ich denke, ich behalte das im Hinterkopf, falls ich mal eine Alternative brauchen sollte. Eine guten Kunden hätte ich ja schon!"
    Eine Alternative, das war so dahingesagt, aber es durchfuhr mich siedendheiß - womöglich würde ich bald wirklich nach einer anderen Arbeit Ausschau halten müssen, wenn Bibulus seine Drohung wahr machte. Oh je... Ich stützte den Kopf auf die Hand, und schwenkte meinen Wein im Becher hin und her.
    "Ich bin Soldat." erklärte ich dann, fast wie ein Geständnis, weil es so schlecht zu dem passte, wovon ich eben noch so geschwärmt hatte, Musik und Dichtung und so weiter.


    In dem Moment schwang die Türe auf, und ein paar weitere Gäste kamen herein, tropfend und schwatzend, mit Kapuzen auf dem Kopf, dazu wehte ein kalter Wind in die Schankstube, und liess das Feuer im Kamin kurz zusammensinken und flackern, bevor es um so heller wieder aufflammte. Einen Augenblick lang sah ich die Regenschleier da draussen, die dunkle stürmische Nacht, bevor die Türe wieder zufiel. Ich fröstelte. Langsam verbreitete sich wieder die Wärme des Feuers, erfüllte das Stimmengewirr den leeren Zwischenraum zwischen den Personen in dieser Kneipe, aber ich musste auf einmal wieder an meine toten Kameraden denken, und die ganze exaltierte Fröhlichkeit bekam Risse, begann zu bröckeln, und fiel von mir ab, während darunter wieder die Unruhe, und diese mir so unerklärliche Angst ihre Schlangenhäupter reckten.
    "Wisst ihr eigentlich was heute für ein Tag ist?..." fragte ich leise. "Oder war. Er ist ja schon vorüber... Der Tag der Victoria. Der Tag des grossen Sieges von Edessa. Scheiße, da sitze ich hier und saufe, und trinke auf alles mögliche, aber nicht auf meine toten Kameraden..."
    Abrupt stürzte ich den Rest meines Bechers hinunter, und verlangte mit schwerer Zunge: "Tucca, trink aus. Ich will, dass Du mit mir den neuen Becher auf meine gefallenen Freunde erhebst. Sie waren Helden, sie waren wirkliche Helden, Söhne des Mars, und sie haben ihr Leben für Rom gegeben, und für jeden einzelnen hier... FÜR JEDEN EINZELNEN HIER!"
    Befremdete Blicke wendeten sich mir zu - hatte ich denn so laut gesprochen? Ich starrte finster zurück, bis sie wieder wegsahen. Ja, auf einmal hatte ich nicht übel Lust, mich mit irgendwem anzulegen. Ich goss die Becher voll, so unwirsch, dass sie überschwappten.
    "Ich trinke auf APPIUS IUNIUS LUCULLUS!" rief ich, und riss den Becher hoch. "Der nicht an den Sieg geglaubt hat, und sich trotzdem unerschrocken gegen die Panzerreiter gestellt hat! Der dem Tod ins Gesicht gelacht hat! Zum Wohl, mein toter Freund, zum Wohl! Wir sehen uns auf der anderen Seite."

    Entweder war er jetzt sprachlos, angesichts solch nobler Grossmut... oder er glaubte mir kein Wort. Wie auch immer.
    ~"Gut"~, meinte ich, und sah einfach mal würdevoll über die Stichelei hinweg, ~Wir machen das auf dem Exerzierplatz. Da gibt es eine Stelle, die zum Üben da ist, mit einer, ähm, Bande aus Brettern, so dass ich schon niemanden erschiessen werde."~


    Damit war es also abgemacht. Ich widmete mich wieder dem Einrichten und verzichtete auf weitere Kennenlern-Versuche. In den folgenden Tagen hatte ich allerdings viel zu tun und kam nicht zum Bogenschiessen. Ich hatte ein strenges Auge auf den Parther, und hielt ihn zur Arbeit an, damit er sich gleich dran gewöhnte. In der Casa Decima hatte er ja nicht allzuviel zu tun gehabt.
    Dem Huhn ging es gut, allerdings legte es keine Eier; vielleicht musste es sich auch erst noch eingewöhnen.
    Dann kamen die Saturnalien, unglücklicherweise, wo ich meinen Sklaven doch gerade eingenordet hatte. Ich fürchtete, diese Tage würden ihn gleich wieder verderben, aber weil es sich nun mal so gehörte, achtete ich halt die Traditionen - erledigte die Arbeit selbst, schenkte dem Parther einen schönen neuen Mantel, gab ihm frei und auch etwas Geld, damit er sich wie alle anderen in der Stadt vergnügen konnte. Da war er mir gegenüber echt im Vorteil, denn während die ganze Stadt ausgelassen feierte, hatte meine Centurie über die Saturnalien Dienst.

    Wie jedes Jahr, in dem plötzlich und überraschend die Saturnalien vor der Türe standen, schienen die Menschen von einer Art Wahnsinn befallen, hetzten atemlos durch die Strassen, ballten sich zu gewaltigen Massen, und stürmten wie wild in die Geschäfte. Inmitten von den ganzen Trubel schlenderten die Flavia mit ihrer Sklavin daher, und ich, der ich allzu leichtfertig zugestimmt hatte, sie zu begleiten.
    "Ja... aufregend... kann man so sagen." Ich zögerte, denn Parthien war eigentlich nicht mein bevorzugtes Plauderthema. Allerdings hatte ich selbst ja damit angefangen, als ich mit meinem Sklaven geprahlt hatte. "Es war eine sehr... intensive Zeit, auf jeden Fall. Wenn man dann zurückkommt, erscheint einem alles andere erst mal eher belanglos. Weil es eben nicht um Tod oder Leben geht.", erklärte ich ernst, und in der Tat, wenn ich zurückdachte an unsere Erlebnisse dort, dann kam mir der ganze Saturnalienwirbel hier reichlich fremd vor.
    "Aber natürlich war es auch sehr abenteuerlich, so weit rumzukommen, und die fremden Landschaften zu sehen - Parthien ist an vielen Stellen, wo wir vorbeigekommen sind, wirklich atemberaubend schön - und die Städte" - wenn wir sie nicht gerade belagern mussten - "und die exotischen Menschen." Wenn sie nicht gerade Pfeile auf uns abschossen. Oder wir ihnen die Vorräte wegrequirierten.
    "Vor allem die Wüste ist beeindruckend. Und die Farbenpracht, die diese Orientalen zur Schau stellen. Das hat mittlerweile ja sogar die hiesige Mode beeinflusst..." Wofür die Flavia ja selbst ein Beispiel war.


    Aber was das Schenken anging, so hatte ich gerade keine Ahnung. Ich blickte nach rechts und nach links, auf der Suche nach Inspiration. Rechts gab es Holzschüsseln zu kaufen, und anderes Geschirr, in das direkt dort Namen oder irgendwelche Sprüche eingebrannt wurden. Nein... Links befand sich eine Bude mit allerlei Krimskrams, den man nicht wirklich brauchte, bunte Tücher, bestickte Kissen, Glasperlenketten, und eine Reihe von Tonfigürchen, Sigillaria. Die konnte man natürlich immer schenken.
    "Hmm. Ich denke ich schenke ihm was praktisches.", überlegte ich, hob aber trotzdem eine der Tonfiguren hoch - es war ein kleines Pferdchen, im Trab dargestellt, und betrachtete es. "Einen warmen Mantel oder so. Wenn ich ihm das hier schenke, kommt er sich wahrscheinlich verar.. - ähm, veralbert vor, und ein richtiges Pferd wäre ein zu grosses Geschenk, ausserdem könnte es ihn zur Flucht verleiten. - Für wen suchst Du denn nach Geschenken?"

    Zitat

    Original von Caius Optimus


    Rache! Rache war es, was all mein Streben beherrschte, als ich weiter neben dem Blauen herjagte. Mein Arm tat verdammt weh, und aus einer der Striemen tröpfelte Blut. Ich hatte schon schlimmeres überstanden, und verbiss mir mannhaft den Schmerz, aber ich lechzte nach Rache, ich wollte es diesem heimtückischen Dreckskerl heimzahlen und ihm ein für alle mal die seidenen Feminalia ausziehen! Und wenn es das Aus für uns beide in diesem Rennen bedeutete, mit dem würde ich abrechnen!!
    Und wieder rasten wir um die Kurve, noch immer Seite an Seite, die Gerade lag vor uns. Meine eigene Peitsche war mir während des Gerangels heruntergefallen und lag auf dem Boden der Kanzel, aber ich hatte jetzt die meines Rivalen in der Linken. Und beim Anblick des langen, festen, nur leicht flexiblen Peitschenstieles, an den sich die geflochtene Lederschnur anschloss, kam mir eine mindestens genauso tückische Idee! Da könnte man doch... ja...


    Ich fasste den Peitschenstiel an der Spitze. Ohne Rücksicht auf Verluste lenkte ich mein Gefährt wieder so dicht wie möglich an den Blauen heran, dann schlang ich meine Zügel mit einer schnellen Handbewegung um den Bügel vorne an der Kanzel. Mit der rechten Hand hielt ich mich fest, als ich mich zu dem Kerl herüber beugte, und ausholte, ganz so als ob ich mit dem Stiel auf ihn einprügeln wollte - doch das war nur eine Finte, worauf ich es wirklich abgesehen hatte, das waren die Speichen des Rades an seinem Wagen, auf der mir zugewandten Seite. Es drehte sich so schnell, dass die Speichen, die von der Radnabe nach aussen strebten, so aussahen als wären sie zu einer Fläche verschmolzen, aber natürlich gab es Lücken zwischen ihnen... Ich hielt mich am Rande meiner Kanzel fest, ich streckte mich, ich streckte mich noch weiter, ich kniff die Augen zusammen und hielt den Atem an, als der Staub der Räder zu mir hochwirbelte... dann stiess ich flink den Peitschenstiel vor, so erbittert als würde ich mit einer Hasta zustossen, rammte ich ihn, Knauf voran, meinem Rivalen zwischen die Speichen!
    Und zischte dazu gehässig: "Friß Dreck du Aas!"

    Mein Parther war ein blutrünstiger Barbar - ich dagegen war ein Vertreter der hochstehendsten Zivilisation überhaupt, die von den Göttern dazu ausersehen war, die anderen Völker des Erdkreises zu beherrschen und zu führen, und jeden Widerstand gegen unsere segensreiche Vorherrschaft gnadenlos niederzukämpfen. Es war also ganz natürlich, dass er mir diente.
    Das sagte ich mir, als seine knappen Worte auf einmal wieder so was wie Mitgefühl in mir aufkeimen liessen. Wie damals, als ich zu weich gewesen war, ihn brandmarken zu lassen... was bestimmt ein Fehler gewesen war. Eigentlich hatte ich gedacht, über diese Zaghaftigkeit mittlerweile doch hinweg zu sein, aber jetzt stellte ich mir unweigerlich vor, wie es wäre, endlos weit von der Familie, verschleppt in einem fremden Land zu sein, und wie sie sich um mich sorgen würden. Der Parther hatte ja eigentlich nur sein Land verteidigt. Aber wir hatten eben die Schlacht gewonnen, so war das nun mal.
    Ich warf ihm einen betretenen Seitenblick zu, und fand, dass er einen komischen Ausdruck in den Augen hatte, der mir jede Lust auf eine weitere Unterhaltung nahm. Schweigend strich ich die Tunika glatt, die ich gerade in den Händen hielt, faltete sie mit sehr akkuraten Kanten zusammen, bevor ich sie zu den anderen legte.
    Unter der Kleidung kam, ganz am Boden der Truhe, meine alte Opiumpfeife zum Vorschein. Hm. Die würde ich wegwerfen. Natürlich würde ich das. Schliesslich würde ich sie nie wieder benutzen. Da sollte ich sie besser wegwerfen. Ja, unbedingt. Auf jeden Fall würde ich sie wegwerfen. Gleich morgen.


    Ich zerrte die Truhe ins Schlafzimmer, schloss die Türe, damit Ziaar nicht sah, wie ich die konfiszierten Waffen aus der Tasche nahm, und in der Truhe einschloss, zusammen mit dem Relikt meiner Vergangenheit. Den Schlüssel steckte ich ein, dann warf ich einen Blick aus dem Fenster. Der Stall war klasse! Das Huhn hockte im Stroh und sah, unter den gegebenen Umständen, ganz zufrieden aus. Ich öffnete wieder die Türe zum Wohnraum, blieb im Türrahmen stehen, und betrachtete den Parther.
    ~"Der Stall ist gut geworden."~
    Zur Abwechslung gab ich mir diesmal Mühe, seinen Namen richtig zu betonen.
    ~"Tsiá...Tz...Ziaar, du sollst wissen, dass ich dich, wenn du gut für mich arbeitest, auch wieder freilassen werde. In ein paar Jahren. Darauf hast du mein Wort."~ Dazu nickte ich feierlich.
    ~"In nächster Zeit möchte ich, dass du mir Unterricht gibst, im Bogenschiessen. Du kannst doch sicher mit dem Bogen umgehen, das liegt euch doch im Blut, oder?"~

    Ungeduldig wartete der Immunis, bis der Probatus endlich fertig mit dem Überprüfen war. Darauf nahm er die Liste wieder an sich, nickte, und legte sie fein säuberlich auf den Stapel wo sie hingehörte.
    "Vale", verabschiedete er den Probatus, und machte sich daran, die Sachen, die nicht gepasst hatten, zurück in die Regale zu räumen.

    "Doch, auf jeden Fall", bestätigte ich, Flavas Stirn betrachtend. Ich hatte kein Bild von ihrer Mutter im Kopf, damals war ich ja auch noch ein kleines Kind gewesen - wahrscheinlich lag es daran, dass mir eher ihre Ähnlichkeit zum Vater auffiel, auch wenn diese nicht so ins Auge sprang wie bei Flavus.
    Etwas zögernd nickte ich dann mit dem Kopf, bei ihrer Feststellung. Ich hätte das nie so gesagt, es klang zu sensibel, aber es stimmte schon, ich liebte ihn wie einen strengen Vater und wünschte mir nichts mehr, als auf irgendeine Weise doch noch seine Anerkennung zu erringen. Und wieder nickte ich, und legte ein zuversichtliches Lächeln auf meine Lippen, als ich beipflichtete: "Ja, ganz bestimmt."
    Ich glaubte ja auch daran. Aber zugleich war mir bewusst, wie weit und fremd und feindselig dieses Land, war, das ihn verschluckt hatte, so vollständig, dass manche Kameraden sogar geglaubt hatten, die Geister der Hügel hätten ihn mit sich genommen, und dann dachte ich an Salassus Scato, der in Dura in Gefangenschaft gewesen war, nur einige Wochen lang, an seinen erbärmlichen Zustand, und an den leeren Ausdruck in seinen Augen. Ich versuchte die Gedanken beiseite zu schieben, lächelte weiter, denn ich wollte meine Cousine auf keinen Fall noch mehr beunruhigen, sie machte sich natürlich schon genug Sorgen. Begründete, aber auch, wie ich fand, absolut unbegründete.
    "Ach Unsinn", wehrte ich ab, "Du kannst mich gar nicht belästigen.", und legte ihr die Hand auf die Schulter - es wurde eine komische Mischung aus tröstender Geste und kameradschaftlichem Schulterklopfen - als ich ihr voller Überzeugung versicherte:
    "Er wird ganz sicher überwältigt sein, wenn er euch zu Gesicht bekommt! Ich meine, schau Dir die Laube hier an, sie ist doch ein Zeichen dafür, wie sehr er seine Frau geliebt hat, und Du als ihre Tochter - ähm, ihr als ihre Kinder, ich meine er wird überglücklich sein von euch zu erfahren, und euch in die Arme schliessen zu können, er wird euch ganz bestimmt nicht mehr hergeben wollen, das steht doch ausser Frage!"
    Flava wünschte und gönnte ich das wirklich von Herzen! Aber nicht ihrem Bruder...

    Zitat

    Original von Flavia Celerina


    Ja, die Parther waren eben alle gleich, da zeigte es sich mal wieder... - Oh! Sie wollte mir zusammen einkaufen gehen...!
    In Silios Stufenplan war das gemeinsame Einkaufen bereits die zweite Phase der Annäherung. Mir wurde auf einmal ganz unbehaglich zu Mute, denn eigentlich genügte es mir vollkommen, ein paar Worte zu wechseln, mit diesem unbekannten Wesen 'patrizische Frau'. Einkaufen, das war schon Allerhand.
    "Ähm.", machte ich, und rieb mir den ausrasierten Nacken. - Andererseits... andererseits wäre es wirklich sehr unhöflich gewesen, abzulehnen. Und tatsächlich war ich nicht in Eile, und das mit den Geschenken hatte ich auch noch nicht erledigt.
    "Aber nein. Nein, keineswegs", versicherte ich darum artig, "Ich habe noch etwas Zeit, bevor ich wieder in die Castra muss. Es wäre mir eine Freude, Dich zu begleiten, Flavia Celerina, und ich werde mein Bestes geben Dich zu inspirieren! Ausserdem sollte ich mich selbst auch noch nach ein paar Geschenken umsehen, ich habe nämlich noch keine."
    Ob ich meinen Soldaten was schenken sollte? Zu ein paar Amphoren Wein würden sie bestimmt nicht nein sagen.
    "Hm... wo sollen wir uns denn zuerst hinbegeben?"

    Schwungvoll öffnete ich die Türe, und trat dynamischen Schrittes in den Raum.
    "Salve Quindecimvir Annaeus! Ich bin Centurio Decimus Serapio von den Stadtkohorten. Kannst Du mir etwas Zeit erübrigen? Ich möchte Dich um ein paar Auskünfte bitten, zu ausländischen Kulten." Mit einem tatendurstigen Lächeln auf den Lippen fügte ich hinzu: "Manchmal kommen wir durch unsere Arbeit mit diesem Bereich in Berührung, und da ist es besser gut informiert zu sein."

    Und bald darauf traf schon der nächste Cursor ein, und gab einen anderen Brief an der Haustüre ab, dazu ein zusammengerolltes Bündel von rotbraunem Fell, das sich überaus kuschelig anfühlte.



    An Decima Lucilla
    Landvilla Decima Drusilla


    Liebe Tante Lucilla,


    das ist grossartig, ich gratuliere Dir, meinen allerherzlichsten Glückwunsch zu Deinem ersten Sohn! Und was für einen schönen, ruhmvollen Namen Du ihm gegeben hast, das prädestiniert wirklich zu grossen Taten! Ich freue mich unheimlich für Dich, und ich habe eine Babydecke aus flauschigen Eichhörnchenfellen besorgt, die ich Dir hier mitschicke, die Verkäuferin hat mir versichert, dass es nichts besseres gibt um Säuglinge warmzuhalten, gerade in so einem feuchtkalten Winter wie dieses Jahr.


    Hier in Rom gibt es auch grosse Neuigkeiten. Hast Du schon davon erfahren, dass hier in der Casa völlig unerwartet zwei Kinder von Livianus erschienen sind?! Also, Kinder sind sie nicht mehr, beide sind nur ein wenig jünger als ich, Flavus und Flava heissen sie und sind Zwillinge. Sie kommen aus Britannien, ihre Mutter ist Aemilia, die bei der Geburt gestorben ist, und stell Dir vor, Aemilias Eltern haben das ganze vor Livianus verheimlicht, weil sie wohl einen Groll gegen ihn hegten! Ist das nicht ungeheuerlich?
    Flava ist ganz reizend, sanft und liebenswert, aber was ihren Bruder angeht - ich weiss nicht so recht. Er ist ziemlich arrogant, und er hat sich unverzüglich zum Vigintivir wählen lassen, ohne irgendetwas geleistet zu haben, nur mit seiner Herkunft, dabei hat sein Vater ihn ja noch nicht mal anerkennen können. Ich halte nichts von so einem Vorgehen, aber ich halte ja auch allgemein nicht viel von der Politik.


    Ich bin mittlerweile Centurio. Mein Vorgesetzter Flavius Aristides ist ausgeschieden, wegen seiner Kriegsverletzung, und hat mich als Nachfolger vorgeschlagen, wofür ich ihm sehr dankbar bin, und prompt wurde ich befördert. Es läuft gut mit der Centurie, ich habe da wirklich eine tolle Truppe, und die Arbeit gefällt mir immer besser. Es ist spannend, man erlebt fast jeden Tag etwas neues. Mit der Stimme habe ich auch nur noch selten Probleme, wobei ich zugeben muss, dass ich den Rettichsaft mit Honig nicht herunter bekommen habe, er war zu scheusslich.
    Neulich haben wir zum Beispiel den Praefectus Urbi eskortiert, bei dem grossen Tamtam zum Wechsel des Gardepräfekten. Übrigens kenne ich den neuen, oder was heisst kennen, ich habe unter ihm gedient, als er Primus Pilus in der Prima war, und die Gelegenheiten wo ich Worte mit ihm gewechselt habe, kann ich an einer Hand abzählen, aber er war mir dort ein grosses Vorbild. Bei dieser Zeremonie habe ich zum ersten Mal den neuen Kaiser gesehen, und ich muss sagen, er sieht längst nicht so schwach aus wie alle immer behaupten, ich denke die ganzen Gerüchte sind übertrieben.
    Von der Hochzeit meines Centurios habe ich Dir ja auch noch gar nicht erzählt. Die war wirklich grandios, unheimlich nobel, sie haben in einem Luxusgarten auf dem Aventin gefeiert, hatten ein riesiges purpurfarbenes Sonnensegel aufgespannt, und das Essen war phantastisch. Die Gästeschar war eine lustige Mischung von rauen Soldaten und schicken Patriziern, die sich sonst nie so zusammenfinden würden.


    Meine Schwester ist schon vor längerem nach Ägypten aufgebrochen, ich habe mittlerweile zum Glück Post von ihr bekommen und weiss, dass es ihr gut geht, aber ich mache mir doch Sorgen. Ich weiss nicht ob ich nicht mal ein ernstes Wort mit ihr sprechen sollte, denn es geht bei dieser Reise - aber das ganz im Vertrauen, Lucilla, das erzähle ich nur Dir! - es geht dabei um einen Mann, den sie vielleicht heiraten will! Ein Aelier, was ja schon mal nicht schlecht ist, aber notabene einer, der seine Zeit damit verbringt, in der Provinz ein Postamt zu leiten - nicht gerade glorreich würde ich sagen.
    Was meinst Du dazu, Lucilla, als Frau, Du hast Dir Deinen Mann damals doch auch alleine ausgesucht, und weisst wie das ist. Soll ich mich da raushalten? Ich habe echt Angst dass Seiana an den Falschen gerät, oder sich kompromittiert, weil sie sich verliebt hat oder weil sie unbedingt ihre eigenen Entscheidungen treffen will, ich meine, ich weiss ja wie verlockend es ist, eine Weile lang mal das unsolide "freie wilde Leben" auszukosten, aber ich weiss auch, wie sehr man sich dabei vertun kann. Ich bin doch schliesslich ihr Bruder, da sollte ich doch auch etwas mitzureden haben, oder findest Du nicht?


    Ich selbst habe gerade eine grosse Enttäuschung hinter mir. Es gab da einen Menschen, den ich wirklich geliebt habe, während des ganzen Feldzuges habe ich mich nach einem Wiedersehen gesehnt. Aber jetzt musste ich herausfinden, dass die Person mich die ganze Zeit nur begelogen hat. Ich bin ihr egal, sie hat mich einfach abserviert, und mir wirklich das Herz gebrochen. Das schlimmste ist, dass ich immer noch nicht frei davon bin diese Person zu lieben, obwohl ich es jetzt wirklich besser weiss. Sie geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Kennst Du vielleicht ein Mittel, mit dem man so eine dumme, hartnäckige Neigung mit Stumpf und Stiel ausreissen kann? Oder weisst Du eine fähige Saga, oder von mir aus auch eine Striga, die sich mit so etwas auskennt, und bei der ich mir Hilfe holen könnte? Es quält mich, und es lenkt mich ab, ich möchte einfach nur frei davon sein und mich wieder ordentlich auf meine Arbeit konzentrieren können.


    Etwas ganz anderes - danke für die Auskunft über den Germanicer. Ich hatte die Sache eigentlich gar nicht im Zusammenhang mit dem grossen alten Konflikt gesehen, aber jetzt wo Du das sagst - vielleicht hängt es doch irgendwie damit zusammen. Erzähl um Himmels willen niemandem davon, ich denke, ich werde bei Gelegenheit versuchen das selbst zu klären - wenn es dadurch noch schlimmer wird, komme ich dann gerne auf Deine Hilfe zurück.


    Aber ich habe eine grosse Bitte. Nach meiner Rückkehr aus dem Osten hatten wir ja schon davon gesprochen, dass Du bei Deinem Patron ein gutes Wort für mich einlegen könntest. Und ich denke, ich habe doch jetzt einiges geleistet, bin Centurio und ausserdem ja schon gebürtig im Ordo Equester. Könntest Du versuchen, ihn zu überzeugen, dass er dafür sorgt, dass ich zum Eques erhoben werde? Es ist nicht so, dass ich hier gleich wieder weg wollte, aber es ist mein Ziel, anschliessend die Militia Equestris zu beschreiten. Ich habe alle Abschnitte meines Werdeganges, und meine Auszeichnungen und die Kurse, die ich absolviert habe, fein säuberlich auf einem separaten Blatt aufgelistet. Ich hoffe das ganze geht auch brieflich, Hispania ist ja leider weit weg. Es wäre toll wenn das klappen würde.
    Gibt es denn irgend etwas, was ich für Dich tun könnte, meine liebe Patrona? Ich möchte mich doch auch mal wenigstens ein bisschen bei Dir revanchieren.
    Und wann kommst Du denn nun nach Rom zurück? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Du da auf dem Land Deine Zeit verbringst, mal abgesehen von Deinem kleinen Cossus muss es da doch auf die Dauer ziemlich unspektakulär sein.


    Meine allerbesten Wünsche, und viele Grüsse auch an Grosstante Drusilla!
    Vale,


    Dein Faustus

    Zitat

    Original von Kaeso Caecilius Macro und Tiberius Octavius Dragonum


    Eine Mannleiter, puh, ich war doch kein Akrobat! Aber Befehl war Befehl, ich kletterte also übers Geländer, liess mich daran herunter, bis ich mit ausgestreckten Armen neben dem Tribun hing, dann griff ich mit einer Hand nach seinen Schultern, hielt mich an ihm fest, verlagerte das Gewicht, bis es ganz auf ihm lastete. Er war ein kräftiger Mann, aber ich fürchtete doch, dass wir gleich beide hinunter in den Hof fallen würden, es war zwar nicht soo hoch, aber immer noch hoch genug sich den Hals zu brechen - sonst hätte es ja keiner Mannleiter bedurft um da runter zu kommen.
    Der kleine Mann, der da eben so locker heruntergesprungen war, musste einen Grashüpfer zu seinen Vorfahren zählen, oder auch eine Ameise, daraus zu schliessen, wie mühelos er bei all der Rennerei die reglose Frau in seinen Armen trug, möglicherweise auch ein Wiesel, so wieselflink wie er über den Hof zischte und flugs verschwunden war, oder vielleicht doch eher ein Kaninchen, so kopflos wie er vor uns davonrannte.


    Ja, was es nicht alles gibt. Ich jedenfalls hangelte mich ein Stück an dem Tribun herunter - sein Griff hielt, glücklicherweise - es war eine Aktion die mit grosser körperlicher Nähe verbunden war, was ich unter anderen Umständen sicherlich zu schätzen gewusst hätte, bei so einem markigen Mann, aber so wie die Dinge nun mal waren kämpfte ich zum einen mit der Schwerkraft und dem Gewicht meiner Rüstung, zum anderen mit Schwindel und Übelkeit. Ich fand Halt an seinem Gürtel, rutschte dann praktisch seine Beine entlang, schwang, an seinen Knöcheln hängend einmal hin und einmal her, daraufhin liess ich mich fallen, und landete, in die Knie gehend, ganz anständig auf dem gestampften Lehm des Hofes. Ich sah zurück nach oben, da leckten schon Flammen an den Stützbalken des Balkons.
    "Beeilt euch!", keuchte ich, und sprang erschrocken zur Seite als auf einmal von noch weiter oben Schindeln herunter regneten, dann grössere Stücke der Fassade folgten, und sich auch hier gierige rote Zungen gegen den Nachthimmel abzeichneten. Mir wurde klar, dass es jetzt an der Zeit war, vor allem uns selbst zu retten. (Hoffentlich sah der Tribun das auch so.) Mein Blick huschte, nach einem Ausweg suchend umher, als ein ganz jämmerlicher Laut an meine Ohren drang, aus der Richtung eines qualmenden Schuppens - es war ein dünnes Greinen voller Not, ein schmerzerfülltes Klagen, bei dem es jedem fühlenden Menschen das Herz zusammenschnüren musste!

    Verblüfft starrte ich den Mann im Schrank an. Bona Dea! Der sah aber gut aus! Decius' Wohnung war wahrlich mit Überraschungen gespickt. Woher nur kannte ich dieses Gesicht...? Ach...das war doch der Kerl, der vor kurzem tollkühn aus dem Carcer entwischt war. Sein Konterfei hing seitdem an der Tafel "gesuchte Verbrecher". Der Heiratsschwindler war das, genau!
    "Na, wenn das nicht der berüchtigte Drubius Cleptus ist...", triumphierte ich, und beugte mich, die Spitze des Dolches auf ihn gerichtet, zu ihm runter, bereit zuzustossen falls er irgendwelche Tricks versuchen sollte.
    "Keine falsche Bewegung jetzt. Rauskommen!"
    Ich packte ihn mit einer Hand an der Schulter um ihn grob aus dem Schrank und auf die Füsse zu ziehen.
    "Die Hände nach vorne strecken! Redivivus, fessel ihm die Hände und durchsuche ihn."
    Den schönen Ganoven weiterhin mit dem Dolch bedrohend - nicht dass der uns noch entwischte - sah ich aus den Augenwinkeln kurz zu Decius, und spottete:
    "Ich bin sicher, du hast auch hierfür eine gute Erklärung. War der hier vielleicht auch als Überraschung für Fabula gedacht? Und wer ist eigentlich vorhin durch das Fenster getürmt? - Tja, ich fürchte wir müssen dich ebenfalls mitnehmen, Decius, wegen Verstecken eines flüchtigen Verbrechers, Besitz von Diebesgut und Komplizenschaft mit diesem Strolch hier!"
    Ich machte eine Kunstpause, gab dem Heiratsschwindler einen Stoss mit dem Dolchknauf in die Seite, damit der nicht meinte ich habe ihn vergessen, und fuhr beiläufig fort:
    "Es sei denn, du kommst mit uns zum Rattenbeissen, Decius, und siehst dich dort ein bisschen nach dem Mann um, dem der Wettschein gehört, und wenn du ihn siehst zeigst du ihn uns. Hm, ja, wenn wir durch deine Hilfe den Mörder finden sollten, dann könnte man vielleicht was drehen..."

    "Mich...?" entfuhr es mir ganz leise, voll Unglauben. Mich? Nach dem ganzen peinlichen Drama im Atrium hatte er trotzdem mich vorgeschlagen? "Oh."
    Und ein bisschen jung war ich auch, für den Rang. Falls ich wirklich befördert würde. Hoffentlich! Mein Blick wanderte zu seiner Vitis, die schon in der Kiste lag, und ich malte mir aus, wie wunderbar es wäre, eine eigene zu besitzen... Mit einiger Verzögerung erst kamen seine Worte bei mir an - er nahm mich in Schutz, wollte sogar für mich die Unwahrheit sagen! Mir fiel nicht nur ein Stein vom Herzen, mehr ein ganze Sierra, ach, Worte können überhaupt nicht ausdrücken wie unbeschreiblich erleichtert ich war!
    "Verstanden..." bejahte ich leise, noch benommen von dieser Wendung der Dinge, nachdem ich eben noch auf das Schlimmste gefasst gewesen war... dann leuchtete mein Gesicht auf und ich lächelte beglückt.
    "Verstanden, Centurio! Danke! Vielen, vielen Dank, das werde ich Dir niemals vergessen!!!"
    Mein Groll war beinahe unwesentlich geworden, gegenüber der tiefen Dankbarkeit, die ich verspürte. Keine Entlassung, keine neue Schmach, ich konnte weiter den Weg gehen, den ich - zwar erst nach Umwegen, aber dafür um so sicherer - als den einzig richtigen erkannte hatte: den Weg eines römischen Soldaten!


    Ich atmete schwer aus vor Erleichterung, weiterhin breit und strahlend lächelnd, endlich erlöst von der Sorge die ich die ganze Zeit mit mir rumgeschleppt hatte. Doch dann kam mir meine Freude auf einmal taktlos vor, angesichts dessen dass Aristides seinen Abschied hatte nehmen müssen, was ihn ganz offensichtlich schwer getroffen hatte. Ich wurde ernst, und fragte ihn schüchtern:
    "Centurio" - ob entlassen oder nicht, das war er nun mal für mich - "wenn ich fragen darf, wirst Du denn wieder in den Exercitus Romanus zurückkehren?"

    "Mhm."
    Der Immunis rumorte in den Regalen, zog ein anderes Paar Caligae hervor, betrachtete prüfend die Füsse des Caecilius Paulinus und hielt ihm die Schuhe, an den Riemen baumelnd, vor die Nase.
    "Versuch die. Schnür sie fest und lauf ein bisschen damit herum."
    Auch ein anderer Helm fand sich, und als der Probatus schliesslich vollständig ausgerüstet war, hielt der Soldat ihm eine lange Liste vor die Nase, auf der all die Gegenstände verzeichnet waren, die sich auf dem Tisch türmten, und verlangte:
    "Hier unterschreiben."

    Es war ganz seltsam, in einem Moment dachte ich noch, Flavus würde gleich auf mich losgehen, so ausser sich schien er zu sein, im nächsten Augenblick verabschiedete er sich kühl. Ich schnaubte abfällig, als er mir zunickte als wäre nichts gewesen, und blickte ihm wütend, und mit einem Kopfschütteln, hinterher als er sich entfernte. Ich verstand weder, warum er auf einmal so ausgerastet war, noch, warum er jetzt das Feld räumte, bevor wir die Sache auf welche Weise auch immer ausgetragen hatten.
    Seine Schwester schien jedenfalls einen besänftigenden Einfluss auf ihn zu haben. Ich sah zu ihr, und bemühte mich, die Wut aus meinem Gesicht zu verbannen, als Flava das Wort ergriff und ihren Bruder in Schutz nahm, aber ich konnte ihr nicht so wirklich Glauben schenken. Und ich musste gar nichts...
    "Ein wenig aufbrausend ist ja wohl untertrieben...!", grollte ich, und verbiss mich in den Gedanken, wie unfair es in der Welt zuging: so einer wie Flavus, der es gar nicht zu schätzen wusste, war der Sohn von Livianus, und ich würde, egal was ich auch versuchte, wie sehr ich mich auch anstrengte, immer nur der missratene Neffe sein. Ja, ganz und gar unfair...


    Flava nahm meine Hand, was mich ein bisschen überraschte, aber dann rang ich mir doch ein schiefes Lächeln ab. Sie war so sanft und freundlich dass ich mir ihr gegenüber auf einmal auch ganz unbeherrscht und ungehobelt vorkam. Ich nickte und setzte mich wieder hin, atmete auch einmal tief durch, denn ich war immer noch ziemlich aufgewühlt.
    "Ja. Natürlich. Das verstehe ich... Ich hoffe aber Du kannst ihn bald selbst kennenlernen."
    Ich drückte ihre Hand, und liess sie dann los.
    "Wie soll ich sagen. Livianus ist jemand, der Verantwortung übernimmt. Der andere anführt, und für sie sorgt. Er kümmert sich um seine Familie... also zum Beispiel hat er meine Mutter und uns Kinder sehr unterstützt, nach dem Tod meines Vaters. Natürlich war er nicht oft da, also soo gut kenne ich ihn nicht, und später hatte ich dann auch, naja, ziemlich Stress mit ihm, ich sagte ja, er ist auch streng... - aber ich weiss, dass er wirklich ein edler und grossherziger Mensch ist. Hm, ja, und natürlich ist er sehr ehrgeizig und erfolgreich, sonst wäre er nicht so weit gekommen. Er war zuletzt der Legat der Legio Prima Traiana Pia Fidelis, der Legion des Kaisers! Alle haben ihn respektiert und verehrt, er hat den Soldaten Treue und Zuversicht eingeflösst."
    Melancholisch blickte ich an meiner Cousine vorbei, auf das Herbstlaub und zugleich da hindurch, auf ein Bild, dass sich in meiner Erinnerung festgesetzt hatte.
    "Ich weiss noch ganz genau, wie er, ganz zu Beginn des Feldzuges, auf dem Marsch nach Ravenna, wo wir uns dann eingeschifft haben, an unserer Marschkolonne vorüberkam, hoch zu Ross, im Galopp, mit wehendem Mantel und Helmbusch, und seiner Eskorte hinter ihm... er sah da so entschlossen aus, und stolz, und siegesgewiss, eben genauso wie ein römischer Feldherr sein sollte. - Ich finde, Du hast in der Stirnpartie Ähnlichkeit mit ihm. Sein Haar ist dunkler als Deines. Er ist stattlich, und er hat eine kräftige Stimme."

    "Sehr erfreut, Flavia Celerina. Ich habe unter ihm gedient, er war mein Centurio. In der Prima, als wir in Parthia gekämpft haben, und später dann hier bei den Stadtkohorten."
    Der Sklave wurde teuer verkauft. Ich blickte zu dem Mann, der ihn erworben hatte, und wünschte mir einen Augenblick lang, ich hätte auch so viel Geld. Aber dann fiel mir auf, dass ich mich neulich, als ich meinen ersten Centurionensold bekommen hatte, wirklich reich gefühlt hatte! Tja, kaum hat man etwas, will man noch mehr.
    "Schade", meinte ich, "Ich habe einen ungehobelten Parther," - und extra lässig liess ich einfliessen: "den ich mir selbst eingefangen habe," (ups, das klang ja wie eine Krankheit) - "der hätte von so einem zivilisierten Griechen bestimmt viel lernen können."
    Ich war wirklich extrem aus der Übung, mich mit einer Frau zu unterhalten, also mit einer Frau die keine Decima war, es erforderte meine ganze Konzentration. Was hatte Silio noch gesagt - sie häufig beim Namen nennen, ihr viel in die Augen schauen... Nein, lieber nicht zu viel.
    "Und wonach steht Dir der Sinn, Flavia Celerina -", erkundigte ich mich, mit einem leichten Lächeln damit die Frage nicht zu aufdringlich klang, "suchst Du ein Saturnaliengeschenk?"