Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Livilla? Liebster Serapio? Verblüfft betrachtete ich die Tabula, die mir gerade, mit einem verhaltenen Grinsen, der Schreiber der Centurie übergeben hatte, der sie von einem der Torwächter bekommen hatte. Wenn das ein Scherz war, dann war es jedenfalls eine willkommene Abwechslung von dem Papyruskram auf meinem Schreibtisch, an dem ich heute schier verzweifelte. Lieber starrte ich die frisch verputzten Wände meines Arbeitszimmers an, als mich durch diese langen Zahlenkolonnen zu quälen, die ich eigentlich durchrechnen sollte.



    Mein liebster Serapio,


    welch lange Zeit ist vergangen seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Es ist mir unmöglich dies abzuschätzen ohne immer wieder das Gefühl zu bekommen, dass es viele einsame Jahre waren.
    Ein zufälliges Treffen war es welches uns zusammenführte. Es war in einer sehr schönen Umgebung, ein uns völlig unbekannter Ort. Welch schöne Zeit haben wir in dieser Taberna verbracht. Ich möchte dich wieder sehen. Vielleicht morgen, vielleicht an einem anderen Abend?


    Ich vermisse dich.
    Deine Livilla


    Ich konnte mich an keine Livilla erinnern - was nichts heissen musste, es gab Zeiten von früher, die völlig im süssen Rauch und Rausch der Glücksseligkeit aufgegangen waren, und aus denen mir nur ein paar nebulöse Eindrücke geblieben waren - was in mancher Hinsicht auch ganz gut war. Aber damals hatte ich nicht meinen richtigen Namen benutzt, und ich letzter Zeit hatte ich todsicher keine solche Bekanntschaft gemacht.
    Dann fiel mir auf, dass manche der Worte etwas nachdrücklicher in das Wachs geritzt waren.
    "Treffen... uns... in... bekannter... Taberna... morgen... abend." las ich, und lachte leise auf; es war eine raffinierte Idee die Botschaft so zu verstecken, und ich fühlte mich auf einmal wie in einem Cappa-und-Sica-Abenteuer. Zum Pluto mit den Zahlen, morgen würde ich also die mysteriöse Frau treffen, die wir auf die Christianer angesetzt hatten. Das würde sicher spannend werden. Ich hoffte nur, dass sie nicht zu raffiniert war...

    Ein wenig enttäuscht wirkte der Soldat Gnaeus Gallus schon, als er so vertröstet wurde, aber die Aussicht auf ein späteres Treffen war auch nicht schlecht.
    "Na gut Süsse, dann also bis später! Dann machen wir uns 'n schönen Abend, hehe."
    Mit der flachen Hand langte er nach vorne, in der Absicht der Kleinen zum Abschied noch, ganz neckisch, einen Klaps auf das Hinterteil zu versetzen.


    Darauf wandte er sich um, und marschierte durch das Tor ins Innere der Castra. Natürlich betrachtete er sich im Gehen die Tafel, und entzifferte, wenn auch mit Mühe, den Text. Interessant, der Centurio der vierten der ersten hatte also ein Liebchen namens Livilla.
    Auf halben Weg die Via Principalis entlang fiel Gallus dann auf, dass er gar nicht wusste wie das kleine Blondchen hiess, und obwohl er bei weitem nicht der Hellste war, beschlich ihn, so im Nachhinein, doch die dunkle Ahnung, sie könnte ihn zum Narren gehalten haben. Das Leben war hart. Immer noch darüber nachgrübelnd, lenkte er seine Schritte zur vierten Centurie, um die Botschaft zu überbringen.





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    Mit finsterer Miene hörte ich mir die Entschuldigung an, ohne etwas darauf zu erwidern, denn ich wusste wirklich nicht, ob ich den Mann eher belohnen sollte, für diesen gefährlichen Einsatz, den er da erledigt hatte, oder bestrafen für seine, wie ich fand, unangebrachte Ehrlichkeit. Unwillkürlich griff ich mir an den Hals, und lockerte erst mal mein fest gebundenes Focale. Mein Ärger war so schnell verraucht wie er aufgeflammt war, aber der Schreck sass mir noch in den Knochen. Ich atmete tief durch, und versuchte wieder klar zu denken. Da konnte man wohl nur hoffen, dass diese Frau wirklich so professionell war, und ihre Aufträge nicht an die grosse Glocke hängte. (Aber wer hatte schon jemals von einer Frau gehört, die etwas für sich behalten könnte?!) Oder man könnte sie verschwinden lassen, sie mundtot machen, wenn man sie erwischen könnte - aber für sowas war ich nicht abgebrüht genug.
    Bemüht ruhig, in sachlichem Tonfall, stellte ich Redivivus eine Reihe von Fragen.
    "Wie sah die Frau aus? Hat sie einen Namen genannt? In welcher Taverne hast du sie getroffen? Wie habt ihr euch preislich geeinigt?"
    Vielleicht, so überlegte ich, vielleicht könnte man das Problem einfach mit mehr Geld aus der Welt schaffen.

    Oho, der Soldat konnte sein Glück kaum fassen: ganz klar, die Kleine stand auf ihn. Das Grinsen wuchs in die Breite, es schien schon seine beiden, weit vom Kopf abstehenden Ohren miteinander verbinden zu wollen.
    "Gallus. Gnaeus Gallus. Dann gib ma her, Blondchen." Zwinkernd nahm er Celeste die Tafel ab, und tönte: "Ich hab gleich Dienstschluss, dann geb ich dir einen aus, in der Kneipe da drüben! Na wie wärs?"





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    "Ave Praefectus Urbi Vescularius!" grüsste ich den Kommandanten mit zackigem Salut, und stand stramm. Ich war festentschlossen, mich heute nicht von Krümeln oder anderen Essensresten irritieren zu lassen. Schliesslich hatte ich ein wichtiges Anliegen. Kurz und knapp brachte ich vor, was ich alles auf dem Herzen hatte.
    "Ich bringe Dir die Stärkemeldung, sowie den Bericht über die Einsätze der IV. Centurie I. Cohorte seitdem ich sie übernommen habe."


    Bericht Cen IV Coh I CU
    ID IAN DCCCLIX A.U.C. (13.1.2009/106 n.Chr.)


    Wachen und Patrouillen:
    Regelmäßige Durchführung von Routinekontrollen an der Porta Caelimontana und Porta Querquetulana, und Patrouillen im Bereich der Via Tusculana und des Forum Romanum:
    - 7 Verwarnungen wegen Reiten innerhalb der Stadtmauern
    - 4 Bußgelder wegen Einfuhr unverzollter Ware
    - 12 Bußgelder für Karren, die ohne gültige Sondergenehmigung tagsüber unterwegs waren
    - 3 Festnahmen wegen Tragen von Waffen
    - Festnahme zweier Strassenjungen wegen Diebstahl eines Lastesels samt Gepäck
    - Festnahme eines Fleischers wegen gefälschter Gewichte
    - Festnahme einer Kräuterhändlerin wegen Verdacht auf Giftmischerei


    Besondere Vorkommnisse:
    Unterstützung der Vigiles beim grossen Brand der Villa Tiberia beim Löschen und Bergen; Absicherung der Gefahrenstelle.


    Ermittlungen:
    Im Mordfall Octavius Cato weitere Überprüfung von Indizien vom Tatort, eine Spur führte uns zu einem Wettmacher in der Subura.
    Dabei gelang es uns, zwei gesuchte Verbrecher festzunehmen: Drubius Cleptus, Dieb und Heiratsschwindler, gegen den drei Anklagen von geschädigten Frauen vorliegen, und - durch besonderen Einsatz des Miles Kaeso Caecilius Macro - auch den berüchtigten Raubmörder Caius Culter. Die Individuen werden noch verhört. Als Diebesbeute des Cleptus wurden sichergestellt: eine Porphystatuette der Minerva, zwei goldene Ringe, ein silbernes Medaillon mit dem Schriftzug "Auf ewig Dein", und eine silberne Schulterspange etruskischer Machart.


    Drill und Ausbildung der Rekruten:
    Wurde durch Princeps Prior Manius Mettius Gnipho geleitet.


    Innendienst:
    Die von Kornkäfern befallenen Bestände in den Horreae III und IV wurden auf Befehl des Tribuns Arruntius Ahala zum Grosshändler Iphikrates Pakuvios transportiert. Unsere Speicher wurden mit dem gelieferten frischen Weizen von guter Qualität wieder aufgefüllt.


    Rekrutierungen, Versetzungen, Ausfälle:
    - Versetzung des Probatus Marcus Artorius Menas zur Cohorte in Ostia
    - Versetzung des Princeps Prior Manius Mettius Gnipho und des Tesserarius Volusus Septitius Saxula zur Ala I Ulpia Miliaria
    - Rekrutierung des Probatus Galeo Caecilius Paulinus


    Zur Zeit befinden sich drei Milites der IV. Centurie dienstunfähig im Valetudinarium: einer wegen Brandverletzungen, einer mit gebrochenem Bein, einer mit Fieber. Die Centurie ist fünf Mann unter Sollstärke.


    Weitere Schritte und Vorhaben:
    - Fortführung der Ermittlungen zum Mord an Octavius Cato
    - Teilnahme an den Wettkämpfen in Mantua als Vertreter der Cohortes Urbanae



    Faustus Decimus Serapio,
    Centurio IV. Centurie, I. Cohorte




    Die Tabula mit den Zahlen, und das sorgfältig ins reine geschriebene Papyrusblatt reichte ich dem Praefectus hin, so dass er die Schriftstücke an sich nehmen konnte wenn er wollte. Ich fand diesen Papyruskram ganz schrecklich, aber wenigstens gab es da sehr praktische Formulare für solche Berichte, an denen hatte ich mich beim Verfassen orientiert.
    "Ausserdem möchte ich Dir zwei verdienstvolle Soldaten zur Beförderung vorschlagen, um die Ränge des Princeps Prior und des Tesserarius wieder zu besetzen. - Des Weiteren, Praefectus" - das Wichtigste zu guter letzt - "komme ich, um Dir einen Zwischenbericht über die Ermittlungen wegen der Christianersekte zu geben."
    Den hatte ich wohlweislich, da es ja so ungeheuer geheim war, nicht schriftlich verfasst, sondern nur im Kopf.

    Gespannt lauschte ich dem Bericht des Miles. "Sehr gut!" meinte ich mit erfreutem Lächeln, als er erzählte, dass er die Person wirklich gefunden hatte.
    Aber... "Eine Frau?!" Da machte ich grosse, verblüffte Augen. Das war ja komisch. Eine Frau! Ob die das konnte? Ob da das Geld nicht in den Sand gesetzt war? Nun ja, man würde sehen. Frauen konnten ja auch ganz schön raffiniert sein, wenn ich an Flora oder Fortunata dachte zum Beispiel... Alles in allem klang es ziemlich gut - bis auf die letzte Information.
    "Auf meinen Namen?", wiederholte ich erschrocken. "Du hast ihr meinen Namen verraten?! Bona Dea, ich sagte doch die Sache ist geheim, man darf es nicht zu uns zurückverfolgen können! Dius Fidus!!", schimpfte ich, und hieb mit der Faust auf den Tisch (der heftig wackelte, nicht etwa wegen meiner herkulischen Stärke, sondern weil ein Bein etwas lose war), "Bei Flora und Furrina, Miles, solche Leute heuert man doch grund-sätzlich incognito an!"
    Aufgebracht starrte ich den Soldaten an, mit gerunzelter Stirn, und voll Sorge dass durch irgendeinen dummen Zufall rauskommen könnte zu was für unsauberen Mitteln ich gegriffen hatte. Wo ich es doch gerade erst mit knapper Not überstanden hatte, dass Bibulus in meiner Vergangenheit geschnüffelt hatte... Tja, ich hätte wohl diesen Punkt Redivivus deutlicher einschärfen sollen, aber es war für mich ja auch noch recht neu, andere mit solchen Aufträgen loszuschicken... - Der Mann war einfach viel zu ehrlich! ;)

    Zitat

    Original von Celeste
    Einen Mann, der hier Wache hielt sprach sie nun an.
    "Meine Herrin schickt mich, ich soll diese Tafel in ihrem Namen für Decimus Serapio von den Cohortes Urbanae abgeben. Könntest du sie ihm vielleicht zukommen lassen?"
    Hoffentlich würde dieser Weg auch klappen. Den Männern hier traute sie gerade soweit wie sie jemanden trauen würde, der jederzeit bereit wäre einen Dolch ihr hinterrücks in die Seite zu jagen.


    "Könnte ich..." grinste der Wachsoldat, wobei er eine Mundvoll schiefer gelber Zähne entblösste. Von oben bis unten besah er sich die mutmassliche Sklavin - die war eindeutig 'n flottes Ding! Ein Glücksfall, bei dieser, wie so oft, langweiligen Wachschicht. Sich zu Celeste vorbeugend, erkundigte der Soldat sich anzüglich: "Hast du denn dann auch was für mich, Süsse?"




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    Während ich auf den Start wartete, ganz konzentriert, fiel mir doch noch ein weiteres bekanntes Gesicht auf. Aus den Augenwinkeln sah ich nämlich am Rande der Arena Optio Priscus stehen, meinen früheren Ausbilder, und obwohl ich bis dahin ziemlich ruhig gewesen war, wurde ich jetzt doch ein bisschen nervös. Vor dem Optio wollte ich unbedingt eine gute Leistung zeigen! Neben ihm erblickte ich Licinus. Ich nickte den beiden zu, wusste aber nicht ob sie das in den ganzen Trubel bemerkten.
    Als ein weiterer Läufer sich einreihte, stutzte ich, und betrachtete ihn kurz unschlüssig von der Seite. Das Verlesen der Namen hatte mich ja bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Vestinus auch hier sein musste, aber es war lange her, dass ich ihn zuletzt gesehen hatte, da war ich sechzehn gewesen und er noch jünger. Ja, er musste es sein, aber, bei Mars stählerner Faust, mein kleiner Cousin hatte sich mächtig verändert! Ich grinste in mich hinein, bei der Vorstellung ihn zu überraschen, aber das Einsetzen des Trommelwirbels liess jetzt keine Zeit für ein glückliches Wiedersehen.


    Wieder richtete ich den Blick fest auf die Bahn, verlagerte das Gewicht, und stiess mich, als der letzte Schlag erklang, mit Schwung ab. Wie ein ungestümes Oktoberpferd sauste ich los, und nach diesem wunderbaren Start gelang es mir tatsächlich schon nach wenigen Schritten, mich an die Spitze des Feldes zu setzen! Es war ein Brausen in der Luft, die Menge brüllte lauthals, und auch wenn das wohl mehr den Leuten von der Prima galt, die hier dem Heimvorteil hatten, beflügelte mich dieses Tosen, und ich spurtete, dass der Staub nur so von meinen Sohlen stob, euphorisch die Bahn entlang. Schon war die Marke erreicht, die die Hälfte der kurzen Strecke anzeigte. Den Blick nur auf das Ziel gerichtet - als läge es am Ende eines Tunnels, ich sah gar nichts anderes mehr - stürmte ich weiter darauf zu, so geschwind als wäre der Cerberus hinter mir her.

    Was Tucca da sagte, das war ganz genau das richtige! Nein, Tucca war keiner von diesen undankbaren Zivilisten, die über die Männer schlecht sprachen, von denen sie sich beschützen liessen, vor den Barbarenhorden, die unsere Grenzen bedrohten, Tucca hatte das Herz noch auf dem rechten Fleck!
    "Unvergessen!" wiederholte ich feierlich, und vergoss aus meinem Becher ein Trankopfer für die Gefallenen, kippte Schluck um Schluck von dem Wein in die Flammen des Kamins, und wieder zischten sie, stieg Dampf auf.
    "Für Dich, Lucullus! Für Dich, Camerinus! Auch Du Rusticus, trink!" Seit er tot war, trug ich sogar diesem Ekel nichts mehr nach. "Hier, Aquilius Primus, Tapferster der Tapferen! Pius! Cotius Carus! Scaeva! Tempanius Phaon..."
    Dann trank ich selbst, den Rest der noch im Becher war, schluckte mit dem Wein auch die Tränen herunter, die mir in die Augen steigen wollten, bei der Erinnerung an die Schlacht, an all die Toten, an mein Entsetzen, und schenkte uns beiden dann schnell nach, da war der Krug schon wieder leer, und ich rief quer durch die Kneipe:
    "He Bedienung, das selbe noch mal!"


    Mit der Handfläche fuhr ich mir fest übers Gesicht, stützte den Kopf auf die Fäuste, sah Tucca an, der an mir vorbei auf die Mäntel am Haken starrte, und auf ein Stück angemalte Wand, wo eine rosige Nymphe auf einem Stein hockte. Jedenfalls sah es so aus als würde er darauf starren.
    "Er war sehr freundlich. Aber trotzdem ein Einzelgänger... - Und hilfsbereit. Als ich ihn kennengelernt habe, da war ich noch Probatus, da hat man es halt nicht leicht unter den ganzen alten Soldaten, und da hat er mir sehr geholfen." Es waren ja nicht so sehr die Caligae an sich gewesen, die er mit mir zusammen geputzt hatte, mehr das Gefühl nicht allein gelassen zu werden.
    "Er mochte nicht das Roma Victrix- Geschrei. Du musst wissen, wir waren damals, es war zu Beginn des Feldzuges, wir waren gerade am Euphrat angelangt, alle ganz aufgeputscht, und siegesgewiss, randvoll mit markigen Phrasen, und wild darauf endlich dem Feind zu begegnen, fast fiebrig. Da wurde ständig Roma Victrix geschrien, beim Trinken, bei Ansprachen, bei jedem Appell, wenn einer Niesen oder Rülpsen musste - nein, ich gebe zu, das letzte ist jetzt übertrieben, aber man hörte es wirklich die ganze Zeit...
    Ja, und Lucullus hat nicht geglaubt, dass der Feldzug so eine gute Idee ist. Er hatte braune Augen. Wenn die Sonne direkt darauf schien, mit einem goldenen Schimmer darin. Die Sonne sticht dort mit brutaler Härte vom Himmel... vielleicht waren wir deshalb so fiebrig. Und braunes Haar hatte er. Und breite Schultern. Er war mal in ein Mädchen verliebt gewesen, namens Luciana, die blaue Augen hatte, und er war traurig, dass sie ihm nicht geschrieben hat. Auch von seiner Familie hat er nichts gehört, das trug er ihnen nach... - Er war auch mehr für die Entrückung, als für den Verzicht."

    Diese Erinnerung liess mich melancholisch lächeln. Ich redete und redete immer weiter, gehetzt und wirr, die Worte brachen einfach aus mir heraus.
    "Aber er hatte auch etwas an sich, ich weiss nicht wie ichs beschreiben soll, etwas Unberechenbares, das einem beinahe Angst machen konnte... Wie er gestorben ist, habe ich nicht gesehen. Ich kann mich erinnern, dass er meinen Namen gerufen hat, in der Schlacht, aber ich war eine Zeitlang weggetreten, weil ein Panzerreiter auf mich gefallen ist. Aber erstochen habe ich das Partherschwein vorher noch, mit meinem Pugio... Jemand hat mich dann weggeschleppt, ich dachte irgendwie, es wäre Lucullus, hat mich zum Adler getragen, wir wurden da heftig bestürmt, aber es war nicht Lucullus sondern Sparsus. Er hat das überlebt, und ich auch wegen ihm. Lucullus habe ich später gefunden, nachdem die Verstärkung unter dem Praefectus Matinius kam, und die Parther geflohen sind, da habe ich ihn gefunden, mit aufgeschnittener Kehle. -
    Am Abend wurden sie alle verbrannt. Es gab eine Art Wald da, mit trockenem Gestrüpp, der war danach völlig abgeholzt. Überall waren Scheiterhaufen. Und man hörte die Schakale, wie sie die toten Parther gefressen haben. - Ich frag mich, wie das berechnet wird, wie viele Urnen auf einen Feldzug mitgeführt werden. Ob es da einen festen Schlüssel gibt, meine ich. - Später hat Lucullus postum Armillae verliehen bekommen, aus der Hand des Imperators... Tja, und solche Geschichten gibt es noch unzählige andere, bloss die meisten ohne Armillae."

    Bitter lachte ich auf. "Von wegen 'auf nach Ktesiphon', 'Roma Victrix'."
    Dann wischte ich mir schnell mit dem Ärmel die Augen, denn bei der Erinnerung daran wie ich Lucullus tot gefunden hatte, liessen die Tränen sich nicht mehr herunterschlucken. Wenigstens konnte Tucca mich nicht heulen sehen. Noch ein tiefer Schluck, ein tiefes Durchatmen, ich versuchte meine Fassung zurückzugewinnen.
    "Entschuldige. Ich bin heute nacht nicht so ganz bei mir. Ich glaube ich habe noch nicht genug getrunken."

    Ägypten, ja... "Davon träume ich auch, diese Provinz mal zu besuchen...", seufzte ich, und hörte fasziniert, wie die Worte aus dem Mund der Flavia plätscherten, melodisch, wie ein kleiner Bach, der fröhlich über glatte Steine hüpfte, und wie sie in dem ansteigenden, silberhellen "fabulös!" gipfelten. Fabulös, das wiederum war wie der Triller eines bunten Vogels, mit dem er seinen Gesang beschloss. Ich verkniff mir ein Grinsen, bog es zu einem höflichen Lächeln um.
    "Oh, interessant. Wo liegt dieser Laden? ...Ähm, ich frage nur, weil meine Tante Decima Lucilla auch diesen Stil liebt. Sie hat diese Strömung schon vorvergangenen Herbst vorhergesagt. Zur Zeit ist sie auf dem Land, und erholt sich von der Geburt ihres ersten Sohnes, ich denke sie würde sich über so ein ganz aktuelles Kleidungsstück sicher freuen."
    Die Arme, abgeschnitten vom Puls der Stadt, versauerte bestimmt total auf dem Land, wo sie doch sonst immer die Nase ganz vorne hatte was neue Mode und so weiter anging. Abgesehen davon, dass ich ihr sowieso gerne was schenken mochte, war das auch wichtig, um mir meinen kostbaren Status als Lieblingsneffe zu erhalten. Da könnte mir die Flavia mit ihrem Geheimtipp sicher weiterhelfen!
    Mit dem Blick folgte ich, als sie auf ihre sehr blonde Begleiterin wies. Ach, ich hatte sie schon inspiriert, ohne selbst inspiriert zu sein, das sollte mir mal einer nachmachen. "Was für eine Idee denn?", fragte ich neugierig nach.
    Darauf dämpfte ich die Stimme, damit die zu Beschenkende mich nicht hören konnte - so langsam machte mir die Sache richtig Spass, und was Frauen gut steht, oder stehen würde, dafür habe ich schon einen Sinn, das kann ich, denke ich, so vom rein ästhetischen und stilistischen Standpunkt sehr gut beurteilen. Leise schlug ich vor: "Vielleicht ein Paar Ohrringe für sie... oder nein, schöne Haarnadeln, und zwar besetzt mit Bernstein, mit dunklem Bernstein, das nimmt sich auf dem blonden Haar, wenn sie es hochsteckt, sicher sehr apart aus!" Aber gleich darauf kam es mir unpassend vor, mich für diese Frage so zu begeistern, ich verstummte, hustete verlegen und betrachtete lieber wieder die Stände recht und links unseres Weges.

    Mit einem dezenten Scheppern liess ich mich auf dem angebotenen Stuhl nieder, froh dass der Annaer so entgegenkommend war.
    "Ja, mich würde besonders interessieren, wie man von Seiten des Cultus Deorum die Sekte der Christianer einschätzt. Man hört ja einiges... was ihre Kultpraktiken angeht, und dass sie sogar die Verehrung unseres Imperators ablehnen. Andererseits gewährt das Decretum Christianorum ihnen einen gewissen Schutz."
    Ich hielt meine Stimme neutral, auch wenn ich dieses Dekret für absolut fahrlässig hielt - es erlaubte Feinden unserer Gesellschaft, deren Schutz in Anspruch zu nehmen!
    "Kannst Du mir da genaueres sagen? Es ist schwer, bei all den Gerüchten etwas fundiertes zu erfahren."

    Seitdem ich den Cursus über Tiberius an der Scola atheniensis absolviert hatte, sah ich den Praefectus Urbi mit anderen Augen. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber mir fielen bei dem Mann einige Parallelen auf zu dem berüchtigten Aelius Seianus - auch der war der tatkräftige Vertraute eines Kaisers gewesen, der die Tendenz hatte, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, auch er war nicht aus dem alteingesessenen Senatorenklüngel gekommen sondern von ausserhalb, ein homo novus, und auch er hatte hier in dieser Castra seine Machtbasis gehabt. Hoffentlich waren diese Ähnlichkeiten rein äusserlich. Dass die Garde jetzt unter Artorius Avitus' Befehl stand, war jedenfalls beruhigend...
    Es war nicht meine Aufgabe über sowas nachzudenken, es war auch nicht sehr loyal gegenüber meinem Kommandanten... meine Aufgabe war es einzig und allein ihm zu gehorchen. Aber trotzdem konnte ich nicht anders, als darüber zu grübeln, während ich durch die Prinzipa ging, zur Amtsstube des PU.
    Meine Erscheinung war tadellos, um nicht zu sagen glatt und geschniegelt, die Rüstung glänzend, die Schnallen poliert, die Lederriemen geölt, die Haare nassgescheitelt, das rote Rosshaar der Crista transversa frisch gebürstet. (Es war eine nagelneue, die alte war nach unserer wackeren Katzenrettung verkohlt und nicht mehr zu gebrauchen gewesen.)
    "Salve. Centurio Decimus Serapio, vierte Centurie, erste Kohorte.", meldete ich mich im Vorzimmer bei den Schreibern an, "Ist der Praefectus Urbi zu sprechen?"

    Da mein schönes neues Arbeitszimmer noch frisch verputzt wurde, musste ich leider wieder auf mein altes ausweichen, an dem Tag als ich wieder einmal eine Lagebesprechung mit meinen Getreuen hielt - einer Handvoll Milites, die rings um meinen Schreibtisch auf Stühlen sassen. Es reichte mir, wir hatten jetzt so lange und mit so viel Aufwand einem Haufen Verdächtiger nachgeschnüffelt, und auch einige Hochverdächtige unter ihnen ausgemacht, aber mittlerweile war ich an dem Punkt wo mir alles zu lange dauerte, und wo es mir in den Finger juckte nicht weiter zu beobachten sondern zu handeln, diese Leute einfach festzunehmen und einem richtigen Verhör zu unterziehen. Aber das durfte ich ja nicht. Wenigstens hatte Silio heute etwas interessantes zu berichten:
    "Dieser Veratius ist ganz sicher ein Christianer, und genauso sein ganzer Haushalt. Ich hab seiner Tochter weisgemacht dass ich ganz vernarrt in sie bin und sie heiraten will, das Mädel ist total verrückt nach mir, und sie hat versucht mich zu bekehren, meinte sie müsste 'meine Seele retten', was auch immer das heisst."
    Er grinste selbstgefällig. Einerseits zurecht, fand ich, andererseits war es nicht die feine Art Jungfern an die Wäsche zu gehen, um deren Geheimnisse zu erfahren. Naja, Silio folgte ja nur seinen Befehlen, die ich ihm gegeben hatte. Und ich folgte meinen, die der PU mir gegeben hatte...
    "Was hast Du herausgefunden?"
    "Also, diese Leute glauben allen Ernstes, dass die Welt sehr bald untergeht, und dass dann nur die Mitglieder ihrer Sekte gerettet werden und in einem Paradiesgarten ewig leben dürfen. Aber nur weil ihre Verfehlungen von ihnen genommen werden, dadurch dass dieser Zimmermann, der eigentlich der Sohn von ihrem Gott ist, für sie gestorben ist."
    "Der, der gekreuzigt wurde?"
    "Ja genau. Sie glauben, dass er sich für sie geopfert hat, oder dass ihr Gott ihn geopfert hat, wie ein Lamm, damit sie ewig leben. Er ist aber nicht tot, sondern ersteht wieder auf, so wie Atys, oder Adonis... Aber alle die nicht an ihren Gott glauben, müssen dafür ewig im Tartaros leiden."
    "Makaber.... Sie hat nicht zufällig gesagt wer noch alles dazugehört?"
    "Nein, aber ich weiss jetzt, dass sie sich alle sieben Tage treffen, an einem geheimen Ort, um ihre Riten zu vollziehen und zusammen zu beten. Über die Riten wollte sie nichts sagen - kann mir schon denken warum..."
    "Ja... Heuchel weiter Interesse, und versuch herauszufinden, wo sie sich treffen. - Hm...hat Veratius irgendwie gegen das Decretum Christianorum verstossen?
    "Ja, Centurio. Und leider nein, nicht dass ich wüsste. Aber ich habe noch was rausgekriegt! Sie haben ein geheimes Zeichen, an dem sie sich erkennen: den Fisch."

    Silio zeichnete mit den Fingern den schlichten Umriss eines Fisches auf den Tisch.
    "Gute Arbeit, Luscius."
    Aber seltsam. Ein Fisch?


    Die anderen Berichte waren wie immer, nichts aufregendes dabei. Ich verteilte die Aufgaben für die nächsten Tage, und liess die Männer wieder wegtreten - bis auf Redivivus, dessen Bericht über seinen ungewöhnlichen Auftrag ich lieber unter vier Augen hören wollte.
    "Nun, Miles, wie ist deine Suche verlaufen?", fragte ich, nachdem die anderen den Raum verlassen hatten, und musterte ihn, neugierig ob es ihm wirklich gelungen war, Scopas' mysteriösen Spezialisten ausfindig zu machen.

    "Sehr erfreut", antwortete ich ehrlich, als der Herr sich vorstellte, und ich wunderte mich, dass er gar nicht eingebildet schien. Den Patrizierstand im Allgemeinen finde ich überflüssig, und ihre veralteten Privilegien gehören echt schon längst abgeschafft, aber die Patrizier im Besonderen, also die, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt hatte, waren meistens sehr höfliche, kultivierte Menschen, von Ausnahmen mal abgesehen. Und der hier hatte zudem wunderbare Hände.
    Als ich diese, kaum dass ich sie entdeckt hatte, auch schon auf meinem Rücken spürte, wusste ich, dass mir Fortuna heute hold war. Mhm, herrlich. Ein zufriedenes Lächeln trat auf meine Lippen, und da er, hinter mir stehend, mir nicht ins Gesicht sehen konnte, tat ich mir keinen Zwang an, und liess diesem Lächeln seinen Lauf, als es immer breiter und genussvoller wurde, bei den kreisenden Bewegungen dieser Hände auf meinem verspannten Rücken. Verträumt schweiften meine Augen nach oben, in das fedrige Grau des Himmels über der Palaestra, ich atmete tiefer, und kostete voll Vergnügen die Empfindungen aus, die diese harmlose Berührung in mir hervorrief. Als er sprach, spürte ich einen Hauch seines Atems, meinen Nacken streifend, und wie sich daraufhin eine feine Gänsehaut über meine Arme ausbreitete. Aber das konnte man auch der kühlen Luft zuschreiben.
    Nicht aufhören......
    "Beides, zuerst habe ich unter ihm auf dem Parthienfeldzug gedient, und als er dann nach Rom ging, bin ich mitgekommen." Der Vetter von meinem Centurio war er also, dann musste er auch der Vetter von dem spendablen Marspriester sein. "Es ist jammerschade, dass er den Dienst quittieren musste. Aber jetzt bin ich selber Centurio geworden." erzählte ich, zum einen bedauernd, dass so ein grossartiger Offizier hatte gehen müssen, wegen irgendeinem unfähigen Medicus, der sich anmasste das zu entscheiden - zum anderen unheimlich stolz jetzt selbst eine Vitis zu haben. Ich umfasste meine Unterarme, und rieb sie leicht, um die Gänsehaut zu vertreiben.
    "Welchem Gott hast Du Dich verschrieben?", erkundigte ich mich, schielte dann rüber zu dem Sklaven, der die Phiole wieder an sich genommen hatte.
    "Darf ich nochmal?" Die Gelegenheit mich zu revanchieren würde ich natürlich nicht ungenutzt verstreichen lassen!

    Mit gebleckten Zähnen grinste mich der fleischlose Schädel an. Der Knochen war vergilbt, ein Stück der Schauze abgesplittert, und die Stirn, aus der sich lange Hörner wanden, war schartig von Einschusslöchern. Es war ein wirklich kalter Tag, sonnig zwar, aber im Schatten lag noch immer Rauhreif auf dem Sand des Campus, und auch die dunklen Hörner des Ochsenschädels waren weiss überhaucht. Er steckte in Brusthöhe auf einem Pfahl, in der hinteren Ecke des Exerzierplatzes, und diente als Zielscheibe. Dahinter befand sich eine Bande, aus Brettern zusammengenagelt, um fehlgegangene Pfeile abzufangen. Mit einem Bogen aus der Waffenkammer und einem Köcher voll Pfeilen, und meinem Parther, der mich unterrichten sollte, kam ich dort an. Ich war wirklich neugierig, die unvergleichliche Kunst, mit der die Parther diese Waffe einzusetzen verstanden, hatte ich ja oft genug mitbekommen, und ich hoffte natürlich, von Ziaar zu erfahren, was das Geheimnis war, das hinter dieser Meisterschaft steckte.
    Der Bogen in meiner Hand war kompliziert aus Holz und Horn zusammengesetzt, in Schichten verleimt, mit in sich geschwungenen Enden, wie der Bogen des Amor. Er war noch ungespannt, also stemmte ich das eine Ende gegen den Boden, und bog die Waffe mit ungeübten Bewegungen, und ziemlich mühsam, soweit durch, bis ich die Sehne über das andere Ende gleiten lassen konnte, wo sie Halt in einer Einkerbung fand. So... Es war eine schöne Waffe, das glänzende Holz und der edle Schwung gefielen mir. Ausserdem waren mir Fernwaffen, die man nicht werfen musste, sowieso gleich sympathisch.
    ~"Zeig mal."~, verlangte ich, und streckte Ziaar arglos Pfeil und Bogen hin.

    Den Arm voll kleiner, maunzender Fellknäuel, tauchte Macro gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Schuppen auf. Voller Erleichterung sah ich ihm entgegen, und als der Tribun, der schon wieder auf den Beinen war, seinen Kommentar abgab, entlud sich meine Anspannung, und brach als Lachen aus mir heraus, lauthals stimmte ich in sein Gelächter ein, und lachte immer noch als er schon längst wieder verstummt war. Es war zu bizarr, wie wir drei hier wildentschlossen hineingestürmt waren, und jetzt eine Armvoll Katzen gerettet hatten.
    "Dann hat es sich ja gelohnt...", prustete ich, klopfte Macro auf die Schulter und nahm ihm eines der kleinen Viecher ab, ein rotgetigertes, das gerade versuchte, sich freizustrampeln. Ich packte es am Kragen, bevor es zu Boden purzeln konnte. Es fauchte und versuchte mich zu kratzen, als ich es auf den Arm nahm und festhielt. Die waren schon niedlich, diese Kleinen. Dass ich mich einen Augenblick zuvor noch am Chaboras geglaubt hatte, das war mir zwar schon noch bewusst - irgendwie - aber zugleich sehr weit weg, so als wäre das jemand ganz anderes gewesen, der hier die Lage derart verkannt hatte... Ausserdem war es absolut nichts, über das ich weiter nachdenken wollte, sowas war mir ja nicht zum ersten Mal passiert, aber bisher noch nie so extrem, und... - nein, ich wollte ganz und gar nicht darüber nachdenken.

    Nach dieser Rettungsaktion begaben wir uns auf den Rückzug, durch die hinteren Bereiche der grossen Villa, wohin das Feuer noch nicht vorgedrungen war - und auch nicht vordringen sollte. Wir erreichten das Peristylium, von wo aus ein Trupp von Vigilen schlagkräftig die Flammen bekämpfte, gingen durch zertrampelte Blumenbeete, und stiegen schliesslich durch ein Bresche in der hinteren Mauer wieder ins Freie. Mit russgeschwärzten Gesichtern, Haare und Brauen angesengt, die Kleidung voll Brandflecken, und die jungen Katzen auf dem Arm, traten wir auf die Strasse hinaus.
    Geschafft! Beziehungsweise: Überlebt! Das war doch was. Ich sog tief, und tiefer die frische Luft ein, aber trotzdem hatte ich etwas Atemnot, es pfiff in meiner Kehle bei jedem Atemzug. Wie durch einen Schleier, mal fester, mal durchscheinender, gelegentlich wabernd, sah ich meine Umgebung, und ich kämpfte verbissen darum, jetzt, ganz am Ende, nicht vor aller Augen zusammenzuklappen. Irgend jemand reichte uns einen Eimer Wasser. Ich schöpfte daraus mit der hohlen Hand, befeuchtete meine ausgedörrte Kehle, liess mir dann Wasser über das Gesicht fliessen, und rieb mir darüber, um es von der schmierigen Schicht von Ruß und Schweiß zu säubern.

    Drei Paenulae, das wäre bei der Hundekälte genau das richtige - ich schmunzelte bei der Vorstellung, wie wir dick vermummt durch die Landschaft wackeln würden, aufgeplustert wie die Amseln in den kahlen Bäumen, und meinte optimistisch: "Wenn wir erst unterwegs sind, wird es uns schon warmwerden."
    Auch Macro, der nun erschien, hatte sich die Laune nicht verderben lassen. Der Salut war zwar ganz wunderbar, aber der Gruss mehr als lässig. Am liebsten hätte ich zurückgegrinst, und in selben Tonfall geantwortet, aber natürlich konnte ich so eine Respektlosigkeit nicht durchgehen lassen. Auch wenn Macro ein guter Freund war, und mir vor Edessa den Arsch gerettet hatte, und schon länger diente als ich. Gerade deswegen! Was wenn die anderen Soldaten sich ein Beispiel daran nähmen? Da würde die Disziplin ganz schnell den Bach runtergehen.
    Ich richtete mich ganz auf, verschränkte à la Artorius Avitus die Hände hinter dem Rücken, und blickte Macro mit ernster Miene ins Gesicht.
    "Miles Caecilius", sagte ich streng, "ich muss dich daran erinnern, dass ich dein Centurio bin, und auch du mich korrekt zu grüssen hast. - Verstanden?"
    Vage erinnerte ich mich, dass irgend so ein Reitertribun Macro einmal aus dem selben Grund angefahren hatte, als wir in fröhlicher Runde zusammengesessen hatten, bei einer Feier von Licinus war das wohl gewesen.

    Der Aufruf hallte durch das Theater, und ich unterbrach mein Gespräch mit Dasius, einem alten Kameraden, der mir gerade während des Aufwärmens über den Weg gelaufen war. Ach was, da wurde ja mit Vestinus noch ein Decimer angekündigt! Dass ich ständig bei Wettkämpfen auf Verwandte traf, das passte aber auch zu unserer Familie, die sich auf ihren Kampfgeist viel zu Gute hielt.
    Ich begab mich zur Startlinie, und musterte interessiert das Aufgebot der anderen Einheiten. Obwohl ich in der Tiefe meines Herzens noch immer die Prima für die vortrefflichste aller Einheiten hielt, war ich zuversichtlich, dass meine Jungs, und ich selbst natürlich, hier das Signum der Stadtkohorten hochhalten würden. Redivivus jedenfalls sah höchstkonzentriert aus, unser Probatus wirkte hingegen ein wenig skeptisch - aber diesen Blick hatte er häufiger an sich. Ich vermutete ja, dass er zu den Menschen gehörte, die einfach zuviel nachdachten.
    "Gib dein Bestes, Caecilius," meinte ich im Vorübergehen zu ihm, in einem gelinde pathetischen Tonfall, der besagte, dass ich an ihn glaubte - wer so heldenmütig dem Feuer getrotzt hatte, bloss um ein mamornes Kunstwerk zu retten, in dem musste eine Menge drin stecken! - "zeig ihnen was Du drauf hast!" (Für den unwahrscheinlichen Fall, dass meine Soldaten sich nicht nur von Ruhm und Ehre ködern liessen, hatte ich ausserdem am Morgen noch jedem von ihnen, der in einer der Disziplinen unter die ersten Drei kam, Sonderausgang und Sondersold versprochen.)
    Dann nahm ich Aufstellung an der Linie und dehnte und lockerte meine Glieder noch ein wenig. Ich blendete die Zuschauer aus, sog tief die kühle gute Luft ein, versuchte alles andere zu vergessen und richtete meine Augen sowie meine Aufmerksamkeit ganz auf die Bahn vor mir.

    Holla! Redivivus förderte ganz schön was zu Tage, bei der Durchsuchung. Wenn der Ganove das alles in der kurzen Zeit seit seinem Ausbruch zusammengestohlen hatte, dann war er wirklich ein Könner, und für einen Moment betrachtete ich Drubius, unwillkürlich, mit einem gewissen Respekt... wie ihn eben jemand, der einmal ein Amateur war, gegenüber einem echten Profi verspürt.
    Ich nickte Redivivus zu, schob den Gefesselten zu ihm und befahl: "Pass auf ihn auf."
    Dann steckte ich den Pugio weg, und wandte mich Decius zu. Ich war froh zu hören, dass er zustimmte, aber etwas anderes blieb ihm da auch schwerlich übrig. Glück für uns, dass wir ihn in so verfänglicher Situation erwischt hatten.
    Ich nickte - dass er nicht mit uns in Verbindung gebracht werden wollte, das konnte ich allerdings verstehen. Drubius zählte nicht, der würde, für das was er auf dem Kerbholz hatte, bestimmt den Rest seines Lebens in den sardischen Bleiminen verbringen. (Schade eigentlich.)
    "Ja, das sehe ich ein. Dann gibst du uns das Zeichen eben heimlich. Sowieso gehen wir in Zivil, wenn wir uns da unters Volk mischen." Die würden uns doch sonst auf der Stelle steinigen.

    Ich sammelte die Beute des Drubius, und seine Habseligkeiten ein und nahm sie an mich, ausserdem auch das Medaillon vom Fensterbrett. Bei so schönem, kostbarem Schmuck könnte man glatt in Versuchung kommen, sich davon was beiseite zu schaffen. Aber mein Sold war grosszügig genug, um es meiner Tugend zu erlauben, dieser Anfechtung zu widerstehen.
    Einen Augenblick überlegte ich, die Wohnung noch weiter zu durchsuchen... Vielleicht verbarg sich ja noch ein Mörder unter dem Bett, oder die Juwelen der Augusta hinter dem Ofen. Aber umso schwieriger würde es dann sein, Decius nicht weiter zu behelligen. Also warf ich ihm einen bedeutsamen Blick zu, und beschloss:
    "Wir gehen. Nimm dir einen Kapuzenumhang, denn du begleitest uns. Nur ein Stück, du musst nicht mit in die Castra." Nur aus den Augen lassen durften wir ihn jetzt nicht; er musste bis zum Abend in Obhut eines Miles bleiben. Womöglich überlegte er sich die Sache sonst doch noch anders, und verriet unser Vorhaben.


    So verliessen wir schliesslich die Wohnung, und die Insula, und traten hinaus in den trüben Nachmittag. Rupus, den wir da wiederfanden, erklärte mir, dass Macro einen Flüchtenden verfolgt hatte. Bei Dis! Ein Urbaner alleine in diesem finsteren Labyrinth. Ich wusste ja, dass mein Kamerad zu kühnen Taten neigte, aber so ein Alleingang war toll-kühn, da machte ich mir echt Sorgen. Allerdings nicht lange, denn kaum hatten wir den Innenhof verlassen, kam uns Macro entgegen. Blutend, aber aufrecht, und mit einem Gefangenen. Innerlich atmete ich tief auf, nach aussen hin jedoch wollte ich mir meine Erleichterung nicht anmerken lassen, und meinte darum nur: "Miles, berichte."

    Zitat

    Original von Kaeso Caecilius Macro und Tiberius Octavius Dragonum


    Erschrocken hörte ich den Lärm, als der Balken brach, und sah den Fall des Tribuns. Verdammt, erst hatte er meinem Kameraden und mir einen relativ sicheren Abstieg ermöglicht, dann stürzte er selber ab! Während Macro den jämmerlichen Lauten auf die Spur ging, eilte ich zum Tribun, sah dabei misstrauisch nach oben, ob sich der Balkon jetzt ganz verabschieden würde. Ich beugte mich über den Mann, sah erst mal keine offensichtlichen Verletzungen, aber er schien benommen vom Sturz. Und schon kam wieder ein Schwall Funken und Ziegel hinunter, dazu knarrten unheilvoll die Balken, die uns überragten.
    "Tribun! Lass mich Dir helfen." Ich packte ihn unter den Achseln hindurch und zerrte ihn schleunigst in die Mitte dieses Innenhofes, aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraus. Da atmete ich kurz auf. Der Schweiss rann mir über den Nacken, und wo das Metall meiner Rüstung die Haut berührte, hatte es rote Brandspuren hinterlassen. Ich versuchte, dem Tribun aufzuhelfen, und rief heiser zu Macro und dem Schuppen hinüber:
    "Macro, was ist da drin los?"