Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Ich liess den Stylus sinken und musterte den Mann, der in der Stube meines Contuberniums erschienen war, ein neuer Rekrut offenbar. (Nein, wie der neue Pferdeknecht sah er nicht aus.)
    "Salve Probatus Artorius, ich bin Princeps Prior Decimus Serapio. Willkommen in der Centurie." Das genügte an warmen Worten, und ich fuhr fort: "In Zukunft meldest du dich korrekt, mitsamt Rang, Centurie und Cohorte. Deine Vorgesetzten hast du mit Rang und Gentilnomen anzusprechen und vor ihnen zu salutieren, verstanden?"
    Das Schreibzeug legte ich beiseite, trank den letzten Schluck des Kräutersudes aus, der jetzt wo er kalt war unangenehm bitter schmeckte, und stand zügig auf um mich, nachdem ich hier kurz der Nostalgie gefrönt hatte, wieder den dienstlichen Dingen zu widmen.
    "Im neunten Contubernium ist noch Platz...", überlegte ich. "Hast du deine Ausrüstung schon? Und hast du die Tabula aus dem Rekrutierungsbüro dabei?" Schliesslich musste alles seine Ordnung haben.

    Genau bei 'und die Siege unser Lohn...' brach mein fröhliches Pfeifen ab - als nämlich mein alter Kamerad Macro um die Ecke bog! (Fast als hätte ich ihn heraufbeschworen mit dem Lied.) Im ersten Moment ganz überrascht sah ich zu ihm auf, lächelte dann breit. Ich wusste ja, dass er schon vor dem Centurio und mir zu den Urbanern gegangen war, und dieses Wiedersehen freute mich ungemein. Er dagegen sah mich an wie vom Donner gerührt.
    "Macro! Salve!" Ich stand auf, wischte mir die Hände an einem Tuch ab und trat um die Rüstungsteile herum auf ihn zu, verwarf den Impuls ihm um den Hals zu fallen - viel zu unsoldatisch - und drückte ihm stattdessen enthusiastisch die Hand, klopfte ihm auch markig auf die Schulter.
    "Schön Dich wiederzusehen! Wie gehts Dir?!" Ich lachte angesichts seiner Verblüffung und flaxte: "Ich glaub so langsam versammelt sich die halbe Prima hier in der Castra", um dann zu erklären: "Centurio Flavius und ich und Cafo und Silio und Musca und Naevius und noch ein paar, wir sind kurz nach Dir hierher versetzt worden."

    Ha! Wonnige Glut! Leuchtender Glanz! Minidius' Rüstung strahlte mit der Morgensonne um die Wette. Ich nickte anerkennend, das war wirklich vorbildlich, und freute mich einen so ordentlichen, schmucken Rekruten in der Gruppe zu haben, der den anderen in dem Punkt dann auch ein Vorbild sein konnte. ('Schmuck', das meine ich jetzt nur von der Ausrüstung her.)
    "Sehr gut, Minidius, tadellos."
    Aber oh, Redivivus neben ihm bot, aus der Nähe betrachtet, ein weniger erhebendes Bild. Ich besah ihn mir von oben bis unten, fixierte dann seine linke Schulter und runzelte die Stirn. Er sah auch, von der Haltung her, schon so schuldbewusst aus. Ich streckte die Hand aus und fuhr mit dem Zeigefinger an einem der Metallstreifen entlang, die seine Schulter da deckten. Ein feiner Film von Staub blieb an meinem Finger haften, und zudem erfühlte ich da tatsächlich eine leichte Beule!
    "Redivivus", rügte ich, "Deine Rüstung ist nicht nur schmutzig, sie ist auch beschädigt. Sowas musst Du gleich in der Fabrica ausbessern lassen! - Zwanzig Liegestütz, und nachher kannst Du Dich Bavius für die Hundewachen anschliessen."
    Ich trat einen Schritt zurück, stemmte den Optiostab schräg auf den Boden - so konnte ich mir fast vorstellen es sei eine Vitis... - und predigte:
    "Manchmal, wenn es schlecht läuft, dann liegt nur noch das hier" - ich klopfte auf meinen Brustpanzer - "diese schmale Schicht Metall zwischen euch und einem parthischen Schw... - äh, ich meine der Waffe von jemandem der euch ans Leben will. Unsere Rüstungen sind das modernste was es in der Hinsicht gibt, aber sie brauchen Pflege, genauso wie die Waffen. Sonst setzen sie in Windeseile Rost an, die Metallspangen sind geschwächt und geben womöglich nach beim feindlichen Stoss. Wollt ihr das riskieren? - Ausserdem repräsentieren wir hier in der Stadt den Exercitus Romanus, den starken Arm unseres ehrwürdigen Imperators, und da haben wir auch stets entsprechend aufzutreten und nicht staubig, rostig, schmutzig oder schlampig! Verstanden?!"

    Der Ianitor der Flavier war wirklich blitzschnell! Gerade im Vergleich zu dem alten Marcus der bei uns zu Hause dieses Amt ausübt. (Nichts gegen Marcus.)
    "Danke sehr."
    Ich trat über die Schwelle - jetzt gab es also kein Zurück mehr - und folgte, mit einem flauen Gefühl im Magen, dem niedlichen kleinen Mädchen, das mich in die Villa hinein führte.

    Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich so eine Patriziervilla von innen sah, und ich war ziemlich überwältigt. Gut, vielleicht hatte ich bei meinem Besuch in der Villa Germanica noch mehr Prunk zu Augen bekommen, aber das hier war richtig elegant, richtig nobel! Vorsichtig nahm ich erst mal nur auf der Kante des gebotenen Stuhles Platz und nippte an dem kühlen Getränk, während meine Augen umherschweiften. Es dauerte nicht lange, und der Centurio erschien, wobei mir auffiel, dass er gar nicht so richtig in das schicke, verfeinerte Interieur hier hineinpassen wollte... Hoffentlich hatte ich ihn jetzt nicht bei was wichtigem gestört. Das wäre sicherlich schlecht für mein Anliegen... Rasch stellte ich das Glas ab, sprang auf die Füsse - das Klimpern des Cingulums tönte laut in der Weite der Halle - und salutierte förmlich vor meinem Vorgesetzten.
    "Salve Centurio! Nein, nein es gibt keine Schwierigkeiten. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Ähm."
    Wie das sagen? Oh, schrecklich, ich kam mir ja fast schon so vor als wäre ich hier um um die Hand seiner Tochter anzuhalten, falls er denn eine hätte. Oder jedenfalls so ähnlich.
    "Ich hoffe ich störe nicht. Es ist etwas Privates wegen dem ich hier bin."

    Es war früher Morgen und über der Stadt wölbte sich ein Himmel von weiter, klarer Bläue. Die Luft war noch frisch, und in einer der Platanen zwischen den Baracken begrüsste ein Vogel mit munterem Zwitschern den neuen Tag, als ich auf dem Weg zum Campus da vorbeimarschierte. Wie Morgennebel trieben in meinem Geist noch die verschleierten Erinnerungen an den Traum umher, den ich in dieser Nacht gehabt hatte... Ein beklemmender Traum, irgendwas mit einem Garten, einem ummauerten Garten, und einer Art Luke im Boden... verschlossen von einer schweren, eisernen Abdeckung. Darunter war irgendwas, ich wusste nicht was aber es lauerte dort und wollte herauskommen... und machte mir eine Heidenangst. Dumme Träume! Ich setzte den Helm auf und zog den Kinnriemen fest, dann war ich auch schon beim Campus und sah dass 'meine' Probati bereits angetreten war. Ich war doch nicht etwa zu spät? Nein, wenn dann waren die Rekruten zu früh. Und wie ordentlich sie in Reih und Glied standen, das war doch im Vergleich zum Vortag so viel schöner.
    "Salvete Probati."
    Ich nickte Redivivus kurz zu, er hatte das gut gemacht, und ging dann die Reihe entlang, um zu überprüfen, ob die Rekruten auch alle ihre Rüstungen sauber gemacht hatten, und überhaupt vorzeigbar waren.
    "Probatus Bavius!" Was für eine verlotterte Erscheinung! "Hast Du Deine Tunika als Kopfkissen benutzt? Und was ist das für Dreck auf Deiner Lorica?!" Unerhört. "Du meldest Dich nachher beim Tesserarius für die beiden nächsten Hundewachen."
    Ich ging weiter, fand noch ein paar weniger gravierende Dinge auszusetzen. Minidius und Redivivus waren die letzten in der Reihe, und ich musterte auch diese beiden streng von Kopf bis Fuss.

    Um mit gutem Beispiel voranzugehen, hatte ich heute meine Rüstung auseinandergenommen, und war entschlossen sie mal wieder auf Hochglanz zu bringen. Ich saß mit ausgestreckten Beinen auf einer leeren Weinkiste in einer schattigen, und eher ruhigen, ja beinahe abgelegenen Ecke der Castra - und scheuerte. Um mich herum lagen verteilt Schwämme und Lappen, Tiegel und Fläschchen. Meine Lorica segmentata, dieses gute Stück, hatte ja schon einiges erlebt, und die ein oder andere Kerbe oder Scharte die zurückgeblieben war, weckte Erinnerungen. Die Zikaden surrten in der Nachmittagshitze, und auch ich begann leise vor mich hinzupfeifen, ganz versunken in meine Arbeit, pfiff die Melodie des schönen Legionärsliedes 'Von Britannias rauhen Küsten bis zu Parthias grossem Strom', während ich eines der Armsegmente mit einem Lederlappen polierte.

    Ob er was gegen die Prima hatte? Welche Legion hatte er nochmal befehligt, gab es da eine Rivalität, eine Feindschaft gar? Ich hatte das Gefühl mich auf dünnem Eis zu bewegen, ohne zu wissen warum, sehr unangenehm das, und seine nächste Frage brachte mich noch weiter aus dem Konzept.
    Einen Zimmermann??!
    "Ähm..." Wollte er sich da einen Spass mit mir machen? "...nein, Praefectus?"
    Dann erst fiel der Sesterz. "Ach, die Christianer-Sekte!"
    Über die hatte ich das in der Tat mal gehört, aber es eher für einen Scherz gehalten. Wobei es ja die verrücktesten Kulte gibt, manche entmannen sich zu Ehren ihrer Göttin, andere machen aus ihren Tempeln Lupanare, die Punier beten einen Schleier an und opfern bekanntlicherweise Kinder... da war es nicht so undenkbar, dass manche Menschen einem Zimmermann huldigten. Vielleicht war das ja auch mehr kosmisch gesehen, oder er war für sie der Schirmherr des Handwerkes oder so...
    "Nun, ich habe von ihnen gehört, Praefectus, Gerüchte eben, aber ich hatte bisher noch mit keinem von ihnen zu tun. Sie machen, jedenfalls öffentlich, keinen Ärger soweit ich weiss. Vor einem Monat etwa gab es einen Vorfall, bei dem ein Miles einer Denunziation, jemand würde in der Öffentlichkeit missionieren, nachging, aber das hat sich nicht bestätigt."
    Davon hatte mir der lange Ruso berichtet. Den Christianern sagte man ja eine kaiserfeindliche Ideologie nach, kein Wunder dass sie sich bedeckt hielten. Obwohl die Gesetze, sie betreffend, eigentlich ziemlich lasch waren...

    Jetzt wurde die Leistung wieder schlechter, naja, kein Wunder. Ich sah in die hochroten, schweissnassen Gesichter der Rekruten die sich redlich abmühten, und da stieg in mir zum ersten Mal ein Hauch von Verständnis auf für Simplex, den fiesen alten Sadisten... denn auf eine seltsame Weise fühlte es sich gut an, hier die Leute herumkommandieren zu können, bestimmen zu können, tyrannisieren zu können wenn man wollte... - ich erschrak über diese unedlen Impulse, und rief dann doch recht bald (und recht heiser) zum Halten.
    "Consistite! Genug für heute. Wir werden das in der nächsten Zeit wiederholen und um die gängigen Formationen ergänzen. Morgen gibt es aber wieder Waffentraining, Pilumwerfen steht auf dem Programm."
    Mein Blick wanderte die Reihe entlang, ich schwankte einen Augenblick und entschied dann:
    "Redivivus, Du wirst morgen früh Deine Kameraden auf den Campus führen, pünktlich und geordnet. Und vergesst nicht eure Rüstungen wieder sauber zu machen. - Abite! " ~Wegtreten

    Mutter würde sich natürlich im Grabe herumdrehen. Und bei Tante Lucilla hätte ich sicherlich gute Chancen vom Lieblingsneffen zum Hornochsen degradiert zu werden... Ich selbst war mich auch nicht mehr ganz sicher ob mein Vorhaben so richtig war.... - aber Versprechen muss man halten, oder nicht?
    Ich hatte es lange genug vor mir hergeschoben, und da ich den Centurio heute nicht in der Castra angetroffen hatte, ging ich ihn eben privat aufsuchen. Es war spätnachmittags, nach einem weiteren Tag auf dem Campus, ich hatte mir Staub und Schweiss abgewaschen und trug eine frische rote Tunika, gegürtet mit dem Cingulum militare, dessen schwere Messingbeschläge auf Hochglanz poliert waren.
    Nicht schlecht, die Villa! Beeindruckt stellte ich mir vor, dass früher mal drei Kaiser über das selbe Vestibulum geschritten waren, das ich gerade überquerte. Natürlich waren sie im Prinzip bloss verstaubte Relikte der Vorzeit, die Patrizier allesamt (ausser meinem Centurio), aber sie hatten irgendwie... Klasse.
    Zum wiederholten Mal tastete ich in meiner Gürteltasche nach dem ledernen Schriftrollenbehältnis, dann klopfte ich dreimal an die Türe, mit einer Entschlossenheit die ich gar nicht verspürte.
    "Salve.", sprach ich, als die Pforte sich öffnete, zu deren Hüter. "Ich bin Optio Decimus Serapio, und ich möchte zu Centurio Flavius Aristides, falls er einen Augenblick Zeit hat."

    "Gut." Ich nickte dem Mann zu und bedeutete ihm mit einer Geste zu den geöffneten Torflügeln hin, dass er weitergehen konnte. Das Durchsuchen behielten wir uns für verdächtige Subjekte vor, nicht für harmlose Bürger aus konsularischer Gens. (Harmlos erscheinende jedenfalls.)
    "Dann viel Glück in der Ewigen Stadt."
    Die ja schon so ihre Tücken hatte, wenn man frisch aus der Provinz kam. Ich wandte mich ab und den nächsten zu die rein wollten, ein barfüssiger Junge mit einem Schaf am Strick, dann ein reichgekleideter Orientale, dann eine Gruppe Waschweiber mit rissigen Händen... So viele Leute, sinnierte ich, so viele Schicksale, die sich hier am Nabel der Welt zusammenballten, sich verflochten, aufstiegen oder fielen, sich verknäulten oder zerfaserten oder auch jäh endeten. Wie die Fäden in einem ungeheuren Teppich, manche aus leuchtender Seide oder fester Wolle, andere grob und schmutzig oder einfach bloss unscheinbar... ergaben sie ein gewaltiges Geflecht, ein Bild des Lebens in dieser Stadt, ein gewobenes Kunstwerk das in seiner Gänze nur die Götter überblicken konnten...

    So langsam wurde es. Die Probati legten sich ins Zeug, das musste ich schon zugeben, und unversehens rutschte mir ein freundliches, geradezu stolzes: "Schon besser!" heraus. Was ich gleich darauf bereute, denn ich hatte ja beschlossen hier den harten Hund zu markieren, und harte Hunde verhätscheln die Rekruten nicht mit Lob. Oh nein, die schinden sie bis aufs Blut!
    "...für den Anfang. Probati consistite. State. Das hier war der Schritt in dem wir normalerweise marschieren: der militare gradu. Und jetzt eine Nummer schneller: der Eilschritt, pleno gradu. Ebenfalls im Gleichschritt!"
    Ich liess den Optiostab in der Hand auf und ab wippen, verschränkte die Arme dann wieder hinter dem Rücken, räusperte mich und befahl: "Probati retro! Aequatis passibus pleno gradu.... Pergite!"
    Und wieder zählte ich den Takt vor. Meine Kehle war mittlerweile ganz rauh, und in meiner Stimme machte sich die Heiserkeit bemerkbar. Tja, das Brüllen tat ihr nicht gut.... Meine Stimme ist nämlich leider eher melodiös als schallend, eher dazu bestimmt klangvolle Verse zu rezitieren als störrische - naja, oder auch eifrige - Rekruten über den Platz zu jagen. Vom Gürtel nahm ich die Feldflasche und trank einen Schluck Posca, spülte mir die Kehle frei vom Staub des Campus. Die Probati konnten aber ruhig noch eine Weile durstig bleiben. Sollten froh sein dass sie nicht in Parthia waren, die Jungs. (Ich war auch nicht viel älter. Wenn ich es genau betrachtete waren ein paar von dieser Truppe wahrscheinlich sogar älter als ich.)


    "Oh, seid ihr etwa schon müde?! Wer glaubt dass das schon alles war, und dass er jetzt gleich alle Viere von sich strecken kann, der irrt sich. Jetzt das ganze im Laufschritt - dabei wird kein Gleichschritt verlangt, aber haltet unbedingt die Formation. - Bei Mars eiserner Faust! FORMATION! DISZIPLIN! GEHORSAM!"
    Ich untermalte die Schlagworte indem ich den Stab hart auf den Boden stiess. "Das ist das wichtigste. - Probati cursim... pergite!"
    Und hin und her und rechts und links und kehrt und vor und links und rechts und her und hin... Ich war gespannt wann der erste schlappmachen würde.

    Wachdienst hatte etwas für sich. Er schonte zum Beispiel die Stimme, ausserdem fand ich es interessant die Menschen zu betrachten die hier das Tor, die grosse Porta Capena, passierten. Es war ein buntes Treiben, Reisende aus dem Süden und Landvolk mit Körben auf dem Rücken, Händler, Tagelöhner, Strassenköter und hin und wieder auch exotischere Gestalten.
    Kurz musste ich schmunzeln, als ich den jungen Mann erblickte, der so staunend zu den Mauern hochsah. Als ich die Stadt zum ersten Mal betreten hatte, durch die Porta Ostiensis war das gewesen, hatte sie mich auch schwer beeindruckt.
    "Salve", grüsste ich freundlich. " Zum ersten Mal in Rom?"
    Oho, aus konsularischer Gens.
    "Trägst Du Waffen bei Dir? - Es ist im Stadtgebiet verboten. Ebenso das Reiten."
    Er hatte zwar ganz offensichtlich kein Pferd dabei, aber ich sagte es doch lieber nochmal dazu.

    Ausflüchte! Ich starrte Hannibal an, mit glänzenden Augen, ganz starr und ohne zu blinzeln, so als könnte ich ihm Kraft meines Blickes sein Geheimnis entreissen. Erst bot er mir nur sein Profil - oh, diese klassisch geschwungene Nase, dieser ERHABENE Zug um den Mund, ich bleibe dabei, Hannibal hat, Sklave oder nicht, etwas wirklich patrizisches an sich - dann bot er mir die Front. Die Stirn. - Ausflüchte! Etwas wie Enttäuschung trat da auf die Bühne meiner Seele, ein räudiges kleines Tier mit schmierigem schwarzem Fell, das kratzte an der Hülle meiner Glücksseligkeit, kratzte und kratzte mit langen Krallen.... Ich hielt mein Lächeln fest, aber meine Lippen pressten sich fester zusammen.
    "Mhm."
    Mit einem Mal sprang das schwarze Biest auf meine Schultern. Das war vielleicht schwer! Obwohl es so klein war! Und es roch schal, nach vertrockneten Blumen und abgestandenen Träumen. Ich blinzelte und schüttelte meine Schultern um das Vieh loszuwerden. Was sollte Hannibal denken von diesem hässlichen Begleiter, der uns hier doch nur den Spass verderben wollte...
    "Na und? Mir ist es doch ganz egal ob's ein Mann ist oder eine Frau oder ein Mann als Frau oder eine Frau als Mann...."
    Trotz war in meiner Stimme. Ich lehnte mich beleidigt zurück, auf die Arme gestützt und betrachtete angelegentlich den Nachthimmel. "Schau mal die Sterne." Die blinkten weit über uns. "Sie sind aber nirgends so schön wie in der Wüste finde ich."
    Dann schwieg ich, sog einen Atemzug tiberfeuchter Luft durch die Nase, und beschloss: Nein, ich würde dieser infamen Chrysantha nicht kampflos das Feld überlassen.


    "Was mir nicht egal ist... - wer mir nicht egal ist, das bist DU!"
    Schon hatte ich mich aufgerichtet, und feurig Hannibals Hand an mich gerissen.
    "Hannibal! Ich ... ich..." - der pure Ansturm der Gefühle lies mir erst mal die Stimme versagen. Mit bebenden Nüstern und wild leuchtenden Augen sah ich meinem Geliebten ins Gesicht, presste dann seine Hand fest gegen meine Brust.
    "Spürst du mein Herz schlagen?!"
    Und wie es schlug. Atemlos von der Leidenschaft, berauscht vom Opium und der Theatralik des Momentes, warf ich alle Bedenken mich lächerlich zu machen im hohen Bogen über Bord und versicherte auf das feurigste:
    "Es schlägt nur für Dich! Nur für Dich!"
    Ich glaube er war ein bisschen überrumpelt. Da hatte ich schon die Arme um ihn geworfen, drückte ihn rücklings runter auf den Stamm, und raunte, mit mohngeschwängertem Atem und vor Leidenschaft halb erstickter Stimme:
    "Ich bin DEIN, Hannibal, und ich will dass Du MEIN bist! Wenn ich bei Dir bin, dann... dann versinkt die Welt, und jeder andere wird zum Schatten! Ich sehe nur noch Dich, ich will Dich spüren, Dich atmen, ich will immer mit Dir zusammen sein! Vergiss Chrysantha! Ich will alles für Dich sein!! Und wenn Du auf so was stehst - ich kann auch seehr weiblich sein, das weisst Du doch... - Dann eben zum Hades mit dem Militär! Was solls, werd ich eben Venuspriester, Hauptsache ich kann mit Dir zusammen sein... Und ich bekomme Dich frei, koste es was es wolle, das verspreche ich Dir!"
    Das kleine schwarze Tier ergriff die Flucht. Ich hatte jetzt keine Zweifel mehr, fühlte mich überhaupt ganz unwiderstehlich.
    "Hannibal... Ich liebe Dich!!!" hauchte ich stürmisch in sein Ohr und strich ihm mit einer Hand die Seite entlang, dann liess ich sie unter seiner Tunika verschwinden und dort auf eine forsche Entdeckungsreise gehen.

    Brr, dieser höhnische Tonfall, der jedenfalls war noch ganz genau so wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich begnügte mich mit einem indignierten, stirnrunzelnden, Unverständnis heuchelnden Kopfschütteln und einem knappen "Vale Civis", dann setzte ich meinen Weg fort.
    Als endlich ein Gebäude zwischen mir und dem schaurigen Schatten der Vergangenheit lag, hielt ich inne, schloss kurz die Augen und atmete schwer aus. Das war knapp! Fahrig wischte ich mir über die Stirn. Jetzt brauchte ich aber dringend einen schönen heissen Kräutersud, um meine angespannten Nerven zu beruhigen!

    "Ich habe kurz vor den Kalenden des Iunius meinen Dienst hier angetreten, Praefectus, in der vierten Centurie der ersten Cohorte unter Centurio Flavius Aristides", gab ich, strammstehend, wie von der Sehne geschnellt zur Antwort. 'So so?' Worauf würde das hier hinauslaufen?
    "Zuvor war ich bei der Legio Prima, zweite Centurie, erste Cohorte, Praefectus."
    Da war nicht nur der Lichtreflex, zudem meinte ich jetzt auch noch einen Krümel auf dem Gewand des Stadtpräfekten ausgemacht zu haben. Schnell fixierte ich einen kleinen Riss im Putz der Wand hinter dem Schreibtisch, um dem Herrn nicht unziemlich auf die Brust zu starren.

    Bona Dea! "Was ist denn das für ein Sauhaufen?!" brüllte ich. "Consistite! Da kann man ja nur hoffen dass die Verbrecher sich tot-lachen, wenn ihr so angeschlurft kommt! Nochmal, und diesmal alle mit links anmarschieren. Sinistram ist da, wo der Daumen dextram ist!"
    Hm... irgendwie kamen mir ganz automatisch die Sprüche über die Lippen die ich zu meiner Zeit selbst um die Ohren gehauen bekommen hatte. Wahrscheinlich wurden die auf diese Weise schon seit Urzeiten von Generation zu Generation weitervererbt.
    "Probati! Ad agminem! Aequatis passibus... pergite! Laevum... laevum... laevum..." ~Rekruten! Kolonne bilden! Im Gleichschritt... Marsch! Links...links...links...
    Finsteren Blickes liess ich die Rekruten weitermarschieren, haltmachen, weitermarschieren, und das immer wieder, hin und her auf dem Exerzierplatz.
    "Die vorderen nicht davonlaufen! Die faulen Hunde hinten sofort aufschliessen! Achtet auf eure Kameraden! Ihr seid eine Truppe, eine Formation, ihr müsst lernen euch wie ein Körper zu bewegen, ein Körper zu sein!"
    Schliesslich liess ich sie auch schwenken, brüllte, "Ad dextram pergite!" und "Ad sinistram pergite!" über den Platz, scheuchte sie stundenlang kreuz und quer, festentschlossen aus dem Sauhaufen nach und nach doch noch eine anständige Formation zu machen.

    Cuspius murmelte etwas unverständliches in seinen Bart, und fragte sich, ob es so etwas zu seiner Zeit auch gegeben hatte? Dass der junge Anwärter den Sklaven dann anstandslos wegschickte, zeigte dem Wächter jedoch, dass der Mann offenbar ernst meinte,trotz dieses ungewöhnlichen Auftaktes.
    "Ins Rekrutierungsbüro."
    Cuspius trat einen Schritt zur Seite, und gab Artorius Menas somit den Weg frei ins Innere der Castra. Mit einer knappen Handbewegung wies er die Lagerstrasse entlang, und beschrieb dazu den Weg, etwas leiernd, weil er ihn schon unzählige Male so beschrieben hatte.
    "Geradeaus, die Via praetoria entlang, bis zur Principa, erster Gang links, zweite Tür rechts. Ist nicht zu verfehlen."




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