Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Ich hing förmlich an Appius' Lippen, als er von seinen Erlebnissen im hohen Norden erzählte. Und wieder mal hörte ich, dass die Provinz doch ganz anders war, als man sich das so vorstellte.
    "Schade, ich stell mir das sehr grandios vor, so einen richtigen Schneesturm, das Walten der Naturgewalten, ganz entfesselt, ganz ursprünglich sozusagen!", schwärmte ich zwischendurch. "Ich würde es gerne mal in echt erleben... natürlich mit einem Dach über dem Kopf."
    Irgendwann musste ich wohl doch auch mal dorthin reisen, und mir das mit eigenen Augen ansehen, da könnte ich dann auch gleich Sparsus besuchen - aber der Dienst erlaubte das ja nicht, leider, leider...
    Eines war auch ein bisschen seltsam, oder was heisst seltsam, es sprang mir einfach ins Auge - kaum war ich in Gesellschaft meiner Geschwister war ich auf einmal wieder der Kleine - ich fühlte mich auch so, trotz allem was ich in der Zwischenzeit erlebt hatte, und ich war mir nicht sicher, ob ich das mochte.


    Erschrocken liess ich meinen Becher sinken, als Appius ganz kurz - fast beiläufig - einen schlimmen Schicksalsschlag erwähnte, der ihm widerfahren war. Ich nagte an meiner Lippe, und blickte ihn betroffen an, wollte schon zu ihm gehen um ihm den Arm um die Schulter zu legen, da war er bereits darüber hinweggegangen, und hatte sich wieder im Griff. Unsicher sah ich zu Seiana, und begegnete ihrem Blick, der mir ebenso hilflos schien wie der meine.
    "Da bist Du ja ganz schön rumgekommen...", sagte ich und erwiderte zaghaft Appius' Lächeln. Aber jetzt prompt umzuschwenken, und fröhlich von meinen Abenteuern zu erzählen, erschien mir, obwohl ich natürlich voll Mitteilungsdrang war, irgendwie nicht so ganz angebracht.
    "Ja... ähm..."
    Seiana war dann die, die richtigen Worte fand, und ich nickte nachdrücklich dazu. "Ja genau", murmelte ich nur. Bedrängen wollte ich Appius auch nicht, schliesslich hatten wir uns wahnsinnig lange nicht gesehen, und es trugen ja auch nicht alle ihr Herz so auf der Zunge wie ich.

    Ein 'verdienter Militär' - das klang aber gut! Fast noch besser als ein 'ausgezeichneter Veteran'. Ich grinste über beide Ohren.
    "Germanien?! Oh." 8o
    Brr! Was zog nur alle Welt nach Germanien? Und Hals über Kopf wieder weg? Das hörte sich so an, als würde da mehr dahinterstecken. Aber ich zügelte, fürs allererste, meine Neugier und bemerkte nur weise: "Ja, am Ende zieht es, glaub ich, doch irgendwie jeden zur Familie zurück... war bei mir auch so. - Es ist so toll das Du wieder da bist!!"
    Arm in Arm, in brüderlicher Eintracht, ging ich dann neben Drusus her, und kehrte so wieder zurück zum Zimmer unserer Schwester...

    Es machte mich glücklich, vom Scheitel bis in die Zehenspitzen hinein, dieses Wiedersehen. Lächelnd sah ich wie Appius und Seiana sich in die Arme fielen und begrüssten, dann ging ich zurück zu dem Sessel in dem ich vorher gesessen und Wein getrunken hatte, fläzte mich hinein und griff wieder nach dem Becher. Den Ellenbogen auf die Lehne gestützt, musterte ich Seiana, als Appius so in höchsten Tönen ihre Schönheit pries.
    Hm... klar, war sie schön, wunderschön, aber diese Verzückung konnte ich irgendwie gar nicht nachempfinden. Naja, kein Wunder. Ich schob mir einen Keks in den Mund und dachte nach, eine kleine Falte zwischen den Brauen. Was meine Geschwister wohl dazu sagen würden, wenn ich ihnen erzählen würde, was ich so für Erkenntnisse über mich gewonnen hatte, in der Zwischenzeit... Machte mich ganz nervös, allein die Vorstellung.


    "Aber erzähl doch!", bat ich Drusus, "Wie kam das, dass Du ausgerechnet nach Germanien gegangen bist? Und was hast Du da gemacht? Hast Du Schneestürme erlebt, und wilde Barbaren gesehen?"
    Und zu Seiana gewandt fügte ich hinzu: "Du hast doch auch nicht gewusst, dass er dort war, oder?"

    "Ach so."
    Ich nickte höflich zu den Erklärungen über Tylus, dieses fremde Land aus dem mein Cousin kam, und trank dabei Schluck für Schluck aus meinem Becher. Natürlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass es da genauso zivilisiert wie hier zuging, aber gut, Valentinus wirkte jetzt nicht gerade ungehobelt - im Gegenteil!
    "Ja, das Haar ist echt", meinte ich dann mit Blick auf den kleinen Sklaven, und plauderte unbefangen: "Färben klappt nicht so gut - also, ich hab das ja auch mal versucht, als es gerade echt angesagt war, mit Kalkwasser und so, da hatte ich auch noch lange Haare, aber es wurde nicht richtig hell, eher so fleckig und.... äh ja."
    Ich rieb mir die Nase und beschloss, dass ich diese Episode aus meinem früheren Leben nicht unbedingt vertiefen musste.
    "Viele Frauen haben deshalb Perücken in blond, also alles was Du siehst ist natürlich nicht echt. Sind aber sehr teuer, diese Dinger."
    Neugierig lauschte ich, was Valentinus so vorhatte. Oh, da war jemand, der sich vorgenommen hatte hoch hinaus zu kommen. So kurz ich ihn auch kannte, ich konnte mir das bei ihm schon gut vorstellen, er hatte so etwas gewinnendes an sich.
    "Schön dass Du bleibst! Du kannst ganz sicher hier wohnen... Hm. Also Soldat zu sein, das ist vor allem eine Frage des Trainings! Und des Willens. Und der Disziplin und der inneren Einstellung natürlich!", gab ich schneidig von mir. (Wobei ich es mir bei Valentinus jetzt, so auf Anhieb, auch nicht so besonders gut hätte vorstellen können.)
    Ich riss mir ein Stück Brot ab, belud es mit Käse und Oliven, und mampfte, hungrig vom Reiten.


    "Das Umwälzendst...", begann ich mit vollem Mund. "Entschuldige." Ich schluckte erst mal, und berichtete dann manierlicher: "Das Bedeutsamste ist natürlich der Tod des Imperators. Aber das wird Dir ja nichts neues sein."
    Das war doch sicher auch schon in die entlegensten Winkel der Erde gedrungen.
    "Ich war ja auch dabei, in der Schlacht wo er verwundet wurde. Am Chaboras..." Mein Blick ging in die Ferne, und meine Hand mit dem Brot darin sank langsam herab. "Das war ein verdammtes Inferno."
    Dieser verfluchte Name, jedesmal liess er die Erinnerungen aufleben. In einem tiefen Zug trank ich meinen Becher leer und füllte ihn aus der Kanne mit dem reinen Wein, um dann nur ein klein bisschen Wasser nachzugiessen. Ich trank und konzentrierte mich auf meine Umgebung, um wieder ganz im hier und jetzt zu sein.
    "Und vor Dura Europos, als wir die Stadt belagert haben, da ist er dann gestorben. Seinen Verletzungen erlegen... Die Wunde war wohl brandig geworden. Er war ein grosser Mann, wirklich! Unheimlich erhaben, und streng, und doch, ja, gütig...
    Er hat seinen Sohn, den Caesar Ulpius Aelianus Valerianus zum Nachfolger bestimmt. Der Imperator ist in der Nacht gestorben, und am nächsten Morgen schon hat die Prima den Schwur auf den Caesar geleistet. Die anderen Legionen dann auch. Der Caesar war zu der Zeit aber in Illyrien. Es heisst dass er bald nach Rom, kommt, das heisst es allerdings schon seit einer Weile. Ist ein komischer Schwebezustand. Aber Unruhen gab es keine. Und, naja, man munkelt auch der Caesar wäre nicht gerade bei bester Gesundheit - ich hoffe das sind nur Gerüchte. Darüber stand sogar etwas in der Acta, in einer Sonderausgabe, mehr noch, da wurde schon über eine mögliche Nachfolge spekuliert. Sogar Onkel Meridius' Namen haben die da genannt. - Aber auf die Acta bin ich gerade ganz schlecht zu sprechen, die haben neulich einen Artikel gebracht, der war dermassen despektierlich über uns Soldaten, ich hab gedacht ich lese nicht recht! So was von unpatriotisch! Unter Tante Lucilla hätte es das nicht gegeben!"

    Ich nickte bekräftigend, und fixierte grimmig die Olivenschale.
    "Deshalb bin ich auch hier, ich habe nämlich einen Leserbrief geschrieben, und den hat fast die ganze Legion, also alle die Platz auf dem Papyrus gefunden haben, unterschrieben - sogar der Legat -, und den hab ich jetzt selbst nach Rom gebracht. - Hmm, was gibt es sonst neues in Rom, keine Ahnung, ich bin echt nicht auf dem neusten Stand... Ähm, also, was die Mode angeht, sind gerade orientalische Einflüsse gross im Kommen, viel bunt, lebhafte Muster und so."
    Was das aktuelle anging musste ich sonst aber passen. Stattdessen aß ich auch noch ein paar Oliven und erkundigte mich: "Liegt Tylus dann in der Nähe von Syrien, oder von Parthien? Und wie lebt man da so? Du musst ja wirklich eine lange Überfahrt hinter Dir haben, wie war denn die Reise?"

    "Mich freut es auch!", antworte ich fröhlich meinem Cousin Valentinus, während wir zusammen von der Porta ins Haus hinein gingen. Nur ganz vage hatte ich mal von ihm gehört, ich hatte ja auch Onkel Lucidus nie näher kennengelernt. Valentinus schien mir ganz überwältigt zu sein von dem schönen Atrium, und er erklärte auch wieso:
    "Noch nie im römischen Reich?!", wiederholte ich ungläubig, und sah meinen Cousin mit grossen Augen an.
    "Bona Dea, wie schrecklich! - Wirklich? Du bist unter Barbaren aufgewachsen, im Ausland?!"
    Der Arme! Das war ja noch schlimmer als Exil! Kein Wunder dass er staunte, hier in Rom, dem Herzen des Imperiums, wenn er doch von jenseits der Grenzen der zivilisierten Welt kam! ;) (Naja, wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich schon gesehen, dass es auch woanders auf der Welt Kultur gab... aber trotzdem, das war nicht das selbe!)
    Ich setzte mich ihm gegenüber, auf die Tuffsteinbank am Rande des Impluviums. Hell flutete Sonnenlicht durch die Öffnung im Dach, und glänzte auf dem Wasser in dem Becken, dessen glatte Oberfläche durch die Erschütterung unserer Schritte sich jetzt leicht kräuselte. Die Strahlen wärmten angenehm mein Gesicht, ich hob es und blinzelte in die Sonne.


    Ein junger Sklave näherte sich, ein Junge mit blondem wuscheligem Haar. Der kam wie gerufen.
    "Salve! Bringst Du uns bitte etwas zu trinken? Und auch was zum Prandium."
    Meine Kehle war ganz staubig, hungrig war ich auch, und Valentinus sah erst recht so aus als ob er eine Stärkung gut vertragen könnte.
    "Oder isst die Familie heute zusammen?", erkundigte ich mich noch, doch der Junge verneinte. "Und sag doch bitte dem Senator Bescheid, dass Decimus Valentinus, der Sohn von Decimus Lucidus gerade angekommen ist."
    "Mach ich," meinte der junge Sklave, "wenn der Senator zurückkommt. Er ist nämlich gerade ausser Haus."
    "Ach so." Ich stützte den Arm auf die Seitenlehne und wandte mich wieder Valentinus zu, und zugleich dem weiten Feld unserer Familie.


    "Ja also", begann ich, "ich komme aus Tarraco, und ich bin der jüngste Sohn von Silanus. Normalerweise bin ich gar nicht hier in Rom, das ist nur eine Ausnahme heute, sonst bin ich in Mantua, wo ich bei der Legio Prima diene. Als Optio seit kurzem. Wir sind gerade aus dem Osten zurückgekommen, von dem Feldzug gegen die Parther... Onkel Livianus ist dort verschollen. Er war der Legat der Prima. Wir wissen nicht was mit ihm ist...
    Meine Schwester Seiana lebt aber hier im Haus, die wirst Du bestimmt noch kennenlernen. Onkel Meridius ist natürlich der Hausherr, und Pater Familias. Er freut sich bestimmt, dass Du hier vorbeischaust. Dann wohnt noch seine Frau hier, Iulia Severa, wen sie nicht auf dem Landgut ist, und die beiden haben einen ganz kleinen Sohn, Optatus. Ihr anderer Sohn, Maximian ist vor einiger Zeit gestorben."

    Ich machte eine Pause und sah hinüber zu den Alae, von wo die Masken der Ahnen uns ernst entgegenblickten.
    "Onkel Mattiacus wohnt auch hier. Er arbeitet im Palast, hm..., was genau weiss ich jetzt gar nicht. Etwas bedeutsames zweifellos. Du musst ihn mal nach den Germanienreisen fragen, die er früher unternommen hat, er kann da tolle Geschichten erzählen! - Und dann ist da natürlich noch Tante Lucilla! Sie hat aber geheiratet, auch einen Senator, und wohnt deshalb leider nicht mehr hier. Sie ist eine richtige Matrona jetzt, und macht auch Politik. Ausserdem wohnt noch Pulchra hier, eine Cousine aus dem griechischen Familienzweig... - Das waren jetzt, glaub ich, alle, die Du zur Zeit hier in Rom antreffen kannst. Wenn Du sie erwischst. Wie das so in der Familie liegt, alle sind ständig unterwegs und nie zu Hause."


    Während ich da erzählte und erzählte, kam der kleine blonde Sklave zurück, mit zwei Bechern und zwei Krügen. Er schenkte uns ein, wobei er den Wein moderat mit Wasser mischte, und stellte auch schon mal eine Schale mit Oliven auf den Tisch, dazu knuspriges Brot und Schafskäse.
    "Wie ist das, wirst Du länger bleiben?", erkundigte ich mich neugierig und griff nach dem Becher.
    "Und wie, wenn ich fragen darf, kommt es dass Du ausserhalb des Imperiums aufgewachsen bist?"

    Es war so schön, ich hätte heulen können. Na gut, ich bekam wirklich feuchte Augen. Soviel zum Thema ein richtiger Mann geworden. Überschwänglich drückte ich meinen grossen Bruder in der Umarmung, viel zu bewegt um etwas artikuliertes von mir zu geben. Allein wie er mich wieder 'Faustillus' nannte... es war genau wie früher, und eine ganze Flut von Erinnerungen kam über mich. Ich liess mich begutachten und lächelte stolz als er feststellte dass ich nun wirklich nicht mehr klein war.
    "Ja! Ich hab auch so allerhand erlebt in der Zwischenzeit! Ich war sogar in Parthien - da staunst Du, was? - ich bin gerade zurückgekommen... - Bona Dea, es ist so eine Ewigkeit her! Du warst wie vom Erdboden verschluckt, wo warst Du, Appius, was hast Du gemacht?!"
    Auch er hatte sich verändert, ganz deutlich, auch wenn ich es schwer in Worte fassen konnte. Ein paar Jahre älter natürlich, aber dazu kam noch etwas anderes. Obwohl wir beide vor Freude ganz verrückt waren, schien es mir doch, als wäre da ein melancholischer Zug um seinen Mund, der da früher nicht gewesen war. Seine Frage liess mich erst mal innehalten in dem Wirbel von all dem was ich wissen wollte und erzählen wollte.
    "Mmh... ja, ich hab einen Vorschlag."
    Enthusiastisch nahm ich Drusus am Arm - nicht dass er sich gleich wieder, wie ein Traumgespinst in Luft auflöste - und ging auf das Haus zu.
    "Wir gehen erst mal zu Seiana, ich war gerade schon bei ihr, sie fragt sich sonst sicher wo ich abgeblieben bin, und ausserdem will sie ganz bestimmt auch wissen wo Du Dich herumgetrieben hast in den Jahren, und was für Abenteuer Du erlebt hast und so. Da können wir in Ruhe reden. Einverstanden, ja?"

    Der Parther war also angekommen. Ich quittierte das mit einem zufriedenen Nicken, in dem eine tiefe Genugtuung mitschwang, darüber dass der Mann, der mir da in Parthien so übel mitgespielt hatte, und mir vor allem so einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte, jetzt hier Teil der Sklavenschaft war. Geschah ihm recht, und wie, da konnte er mal sehen wohin es führte sich gegen Rom zu erheben!
    Ich streckte mich, und trank einen Schluck Wein, angelte mir dann ein paar Trauben aus der Obstschale.
    "Danke! Das ist jetzt genau richtig."
    Nach und nach steckte ich mir die Trauben in den Mund, lehnte mich in dem Sessel zurück, den Becher auf den Knien abgestützt und betrachtete Seiana, wie sie das Mitbringsel begutachtete. Aber seltsam, ich hatte das Gefühl, dass meine Schwester auch so eine Art... Scheu - oder nein, Scheu ist schon zuviel gesagt, so einen Ansatz davon eben - vor der kleinen Statue hatte, jedenfalls berührte sie sie ganz zögernd nur. Aber sie schien ihr doch zu gefallen, und ich strahlte glücklich zurück, voll der Freude ihr eine Freude zu machen.
    Keiner da? Ich zog ein überraschtes Gesicht.
    "Komisch, ich hab's genau gehört wie es geklopft hat... oder war das nebenan vielleicht? Ne, eigentlich bin ich mir sicher."
    Ich sprang auf, stellte den Becher ab, und trat zur Türe, neben Seiana, um auch mal den Kopf hinaus in den Gang zu strecken. Obwohl ich ihr natürlich vollkommen zutraute zu erkennen wann ein Gang leer war und wann nicht, musste ich doch selber mal gucken. Ja, ganz leer.
    "Vielleicht spukt es hier?", schlug ich scherzhaft vor. Aber dann fiel mir wieder ein, dass der Tod von Maximian noch nicht so lange her war... da war das vielleicht nicht so witzig. Das Geräusch von Schritten, irgendwo im Haus, drang an mein Ohr, und mir war, als ob sie sich gerade entfernten.
    "Ich geh mal rasch nachsehen!", beschloss ich, und trat, barfuss wie ich war, auf den Gang hinaus, ging dann in die Richtung des Geräusches. Da fand ich allerdings niemanden, dafür traf ich auf dem Rückweg im Atrium den alten Marcus, der mir etwas auszurichten hatte: Mein Bruder Drusus war hier, und er hielt sich gerade im Garten auf. Drusus! Sofort stürzte ich hinaus...

    Der Ianitor hatte mir gerade ausgerichtet, mein Bruder Drusus sei hier! Und zwar im Garten. Sofort lief ich hinaus, mit grossen Schritten, die auf dem Kies knirschten, der hier sorgfältig gerecht die Blumenbeete umgab. Es war abend und schon längst dunkel, recht kühl auch, eigentlich kein Wetter um draussen zu sein. Ich ging entlang der Säulen des Peristyls und sah mich um. Von Haus her fiel das Licht in langgezogenen Rechtecken auf den Boden, sonst lag der Garten in tiefem Schatten. Und in einer dieser hellen Bahnen zeichnete sich eine Gestalt ab, oder mehr eine dunkle Silhuette gegen den Lichtschein...
    "Appius...?" fragte ich zögernd, und trat langsam näher. Mein Herz klopfte wie wild, denn ich hatte meinen Bruder, mit dem ich früher doch ein wirklich enges Verhältnis gehabt hatte, und der mir auch in so vielen Sachen ein Vorbild gewesen war, seit Jahren... vier? oder fünf?!...nicht mehr gesehen, nicht mehr seitdem er damals aus Tarraco verschwand. So wie auch ich später dann einfach abgehauen bin.
    "Appius, bist Du das?"

    Es war das zweite Mal seit unserer Rückkehr aus Parthien, dass ich nach Rom kam. Beim ersten Mal war ich Teil der Vexillatio gewesen, die die Urne des Kaisers überführt hatte, und hatte nur viel zu kurz Ausgang bekommen - heute war ich dafür ganz alleine unterwegs, und hatte auch ein bisschen mehr Zeit, da ich beschlossen hatte, erst morgen früh wieder nach Mantua aufzubrechen. Eigentlich wäre ich lieber noch länger geblieben... aber ach, die Pflicht. Nachdem ich diese für heute getan hatte, und den Leserbrief, als Reaktion auf den skandalösen Artikel in der Acta, beim Redaktionsgebäude
    vorbeigebracht hatte, machte ich mich gleich auf den Weg zur Casa Decima, um meine Familie zu sehen. Einen Thermenbesuch hatte ich auch im Sinn, mit Massage, ganz unbedingt, für später dann.
    So kam ich also, eines sonnigen Frühlingstages, so gegen Mittag, die Strasse zur Casa entlangmarschiert, und wie immer klackten bei jeden Schritt die genagelten Sohlen meiner Caligae auf das Pflaster. Sie waren schlammbespritzt, denn auf dem Ritt hierher waren die Strassen hier und da ziemlich aufgeweicht gewesen. Meine dunkelrote Tunika war mit dem Cingulum Militare gegürtet, dessen beschlagene Lederbänder klimpernd hin und her schwangen, und ich war sorgfältig rasiert, das Haar ganz streng geschnitten und akkurat gekämmt, was daran lag, dass ich mich seit neuestem mit grossem Ernst um ein tadelloses militärisches Erscheinungsbild bemühte. Tief atmete ich die Luft ein, die lind war, frühlingsmild, ohne schon so warm zu sein, dass die stinkenden Dünste der Stadt bis hierher trugen. Eigentlich war das doch die schönste Jahreszeit in Rom, dachte ich mir, und besah mir im Vorübergehen die Gärten, buntgetupft von Frühlingsblumen. Beschwingt bog ich um eine Ecke, wo satt leuchtend der Goldregen über eine Mauer quoll, und schon stand ich vor der Casa...


    Zitat

    Original von Marcus Decimus Valentinus


    ...und traf dort auf einen jungen Mann, so etwa in meinem Alter denke ich, der anscheinend auch gerade eintreten wollte. Der alte Marcus stand in der geöffneten Türe. "Verwandschaft besuchen... richtig hier?", schnappte ich gerade noch auf.
    "Salve!", rief ich, den Besucher überrascht, und neugierig zugleich, anblickend. Ein Verwandter von mir? Er kam mir, auf den ersten Blick jedenfalls, nicht bekannt vor, aber das hatte bei unserer weit-, von Hispania bis nach Achaia und darüber hinaus verzweigten Verwandschaft, ja nichts zu sagen.
    "Ich bin Faustus Decimus Serapio. Ähm... kennen wir uns?"
    Und auch dem Ianitor, diesem Urgestein des Hauses lächelte ich fröhlich zu.
    "Salve Marcus! Wie geht's? Ich hab mal wieder Ausgang - nur für heute aber immerhin - weil ich was in Rom zu erledigen hatte. Lässt Du uns rein?"


    ---


    [Blockierte Grafik: http://img169.imageshack.us/img169/8343/sklaveianitorfr0rt1.jpg]


    Gerade wollte der alte Ianitor zu einer Begrüssung des Neuankömmlings ansetzen, als der junge Serapio um die Ecke kam, und, wie das so seine Art war, gleich drauflos redete. Ja, das jugendliche Ungestüm...
    "Willkommen die jungen Herren", sprach Marcus gemessen, als er wieder zu Wort kam, und lächelte, wobei die Falten noch ein Stück tiefer wurden, die sich feinverästelt, wie ein Netz über sein Gesicht zogen, und von den Höhen und Tiefen eines langen Lebens kündeten.
    "Da bist Du hier ganz richtig.", beantwortete er die Frage Valentinus', "Bitte, tritt doch ein!"
    Die schwere, eisenbeschlagenen Türe ächzte leise in den Angeln, als Marcus sie weiter öffnete.
    "Danke, man schlägt sich so durch", antwortete er dann Serapio, und schmunzelte. "Aber natürlich."
    Er trat ein Stück zur Seite, und machte den beiden jungen Decimern eine einladende Bewegung mit der Hand, die ihnen den Weg durch den dunklen Gang der Fauces, hin zum lichten Atrium wies.

    Zitat

    Original von Caius Columnus
    Caius war derjenige, der öffnete, um dem das Papyrusgladius entgegen gereckt wurde. Er blinzelte den Mann mit dem seltsamen Blick an und blickte dann auf das Schreiben herunter. Dann nahm er den Brief an sich. "Von deiner Legion, ja?" hakte er grinsend nach und zuckte sogleich mit den Schultern. "Alles klärchen. Werd ich dem auctor auf den Schreibtisch legen. Aber du hast leider kein Glück, er hat die domus eben verlassen und kommt erst in ein paar Tagen wieder", offenbarte er dem schlammbespritzten Mann dort vor der porta und zuckte mit den Schultern, während er das Pergament abwesend in den Händen drehte.


    "Aha." War schon seltsam wie dieser Mann grinste und wie prompt er den Auctor für abwesend erklärte... Ja, fast hätte man meinen können, der Chef liesse sich verleugnen. Aber nein, sagte ich mir, der konnte ja unmöglich wissen was in dem Brief hier stand, und ausserdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass der Leiter der Acta sich vor einem simplen Kritikbrief so scheute.
    "Dann bring ihn eben der Auctrix PPA, oder dem nächsten Zuständigen, oder gib dem Auctor Bescheid.", meinte ich genervt, und betonte: "Diesen Brief hat die halbe Prima unterzeichnet mitsamt des Praefectus und des Legatus Legionis, er gehört ohne Aufschub gedruckt."
    Als wir vor einer Weile die grosse Unterschriftenaktion in der Castra gestartet hatten, da hatte ich mich natürlich auch schlaugemacht wann denn Redaktionsschluss war, und ich wusste, dass der Brief dafür noch rechtzeitig war. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt ja nicht, dass die Acta ihn trotzdem einfach nicht abdrucken würde.
    Mit einem knappen "Vale", wendete ich mich zum Gehen, kehrte dem Haus den Rücken und ging die Strasse entlang, stadteinwärts. Mein Pferd konnte etwas Ruhe gut vertragen, und so beschloss ich mit gutem Gewissen, den Rest des Tages in Rom zu verbringen, um erst am nächsten Morgen wieder in Richtung Mantua aufzubrechen.

    Etwas düsteres war heute um den Centurio, in der Art wie er sprach, in seinen Bewegungen als er mir eigenhändig Wein einschenkte. Ich hielt den Becher in den Händen, musste dabei zurückdenken an Parthien, und an die vielen Scheiterhaufen. War ansteckend, dieses düstere.
    "Danke Centurio. Ich habe es von einem Hirten gelernt, der für meine Grosseltern die Schafe gehütet hat, bei Tarraco in der Nähe. Iraido. Er war wirklich ein grosser Künstler, auch wenn er normalerweise nur für die Berge gespielt hat, und für seine Herde."
    Wunderschöne Musik hatte er gemacht, und ich hatte mir damals immer vorgestellt, wie die Oreaden aus den Bergen herbeikamen um ihm zu lauschen. Ganz weltabgewandt war er aber nicht gewesen, und hatte immer gerne mein Taschengeld genommen, das ich ihm vorbeibrachte für den Unterricht, den er mir gab. Was meine Mutter sehr missbilligt hatte, denn sie glaubte, dass die Musik mich verweichlichen würde.
    "Und später habe ich auch eine Zeitlang Unterricht in Rom genommen." Bevor mir dann das Geld ausging.
    Es freute mich, dass der Centurio auch unserer Meinung war über den Acta-Artikel, dass man den nicht so hinnehmen konnte. Sehr zufrieden sah ich, wie er seine schön geschwungene Unterschrift (besonders das 'A', sehr elegant) über unsere Namen setzte, und nickte bereitwillig, als er meinte, dass er ihn sich noch in Ruhe anschauen wollte. Morgen würde ich dann darangehen noch mehr Unterschriften dafür zu sammeln.
    "Auf die Zusammenarbeit!", wiederholte ich, und fühlte mich sehr geehrt dabei. "Danke Centurio!" So besonders schwer war es ja auch nicht gewesen.
    Ich trank einen tiefen Schluck, und bemerkte überrascht, dass der Wein ganz pur war. Aber gut! Mich auf der Kline streckend trank ich noch einen. Ja, der Centurio wusste zu leben. Das Licht der Öllampe liess die Saiten seiner Kithara weich schimmern. Ein schönes Instrument, das ich leider nie zu spielen gelernt hatte.... da hatte ich eine Idee.
    "Wie wäre es...", fragte ich mutig, "wenn wir vielleicht mal zusammen musizieren würden, Centurio?"

    Schritt für Schritt schwankte ich davon, sah dann noch einmal zurück und hob die Hand für einen Abschiedsgruss. Ich hoffte sehr, dass Sparsus recht behalten würde! Kummervoll und auch sonst total voll torkelte ich durchs Lager, und suchte vergeblich nach unserem Zelt, bis meinem benebelten Geist irgendwann aufging, dass es ja eine Baracke war, die ich suchen musste. Diese Erkenntnis vereinfachte die Sache, und bald polterte ich in unsere Stube, wobei ich alle aufweckte die dort schon schliefen, und fiel längelang auf meine Pritsche.
    "Gute Reise Marcus... geht der einfach nach Germanien, pff... lass Dir nix gefalln von den Barbaren, Marcus... Roma *hick* victrix, immer dran denken", murmelte ich noch im Eindämmern vor mich hin. Dann war ich weg.


    Sim-Off:

    :wink: Adios, und viel Spass da oben!

    Das mit dem Probatus, war das etwa eine Anspielung? Ein Blick auf Sparsus' Gesicht überzeugte mich, dass es nicht so war, und ich lachte leise bei der Vorstellung. Wenn es eh (fast) egal war was man machte, dann konnte man die Sache natürlich (fast) ganz entspannt angehen.
    "Ja, gut."
    Gesagt getan. Wir verliessen den Sitzplatz unter der Platane und begaben uns zurück zu den anderen in die Lagerhalle, um uns auch hinzulegen, schliesslich würden wir morgen früh schon wieder weitermarschieren, Sparsus nach Mantua und ich Richtung Rom...

    Ganz leise aufseufzend genoss ich das wohlige, aufregende Gefühl von Hannibals Lippen an meinem Hals, und hauchte: "Phantastisch geht's mir... ganz wunderbar... - Aber ach, ich hab nur kurz frei, leider. Bei Morgengrauen muss ich im Lager zurück sein, allerspätestens. Ich hab nur die Nacht..."
    Das hatte schon fast was poetisches. Ein Freund von ihm? Irgendwie gefiel es mir nicht, wie er kurz zögerte als er 'Freund' sagte. Womöglich war derjenige mehr als ein Freund...? Auf einmal beschlich mich eine unschöne Anwandlung, die man nur als Eifersucht bezeichnen konnte, und die Vorstellung, dass Hannibal irgendwelche anderen Verhältnisse pflegte, war mir ganz unerträglich. Sei nicht albern, sagte ich mir, klar hat er welche, wieso auch nicht, du warst ewig weg, sowieso ist das mit ihm was mehr als lockeres, bleib kühl Faustus, liebe lieber ironisch, Eifersucht macht hässlich! Aber so wirklich half das nicht.
    "Dann lass ich mich mal überraschen", lachte ich, ein bisschen künstlich, "ich hoffe man kann da tanzen, ich hab wahnsinnig Lust zu tanzen!"
    Oh, dieses Glitzern in Hannibals Augen. Es überrieselte mich heiss!
    "Mhm, wer weiss", grinste ich, und liess mich willig von ihm an der Hand nehmen und mitziehen, ging dann dicht neben ihm, wobei es mir Spass machte, ihn immer mal wieder, wie zufällig zu streifen. Kleine, ganz flüchtige Berührungen, die rauhe Wolle seines Umhanges, sein kühler Handrücken an meinen Fingerspitzen, ein Atemzug in dem ich seinen angenehmen Geruch herausspüren konnte. Was war das, Sandelholz vielleicht?


    So vertieft in die Präsenz des Mannes neben mir, achtete ich zuerst kaum auf die Schönen der Nacht, die sich entlang des Viscus Tuscus präsentierten. Man kann nicht sagen, dass diese Strasse mir unangenehm war, viele der Jünglinge dort waren ja durchaus ansprechend, aber es erinnerte mich halt an Zeiten, die ich am liebsten aus meinem Leben gestrichen hätte, und meine Schritte beschleunigten sich ein wenig. Auf einem der Pueri verweilte mein Blick aber doch etwas länger, er hatte etwas orientalisches an sich, schmale Hüften, dunkle Locken und schön geschnittene Züge, vulgär geschminkt zwar, aber er wirkte schon recht anziehend... Unwillkürlich muss ich ihm wohl Interesse signalisiert haben denn er bot sich uns an, und stürzte sich, als Hannibal ablehnte, förmlich auf mich. So plump und routiniert die Anmache auch war - sie verfehlte nicht ihre Wirkung auf mich. Und teuer war er auch nicht. Wäre ich nicht schon mit einem viel spannenderen und noch unglaublich viel besser aussehenden Mann unterwegs gewesen, wäre ich bestimmt drauf eingegangen. So lachte ich über die Bezeichnung als 'Stier', und strich dem Puerus mit dem Handrücken über die blosse Schulter - der musste ganz schön frieren - um ihn dann freundlich abzuweisen.
    "Mhm, sehr verlockend. - Vielleicht ein anderes Mal, dulcis."
    Entschlossen löste ich mich aus der Umarmung, fuhr mit der Hand unauffällig an den Gürtel um mich zu vergewissern dass mein Geldbeutel noch da war wo er hingehörte (das war er), und ging schnell weiter, mit einem fast entschuldigenden Seitenblick zu Hannibal, dabei konnte ich ja nichts dafür dass der mich angemacht hatte. Der Moschusduft hing mir noch eine ganze Weile in der Nase.


    "Was ist das eigentlich für ein Freund, zu dem wir da gehen?", erkundigte ich mich dann doch, während wir weiter die Strasse entlangmarschierten, in Richtung des Forum Boarium oder des Circus, und erzählte etwas nachdenklich: "Es ist wirklich schön wieder in Rom zu sein. Ich habe vorhin gleich meine Familie besucht. Aber ich kann es noch fast nicht glauben, es kommt mir immer noch ein bisschen unwirklich vor wieder hier zu sein..."
    Die Statue des Vertumnus in der Löwenhaut tauchte am Strassenrand auf, beladen mit den Früchten die er uns Menschen brachte, auch dies ein vertrauter Anblick.

    Wie ein Echo stimmte ich in Lucillas Nicken ein, grinste als sie die Dinge (beinahe) beim Namen nannte, und lächelte beifällig bei dem Namen Lucius - der war doch gut, schön und patriotisch zugleich.
    Was ich von einer Legion hielt?
    "Äh.... Also dazu würde ich auch nicht nein sagen.", lachte ich.
    Denn das war doch ein Scherz gewesen. (Oder?) Klar klang das gut, aber meine Träume reichten eigentlich 'nur' bis zu einer Ala, die allerkühnsten und fernsten zu einer Ala miliaria. Allerdings hatte mir Tante Lucilla da schon einen Floh ins Ohr gesetzt...
    Morgen früh?! Ehrfürchtig blickte ich meine Tante an, die morgen früh schon den derzeit mächtigsten Mann von Rom sprechen konnte. Aber ich zauderte.
    "Oh. Eigentlich meinte ich das schon ein Stück, ähm, langfristiger. - Ja, lieber etwas später. Ich weiss gar nicht ob ich zur Zeit schon, naja, genug vorweisen kann. Und es liegt auch in der Luft, ob ich vielleicht, möglicherweise zum Optio befördert werde..." - ich klopfte auf das Holz der Lehne und dachte hoffentlich, hoffentlich! - "jedenfalls wurde ich vorgeschlagen, oh ich hoffe so sehr dass das klappt, da könnte ich Erfahrung mit dem Kommandieren sammeln. Mit Befehlsgewalt. Das ist wichtig."
    Aber eines fragte ich mich schon: wie kam Lucilla dazu, ihrem Patron so einen niedlichen Kosenamen zu verpassen?
    "Kennst Du Deinen Patron eigentlich gut?", fragte ich vorsichtig nach, und beschwerte mich gleich im Anschluss: "Ausgang habe ich leider nur ein paar Stunden heute, die sind da echt geizig. Zu Morgengrauen muss ich zurück sein, und einsatzbereit" - ich rollte mit den Augen - "sonst zieht mir der Centurio die Haut bei lebendigem Leibe ab! - Hat er jedenfalls behauptet. Der Schwätzer. Das ist aber nicht mein normaler Centurio, der ist viel umgänglicher aber dafür mit echter Authorität, der hat sowas nicht nötig, der ist wirklich ein toller Anführer! Und grossartiger Kämpfer. Flavius Aristides heisst er. Ach Du kennst ihn ja auch! Oder nicht? Er hat jedenfalls einmal sehr, ähm, positiv von Dir gesprochen, in den höchsten Tönen, wirklich."
    Aber da war doch noch etwas, was man auch zelebrieren sollte. Feierlich erhob ich mein Glas, ein bedeutsamer Moment war das!
    "Dann auf uns, auf das neue Band zwischen uns, und auf die Zukunft! Zum Wohl, Patrona!"

    Schnell waren die Tage des Rittes von Mantua nach Rom verstrichen, das Wetter war ganz in Ordnung gewesen, das Pferd ausdauernd, und bis auf mal ein verlorenes Hufeisen, schlammige Strassen oder meinen schmerzenden Hintern waren mir keine Schwierigkeiten begegnet, keine Wegelagerer, keine Gewitterstürme oder weggeschwemmten Brücken... Ziemlich unspektakulär eigentlich für so eine, wie ich fand, bedeutsame Mission wie die meine.
    Pferd und Waffen hatte ich vor der Stadt gelassen. Steifbeinig von dem langen Ritt ging ich nun durch die Strassen, direkt zum Gebäude der Acta, mit schlammbespritzten Caligae und klimperndem Cingulum. Früher, wenn ich an diesem Haus vorbeikam, hatte ich immer stolz gedacht 'Hier ist meine Tante Chefin!', und eigentlich las ich auch immer sehr gerne die Acta, aber heute mass ich das Gebäude mit grimmigem Blick: Dort drinnen hatte man schlecht über die Prima geschrieben! (Wenn einer über den Feldzug herziehen durfte, dann wir, aber nur ja kein Aussenstehender...)
    Energisch klopfte ich gegen die Türe, und als mir aufgetan wurde, zückte ich sogleich den Brief, richtete ihn wie ein Gladius auf mein Gegenüber, überreichte ihn und sprach dazu mit finsterer Miene:
    "Salve. Ich bin Optio Decimus von der Legio Prima, und dies ist ein Leserbrief, von meiner Legion an die Redaktion der Acta!"


    An die Redaktion der Acta Diurna
    Rom


    Mit grosser Empörung haben wir, allesamt Soldaten der Legio Prima Traiana Pia Fidelis, in der letzten Acta in dem als "Frühlingsmärchen" titulierten Artikel die abfälligen Worte über unsere Leistungen, und die unserer Waffenbrüder der anderen Legionen an der Front in Parthia gelesen. Da wird erbittert über den herzlichen Willkommensgruss, den die Zeitung Imago anläßlich unserer Heimkehr auf die Titelseite gesetzt hat, hergezogen, da werden der Sieg von Edessa, die Erstürmung Circesiums, die Verteidigung Armeniens und unserer Grenzen im Osten gerade mal so lapidar als wohl kaum triumphal herabgewürdigt. Die Rückkehr der Legio Prima aus dem Krieg, die Ankunft in Italia, war der Acta hingegen wohlgemerkt keinerlei Notiz wert.
    Mag diese tendenziöse Schreibe auch dem Zweck dienen, ein konkurrierendes Blatt mit aller Häme zu treffen, so ist solch eine Polemik der kaiserlichen Zeitung doch in keinster Weise würdig!
    Jener Schreiber, der wohl kaum in seinem Leben ein Schlachtfeld von weitem gesehen hat, jener Mann, der in seiner Stube im sicheren Rom solcherlei Schmähungen verfasste, sollte sich besser auf den Patriotismus besinnen, der Rom gross gemacht hat. Er sollte nur einmal der Soldaten gedenken, die auf den Schlachtfeldern des Ostens ihr Leben gaben, um den Feind in die Schranken zu weisen. Sie sind für die Sicherheit unseres Römischen Imperiums gestorben, und für unseren geliebten Imperator - möge er seinen Platz unter den Göttern finden - aber auch für einen jeden Bürger des Reiches. Mit Fug und Recht sind sie als Helden zu bezeichnen, und jener Schreiber möge es sich zweimal überlegen, bevor er das Andenken unserer gefallenen Kameraden auf solch plumpe Weise verächtlich zu machen sucht!



    Die Soldaten der Legio Prima Traiana Pia Fidelis:
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    F. Decimus Serapio, Optio

    Q. Marius Musca, Miles
    Sp. Luscius Silio, Miles
    X X X (S. Velius Rupus, Miles)
    L. Antius Dasius, Miles
    Ser. Seius Nasica, Miles


    K. Caecilius Macro


    Marcus Iulius Sparsus
    Optio, I Kohorte II Centurie


    Appius Terentius Cyprianus, Ta, I.Leg


    Livius, librarius praefecti castrorum


    M. Iul. Lic., optio ad spem ordinis


    Caius Valerius Tacitus


    Gaius Tiberius Andronicus
    Duplicarius, I Turma


    Lucius Ovidius Agrippa
    Decurio, I Turma


    Optio Tallius Priscus, Coh IX, Cen IV


    A. Bavius Cat., Leg. I.


    Tiberius Artorius Imperiosus
    Centurio, IX Kohorte IV Centurie


    Miles Gnaeus Aburius Marcellus
    I Kohorte I Centurie


    L. Artorivs Avitvs praefectvs castrorvm


    Q. Tiberius Vit., Leg. I.

    Bei der Reiterei hatte ich mir ein schnelles Pferd ausgeliehen, die Satteltaschen waren voll Proviant, und der Brief mit den vielen, vielen Unterschriften - sogar der des Legaten, sogar der des Praefectus! - lag wohlverwahrt in einer Lederhülle in meiner Gürteltasche. Es war ein klarer Morgen, als ich das Pferd durch das Tor hinaus führte, um mich auf die Mission zu begeben, das Schreiben selbst nach Rom zur Acta zu bringen. Zum Glück war mein Centurio auch einverstanden gewesen. Mit einem ganz feierlichen Gefühl schwang ich mich in den Sattel - es ging bei der Sache ja schliesslich um das Ansehen unserer Legion! Ausserdem fühlte ich mich sehr bestätigt durch die viele Zustimmung. Decimus Serapio, Speerspitze des patriotischen Protestes, unerschrockener Verteidiger der Prima gegen die vaterlandslosen Hyänen von der Presse! So ungefähr.
    Wenn dabei ausserdem ein Tag in Rom für mich raussprang - um so besser. Beschwingt trieb ich das Pferd in einen schnellen Schritt, ritt vorüber an Mantua, liess es dann in einen flotten Trab fallen, und schlug den Weg nach Süden, nach Rom ein.

    Zitat

    Original von Quintus Tiberius Vitamalacus


    In der Erwartung, jetzt gleich zusammengestaucht zu werden, in der Hoffnung das mit Anstand zu überstehen, stand ich vor dem Legaten, der meinen Brief vor sich liegen hatte. Ich wappnete mich schon innerlich - und machte grosse Augen als er statt dessen selbst unterschrieb. Ungläubig blickte ich auf die Spitze der Feder, die den Schriftzug auf das Blatt zeichnete, schwarz auf beige. Das war wirklich eine Überraschung.
    "Jawohl Legatus! Zu Befehl, Legatus!", gab ich zackig zur Antwort. Und sah vor mir ein Heer von gefährlichen Schreibern, die mit spitzen Federn und Schreibrohren drohten, mit schweren Schriften, ätzender Tinte und erdrückenden Schlagzeilen... ihnen gegenüber die Prima in Schlachtformation, unerschrocken, den Adler kühn gegen den Himmel gereckt... ein heroisches Bild.
    Ich vertrieb es und salutierte noch einmal vor dem Legaten, um dann mitsamt des Briefes wegzutreten. Deutlich unbeschwerter als zuvor war mein Gang, als ich die Principa wieder verliess. Hm... 'sorge dafür dass der Brief sicher nach Rom kommt', hatte er gesagt... das hiess doch, dass ich da am besten selbst dafür sorgte. Ja, unbedingt!

    An diesem Abend nahmen die Umarmungen kein Ende und das war gut so. Ich drückte Seiana an mein Herz und lachte: "Hab ich schon gesagt wie schön es ist wieder hier zu sein?"
    Dass ich mich später - aber erst viel später! - noch zu einem Rendezvous davonzumachen gedachte, das behielt ich lieber erst mal für mich.
    "Ich stehe Dir vollstens zur Verfügung!", verkündete ich, mit einer feierlichen Verbeugung, und liess mich in den bequemen Sessel sinken. Geniesserisch fuhren meine Finger über die feinen Stickereien auf einem der weichen Kissen. Was es bedeutete einen Raum ganz für sich zu haben, das war mir erst klargeworden seitdem ich mir mit sieben anderen ein Zelt teilen musste - oder auch nur fünf mittlerweile, es war trotzdem eng, und Rupus sägte jede Nacht ganze Wälder.
    "Ja, also wenn Du gerade was da hast... würd ich auch noch was essen."
    Wirklich hungrig war ich zwar nicht mehr, aber Appetit hatte ich immer noch, kein Wunder bei der Aussicht dass es ab morgen wieder Puls gab.
    "Hm... ja... ja fast, es ist was parthisches, das stimmt schon mal. Ach, da fällt mir ein, ist eigentlich der Sklave den ich hierher geschickt habe, auch angekommen, Tsiáhar?"
    Ich schnürte die Caligae auf und zog die Beine auf den Sessel, machte es mir im Scheidersitz gemütlich. Dann fischte ich aus meinem Leinensack das Mitbringsel hervor, und schlug den dicken Stoff auseinander in den ich es zum Schutz eingerollt hatte. Zum Vorschein kam die kleine Alabasterstatue, die Frau mit den bläulichen Mondsteinaugen, die nur ihr langes, kunstvoll herausgearbeitetes Lockenhaar, und darin die Mondsichel trug. Ich wusste nicht was sie darstellte, auch wenn sie mich ein klein bisschen an Bildnisse der Isis erinnerte, aber ich fand sie schön und geheimnisvoll. Zu einer Frau passte sie ausserdem viel besser, und lächelnd stellte ich sie vor Seiana auf den Tisch. Die alabasternen Glieder schimmerten in einem durchscheinenden Weiss. Aber komischerweise kam mir die Statue, nur handhoch, zart und blass und bloss, in dem grossen Zimmer auf einmal so verloren vor, und mir schoss sogar der verrückte Gedanke durch den Kopf, ob sie nicht möglicherweise Heimweh nach Mesopotamien haben könnte. Sehr eigentümlich, das, ich hatte mal wieder zu viel Phantasie.
    "Die ist für Dich, ich hoffe sie gefällt Dir. - Aber sag mal, was machen überhaupt unsere Brüder, Du hast mir doch geschrieben, sie wären auch nach Rom gekommen?"
    Da klopfte es deutlich an der Türe, ich wandte den Kopf und blickte dorthin, neugierig wer Seiana da besuchen wollte.