"Mich freut es auch!", antworte ich fröhlich meinem Cousin Valentinus, während wir zusammen von der Porta ins Haus hinein gingen. Nur ganz vage hatte ich mal von ihm gehört, ich hatte ja auch Onkel Lucidus nie näher kennengelernt. Valentinus schien mir ganz überwältigt zu sein von dem schönen Atrium, und er erklärte auch wieso:
"Noch nie im römischen Reich?!", wiederholte ich ungläubig, und sah meinen Cousin mit grossen Augen an.
"Bona Dea, wie schrecklich! - Wirklich? Du bist unter Barbaren aufgewachsen, im Ausland?!"
Der Arme! Das war ja noch schlimmer als Exil! Kein Wunder dass er staunte, hier in Rom, dem Herzen des Imperiums, wenn er doch von jenseits der Grenzen der zivilisierten Welt kam!
(Naja, wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich schon gesehen, dass es auch woanders auf der Welt Kultur gab... aber trotzdem, das war nicht das selbe!)
Ich setzte mich ihm gegenüber, auf die Tuffsteinbank am Rande des Impluviums. Hell flutete Sonnenlicht durch die Öffnung im Dach, und glänzte auf dem Wasser in dem Becken, dessen glatte Oberfläche durch die Erschütterung unserer Schritte sich jetzt leicht kräuselte. Die Strahlen wärmten angenehm mein Gesicht, ich hob es und blinzelte in die Sonne.
Ein junger Sklave näherte sich, ein Junge mit blondem wuscheligem Haar. Der kam wie gerufen.
"Salve! Bringst Du uns bitte etwas zu trinken? Und auch was zum Prandium."
Meine Kehle war ganz staubig, hungrig war ich auch, und Valentinus sah erst recht so aus als ob er eine Stärkung gut vertragen könnte.
"Oder isst die Familie heute zusammen?", erkundigte ich mich noch, doch der Junge verneinte. "Und sag doch bitte dem Senator Bescheid, dass Decimus Valentinus, der Sohn von Decimus Lucidus gerade angekommen ist."
"Mach ich," meinte der junge Sklave, "wenn der Senator zurückkommt. Er ist nämlich gerade ausser Haus."
"Ach so." Ich stützte den Arm auf die Seitenlehne und wandte mich wieder Valentinus zu, und zugleich dem weiten Feld unserer Familie.
"Ja also", begann ich, "ich komme aus Tarraco, und ich bin der jüngste Sohn von Silanus. Normalerweise bin ich gar nicht hier in Rom, das ist nur eine Ausnahme heute, sonst bin ich in Mantua, wo ich bei der Legio Prima diene. Als Optio seit kurzem. Wir sind gerade aus dem Osten zurückgekommen, von dem Feldzug gegen die Parther... Onkel Livianus ist dort verschollen. Er war der Legat der Prima. Wir wissen nicht was mit ihm ist...
Meine Schwester Seiana lebt aber hier im Haus, die wirst Du bestimmt noch kennenlernen. Onkel Meridius ist natürlich der Hausherr, und Pater Familias. Er freut sich bestimmt, dass Du hier vorbeischaust. Dann wohnt noch seine Frau hier, Iulia Severa, wen sie nicht auf dem Landgut ist, und die beiden haben einen ganz kleinen Sohn, Optatus. Ihr anderer Sohn, Maximian ist vor einiger Zeit gestorben."
Ich machte eine Pause und sah hinüber zu den Alae, von wo die Masken der Ahnen uns ernst entgegenblickten.
"Onkel Mattiacus wohnt auch hier. Er arbeitet im Palast, hm..., was genau weiss ich jetzt gar nicht. Etwas bedeutsames zweifellos. Du musst ihn mal nach den Germanienreisen fragen, die er früher unternommen hat, er kann da tolle Geschichten erzählen! - Und dann ist da natürlich noch Tante Lucilla! Sie hat aber geheiratet, auch einen Senator, und wohnt deshalb leider nicht mehr hier. Sie ist eine richtige Matrona jetzt, und macht auch Politik. Ausserdem wohnt noch Pulchra hier, eine Cousine aus dem griechischen Familienzweig... - Das waren jetzt, glaub ich, alle, die Du zur Zeit hier in Rom antreffen kannst. Wenn Du sie erwischst. Wie das so in der Familie liegt, alle sind ständig unterwegs und nie zu Hause."
Während ich da erzählte und erzählte, kam der kleine blonde Sklave zurück, mit zwei Bechern und zwei Krügen. Er schenkte uns ein, wobei er den Wein moderat mit Wasser mischte, und stellte auch schon mal eine Schale mit Oliven auf den Tisch, dazu knuspriges Brot und Schafskäse.
"Wie ist das, wirst Du länger bleiben?", erkundigte ich mich neugierig und griff nach dem Becher.
"Und wie, wenn ich fragen darf, kommt es dass Du ausserhalb des Imperiums aufgewachsen bist?"