Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Wie betäubt von der entsetzlichen Nachricht stand ich inmitten meiner Kameraden, ohne überhaupt noch irgendwas mitzukriegen. Ich dachte an das, was Onkel Livianus alles für mich getan hatte, und wie er mich damals aus dem Kerker geholt hatte, und dass ich mich dafür gar nicht richtig bei ihm bedankt hatte, und an den letzten Moment wo ich ihm gegenüber gestanden hatte, und an all das was ich versäumt hatte ihm zu sagen, und meine Tränen flossen unaufhörlich. Dann stiess mich jemand in den Rücken und zischte: "Serapio, du sollst auch nach vorn!"
    Was, ich? Verständnislos stolperte ich nach vorne, sah durch den Tränenschleier meinen Centurio, Sparsus und den Optio. Ich schniefte und wischte mir mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht. Gut dass der Centurio uns genau sagte was wir machen sollten. Sonst wäre ich in meinem aufgelösten Zustand völlig aufgeschmissen gewesen. So folgte ich mehr automatisch seinen Befehlen, reihte mich ein, trat vor und nahm Haltung an. Das ganze hatte etwas völlig unwirkliches. Weder dass mein Onkel fort war, noch dass ich hier vor dem Imperator stand konnte ich wirklich glauben. Das alles musste jemand ganz anderem passieren, aber nicht mir, Faustus...
    Ich richtete die verheulten Augen nach vorne, biss mir fest auf die zitternde Unterlippe und schluckte die Tränen runter. Ganz fest versuchte ich mich zusammenzureissen, und salutierte so förmlich und korrekt ich nur konnte, um nicht meinen Centurio vor dem Imperator zu blamieren.

    In Deckung meines qualmenden Schildes zog ich mir schnell den Helm auf - in der Aufregung hätte ich das glatt vergessen, wenn nicht Optio Tallius uns dran erinnert hätte - und zog nervös den Kinnriemen fest. Der Beschuss schien jetzt aber abgeebt zu sein. Ich wagte es, und liess meinen Schild sinken, stiess die brennende Vorderseite gegen den Boden und rieb sie hin und her bis die Flammen erstickt waren. Schwarze Brandspuren blieben auf der farbenfrohen Bemalung zurück, und als Souvenir die Spitze des Pfeiles, die sich tief in das Holz hineingegraben hatte, aber der Schild war noch gut brauchbar.
    Erschrocken sah ich, wie unser Centurio mit seinem verwundeten Pferd kämpfte, kurz sah es beinahe so aus als ob sie beide gleich in den Fluss fallen würden! Aber dann brachte er es doch unter Kontrolle. Ich trat schnell an den Rand der Strasse, um Platz für den Imperator zu machen, und konnte eine kurzen Blick auf ihn werfen, als er umgeben von seiner Garde an uns vorüberbrauste. Das war schon etwas ganz besonders, ihn ständig von so nahe zu sehen, und zu wissen, dass wir den, für den wir alle kämpften, in unserer Mitte hatten!


    Was sich oben am Berghang tat, konnte ich nicht so richtig sehen. Steine rieselten den steilen Hang hinab, mal hörte man ein Wiehern oder Schreien. Ich sah mich nervös um. Irgendwie schien etwas in der Luft zu liegen. Alle warteten angespannt. Ich blickte zu Sparsus, um mich zu vergewissern, dass er nichts abbekommen hatte, dann half ich einem Kameraden mit einer Streifschuss-Wunde am Bein bis zu unserem Capsarius zu humpeln.
    Schon erklangen wieder Befehle, sich marschbereit zu machen. Ich suchte mein Gepäck und nahm es auf, hatte aber überhaupt gar keine Lust, meinen Schild wieder auf den Rücken zu nehmen. Was wenn gleich die nächste Salve käme? Aber ewig konnten wir hier ja auch nicht so rumstehen und warten. Nervös wippte ich auf den Zehen. Es war schrecklich nur zu warten und nichts tun zu können. (So langsam meinte ich nachempfinden zu könne, wie mies sich unsere Reiter in der Schlacht gefühlt haben mussten.)

    Mich traf ein Vorschlaghammer vor die Stirn. Wuchtig und betäubend.
    "Was...?", flüsterte ich entsetzt. "Nein..."
    Die Worte hallten in mir nach. Ist heute von einem Ausritt nicht zurückgekehrt.... weder Anlass zu der Annahme, dass er tot ist noch können wir darauf hoffen, dass er vor Ende dieses Tages in das Lager zurückkehren wird... Was sollte das heissen?!! Der Tribun wurde Legat? Sie ersetzten meinen Onkel? Sie hatten keine Hoffnung dass er wiederkommen würde?!!
    Ich wurde kreideweiss im Gesicht und starrte fassungslos ins Leere. Man verschwand nicht einfach so, hier. Er war tot oder gefangen. Ich wusste nicht was von beiden das schlimmere war. Vollkommen schockiert presste ich die Hand vor den Mund, stand erstarrt, wie gelähmt von diesem Schlag inmitten meiner Kameraden, während die Rede des neuen Legaten über uns weg schwappte. Dann brandete der Jubel auf, und ich spürte, wie meine Augen überflossen, und mir Tränen über das Gesicht liefen. Das konnte doch nicht sein. Das konnte doch einfach nicht sein, dass mein Onkel, der starke, der unbesiegbare Legat, der Held den ich ebenso bewunderte wie dass ich mit ihm haderte - dass er einfach nicht mehr da war...

    Verdammt! Gerade noch hatte ich die Blumen am Rande des Flusses bewundert, verträumt einem schillernden Schmetterling nachgeguckt - da sausten auf einmal Pfeile vom Himmel. Erschrocken liess ich die Tragstange fallen, die mitsamt Gepäck zu Boden polterte und riss mein Scutum vom Rücken. So dicht wie wir da auf der Strasse nebeneinander marschierten, war es wohl keine Kunst etwas zu treffen, und ich sah Kameraden, aus heiterem Himmel niedergestreckt, zu Boden gehen. Feige aus dem Hinterhalt morden, ja darin waren die Parther ganz gross!
    Ein Soldat ganz in meiner Nähe fiel getroffen die Böschung hinab, mitten hinein in den brausenden Fluss, und wurde sofort mitgerissen. Seine Tunika blähte sich auf, und wie rot-silbernes Treibgut wurde er über die Stromschnellen davongetragen, versank dann in der Tiefe. Der würde lange vor uns wieder den Euphrat erreichen, schoss es mir komischerweise durch den Kopf, während ich hektisch meinen Schild schräg gen Hang richtete und geduckt darunter Deckung suchte. Ein brennender Pfeil bohrte sich zu meinen Füssen in den festgetrampelten Boden der Strasse, und einer schlug hart in mein Scutum ein. Die Stelle begann zu kokeln und zu qualmen, aber ich wagte natürlich nicht, den Schild zu senken. Noch ein paar Salven kamen geflogen, ich harrte aus, mit trockenem Mund und angehaltenem Atem, und spürte mein Herz heftig gegen meinen Brustkorb hämmern.
    Mein Schild rauchte immer heftiger. Gaaanz vorsichtig spähte ich dann ein bisschen darunter hervor, und hoch zu den schroffen Hängen, von wo der plötzliche Angriff gekommen war. Wars vorbei?! Kleine Flämmchen leckten schon an der Vorderseite meines Schildes. Ich musste den wirklich dringend löschen!

    Als so plötzlich der Junge auftauchte, erschrak ich, zuckte zusammen und griff, angespannt wie ich war, unwillkürlich nach meinem Gladius. Ich war in das Gespräch vertieft gewesen, aber jetzt huschte mein Blick hektisch über die Umgebung, suchte nach Angreifern, oder einem Hinterhalt. Der Mann da im Hauseingang, hielt er nicht ein Messer in der Hand? Die Frau vor uns in ihren weiten Gewändern - da könnte sie wunderbar eine Waffe drunter verbergen. Die flachen Dächer - perfekt um als Bogenschütze dort wem aufzulauern...
    Aber es war wirklich nur ein Junge, und Mania brachte ihn mit einem energischen Wortschwall wieder zur Vernunft. Erleichtert löste ich die Hand vom Griff des Gladius, etwas verlegen, dass ich mich vor so einem Bengel so erschreckt hatte. Ich blickte zu den anderen Milites, und sah, dass der Zwischenfall aber nicht nur mich in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
    Entschlossen schob ich den Rest der Orange in den Mund, und nahm mein Scutum wieder von der Schulter herunter, um es vor mir zu tragen, und es im Fall der Fälle gleich parat zu haben. Ich meine - so ein Stein, der kann ja auch ganz schön ins Auge gehen.


    Ruhig, als wäre nichts gewesen, führte Mania das Gespräch weiter. Menschen wie Du und ich... Das war zwar kein neuer Gedanke für mich, ich grübelte ja schon seit dem ersten Scharmützel darüber, aber ich hätte doch lieber eine andere Auskunft bekommen.
    Ja, die Schlacht würde ich bestimmt nie vergessen, auch wenn ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, einmal vierzig Jahre älter zu sein als jetzt.
    "Glorreich", wiederholte ich nachdenklich, "ja, so im Nachhinein schon. Wir haben ja immerhin gewonnen. Ich weiss nur nicht ob die Toten und Verkrüppelten es auch als so glorreich bezeichnen würden..."
    Aber dann fiel mir auf, dass ich diese Frau ja gerade mal ein kurzen Augenblick lang kannte, und dass ich, als Soldat, meine Zweifel besser nicht so herausposaunen sollte. Ich zuckte wegwerfend die Schultern, als ob das alles nicht so wichtig wäre, und sah mich um.
    "Oh, da sind wir ja schon. Was willst Du denn einkaufen?"


    Wir hatten nämlich inzwischen einen grossen Platz erreicht, der übersät war mit allerlei Ständen und Buden. Schmale Gassen führten hinein in das Dickicht dieses Bazares, teils überdacht mit Tüchern oder geflochtenen Matten, geheimnisvolle Hohlwege an deren Ende einen die Schätze des Orients erwarten mochten. Oder auch nicht. Viele Stände waren verlassen, die Auslagen leer, und nicht gerade viele Menschen waren unterwegs. Wahrscheinlich glaubten die Leute hier nicht so recht an unsere guten Absichten.
    "Ave Tribun!", grüsste ich den freundlichen Tribun Terentius, der gerade mit seiner Gefolgschaft an uns vorbeispazierte, und auch so etwas suchendes im Blick hatte. Dazu salutierte ich zackig. (Was vielleicht, so mit dem Einkaufskorb am Arm, ein bisschen komisch ausgesehen haben könnte.)

    Ha! Da hatte der Tribun die Gardeoffiziere doch einfach rausgeworfen! Und mit ein paar schmissigen Sätzen rückte er die Welt wieder zurecht. Mir war so ungeheuer patriotisch zumute, und als er sein Schwert in die Höhe reckte, zog ich auch meins, und streckte es begeistert gen Himmel - genauso machten das die Männer um mich rum - und jubelte mit ihnen allen aus voller Kehle:
    "Auf die Prima, für Roma, für den Imperator!"
    (Hätte ich, nur ein Jahr vorher, so ein Schauspiel gesehen, hätte ich mich mit Grausen abgewandt, und um den Brechreiz loszuwerden schnell ein paar Wände mit Nec Deus! Nec Patria! Nec Dominus! Nec Servus! - Parolen verziert. Aber an diesen Tag, in Parthia, als da so die Sonne auf den Klingen blitzte, und unsere Stimmen sich zu einem kraftvollen - wenn auch schmerzhaft lauten - Chor vereinten, da passte es alles zusammen. Wie ein Blatt auf dem grossen Strom wurde ich mitgerissen, in dieser grossen, mächtigen, im Vorwärtsstürmen alles überwindenden Kriegs-Euphorie. Ja, ich hatte mich wirklich sehr verändert.)

    Zu hören, dass die Iulia nicht oder noch nicht die Gemahlin des Tribuns war, verwirrte mich. Das war ja mal gewagt! Da würden sich doch die Leute bestimmt die Mäuler zerreissen - also, mir war es ja natürlich egal, aber trotzdem, eine Frau im Feldlager war schon ungewöhnlich genug, und dann auch noch als unvermählte Begleitung. Der Tribun musste ein toller Hecht sein, dass diese Dame so einfach auf ihren Ruf pfiff. Wie verrucht! Oder vielleicht war es eine grosse Liebe - wie romantisch!
    Optio Tallius erklärte das mit dem 'Mitbringsel'. Ach so, ich nickte, er hatte das wohl nicht abfällig gemeint. Und da erschien auf einmal, so als hätte unser, ich sag mal Tratschen, sie heraufbeschworen, die Besagte. Ich lächelte sie strahlend an, als Licinus uns vorstellte, und zuckte nur kurz spöttisch mit dem Mundwinkel, als sie bemerkte, dass Andronicus es gut überstanden hatte. Ja, die Reiter, die hatten sich ja fein rausgehalten.


    Wider Erwarten zeigte sie keine Scheu, sich zu uns zu setzen. Schnell sprang ich auf, von dem Holzklotz, auf dem ich mich niedergelassen hatte, um ihr mit einer einladenden Geste diese Sitzgelegenheit anzubieten. Als sie fragte, ob wir etwa auch Wein hätten, musste ich ein Schmunzeln unterdrücken. Man konnte doch nicht mit Wasser auf eine Beförderung anstossen!
    Ich selbst setzte mich auf den Boden, neben das Feuer. Sparsus war kurz unterwegs gewesen, und kam mit etwas Brot zurück. Gute Idee. Ich nahm mir ein Stück davon, knabberte daran herum. Irgendwie sah Sparsus, der eben noch uns alle mit seinen flotten Sprüchen unterhalten hatte, auf einmal so in sich gekehrt aus.
    "Hast Du ein Gespenst gesehen?", fragte ich ihn scherzend, und hob den Becher, um mit ihm anzustossen.
    "Auf die Prima, auf uns."

    Uuuh, war das brutal! Ich reichte schnell Verbandszeug an, als der Pfeil draussen war, und litt wirklich mit meinem Kameraden, den der Schmerz aus der Bewusstlosigkeit riss. Er bäumte sich auf - zum Glück war er festgebunden - sank dann wieder zurück. Er schien wegzudämmern, und ich fürchtete schon, er würde es nicht packen. Aber dann öffnete er Asklepios sei Dank die Augen. Ich ging um die Liege herum und löste die Gurte, wischte das Blut weg und legte mit spitzen Fingern das Beissholz und die rotgetränkten Tücher zur Seite. Eines war noch sauber, das feuchtete ich an, und wischte meinem Kameraden vorsichtig den Schweiss von der Stirn. Dann brachte ich, wie gewünscht, einen Becher Wasser, und blieb neben der Liege stehen, lächelte meinem Kameraden zu, während Iulia ihm sanft das Wasser einflösste.


    Jetzt, wo die grösste Aufregung vorüber war, spürte ich wieder, wie lädiert ich selber war. Mein Blick verschmälerte sich auf die Gesichter der beiden, die Schmerzen drängten sich wieder in den Vordergrund und auch die Flauheit kam zurück. Dann gingen meine Ohren zu, mir wurde kalt, und die Geräusche im Lazarett verschwammen, mischten sich zu einem einzigen Brei, der rauschend über mich hinweg strömte. Ich hielt mich an der Liege fest, atmete tief und wackelte mit den Zehen, und versuchte, die schwarzen Schemen, die am Rand meines Gesichtsfeldes aufwogen wollten, wegzukämpfen. Ich konnte doch nicht einfach schlappmachen jetzt, vielleicht wurde ich ja noch gebraucht, und überhaupt wäre es peinlich...
    Ach ja, das Opium... Er konnte es wirklich brauchen. Ich streckte die Hand aus, nach dem Becher, den ich auf einem Tisch daneben abgestellt hatte, aber ich kam gar nicht soweit, denn schlagartig wuchs die Schwärze um mich herum empor, und der Raum kippte einfach zur Seite.


    Als ich wieder zu mir kam, liess mich gerade ein kräftiger Capsarius auf einen Hocker gleiten. Hatte mich wohl aufgefangen, der gute Mann. Verwirrt sah ich um mich. Er klopfte mir auf die Schulter, und eilte weiter.
    "Tschuldigung" murmelte ich verlegen zu der Matrona, und griff mir unwillkürlich an den Kopf, hielt aber inne, als ich den Verband spürte.
    "Brauchst Du mich noch?", fragte ich dann tapfer, und hoffte, dass es nicht der Fall sein würde. Ich wollte mich nur noch hinlegen, alle Viere von mir strecken, und nie wieder aufstehen.

    Schon war der Tribun wieder weg. Ich widmete mich meinem Becher, und trank genüsslich. Aber in kleinen Schlucken. Denn ich wollte mich wirklich nicht zu sehr betrinken heute. Dabei sah ich aus den Augenwinkeln zu Andronicus, und rang mit mir. Eigentlich wollte ich mich ja entschuldigen. Aber jedesmal wenn ich ihn sah, spürte ich da so einen Stachel in meinem Herzen, der mich dazu anspornte, ihm fiese Dinge zu sagen. Ich blickte in meinen Becher, streckte die Beine in Richtung des Feuers, und fragte mich: warum eigentlich. Und ich fand leider keinen anderen Grund als: es war der Neid, der an mir nagte. Er hatte das Pilumwerfen gleich zu anfang sauber hingekriegt, er war Patrizier, er war gleich zur Reiterei gekommen, was natürlich ein Zeichen dafür war dass sein Bruder ihn förderte... wohingegen mein Pilum erst mal Saltos geschlagen hatte, und mein Onkel für mich immer nur Missachtung übrig hatte! Nein, das war einfach nicht fair. Naja, der Auftritt der Praetorianer hatte mir zwar auch etwas Auftrieb gegeben, trotzdem versank ich gerade (kurz) in Selbstmitleid, aus dem mich erst das hohe Lob des Kuchens wieder erweckte. Und da war mein Becher tatsächlich schon wieder fast leer.


    "Das freut mich.", antwortete ich lächelnd Licinus, und ganz kurz kam ich mir befremdlicherweise ein bisschen so vor wie auf einer dieser gepflegten Nachmittags-Gesellschaften, die meine Grosstante so gerne für ihre Freundinnen gibt, und gar nicht mehr wie mitten im Feindesland. Aber da niemand flötete "Also mein Lieber, du musst mir un-be-dingt das Rezept geben", und mich auch niemand säuselnd in die Wangen kniff verflog dieses komische Gefühl dann zum Glück wieder.
    Neugierig wie der Kuchen geworden war, probierte ich selbst ein Stück. Ja, doch, ich war zufrieden. Aber vielleicht sollte ich beim nächsten Mal die Nüsse noch etwas rösten, bevor ich sie in den Teig rührte...? Oder karamellisieren! Ja, das musste ich unbedingt mal probieren.
    Sparsus' gravitätische Verbeugung brachte mich schon wieder zum Lachen. Ich verneigte mich ebenfalls, als er uns einschenkte und antwortete majestätisch: "Es sei verziehen."
    Dann prostete ich fröhlich Macro zu, der inzwischen zum Glück die Sache mit Imperiosus geklärt hatte. Oh, und sogar der oft doch ziemlich strenge Artorier lobte mein Werk. Ich lächelte, verlegen von soviel Lob, und trank schnell noch einen Schluck. Das Gespräch war auf die Frau des Tribuns gekommen, und da musste ich natürlich auch etwas beisteuern.
    "Sie heisst Iulia Helena.", sagte ich ehrfürchtig. Auf diese Dame wollte ich nichts kommen lassen, da bot ich sogar furchtlos Optio Tallius die Stirn.
    "Wieso 'Mitbringsel'? Sie ist doch seine Frau, oder nicht?" - Hatte ich jedenfalls irgendwo mal gehört, und etwas anderes konnte ich mir auch nicht vorstellen - "Und eine vornehme Dame, das merkt man gleich."

    Was für eine atemberaubende Landschaft! Selbstvergessen liess ich während des Marschierens die Hand durch die hohen Gräser neben der Strasse gleiten. Ich war ganz am Rand unserer Kolonne, neben der Böschung wo es hinunter zum Fluss, mit dem exotischen Namen Chaboras ging, und warf im Gehen immer wieder verzückte Blicke auf die Landschaft. Das unglaubliche Blau des Flusses! Die majestätischen Flanken der Berge! Die Blütenpracht am Rande des Gewässers! Langstielige Hyazinthen, Klatschmohn und Lilien, und viele Blumen deren Namen nicht kannte, säumten den Fluss wie ein farbenprächtiger Teppich. Tief atmete ich die klare Luft ein, schon längst nicht mehr so heiss und sengend, sondern mild und angenehm, und wünschte mir, ich könnte dies alles malen... Oder vielleicht in einem Gedicht festhalten.
    Während unseres Weges durch die Berge war es mir, als würde sich mein Geist bei jedem Pass, den wir überquerten, bei jedem Gipfel den wir hinter uns liessen, aus den Niederungen des Alltäglichen befreien, und in immer grössere Höhen aufschwingen. Die Greuel der Schlacht, obschon erst wenige Wochen alt, hatte ich weit weg geschoben, meine Wunden waren gut verheilt, und auch an die Narbe, die in meinem Gesicht zurückgeblieben war, hatte ich mich gewöhnt - ja, ich fand sie inzwischen eigentlich ganz fesch. An solchen Tagen wie heute, wo das Marschieren leichtfiel und die Landschaft mich mit ihrer Schönheit berauschte, vergass ich beinahe, dass wir im Krieg waren, und bildete mir ein, dies alles wäre nur ein Abenteuer, eine spannende Reise mit meinen Kameraden, zu den Wundern des sagenumwobenen Zweistromlandes...

    Das freute mich aber, dass der Kuchen solchen Anklang fand! Ich setzte mich, kramte meinen Becher hervor, und streckte auch die Hand nach Macros Becher aus. Verwundert sah ich dann auf. Was, Macro hatte als vermisst gegolten? Wieso hatte denn keiner im Lazarett nachgesehen?
    Plötzlich sprach mich Optio Tallius an, in ganz strengem Tonfall. Oh je, was hatte ich denn angestellt? Erschrocken wandte ich den Kopf zu ihm, und erst mit einer kleinen Verzögerung erkannte dann auch ich den Scherz. Ich lachte erleichtert, und ein bisschen verlegen. Da ich zu den Glücklichen gehört hatte, die nach Edessa gedurft hatten, war es ja keine so grosse Kunst gewesen, mit dem Kuchen.
    Ach..... dieses schiefe Grinsen, so verwegen, da wurde mir ganz anders.
    "Zu Befehl Optio", lachte ich, "wozu sind die Milites da, wenn nicht um ihren Optio glücklich zu machen?"
    Einen Augenblick lang sah ich ihn sehr schwärmerisch an, und dachte so bei mir, dass ich für noch so ein Lächeln gerne Dutzende von Honigkuchen backen würde... Dann riss ich mich zusammen und schimpfte mich kitschig. Aber er hatte es mir nun einmal einfach angetan.


    Schnell streckte ich die Becher Sparsus entgegen, als er einschenkte. Hatte er nicht eben was gemurmelt von Wein verstecken? Empörend.
    "Marcus Sparsus", sagte ich gewichtig, "höre ich da etwa Zweifel? Hier, Du kannst uns gleich mal solidarisch einschenken."
    Ein Ruck schien durch die Runde zu gehen, als auf einmal der Tribun der Reiterei auftauchte. Ach so, der war ja auch ein Iulier. Ich war mir zwar nicht ganz sicher, aber vorsichtshalber machte ich es mal wie Sparsus, stellte die Becher ab und grüsste den Mann schön korrekt.

    Über die Schulter sah ich nochmal zu den anderen zurück, und war froh, dass sie uns folgten. Alleine wäre ich nämlich gar nicht gerne in Edessa unterwegs gewesen, so feindselig wie die Menschen hier uns beäugten. Ach, und ich musste unbedingt daran denken, heute Honig und Nüsse und die anderen Zutaten zu erstehen, um für das Fest von Licinus einen Kuchen backen zu können. Ich steckte noch einen Orangenschnitz in den Mund, und zügelte meine Schritte, um sie dem Tempo der alten Dame anzupassen. Hmm. Die jungen Frauen fürchteten sich also. Ich kaute erst mal zu Ende und schluckte - denn ich wollte nicht unmanierlich sein - bevor ich antwortete:
    "Das müssen sie aber nicht. Wir sind ganz friedlich hier in der Stadt. Nur um unsere Vorräte aufzufüllen."
    Es mag etwas halbherzig geklungen haben, denn so richtig überzeugt war ich selbst nicht davon. Die Situation war angespannt, nur ein Funken mochte fehlen, damit das ganze hellauf in die Luft ging. Und so manche von meinen Kameraden (die sonst ganz in Ordnung waren) fühlten sich, glaube ich, von den Diplomaten ums Plündern, Schänden und Brandschatzen betrogen.


    "Es freut mich Dich kennenzulernen, werte Mania."
    Den Kopf ein wenig zu ihr geneigt, lauschte ich ihr im Gehen. Eine Odysee, das klang spannend. Ich hatte das Gefühl, dass die Begegnung mit uns alte Erinnerungen in ihr weckte. Ah, sie hatte also einem Legaten gedient. Kein Wunder dass sie uns Soldaten da nicht scheute. Dann war sie wohl eine Freigelassene. Die Erinnerungen schienen aber nicht gerade schön zu sein. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also schwieg ich betroffen, und nickte nur mitfühlend, als sie auf einmal so traurig wurde. Aber sie schüttelte es schnell wieder ab.
    "Ja, allerdings hatte ich grosses Glück!", antwortete ich lebhaft. "Denn ich habe ja in der Schlacht gekämpft - es war meine erste musst Du wissen, und ich war auch ganz vorne, aber ich bin trotzdem noch am Leben! Fortuna hat ihre schützende Hand über mich gehalten, und ich würde ihr wirklich gerne danken. Schade dass es keinen Schrein gibt... - Stimmt es eigentlich, dass die Eingeb... - ähm, die Bewohner dieses Reiches das Feuer anbeten? Und ihm zu Ehren ihre Feinde bei lebendigem Leib verbrennen?"
    Ich unterdrückte ein Schaudern. Was für ein grausamer und seltsamer Kult!
    "Dann hast Du also schon seit Jahren unter den Parthern gelebt? Wie... ich meine - ist das sehr schlimm? Du kennst sie doch sicher gut inzwischen - wie ist dieses Volk so?"
    Endlich jemand, der mir Auskunft geben konnte!

    Sim-Off:

    Danke, danke, sehr zuvorkommend! :]


    Sand knirschte hinter mir. Ich zuckte zusammen und fuhr herum, und genau in dem Moment sauste ein dunkler Schemen haarscharf an meinem Kopf vorbei. Zu Tode erschrocken wich ich zurück, wäre beinahe rücklings in das Gebüsch hinein gefallen. Ich hielt den Pugio vor mich und starrte den Parther, der unheimlich, wie ein Geist der Wüste und der Finsternis, hinter mir erschienen war, irgendwie entgeistert an.
    Der wollte mir den Schädel einschlagen! Der war nicht mehr gefesselt! Der hatte mein Schwert... und ich nun nen Dolch... Oh je. Und so richtig in Hochform war ich ja nun auch nicht gerade... Mein gerechter Zorn war auf einmal wie weggeblasen, und auch in mein weinbenebeltes Hirn drang nun rasant die Erkenntnis, dass es eine ganz ganz dumme Idee gewesen war, ihm hinterherzulaufen.
    Ich machte einen schwankenden Schritt zurück. Und noch einen, und noch einen. Den Dolch hielt ich krampfhaft vor mich gestreckt, die andere Hand hob ich mit der Handfläche gegen den Parther, als ob ich ihn damit auf Abstand halten könnte.
    "Nein.", stammelte ich erschrocken, "Nicht. Tu mir nichts. Wenn.... -" Ich schluckte. ~"...wenn Du mir was tust werde ich SCHREIEN! Laut schreien, und dann werden Dich die Leute aus dem Lager gleich erwischen! Und umbringen! Lass mich bloss in Ruhe, verschwinde doch einfach....."~
    Als stünde ich einem wütenden Kampfhund gegenüber, der jederzeit auf mich losspringen und mich zerfleischen konnte, redete ich beschwörend auf ihn ein. Vom Lager her hörte ich tatsächlich Stimmen und Schritte. Vielleicht hatte wer die Verfolgung aufgenommen. Oder wollte einfach nachsehen was der Aufruhr bedeutete. Aber es schien noch ein gutes Stück entfernt zu sein. Verdammt. Wenn ich um Hilfe rufen würde, würde mich der elende Hurensohn bestimmt gleich kalt machen. Was war das nur für eine blöde Schnapsidee gewesen, den zu kaufen??!

    Zur Feier des Tages hatte ich einen Kuchen gebacken. Nach einem Rezept von Grosstante Drusilla, mit parthischen Variationen. Unter Feldzugsbedingungen war das gar nicht so einfach. Siebenmal hatte ich den Weizen gemahlen, bis das Mehl ganz fein war. Fein säuberlich hatte ich dann Datteln, Feigen und Nüsse gehackt, und einen Honigkuchen-Teig angerührt. Zum Glück gab es, da unser Lager ja für ein paar Tage bestand, einen kleinen Backofen im Vallum, da hatte ich den Kuchen schön goldbraun backen können. Stolz trug ich nun das Prachtstück vor mir her. Es war noch warm, duftete gut, und oben hinein hatte ich sorgfältig die Form eines Signum geritzt und mit Mandeln garniert.
    So beladen war ich dann, auf dem Weg zu den Zelten der ersten Centurie, Caecilius Macro begegnet. Seit dem schrecklichen Tag der Schlacht - den ich heute aber ziemlich gut ausblenden konnte - fühlte ich mich ihm wirklich verbunden, und hätte ihn sehr gerne mal etwas näher kennengelernt. Deshalb beschwatzte ich ihn erfolgreich, doch einfach mitzukommen, und so traten wir nun zu zweit in die Runde der Feiernden. Es waren schon einige zusammengekommen, auch Sparsus war schon da.
    "Salvete!", grüsste ich fröhlich in die Runde, steuerte mit einem breiten Lächeln auf Licinus zu und gratulierte ihm überschwänglich.
    "Herzlichen Glückwunsch Licinus!!!"
    Signifer zu sein, ohne alt und grau dabei zu sein, das war schon allerhand! Ach, hoffentlich mochte er überhaupt Honigkuchen. Ich streckte ihm das Mitbringsel entgegen.
    "Hier, wo soll ich das hinstellen? Der muss bloss noch 'n bisschen abkühlen. - Oh, Du hast ja vorgesorgt!"
    So viele Amphoren! Aber heute, beschloss ich, würde ich gut achtgeben und mich mäßigen beim Trinken. Nicht dass mir noch mal so ein unsägliches Debakel passierte, wie mit dem Gefangenen im Trosslager!
    Erst jetzt bemerkte ich, dass Optio Tallius Priscus auch da war, und schlagartig überkam mich so eine gewisse Befangenheit. Nur verstohlen sah ich zu ihm hinüber. Ach.....

    "Äh." Verdutzt sah ich auf den Korb. Da wurde ich doch glatt vom Besatzer zum Einkaufs-Gehilfen degradiert. Hatte diese Frau denn gar keinen Respekt vor der Glorie und Würde der römischen Streitmacht? Wohl nicht. Ich sah etwas hilflos zu den anderen - Imperiosus nickte mir ermunternd zu - zuckte dann innerlich die Schultern und nahm brav den Einkaufskorb der alten Dame.
    "Aber natürlich. Gern.", sagte ich munter, und lächelte sie höflich an. Schliesslich sollten wir uns ja soweit möglich anständig benehmen gegenüber den Einheimischen, oder jedenfalls hatte ich das so verstanden.
    "Das trifft sich gut, wir wollten nämlich auch gerade ein paar Sachen re...- äh, einkaufen. - Also, mein Name ist Faustus Decimus Serapio. Ich bin aus Hispania.", plauderte ich, und schlenderte neben der Frau her, blickte sie neugierig von der Seite an. War sie eine Partherin? In dieser Stadt liefen so viele verschiedene Arten von Menschen herum, und längst nicht alle sahen so dunkel-orientalisch aus, wie ich mir die Parther immer vorgestellt hatte. Oder vielleicht gab es ja auch römisch-stämmige Bevölkerung hier?
    "Es gibt hier in der Stadt nicht zufällig einen Schrein der Fortuna, oder?", fragte ich hoffnungsvoll. So grosszügig wie mir die Göttin in letzter Zeit beigestanden hatte, musste ich ihr wirklich mal ein Opfer bringen.

    Mhhmm, eine Orange! Nach dem faden, und auch nicht gerade reichlichen Puls der letzten Wochen, war so eine Frucht eine richtige Kostbarkeit geworden.
    "Dankeschön."
    Ich drehte sie in den Händen, spürte ihr Gewicht, wie schön prall und saftig sie war, und erfreute mich an der satt leuchtenden Farbe. Dann schob ich mein Scutum auf den Rücken, und schälte sie im Gehen. Der Händler starrte uns finster hinterher, aber ich dachte mir, dass die Leute doch froh sein sollten, dass wir ihre Stadt nicht gestürmt und verwüstet hatten. (Ich war jedenfalls sehr froh darüber.)
    Neugierig sah ich mich um, nahm mit grossen Augen die Bilder dieser fremdartigen und exotischen Stadt in mich auf. Gerade und regelmässig waren die Strassen, ganz anders als in Rom, und immer mal wieder konnte man zwischen den oft sehr prachtvollen Gebäuden einen Blick auf den Burgberg mit der grossen Zitadelle werfen. Auch die Einheimischen in ihren seltsamen und farbenprächtigen Gewändern betrachtete ich wißbegierig. Zu gerne hätte ich mich mal richtig mit einem unterhalten, herausgefunden wie sie so lebten und dachten, aber natürlich wichen sie uns aus. Bestenfalls argwöhnisch waren die Blicke, viele unverhohlen feindselig oder haßerfüllt. Das war ja kein Wunder, aber schade war es schon...


    "Ja, das mit den Praetorianern war wirklich heftig!", nahm ich gerne Sparsus' Frage auf, um ihm die Ereignisse brühwarm zu schildern.
    "Die haben uns, die Prima, aufs ü-bel-ste beleidigt, nur weil zuerst Iulius Licinus und dann auch ich gesagt haben, dass wir lieber bei der Prima bleiben wollen. Die haben behauptet wir wären illoyal gegenüber dem Kaiser! Und ehrlos! Stell Dir das mal vor! Ich hab gedacht ich hör nicht recht."
    Ich nickte zur Unterstreichung dieser Ungeheuerlichkeit, von der ich da Zeuge gewesen war.
    "Aber unser Centurio, der hat kein Blatt vor den Mund genommen und sie richtig in Grund und Boden geredet, diese aufgeblasenen Lackaffen. Der kann das! Und dann der Tribun, der hat ihnen den Rest gegeben, und sie einfach rausgeworfen. Also aus unserem Lagerbereich."
    Lachend wiederholte ich, ganz entzückt: "Einfach rausgeworfen! Da haben sie die Schwänze eingezogen und haben sich davongemacht, dann. Tja, ich glaub so bald werden wir nicht mehr mit denen zusammen einen trinken gehen. Praetorianer, pah! - Hmm, wobei die in Zeugma ja eigentlich ganz nett waren..."


    Ich steckte mir einen süssen Orangenschnitz in den Mund und bestaunte einen Mann mit gewaltig hoher Kopfbedeckung und einem abenteuerlich geformten Bart. Dann trafen wir auf einige Kameraden von der ersten Centurie, die anscheinend gerade eine Auseinandersetzung mit einer alten Frau hatten. Der Optio Artorius Imperiosus schien mir in letzter Zeit häufiger an eigenwillige Damen zu geraten. Ich hörte gerade noch wie die Greisin schlagfertig konterte, dass sie ja vielleicht ganz gerne einen jungen Mann hätte. Einen Moment lang starrte ich sie verdattert an, dann konnte ich nicht anders - zwar wollte ich wirklich nicht unhöflich sein, gegenüber dem Optio, aber das Lachen brach einfach aus mir heraus. Das war doch auch zu gut! Ich lachte hell auf, prustete albern und konnte mich nur schwer wieder beruhigen. Die war wirklich nicht auf den Mund gefallen.
    Aber eine Frage formte sich in mir - und während Sparsus den Artorier ansprach, wischte ich mir schnell eine Lachträne weg und wandte mich artig an die alte Frau:
    "Entschuldige bitte meine Neugier, werte Dame - aber darf ich fragen woher Du so gut Latein sprichst?"

    Als ich meine Entscheidung verkündet hatte, sah ich ganz kurz etwas in den Augen des Tribuns aufleuchten, das verdächtig nach Stolz aussah. Wirklich nur ganz kurz, dann guckte er wieder so finster wie sonst auch immer. Stolz! Auf mich. Mir wurde sehr warm ums Herz. Dann die Worte von Ehre und Ruhm - ganz ernstgemeint und auf mich bezogen! Als mein Centurio mir sogar zunickte und dabei ganz ungemein zufrieden mit mir aussah und auch so väterlich dabei, begann ich richtig zu strahlen. Es ist mir ja noch nicht oft passiert, dass mich jemand so angesehen hat. Überglücklich, wie auf Wolken, trat ich zurück in die Reihe.
    Dass der Tribun der Garde dann auf einmal so loslegte, riss mich aus meinem Hochgefühl. Ich erschrak und fragte mich, ob das ganze vielleicht keine richtige Wahl sondern eher so eine Art Test gewesen war? Aber dann wuchs die Empörung in mir, als der uns alle so übel beleidigte. Wütendes Gemurmel erhob sich in den Reihen der angetretenen Männer. Aber mein Centurio, der gab es den Praetorianern ordentlich! Ja, recht hatte er!
    Und was für eine ungeheure Verachtung der Primus Pilus in so ein einziges kleines Wort legen konnte - "Geschwätz". Gebannt betrachtete ich das Schauspiel, dass sich da vor meinen Augen entfaltete. Ich lächelte beifällig als unser Tribun den Praetorianern die Verdienste der Prima und unseres Legaten unter die Nase rieb, und fand es toll dass er so für uns alle einstand. Und sogar seine Raubkatze begleitete ihn dabei, als ob das Tier ihn dabei unterstützen wollte. Das sah wirklich putzig aus.
    Treue, Ehre, Mut wiederholte ich für mich, und war sehr froh, der Versuchung der schwarzen Rüstungen nicht erlegen zu sein. Es war ein erhabener, ein grosser Augenblick, in dem man so richtig den Geist spüren konnte, der die Prima zusammenhielt. Feierlich und voll Glanz. Die Männer um mich rum schienen ebenso wie ich davon ergriffen zu sein. Jedenfalls die meisten. Ein paar allerdings warfen Licinus und mir kalte Blicke zu, einer fixierte mich richtig bösartig, und beklommen erkannte ich, dass es da anscheinend ein paar gab, die es uns beiden nachtrugen, dass nun gar keiner von uns zur Garde kommen würde.

    Ich wusste gar nicht wie mir geschah, war völlig überrumpelt, und da trafen mich auch schon die Fausthiebe. Die Nacht um mich herum explodierte in einem Schwall von Funken und Sternen. Ich keuchte vor Schmerz. Benebelt versuchte mich zur Seite zu rollen, den Parther abzuschütteln, aber da war auf einmal etwas kaltes stählernes an meiner Kehle. Da hielt ich ganz still. Blickte mit schreckgeweiteten Augen zu dem Parther. Sein Grinsen liess mir das Blut in den Adern gefrieren. Oh nein... Er würde mich töten! Mir die Kehle aufschneiden, und man würde mich am Morgen hier finden, zwischen einer Schenke und einem Lupanar, ausgeblutet und mausetot... Was für eine elende Art abzutreten! Ich verstand nicht was er sagte, aber es klang böse und höhnisch. So schnell kann es gehen, dachte ich entsetzt. Dann traf mich noch ein Schlag, und der Parther war auf einmal weg.
    Benommen hob ich langsam den Kopf, sah erst mal nur feurige Kreise und Wirbel. Dann klärte es sich wieder, und die vagen Farbkleckse verdichteten sich zu den Gestalten von drei leichtgeschürzten, grell bemalten Dirnen. Eine hatte sich zu mir runter gebeugt, doch sie schien weniger daran interessiert zu sein mir zu helfen, als daran, meine Gürteltasche zu durchstöbern.
    "He!", krächzte ich, "Finger weg!", und schlug ihr empört auf die gierigen Krallen. Sie zuckte zurück, und ich richtete mich ächzend wieder auf.
    "Drecksparther! Bastard!", fluchte ich im schönsten Iberisch, und stolperte unkoordiniert in die Richtung, wo Rufe und Poltern auf eine wilde Flucht schliessen liessen. Meine Schwertscheide schlenkerte mir leer um die Beine. Der Dreckskerl hatte mein Gladius geklaut!!! Wie peinlich.


    "Dich mach ich fertig, du Lump!", brüllte ich aus vollem Halse, und zog den Pugio. "Oh, bei allen Furien, ich schneid Dir die Ohren ab und häng sie Dir um dem Hals, ich lass Dich kreuzen und vierteiligen - äh - rädern und martern und..."
    Unter solch blutrünstigen Drohungen verfolgte ich den Geflohenen, rannte hinterher, anhand einer Spur aufgebrachter oder verdatterter Menschen. Mit einem Satz sprang ich über die Deichsel eines Wagens, der mit grossen Krügen beladen war - es ging gerade noch gut - und war unversehens am Rande des Lagers angelangt. Vor mir lag die weite parthische Öde. Hinter einem Gestrüpp meinte ich Bewegung zu sehen. Ich lief darauf zu, den blanken Pugio in der Hand, erfüllt von Zorn und Hass und Rachsucht. Der Nachtwind raschelte in den trockenen Blättern. Ich erreichte den Busch, aber da war nichts. Ausser Atem vom Rennen und Brüllen blieb ich stehen und sah mich angestrengt um. Wo war der Drecksparther?!
    Die Zweige schwankten. Staub wehte um meine Füsse. Kalt glitzerten die Sterne am Himmel. Das Land schien den Atem anzuhalten.