Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Dea Dia, ich musste mich jetzt ganz schnell entscheiden! Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe, und die widerstrebenden Gedanken zeichneten sich auf meinem Gesicht ab, während ich gebannt zuhörte, wie Iulius Licinus das Angebot elegant ablehnte. Ob es wohl, so als frischgebackener Signifer, leichter war sich zu entscheiden? Wahrscheinlich schon, ein bisschen jedenfalls. Ich hätte mir jetzt jemanden herbeigewünscht, der mir hätte Rat geben können, oder eine Nacht zum drüber schlafen. Aber es musste natürlich, wie immer hier, alles zackzack gehen. Wie waren die Praetorianer überhaupt auf mich gekommen? Es schmeichelte mir zwar ungemein, aber ob ich wirklich zu den besten, härtesten und furchtlosesten Soldaten der Legio I zählte, da hatte ich doch allerärgste Bedenken. Vielleicht wollte mich da ein gewisser jemand, der mich nicht in seiner Legio haben mochte, auf diese Weise loswerden? Zu den Praetorianern abschieben?
    Der Signifer beendete seine Erklärung mit ein paar Worten an uns. Ich fand das sehr mutig, dass er so vor allen Leuten sagte, wir sollten nach unseren eigenen Gefühlen entscheiden. Ich horchte in mich hinein. Ich fühlte ein entsetzliches Wirrwarr. Verdammt. Aber dann wurde es ein bisschen klarer. Ja, wenn ich nur nach mir ging, und nicht nach dem was andere von denken sollten, dann war die Entscheidung auf einmal gar nicht mehr so schwer. Und da ertönte auch schon mein Name.


    Tief atmete ich durch, trat zackig vor und stand stramm kerzengerade. Schwer fühlte ich den Blick der vielen, vielen erwartungsvollen Augen auf mir lasten.
    "Tribun..." hub ich an, aber meine Stimme war ganz belegt vor Aufregung. Ich räusperte mich und spürte, wie mir bei all der Aufmerksamkeit das Blut in die Wangen schoss. Glanzleistung, Faustus. Ich widerstand dem Impuls mir verlegen die Nase zu reiben, und stellte mir dann einfach vor es wäre alles nur eine Bühne, und ich der Hauptdarsteller. Eteokles vor den Toren von Theben. Das half.
    Vollkommen aufrecht stand ich, und meine Stimme hatte ihren Klang wiedergefunden, als ich ganz ehrlich und tiefempfunden erklärte:
    "Die Ehre für die Praetorianergarde in Betracht zu kommen ist... überwältigend!"
    Mit leuchtenden Augen blickte ich zu den beiden Gardeoffizieren. Ach, diese schmucken Rüstungen! - Die ich niemals tragen würde. Ich reckte mich noch einen Fingerbreit höher, sah wieder zum Tribun und verkündete entschlossen:
    "Aber ich möchte der Prima die Treue halten. Tribun."


    Nein, nach den schlimmen Verlusten konnte ich mich doch mitten im Krieg nicht einfach so aus meiner Einheit davonmachen. Das hätte sich irgendwie schäbig angefühlt. Ich spürte wie mich Erleichterung überkam, nachdem meine Entscheidung unwiderruflich geworden war. Und auch eine klammheimliche Freude regte sich in mir, den Praetorianern so zu zeigen, dass längst nicht jeder sie für die Besten hielt. Oh nein. Die Prima war natürlich viel besser.

    Zittrig und wankend machte ich mich auf, und fing einen blutbeschmierten Capsarius ab. Ungeduldig wies er mich hastig zu einem Raum hinten in dem grossen Zelt, wo die Sachen zu finden waren, die ich wollte. Einen Stapel Tücher nahm ich an mich, ein Beissholz - und dann stand ich auf einmal vor einer geöffneten Truhe, mit vielen Fächern darin, mit Fläschchen und Salzen, Kräutern und Pülverchen... Die Leute des Valetudinarium hatten natürlich gerade mehr als alle Hände voll zu tun. Keiner war da und keiner hielt mich auf.
    Die Flasche mit dem Mohnsaft sprang mich förmlich an. Und ich sah auch eine Schale, gefüllt mit der Droge als zähe klebrige Masse, aus der man dann die kleinen Kugeln formen konnte, zum kauen oder rauchen... Mir wurde schwindelig, angesichts dieser überwältigenden Pracht und Verlockung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mit beiden Händen hielt ich mich am Rand der Truhe fest, und starrte auf das Opium. Ich durfte nicht! Es war für die Schwerverletzten! Doch es war, als würden Flasche und Schale vor meinen Augen wachsen. Immer weiter blähten sie sich auf, pulsierend im Rhythmus meines Herzschlages, und verdrängten alles, was sonst um mich herum war. Ich sah nur noch die Droge. Nur ein Fingerhut voll davon, und ich wäre wieder in einer besseren Welt, warm und glücklich, ganz weit weg von dem grauenhaften Sterben hier...
    Ich war gerade ganz allein hier. Niemand würde etwas bemerken. Ich grub meine Zähne in meine Unterlippe hinein, und versuchte tief durchzuatmen. Aber ein fiebriges Zittern hatte mich erfaßt, und die Gier erhob sich in mir, bäumte sich auf, als wäre sie ein wildes fremdes Wesen. Ich kämpfte wirklich dagegen an, aber dieses Wesen war stärker als ich. Ist es immer schon gewesen. Es faßte meine Hand, liess sie fahrig nach vorne schnellen und eine Portion aus der Schale herausstreichen. Ich wusste, dass ich meine Kameraden bestahl und schämte mich zu Tode. Trotzdem kam ich nicht dagegen an. Das geklaute Opium verschwand, in einen Stoffetzen eingeschlagen, rasch in meiner Gürteltasche.


    Dann erst füllte ich die Dosis für 'unseren Patienten' ab, und kehrte mit meiner Ausbeute zurück. Das Knirschen einer Knochensäge erfüllte das Zelt und fuhr mir durch Mark und Bein. Die Iulia betastete gerade den Arm meines Kameraden. Offenbar wollte sie den Pfeil rausholen.
    Ich legte die Sachen auf dem Tisch neben der Liege ab, und breitete ein sauberes Tuch unter dem Arm aus. Da der Verwundete ja noch immer bewusstlos war, konnte ich ihm den Mohnsaft nicht einflössen. Aber ich tränkte einen kleinen Schwamm damit und öffnete ihm den Mund, und quetschte ihm den unter die Zunge, damit er wenigstens ein bisschen was von dem Zeug abbekam. Dann band ich seine Beine mit Gurten an der Liege fest, und auch den unverletzten Arm, damit er nicht zappeln konnte, falls er dabei aufwachte. Das alles lenkte mich wirklich von meinem eigenen Elend ab. Zuletzt bekam er noch das Beissholz zwischen die Zähne. Fürsorglich fasste ich seine Hand, die ganz klamm war, drückte sie, und versicherte dem Bewusstlosen voll Überzeugung:
    "Hab keine Angst, Kamerad, Du bist jetzt in Guten Händen. Wir kriegen das hin!"
    Und gehorsam folgte ich weiter den Anweisungen der Iulierin, assistierte ihr beflissen und vertrauensvoll.

    Unter der heissen und viel zu hellen Sonne des Ostens stand ich und wurde immer nervöser. Denn als der Praetorianer-Centurio so scharf unsere Reihen entlang guckte, und jeden von uns genau ins Auge fasste, da war ich mir auf einmal ganz sicher, dass sie einen Übeltäter in unseren Reihen vermuteten... Bona Dea, womöglich jemanden der versucht hatte, seine Briefe unzensiert zu verschicken...?
    Zum Glück erhob dann der Tribun das Wort, wenn auch viiiel zu laut. Zuerst ein Lob, wobei ich das, so unter seinem eisig kalten Blick nicht so richtig geniessen konnte. Ich hatte das sichere Gefühl, es würde gleich in ein "Aaaaber..." umschlagen. (Ich bin mir sicher, um in der Legio richtig hochzukommen, muss man dieses kalte, durchbohrende Starren beherrschen, diesen ganz speziellen Blick der dem Gegenüber ohne Worte vermittelt: Du Wurm. Sei froh dass ich dich nicht auf der Stelle zerquetsche.)


    Es schlug aber in etwas völlig anderes um - "...daher möchten sie euch in ihren Reihen wissen."
    Die Praetorianer??? Uns? Also auch MICH??? Ich bekam grosse Augen. Ich, ein Praetorianer! Allein die Vorstellung! Das wäre ja... grandios! Mit einem begeisterten Funkeln in den Augen stellte ich mir vor, wie ich, in so einer wunderschönen schwarzen Rüstung nach Hause in die Casa marschierte, ins Atrium, und was für dumme Gesichter dann alle machen würden, wie sie staunen und mich beglückwünschen würden.
    Oder die Leute die mich von früher kannten, aus meinen schlechten Zeiten in Rom. 'Flosculus Du packst das nicht', 'Flosculus Du wirst Dein Leben niemals auf die Reihe bringen', 'Flosculus, Du bist ja nett anzusehen aber da ist nichts dahinter' - wie würde es sie schockieren zu erfahren, dass 'Flosculus' nun in der Kaisergarde diente! Das wäre eine Genugtuung ohnegleichen... Ich könnte mich vielleicht sogar an ein paar von ihnen rächen, die mich damals schlecht behandelt hatten...
    Und dann natürlich die Ehre!
    Der eindringliche Blick des Tribuns traf mich. Wir hatten also die Wahl. Oh je. Auf einmal war ich mir gar nicht mehr so sicher, ich stürzte in einen Zwiespalt widerstrebender Impulse, meine Gedanken rasten nur so.


    Ich kann doch meine Kameraden nicht einfach verlassen... meine Freunde, ja, wirklich meine Familie, das geht nicht.


    Du wirst neue Kameraden finden, Faustus.


    Aber keine wie hier. Ganz sicher keinen wie Sparsus. Und es wäre auch undankbar!


    Manchmal muss man an sich selbst denken, Faustus...


    Aber mein Centurio, der so freundlich ist, und mir so viel beigebracht hat...,
    und Optio Tallius der mir auch ganz viel beigebracht hat, und dazu noch so schöne Hände hat...


    Das ist nun mal ihre Aufgabe, Faustus. Und der Optio ist eh nicht interessiert.


    Wer weiss. Und wo schon so viele gefallen sind, da kann ich doch nicht einfach auch noch gehen.


    Wenn der Kaiser Dich ruft...


    Die Prima kämpft auch für den Kaiser! Die Prima ist die beste aller Einheiten!


    Aber die Praetorianer haben mehr Prestige!


    Die in Zeugma waren richtig fies zu dem armen Wirt... ob das gute Kameraden sind?


    Praetorianer werden gefürchtet. Lockt Dich das nicht, Faustus?
    Ein Neubeginn, sich häuten wie die Schlange...


    Oh ja. Es lockte mich.

    Den Parther im Schlepptau strebte ich mit grossen, unsicheren Schritten auf die Feld-Taverne von vorhin zu. Hoffentlich war Silio schon fertig und wartete dort auf mich. Der würde Augen machen, wenn ich ihm meine neue Errungenschaft zeigte. Krumm war die Lagergasse und holprig. Hier und dort brannten Lagerfeuer, aber sonst war es ziemlich duster. Wo war eigentlich meine Laterne hingekommen... ob ich sie in der Schenke gelassen hatte? Ich konnte mich nicht mehr entsinnen. Der Strick war rauh und grob in meiner Hand. Über die Schulter sah ich zu dem Gefangenen, der jetzt ganz brav war. Ja, da hatte ich mit meiner Drohung wohl den richtigen Tonfall getroffen.
    ~"Also. Parther. Ziaar."~
    Schwer wars, den Namen auszusprechen, mit meiner schwerfälligen Zunge. Aber ein paar Sachen wollte ich doch gleich mal klarstellen.
    ~"Ich bin jetzt Dein Herr. Mein Name ist Decimus Serapio. Se-ra-pio. Aber Du musst Dominus zu mir sagen. Do-mi-nus, verstehst Du?"~
    Ich sprach es ihm genau vor, und untermalte die Silben mit so energischen Handbewegungen, dass ich wieder ins Schwanken geriet.
    "Hoppla.", sagte ich würdevoll und blieb stehen. Schon ging es wieder mit dem Gleichgewicht. Besser nicht zu viele Dinge auf einmal tun. Wir standen schon nahe der Rückseite der Taverne. Ein Lichtstrahl drang durch einen Spalt im Zelt, und malte einen hellen Streifen auf den zertrampelten, staubigen Boden zu unseren Füssen. Lachen und Lärmen drang aus der Schenke, und nebenan standen zwei grobknochige Karrengäule angepflockt und mampften gemächlich von dem Heuhaufen vor ihnen. Ein friedliches Bild. Gerade so als hätte es die Schlacht gar nicht gegeben, als wären heute nicht tausende von Menschen über den Styx gegangen. Ich hob den Schlauch und trank noch einen tiefen Schluck. Die Sterne über uns waren noch immer so unglaublich klar und funkelnd... Mir wurde ganz weh ums Herz bei ihrem Anblick. Ich seufzte und hielt dem Parther Ziaar großmütig den Schlauch hin, in dem noch gut was drin war. Vielleicht hatte er ja Durst.
    ~"Hier."~
    Benebelt massierte ich mir die Schläfe, wandte mich ab, und machte schwungvoll den nächsten Schritt. Zu schwungvoll. Ich rutschte auf einem Pferdeapfel aus.
    "Uuups...!"
    Längelang landete ich auf dem Boden. Ein beissender Schmerz durchzuckte meine lädierte Schulter, als ich den Fall mit den Armen abstützte.
    "Aaah..." Zwischen zusammengebissenen Zähnen leise ächzend dreht ich mich herum. Der Strick war mir aus den Händen geglitten und der Parther... - Bona Dea! Ich wurde kreidebleich. Der Parther....!

    Einmal war ich dabeigewesen, wie die Jährlinge in dem Gestüt meiner Familie mit dem Brandmal versehen wurden. Das Wiehern der Fohlen, ihre zitternden Flanken, panisch aufgerissenen Augen und strampelnden Hufe, wenn sie versuchten ihrem Schicksal zu entkommen, das alles hatte mich damals ziemlich mitgenommen. Und dann der abscheuliche Gestank wenn Haut und Fell sich unter dem heissen Eisen schwärzten und verkohlten... Wie der Gestank der Scheiterhaufen, den ich immer noch in der Nase hatte.
    Ganz so ungerührt wie geradeeben schien mir der Parther auch nicht mehr zu sein. Jedenfalls grinste er nicht mehr. Verdammt. Was würde der Primus Pilus tun? Tja, der hätte bestimmt keinen Wimpernschlag lang gezögert. Aber ich war einfach immer noch viel zu weich für sowas. Es stiess mich ab, wie begierig der Typ am Feuer mit dem langen Brandeisen fuchtelte, und allein schon bei der Vorstellung, wie es dem Gefangenen zischend ins Fleisch fuhr, wurde mir übel. Ich schüttelte den Kopf.
    "Lass mal."
    Mir war als ob sie mich jetzt alle schief angucken würden.
    "Der wird nämlich ein Geschenk." behauptete ich, mit dem vagen Gefühl, mich irgendwie rechtfertigen zu
    müssen. Dann rollte ich die Urkunde zusammen, verstaute sie in meiner Gürteltasche, und nahm den Strick, der von den gebundenen Händen Ziaars herunterhing.
    "Valete", sagte ich zu meinen charmanten Geschäftspartnern und ~"Komm mit"~ zu dem Parther, und ich zog auch mal kräftig an dem Strick, denn es sollte keiner denken ich wäre zimperlich.
    ~"Und wenn Du Ärger machst"~, drohte ich, während ich losmarschierte, um mit ihm zu der Schenke zu gehen, wo der erstandene Wein wartete, ~"dann stech ich Dich ab, verstehst Du?"~
    Ich legte die Hand auf den Griff meines Gladius, um zu verdeutlichen was ich damit meinte. Aber so wild wie der sich gerade gegen die Fesseln gewehrt hatte, würde es bestimmt noch eine Weile dauern bis er sich fügsam zeigte. Vielleicht, so kam mir der Gedanke, sollte ich ihn wirklich Lucilla schenken? Also, wenn er gebändigt war, natürlich erst. Als erste von allen ihren Freundinnen einen echten parthischen Kriegsgefangenen zu besitzen, das fände sie bestimmt unglaublich schick...

    Der Parther verstand mich anscheinend. Das war schonmal gut. Und der Name klang seeehr exotisch. Falls es wirklich sein Name gewesen war, und nicht ein wüstes Schimpfwort. Was mir weniger gefiel war die gleichbleibend hochmütige Miene, und dieser Anflug eines Grinsens den ich kurz um seine bärtigen Mundwinkel zu erkennen meinte. So hatte ein besiegter Barbar nicht auszuschauen!
    Na warte, das Lachen wird Dir schon noch vergehen... dachte ich bei mir und funkelte ihn erbost an. Den würde ich schon kleinkriegen! ... Würde ich? Wieder überkam mich ein Zaudern, das Gefühl dass ich gerade dabei war eine Dummheit zu machen, die ich eigentlich gar nicht tun wollte. Ich sah von dem Parther zu den Wächtern, die mich erwartungsvoll anblickten, und wieder in die dunklen Augen des Gefangenen. Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, würden sie alle denken ich hätte kalte Füsse bekommen.


    "Ich nehm ihn", beschloss ich großspurig, nahm noch einen kräftigen Schluck aus meinem Weinschlauch, und hockte mich dann neben das Feuer, um dort auf einem flachen Stein das Geld hinzuzählen, das der Mann kosten sollte. Ein Glück, dass ich Lucillas Lieblingsneffe war, und sie immer so großzügig, von meinem Sold hätte ich solche Anschaffungen nicht machen können.
    Die Münzen glänzten im Feuerschein. Ich baute kleine Türme damit, kam beim Zählen aber irgendwie immer mal wieder durcheinander... Seufzend rief ich mir die schmerzende Schläfe. Einer der Sklavenhändler zählte nach, und ich kann es nicht beschwören, dass er mir nicht ein bisschen mehr abnahm als vereinbart. Aber das war mir nach diesem Tag eigentlich ziemlich egal.
    Dann war die Zahlung abgewickelt. Ich trank noch einen Becher mit den Leuten am Feuer, die mir, obwohl sie ja Sklavenhändler waren, eigentlich ganz nett erschienen, und erfuhr, dass sie tatsächlich auch mal Dinge nach Zeugma mitnahmen. Sehr gut, da würde ich drauf zurückkommen.
    Die beiden Schränke legten dem Parther währenddessen Handfesseln an, mit einem Strick dran, wie wenn man ein Kalb zum Markt führen will. Ich erhob mich vom Feuer, und marschierte schwankend auf den Parther - nein, auf meinen neuen Sklaven - zu.
    ~"Du gehörst jetzt mir."~, rieb ich ihm selbstgefällig unter die Nase, ~"Das hab ihr jetzt davon, ihr Barbaren, dass ihr euch gegen ROM erhoben habt, in ähm, unbotmässigem Aufruhr! *hick* Jawohl."~


    Und die Wächter fragte ich etwas blauäugig: "Bekomm ich noch ne, dings, Urkunde oder so?"
    Sie fabrizierten mir etwas, aber es sah meiner Meinung nach ziemlich provisorisch aus. Naja, die Gefangenen waren ja auch erst von heute.
    "Wir können ihm auch Deine Initialen einbrennen", schlug einer von der Bande liebenswürdig vor, "gibt nur einen kleinen Aufpreis. Zehn Sesterzen."
    Und schon schlug er ein Ledertuch zurück, und offenbarte eine Reihe von Brandeisen. Alphabetisch geordnet und verrusst lagen sie da eines neben dem anderen. Er schielte auf die Urkunde, griff sich das 'D' und wedelte unternehmungslustig damit herum.
    "Na?"
    "Ich weiss nicht..."
    Nachdenklich sah ich auf das brutale Eisen, das mir eher für ein Pferd als für einen Menschen geeignet erschien, und wieder zu dem Sklaven. Sollte ich? Sollte ich nicht? Er könnte derjenige sein, der Lucullus abgestochen hatte. Er könnte den Pfeil abgeschossen haben, der Camerinus das Leben gekostet hatte. Ich zögerte.

    Übernächtigt und mit einem ganz schlimmen Kater hockte ich gerade neben unserem Zelt, und betrachtete mit einem kleinen Handspiegel meine lädierte Visage. An die Geschehnisse des vorigen Tages und der vergangenen Nacht wollte ich gar nicht mehr denken, blendete sie einfach aus. Statt dessen sinnierte ich, ob das wohl eher veilchenviolett oder tintenblau war, flieder- oder eher glockenblumenfarben, was da von der Stirn bis zum Kinn auf der linken Gesichtshälfte prangte. Durchzogen von Schrammen und vor allem von dem schlimmen Schnitt, von dem mir die Dame Iulia Helena versprochen hatte, er würde eine "beeindruckende" Narbe abgeben. Ich fand mich furchtbar hässlich!


    Der Befehl zum Antreten entriss mich diesen Betrachtungen. Schnell schlüpfte ich in meine Lorica, klopfte mir den Staub von der Tunika und band das Focale ordentlich, dann folgte ich dem Immunes, zu einer Stelle zwischen den Zelten, wo sich bereits einige Milites versammelt hatten. Wir tauschten uns aus und waren gerade zu dem Schluss gekommen, dass keiner wusste worum es ging, als Centurio Flavius erschien. Ebenso wie alle anderen stand ich stramm und salutierte.
    Er klärte uns auf. Zum Tribun? Der Tribun, dass musste der senatorische sein. Hmm... Schande? Ich konnte mich keiner Schandtat entsinnen. Außer natürlich, dass ich am Vorabend garstig zu seinem kleinen Bruder gewesen war. (Ich beschloss mich bei Gelegenheit zu entschuldigen.)
    Wie befohlen reihte ich mich ein, und wir folgten unserem Centurio, der uns aber erst mal zum Primus Pilus führte. Wieder nahm ich Haltung an, und beobachtete dabei verstohlen mein neues Vorbild. Ich hatte beschlossen jede Gelegenheit zu nutzen, um ihn zu studieren, denn ich wollte herausfinden welche Details es waren, die das Gesamtbild des Artoriers ausmachten. Vielleicht, wenn ich sie mir stückchenweise aneignen könnte, würde mir das helfen, bei meinem Vorhaben genauso stahlhart und abgebrüht wie mein Idol zu werden.


    Dann ging es weiter, hin zum Tribun, der aber nicht alleine stand, sondern ausser seiner gewöhnlichen Entourage auch noch zwei Praetorianer bei sich hatte. Neugierig was das wohl bedeuten sollte blickte ich zu den beiden Männern, und musste einmal mehr feststellen, dass diese schwarzen Rüstungen einfach unschlagbar schick waren...
    Der Primus Pilus hob die Hand, wir verharrten und standen wieder stramm, während er Meldung machte. Vor dem Tribun sowieso, aber vor den Praetorianern ganz besonders, wollten wir wohl alle ein ganz besonders diszipliniertes, tadelloses Bild abgeben. Zackig wurde salutiert, dann standen alle kerzengerade wie die Zinnsoldaten. Ich reckte das Kinn, und sah starr geradeaus, bemüht auch in meinem zerschlagenen Zustand eine gute Figur zu machen, und sehr gespannt was dieses Antreten hier wohl zu bedeuten hatte.

    Der rote Fackelschein entriss die Gesichter der Gefangenen dem Dunkel, beleuchtete sie unstet und liess die Schatten der Stäbe des Käfigs über sie hinweggleiten. Bärtige, fremdartige Visagen, schmutzig und erschöpft, und jetzt, so als Gefangene, gar nicht mehr so unheimlich wie zu Mittag. Gequält sahen manche aus, andere brüteten düster vor sich hin oder blitzten mich hasserfüllt an. Tja - die konnten mir mal gar nichts!
    Ich lächelte voll billigem Triumph, und rieb mir nachdenklich die Nase, während ich überlegte welchen ich denn wollte. Dann blieb mein Blick an einem hängen, dessen Miene so dermassen stolz und hochmütig war, dass mir sofort klar war: Der muss es sein. Der soll unser Korn mahlen, und unsere Schuhe putzen und überhaupt mal sehen was es bringt, sich mit UNS anzulegen. Arg verletzt schien er mir auch nicht zu sein.
    Ich deutete mit dem Finger auf ihn und verkündete:
    "Den will ich mir *hick* mal ansehn!"
    Der Aufseher nickte und rief sich einen ebenso massigen Kollegen herbei. Ohne viel Federlesen zerrten sie den Parther aus dem Käfig und bis in den Lichtkreis des Feuer. Da hielten sie ihn fest. Ich kam mir mächtig bedeutsam vor, wie ich ihn so musterte, von oben bis unten. Ein stattlicher Mann, ein gefährlicher feindlicher Krieger, älter als ich und stolz wie ein Hispanier und ich konnte ihn mir einfach so kaufen! Phantastisch! Ich hatte noch nie einen eigenen Sklaven gehabt, Mutter hatte immer gemeint ich sei noch zu klein, und bei einem Kind würde das sofort den Charakter verderben...
    Eine Runde drehte ich um ihn, und tat kritisch, obwohl ich mir ja schon ziemlich sicher war.
    "Also die Beine... die Beine sind aber etwas krumm!", behauptete ich und kniff die Augen zusammen - also das eine Auge, das andere war sowieso noch immer zu einem schmalen Schlitz zusammengeschwollen.
    "Muss ein Reiter sein.", meinte einer der beiden Schränke gelassen.
    Oh, interessant. Ich legte mir ein paar Worte auf Griechisch zurecht, vielleicht verstand er mich ja. Mein Griechisch ist auch gar nicht so schlecht, naja, etwas holprig vielleicht schon.
    ~"Bist Du ein Reiter?"~, fragte ich ihn, und irgendwie fühlte ich mich auf einmal doch etwas unbehaglich bei der ganzen Geschichte. Was wenn die Schlacht anders gelaufen wäre, dann stünde ich jetzt womöglich vor einem Parther der mich mustern würde wie ein Vieh und mich solche Sachen fragen würde... Nein, nein, nein, gar nicht daran denken, wir hatten gewonnen und es war alles der Wille der Götter!
    ~"Und wie ist Dein Name?"~
    Ich sprach betont barsch, um meinen Moment des Zauderns zu übertünchen, und imitierte dabei ein bisschen den strengen Tonfall des Primus Pilus. Und genau wie ich es mal bei ihm gesehen hatte, reckte ich den Nacken, fuhr mir mit den Fingerspitzen darüber und liess ihn knacken. Ein unnachahmbar lässige Geste meines neuen leuchtenden Vorbildes. Ich weiss nicht ob ich sie ebenso kühl hinbekam wie der Erste Speer, aber ich war ja auch noch am üben.

    "Uuuh ja, bei uns in der Familie sind die Frauen auch ziemlich resolut! Oder feurig könnte man auch sagen. Das ist halt das hispanische Temperament... Meine Großtante Drusilla zum Beispiel hat schon sechs verschiedene Ehen hinter sich!"
    Ich grinste mit, als er so von seiner schlagkräftigen Tante schwärmte, und erinnerte mich daran, dass Sparsus mir schon mal erzählt hatte, dass er sich früh selbst hatte durchschlagen müssen. Aber es hätte mich doch interessiert mehr über die iulische Dame zu erfahren, die heute einen so bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hatte.
    "Meine Eltern sind auch tot, beide", sagte ich dann, irgendwie unvermittelt und blickte trübe ins Feuer. "Mein Vater als ich klein war, er ist für Rom gefallen, wie sich das gehört bei uns, und meine Mutter ist vor nicht so langer Zeit an einem schwachen Herz gestorben. - Ja, Du hast recht, wir brauchen un-be-dingt neuen Wein! Ich geh schon!"
    Schnell stand ich auf, um mich in Taten zu stürzen und nicht noch trübsinniger zu werden, denn dann würde ich gleich wieder in Tränen zerfliessen und für heute hatte ich wirklich schon mehr als genug geheult.
    "Bis gleich."
    Und schon lief ich Silio hinterher, ich Richtung des Zelt des Centurios. Allerdings hatte der auch keinen Wein mehr für uns, erlaubte uns aber selbst was besorgen zu gehen. Und so machten mein Zeltgenosse und ich uns zu einer Expedition ins Trosslager auf, um dort Nachschub zu holen, damit wir das Andenken der Gefallenen weiter gebührend begießen und damit auch den Schrecken des Tages ertränken konnten.

    Beide schon nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen, verliessen mein Zeltgenosse Silio und ich die Castra, meldeten uns an der Porta Praetoria ab und marschierten in Richtung der zusammengewürfelten Zelte und Behausungen des Trosses, des bunten Haufens, der den Legionen folgte, und auch heute, in der Nacht nach der schrecklichen Schlacht, sein Lager gleich nebenan aufgeschlagen hatte.
    Centurio Flavius hatte uns nämlich die Erlaubnis gegeben, noch Wein zu besorgen, um weiter das Andenken unserer toten Kameraden begiessen zu können. Schweigend gingen wir nebeneinander her, ein bisschen nervös natürlich und mit der Hand nahe dem Gladiusgriff, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich nach der Niederlage noch Parther hier herumtreiben würden.
    Ein Sternenhimmel von unglaublicher Pracht wölbte sich über uns, wunderschön, völlig ungerührt von dem Blutvergiessen, das wir Menschen heute veranstaltet hatten. Zugleich lag in der kalten, trockenen Luft noch immer der ätzende Geruch, der von den Scheiterhaufen herüberzog, und im schwankenden Schein der Blendlaterne, die ich trug, leuchteten mehrmals die Augen von irgendwelchen Viechern auf, die hier herumstrichen, um sich am Aas gütlich zu tun. Wir lagerten ja praktisch auf den Schlachtfeld selbst.


    Hinter mir lag der wahrscheinlich längste Tag meines Lebens, ich war verwundet, erschüttert und erschöpft bis auf die Knochen, aber zugleich seltsam aufgekratzt, total neben mir, und ausserdem fest entschlossen mich heute noch bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken. Mein ganzes Geld hatte ich mitgenommen, mitsamt dem grosszügigen Taschengeld von meiner lieben Tante, um es in Wein zu investieren, alles einfach auf den Kopf zu hauen! Was wusste ich denn ob ich morgen noch am Leben sein würde, ich hatte heute ja gesehen wie schnell es gehen konnte. Morgens noch fröhlich dabei, abends schon Asche...
    Die Gassen der Zeltstadt umfingen uns mit Licht und Leben, viele Feuer brannten, Fackeln und Laternen. Wir waren in dem "Vergnügungsviertel" gelandet, und es umschwärmten uns gleich die Freudenmädchen. Mich interessierten sie nicht, wie sie da, frierend in ihren dünnen Fetzen, von den Entbehrungen des Marsches gezeichnet, förmlich Spalier standen und aufreizend ihr Fleisch darboten, aber Silios Blick - auch schon ziemlich glasig - verfing sich am drallen Busen einer herben Dame mit rotem Haar, von dem man gleich sah, dass es schlecht mit Henna gefärbt war.
    "Kleiner, geh doch schonmal vor", meinte er, als die Schöne der Nacht ihn verheißungsvoll in ein schiefes Zelt winkte, "oder such Dir auch eine aus, glaub mir, es geht nix über ne gute Lupa um sich nach sowas wieder wie'n Mensch zu fühlen. - Oder Du kannst ja schonmal den Wein besorgen, und wir treffen uns beim Ausschank da drüben...", schlug er vor, als er meine wenig begeisterte Miene sah.
    Ich seufzte leidig, aber ich konnte es ihm auch nicht verübeln und nickte.
    "Ja, treffen wir uns da drüben, viel Spass."


    Lustlos ging ich weiter, erstand in einem Ausschank auch ein paar grosse volle Weinschläuche. Aber alleine konnte ich die gar nicht alle tragen, so lädiert wie ich war und überhaupt hatte ich keine Lust mich abzuschleppen während Silio sich vergnügte. Also ließ ich den ganzen Haufen erst mal dort, nahm mir nur einen Weinschlauch mit und schlenderte, trinkend und mich ein bisschen umsehend, durch das Lager. Mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, dass mir zwei Zivilisten sorgsam auswichen - jaha, die dachten wohl mit betrunkenen Legionären ist nicht gut Kirschen essen! Und da hatten sie recht, ich fühlte mich allerdings gerade ziemlich grimmig und gefährlich, allerdings auch ziemlich wackelig, und so lehnte ich mich haltsuchend an eine grobe hölzerne Barrikade, so eine Art Pferch.
    Und wieder setzte ich den Schlauch an die Lippen, da fiel mir das Schild auf, das an einen Pfosten genagelt, vor dem Pferch stand: "Thyrsus et Telestas" las ich. Das waren doch diese Sklavenhändler aus Zeugma, die Leute, denen man heimlich die Post mitgeben konnte! Musca, der findige Musca, hatte mir davon erzählt.
    Neugierig geworden trat ich auf das nächste Feuer zu, an dem einige Männer sassen und sich unterhielten, breitschultriger Kerle mit Knüppeln und Peitschen. Dann erst sah ich, dass da wo der Feuerschein schwächer wurde, viele Gefangene in dem Pferch eingesperrt waren. Parther. Gefesselt lagen sie auf dem Boden, wo nur etwas Stroh aufgeschüttet war, manche von ihnen trugen Verbände, waren blutbesudelt. Einer stöhnte leise, die anderen waren still, aber einer richtete die Augen auf mich als ich vorüberging, irgendwie vorwurfsvoll schien es mir, und da wurde ich richtig stinkwütend auf einmal! Diese Leute hatten Lucullus abgestochen, diese Leute hatten mir eine Scheissangst eingeflösst, diesen Leuten geschah es gerade recht, hier jetzt so dahinzuvegetieren wie Vieh!


    "He ihr Dreckschweine!", pöbelte ich mit schwerer Zunge und ließ die Scheide des Gladius im Vorübergehen laut am Zaun entlangrattern (das hat mal ein Urbaner gemacht, als ich bei denen einsass und es hatte mir damals echt die Nerven geraubt), "Hat man euch etwa noch nicht gekreuzigt?!"
    "Gemach, gemach Miles." Einer der Sklavenaufseher trat vom Feuer her auf mich zu, ein echter Schrank, aber er sprach nur besänftigend zu mir wie zu einem kranken Pferd. "Die kommen in die Minen, nicht ans Kreuz."
    "Hätten se aber VERDIENT!" urteilte ich und hielt mich wieder am Zaum fest, weil der Boden so heimtückisch ruckte unter meinen Füssen. "Lumpenpack!"
    Doch dann kam mir eine GRANDIOSE Idee! Wie wäre es, dachte ich in meinem Rausch, wenn ich einen Sklaven kaufen würde, der könnte mir dann erstens jetzt gleich den Wein schleppen, zweitens in Zukunft das Korn mahlen und das Wasser holen für mein Contubernium, und drittens, ja drittens fand ich die Idee so derartig voll von ausgleichender Gerechtigkeit, dass ich, benebelt wie ich war, gar nicht daran dachte, dass wir einfachen Soldaten eigentlich gar keine Sklaven haben durften.
    "Was kosten die?"
    "Oh." Der Aufseher lächelte. "So frisch vom Schlachtfeld gibt es sie zum Sonderpreis. Hundertfünfzig Sesterzen pro Stück. Hundertzwanzig wenn Du drei auf einmal nimmst."
    "Ne Menge Geld, dafür dass man sie vorhin noch so aufsammeln konnte", maulte ich, folgte aber dem Mann in den Pferch, um mir die Ware mal anzusehen. Mit einer Fackel leuchtete er die Gefangenen an, einen nach dem anderen und ich begutachtete sie mit vernebelten Augen.

    Ach so, ja die Ränge, daran hatte ich gar nicht gedacht. Sparsus ließ das mit dem Tesserarius aber auch nicht raushängen. Mir wurde irgendwie sehr weinselig feierlich zumute (dabei war ich gleichzeitig immer noch zum Heulen traurig), als er meinen Dank so lakonisch zurückwies.
    "JA! Natürlich hätte ich dasselbe gemacht!", erklärte ich und wies pompös hinauf zum orientalischen Sternenhimmel.
    "Die Gestirne seien meine Zeugen, jawohl, Marcus Sparsus mein Freund, bei Orion und allen Plejaden und Hyaden, ich hätte nicht gezögert!"
    Ich trank darauf noch einen kräftigen Zug, verzog dann nachdenklich das Gesicht, und gab der Ehrlichkeit halber zu:
    "Ich weiß bloss nicht ob ich Dich so weit hätte schleifen können, Du Hüne... Sind alle in Deiner Familie so gross? Da fällt mir ein, heute im Valetudinarium, da war eine Dame aus Deiner Gens, glaube ich, ihr Name ist, ähm..., ach ja, Iulia Helena sagte sie, und sie ist die Gemahlin des senatorischen Tribuns, sag mal ist das eine Verwandte von Dir? Das ist vielleicht eine Frau... - also, ich meine sehr beeindruckend, wie sie sich um die Verwundeten gekümmert hat, also auch um mich... die hat keine Angst sich die Stola blutig zu machen....- Mist. Leer."
    Der Schlauch, der noch ein paarmal zwischen uns hin und hergegangen war, gab nichts mehr her. Ich legte den Kopf zurück und hielt ihn mir vor den Mund um noch die allerletzten Tropfen zu ergattern, betrachtete das schlaffe Lederbehältnis in meinen Händen dann melancholisch. 'Leer wie mein Leben' hatte Lucullus in genau so einer Situation gesagt... Seufzend liess ich es sinken.


    Nicht nur bei uns war der Wein ausgegangen. Da musste man doch was unternehmen! Silio aus meinem Contubernium erhob sich ächzend vom Feuer und marschierte los, um den Centurio zu fragen, ob wir uns noch Wein besorgen durften, im Lager des Trosses, der dem Heer folgte und ausserhalb der Castra die Zelte aufgeschlagen hatte. Da gab es ein paar Schenken, da war bestimmt noch was zu kriegen.

    Ein interessantes Thema! Ich glaube, der Kampf auf Leben und Tod ist eine der einschneidendsten und erschütterndsten Erfahrung die ein Mensch machen kann. Das lässt ganz sicher keinen kalt. Von daher finde ich, ebenso wie Lando, Angst gehört dazu zu einer Schlacht, so wie Dreck, Chaos, Blut und Eingeweide^^. Soldaten sind halt auch nur Menschen und keine Terminatoren, die völlig cool und ungerührt die Feinde niedermähen. (Ganz besonders nicht in der ersten Feldschlacht.) Das wäre ja auch langweilig zu spielen.


    Allerdings sind auch die anderen Argumente nicht von der Hand zu weisen - Menschen tun viel, was sie sonst nicht tun würden, überwinden vielleicht auch Urängste, wenn sie in einer geschlossenen Gruppe agieren, in einer Gemeinschaft, wie das z.B. die Prima ist, mit starkem Zusammenhalt, einem klaren Feindbild (die bösen Parther), und einer festen, aus heutiger Sicht fanatischen, Ideologie ('Rom ist es bestimmt, die Welt zu beherrschen'). So werden die Erlebnisse im Krieg, die einfach den Rahmen des normalen Lebens sprengen, wieder in einen Sinnzusammenhang eingebettet, und damit auch weniger beängstigend und traumatisch.


    Das ist halt die eine Frage - wie ist es wohl in Wirklichkeit - die andere ist: Worauf haben die Spieler Lust? Wie sehen sie ihre IDs, wie möchten sie sie darstellen, in dieser grossen 'Geschichte' des Partherfeldzuges, die wir ja alle zusammen entstehen lassen.
    Und da denke ich, etwas Heldentum ist doch legitim wenn's Spass macht. Solange die Gefahr und Bedrohung die vom Feind ausgeht, irgendwie "gewürdigt" wird, und man nicht zu sehr terminatormässig übertreibt. Zu sehr ist dabei natürlich Ansichtssache, und über manche Sachen, die mir persönlich zu arg sind, kann ich mich dann auch immer herrlich aufregen.
    Serapio allerdings ist tatsächlich noch nicht lange dabei - wenn auch länger als drei Wochen möchte ich anmerken, Kamerad Sparsus^^, aber naja, Zeit ist eh relativ im Forum - er ist sozusagen das Nesthäkchen der Prima und ich fände es seltsam, wenn alle so zittern und zagen würde wie er. ;)

    Einerseits machte es mir Mut, was die Iulia erzählte, nämlich dass ich nicht der einzige war, der sich mit diesem Problem quälte, andererseits, wenn es vor allem eine Frage der persönlichen Einstellung war - und ich glaubte, dass sie damit wirklich Recht hatte - dann hatte ich wahrscheinlich schlechte Karten. Ich war ja immer schon viel zu sanft, zu nachgiebig zu den Sklaven, zu sensibel in meinen Affären, einfach zu weich....
    Das musste ich einfach überwinden! Und während die Iulia geschickt meine Wange verarztete und wir uns noch ein wenig unterhielten, so dass es mich ziemlich ablenkte von den blöden Schmerzen, reifte in mir der Entschluss, mir gleich morgen ein Herz zu fassen und einen respektvollen Brief an meinen Onkel den Triumphator zu schreiben. Wenn es einen gab, der für Rom schon unzählige Leute über den Styx geschickt hatte, dann war er das. Vielleicht, wenn er mir nicht zu böse war wegen meiner Eskapaden, könnte er mir ja einen Rat geben wie man mit sowas klarkam...


    Leider, leider schien kein Opium für mich mehr übrig zu sein. Aber schon ging wieder alles drunter und drüber, und brachte mich unweigerlich auf andere Gedanken - denn ein Mann brach blutüberströmt im Eingang zusammen, und gleich darauf sank der Begleiter der Iulia ebenfalls zu Boden. Wenn der kein Blut sehen konnte, war er hier aber wirklich am falschen Ort. (Aber wenigstens gab es Leute auf der Welt, die noch zartbesaiteter waren als ich.)
    Ich richtete mich auf, um zu helfen, worauf der Boden des Lazarettes auf einmal zu schwanken und zu stampfen begann wie das Deck der Saltatrix von Ravenna in einer steifen thyrrhenischen Brise. Schnell schlang ich den Arm um einen der Pfosten, die das Zeltdach trugen und hielt mich dran fest, schloss die Augen um nicht zu sehen wie die Dinge so verwirrend umhertanzten.
    Als es wieder halbwegs ging, half ich mit, den Ohnmächtigen, der wie ein nasser Sack auf dem Boden lag und den Durchgang zwischen den Liegen versperrte, zur Seite zu ziehen. Mein Kopf hämmerte und dröhnte, mir war schwindelig und flau, und mein gerade eingerenkter Arm fühlte sich an wie ausgeleiert.
    Gerade wollte ich wieder matt auf mein Lager sinken - der Capsarius hatte mir wohlgemerkt auch gesagt ich solle noch mindestens zwei Stunden liegenbleiben - als die Matrona mich zum Helfen abkommandierte. Das kann ich nicht, dachte ich elend, aber ihr Ton war sowas von energisch, dass ich automatisch ein doch recht zackiges "Jawohl" zur Antwort gab. Diese Frau hätte ohne Zweifel einen guten Ausbildungs-Optio abgegeben.


    Ich riss mich fest zusammen, konzentrierte mich immer nur auf das nächste, und trat mit ihr zu der Liege, worauf man den Miles gerade verfrachtet hatte. Und zog erschrocken die Luft ein. Das war der Mann, der mir, als ich allzu enge Bekanntschaft mit einem parthischen Kriegsflegel zu machen drohte, zur Seite gestanden hatte hatte! Der mir aufgeholfen, mir so mutig beigestanden hatte!
    Kreidebleich, bedeckt mit verkrustetem und auch frischen Blut lag er da auf der Liege, hatte noch immer den Pfeil in der Schulter stecken, und sah mehr tot als lebendig aus. Nur seine Wimpern flatterten, und seine Brust hob und senkte sich ein bisschen. Unbedingt wollte ich ihm helfen, aber ich wusste nicht so wirklich wie.
    "Halt durch Kamerad!", sprach ich ihm zu und blickte hilflos zu der Matrona. Sie hatte doch bisher alles so gut in den Griff bekommen, bestimmt wusste sie auch jetzt was zu tun war!

    Cyprianus hat Recht, für die allermeisten Spieler hier ist es einfach nun mal ein wichtiger Bestandteil und Reiz des Spieles "etwas zu erreichen", der ID Ziele zu setzen und diese zu verfolgen, sich eine Position zu erkämpfen und damit auch Anerkennung zu gewinnen. Ohne Ziele dümpelt eine ID, ob weiblich oder männlich, schnell nur so dahin und wird langweilig.
    Und da - wie im wahren Leben so auch im IR - die Leute sich nun mal stark über ihren Job definieren, und darüber auch ihre Anerkennung beziehen, bieten sich für so eine Zielsetzung eben die existierenden Karrierewege an.
    Wenn die nun teilweise für weibliche IDs ganz versperrt sind, und ihnen in den offiziell noch gangbaren Steine in den Weg gelegt werden, wenn dort erbrachte Leistungen wie bei Valeria nicht gewürdigt oder herabgewertet werden - tja, dann bleibt halt nicht mehr viel. Diskriminiert zu werden mag kurzzeitig mal ein rollenspielerisch interessantes Element sein, auf die Dauer ist es für jeden und jede einfach nur frustrierend.
    Letzlich bleiben dann für eine weibliche römische ID, wenn der-oder-die-dahinter nicht scharf drauf ist ständig blöd angemacht zu werden und sich für ihre "unfraulichen" Aktivitäten rechtfertigen zu müssen, im großen und ganzen nur zwei Stereotypen zur Auswahl: brave Hausfrauen und junge Mädchen auf der Jagd nach einem schicken Bräutigam.
    Meiner Meinung nach eine rollenspielerische Verarmung des Forums.



    edit: Rechtschreibung

    Ganz schön energisch war das, wie die Iulia dem Optio Kontra gab. Mit der sollte man sich wohl besser nicht anlegen. Ob sie ihren Mann zu Hause auch so an die Kandare nahm?
    Aber dann wurde der Artorier ganz blass, als er den Namen hörte. Er musste auch mit Lucullus befreundet gewesen sein. Wortlos wandte er sich ab, ging hinaus. Ich fühlte mich so elend, ihm diese schlechte Nachricht überbracht zu haben, und sah ihm traurig hinterher. Von seinem Verband tropfte es rot, er schien ganz vergessen zu haben, sich hier verarzten zu lassen.
    "Optio Artorius - aber Dein Verband, der ist schon ganz durch, Du solltest, ähm, doch trotzdem danach sehen lassen... Optio."
    Ich glaube er hörte mich schon gar nicht mehr.


    Schwer ausatmend lehnte ich mich ein bisschen zurück, stützte mich auf dem rechten Arm ab. Es war so eine unglaublich tröstliche Wärme, die die Dame neben mir ausstrahlte, und ich sog diese Wärme richtig in mich auf, und spürte wie gut mir das tat, und, seltsam, auch ohne Opium waren die Schmerzen auf einmal ein Stück leichter erträglich.
    "Mhm, war meine erste", bestätigte ich mit einem schwachen Nicken, "ich bin noch nicht so lang bei der Legio.", und versuchte ein Lächeln, als sie mit dem Tuch meine Stirn betupfte, so fürsorglich.
    "Ja, vielleicht gewöhnt man sich auch da einfach dran. Hoffentlich."
    Dann würde es beim nächsten Mal nicht mehr ganz so schrecklich sein.


    Eine eindrucksvolle Narbe... oh je, was sollte denn das bedeuten? Ängstlich sah ich sie an, und stellte mir mein völlig verschandelten Gesicht vor, wie mich keiner mehr anblicken wollen würde, wie alle vor mir zurückschrecken würden, wie die Kinder in der Strasse mit dem Finger auf mich zeigen und mir Steine hinterherwerfen würden etc... - bis ich dann zwei Männer mit einer Bahre an mir vorbeigehen sah, auf der einer lag, bewusstlos und totenbleich, der anstelle des rechten Armes einen bandagierten Stumpf hatte. Da schämte ich mich, dass ich mir jetzt Gedanken um mein Aussehen machen konnte, und nahm noch einen Anlauf, tapfer zu sein.
    "Danke edle Iulia. Es geht schon wieder, wirklich. Ich heisse Decimus Serapio ausserdem, und ich danke Dir sehr für Deinen Trost."
    Ich wünschte mir, sie würde noch lange, lange neben meinem Lager verweilen, dabei war ja klar, dass andere, richtig Schwerverletzte ihren Beistand viel eher brauchten als ich. Und doch war da noch immer die vage, unverschämte, hartnäckige, gierige Hoffnung, dass ihr Begleiter womöglich wirklich etwas Mohnsaft für mich fände, das Ambrosia der Sterblichen, Morpheus' Segen, seliges Vergessen...

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Sparsus


    Ich dachte an die Parther mit den Äxten, die hinter den Reitern gekommen waren und den Verwundeten die Schädel aufgehackt hatten. Mir wurde eiskalt. Wenn Sparsus nicht gewesen wäre... ich wollte das nicht zu Ende denken, aber trotzdem schob sich ein widerliches Bild vor meine Augen, das eines Kopfes mit gespaltener Schädeldecke, Blut und Hirn und meinem Gesicht dazu...
    Ein Schaudern ging durch meinen ganzen Körper, ich krallte die Hand in den festen Wollstoff meines Mantels und sass einen Augenblick lang ganz starr. Nein, nein, nicht daran denken. Noch ein tiefer Zug Wein rann meine Kehle hinunter, ich trank wie ein Verdurstender.
    Dann spürte ich die Hand meines Kameraden auf meiner Schulter. Ich sah ihn an, mit starren, geröteten, etwas glasigen Augen und hörte wie er mir Trost spendete. Ja, er hatte ja Lucullus und mich damals - ich dachte wirklich 'damals', dabei war es nicht lange her - im großen Heerlager am Bach erwischt, wie wir uns so traut in den Armen lagen, in diesem wundervollsten aller Momente...
    "Ich... danke.", stammelte ich hilflos. "Ich weiß nicht... es ist so komisch... heute morgen war er noch da und jetzt ist er fort, so völlig unwiderbringlich, einfach nicht mehr da...und alles geht trotzdem ganz normal weiter... - Er sagte, dass auf uns nur das Verderben wartet, hier im Osten. Wie auf Crassus... Aber selbst wenn er recht hat, es macht ja keinen Unterschied für uns, nicht? Kämpfen muss man so oder so..."
    Ich presste die Lippen aufeinander, und rieb mir mit der Hand übers Gesicht, zog sie schnell zurück als ich die Fäden der Naht spürte. Ob Sparsus wohl ahnte, dass ich Lucullus heftig hinterhergeschwärmt hatte?


    Ein Klos steckte in meiner Kehle. Ich hustete und sagte leise:
    "Wenn - wenn Du mich liegengelassen, wär ich jetzt auch schon verbrannt, wahrscheinlich..."
    Dann fiel ich ihm um den Hals, ganz plötzlich, und ein bisschen ungelenk, und umarmte ihn fest.
    "Danke. Danke! Und Du entschuldigst Dich noch wegen dem Schleifen! Du hast mich gerettet. Ich - also ich weiss jetzt überhaupt absolut gar nicht mehr was ich sagen soll."
    Trotzdem quollen die Worte aus mir hervor, ich mach ja sowieso immer viele Worte, wenn ich in dieser Diszipin auch niemals mit meiner Tante Lucilla konkurrieren könnte.
    "Ich werde dir ewig dankbar sein. Ewig. Und wenn ich ir-gend-was für Dich tun kann, ich weiß es ist ja alles banal angesichts dessen dass Du mich gerettet hast, aber trotzdem, dann, äh, sag es! Ich bin ja nur ein naiver frischgebackener Streiter für imperiale Interessen, aber meine Familie, die hat echt Einfluss, das ist ein Haufen von Helden, da wird einem von schwindelig, und bei manchen von ihnen bin ich auch noch nicht ganz angeschwärzt, naja, bei anderen dafür schon zum Beispiel beim Legaten aber es bleiben noch ein paar übrig... - Sag mal, findest Du's sentimental wenn wir auf die Praenomen umsteigen? Wobei - Dein Cognomen ist so schön bunt, so richtig schön bunt.... Aber ich mag mein Praenomen lieber. Es bringt Glück. Und Glück kann man ja gebrauchen, hier... hier in diesem ganzen Wahnsinn..."
    Dass mein Freund auch mal den Weinschlauch wollte, fiel mir jetzt erst auf. Natürlich bekam er ihn. Ich war eh schon ziemlich betrunken, zwar noch nicht betrunken genug - das würde ich erst sein, wenn ich gar nichts mehr von der Welt mitbekam - aber ausreichend um die verzehrende Trauer und den Schrecken dieses Tages nicht mehr ganz so sehr zu spüren.

    Eine schweigende Prozession war es, die die Urnen ins Lager zurück geleitete. Alle waren wir erschöpft, viele verwundet, und vor Müdigkeit und Trauer selbst aschgrau im Gesicht, wie Geister. Wieviele von uns würden wohl auch bald tot und von den Flammen verzehrt sein, wer von uns würde wieder über den Euphrat gehen und wer über den Styx... Besser war wahrscheinlich, das vorher nicht zu wissen.
    Zurück bei den Zelten gab es Wein, und langsam löste sich das lastende Schweigen. Manche verschwanden sofort in den Zelten, aber viele sassen noch zusammen, die Centurien untereinander gemischt, tranken und sprachen von den Toten und von der Schlacht. Mit gedämpften Stimmen zuerst, dann, als der Wein die Gemüter etwas anhob, auch lebhafter.


    Ich zog die Paenula um mich, und trat zu meinem Freund Sparsus, berührte ihn kurz an der Schulter und setzte mich dann neben ihn. Seit der Schlacht hatte ich ihn nicht gesehen, er war wohl unterwegs gewesen, um das Holz aufzutreiben, hatte ich gehört. Wahrscheinlich, dachte ich, hatte der ganze Wald neben dem Schlachtfeld dran glauben müssen. In der Ferne heulten irgendwelche Viecher, Hunde oder Schakale oder Hyänen? Für die toten Feinde hatte niemand Scheiterhaufen errichtet...
    Ich hatte einen Weinschluch ergattert und trank, still und hartnäckig, Zug um Zug. Der Sternenhimmel über uns war unglaublich, wenn man mal nach oben sah, wie funkelnde Diamanten im endlosen Raum.
    "Du Sparsus...", fragte ich dann leise und wandte ihm das Gesicht zu, "...wie hast Du es überstanden?"
    Ich blickte auf seine dick verbundene Hand. Meine Zunge war schon etwas schwerer.
    "Kann das sein dass Du mich irgendwie... getragen hast, oder gezogen, ich erinner mich nicht mehr so richtig, einen Moment war ich mittendrinn und weggetreten, und dann irgendwie ganz nah beim Adler. Warst Du das?"