Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus


    Tu das, Miles, sagte der Primus Pilus nur. Da war ich schon irgendwie stolz, dass ich auch mitkommen durfte, hoffte helfen zu können, und trotz des Schreckens, der mich immer noch fest im Griff hielt, fühlte sich das ganze auf einmal wie ein richtiges Abenteuer an. "Der verschollene Centurio" hätte man es nennen können, oder: "Unterwegs mit dem Ersten Speer."
    Da es aber keine Abenteuergeschichte war, sondern das wahre Leben, durften uns die Parther, falls hier noch welche waren, nicht erwischen. Die anderen trugen alle keine Rüstungen. Deshalb löste ich schnell die Riemen meiner Lorica und zog sie so leise wie möglich aus. Sonst hätte ich beim Gehen ja Lärm für uns alle genug gemacht. Ich lehnte die Rüstung an eine Wurzel des toten Baumes und hoffte sehr, dass wir auf dem Rückweg - mit Centurio Flavius dann - wieder hier vorbeikommen würden.
    Mein Arm schmerzte wieder, als ich ihn dabei bewegte. Ich schob das Subarmalium ein Stück zur Seite und schielte kurz ängstlich auf die Wunde an meinem linken Oberarm. Ein langer Schnitt, mit Blut verkrustet, in dem Fäden meiner Tunika klebten. Es sah gar nicht schön aus aber blutete wenigstens nicht mehr und bewegen konnte ich auch noch alles - würde wohl nicht reichen, damit ich kriegsuntauglich wieder nach Hause geschickt wurde...


    Schon ging es weiter. Meinen Schild in der Rechten haltend, setzte ich mich in Bewegung. Da erst erkannte ich, in der Dämmerung, dass der "Miles Iulius", ja mein guter Kamerad Sparsus war! Ich lächelte ihm breit zu, voll Freude ihn zu sehen, und auch dass ihm nichts passiert war. Wobei - er trug einen blutigen Fetzen um die Hand gebunden. Hoffentlich war es nichts schlimmes.
    Vorsichtig setzte ich meine Füße, um keinen Stein loszutreten, und nur ja keinen Lärm zu machen, als ich nun an der Spitze des kleinen Trupps versuchte, den Weg zu dem Ort zu finden wo mein Centurio gekämpft hatte. Ich führte sie ein Stück den Rand der Böschung entlang, kam dann zu der Stelle, wo ich meinte, dass ich dort heruntergefallen war. Von dort aus wandte ich mich dann dem Hang zu, stieg ihn ein kleines Stück hinauf.
    Undeutlich sah ich dort dunkle Umrisse auf dem Boden liegen. Tote... Brandig roch es, als ich näher herankam. Ein Gestrüpp war ganz schwarz und verkohlt. Ein paar Zweige glommen noch, düsterrot in der fahlen Morgendämmerung. Rauch trieb über den zertrampelten, blutgetränkten Boden hinweg, die Schwaden wie zarte Schleier, die versuchen wollten, das was hier geschehen war, gnädig zu verdecken.
    Neben den verbrannten Büschen sah ich, als wir dort entlangkamen, den ersten toten Parther liegen - ein verkrümmter Leichnam. Ohne Kopf. Ich schluckte, presste die Lippen aufeinander, und sah zur Seite. Der nächste Tote war ebenso verstümmelt. Der danach ebenso. Und Köpfe waren da keine.


    Ein kalter widerlicher Ekel stieg in mir auf. Das war nicht im Kampf passiert. Das waren... - Unwillkürlich wandte ich den Kopf, und sah langsam, mit ungläubigem Entsetzen in den Augen zu dem Primus Pilus und den Kameraden hinter mir, als ich verstand: das waren meine Leute gewesen, die diese Leichen so abscheulich verstümmelt hatten. Ihnen allen die Köpfe abgeschnitten hatten. Wir Römer.
    Mir war schon wieder so entsetzlich übel. Ein Würgen stieg in meiner Kehle empor. Aber ich hatte ja nichts mehr im Magen. Hastig wandte ich den Blick wieder nach vorne, versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken. Mich zusammenzureissen! Starr hielt ich meinen Blick von den geköpften Leichen fern.
    Da! Aus den Augenwinkeln sah ich plötzlich eine Bewegung zwischen den Steinen, ganz nah von mir. Ich zuckte zusammen und griff nach meinem Gladius. Aber es war nur ein Schakal, erkannte ich als ich richtig hinsah, ein mageres schmutziggraues Vieh, das über einem Toten stand, und die Schnauze in dessen weit klaffenden Bauchraum versenkt hatte. Das Tier hob den Kopf, blickte uns an wie ein Lemur, mit blutigen Lefzen. Dann verschwand es geschmeidig zwischen den Felsen.


    Ich hatte das Gefühl, keinen Schritt mehr tun zu können. Als würden meine Knie jeden Moment wegsacken. Das hier war der Hades, so etwas wie hier sollte einfach nicht sein. Jeder Herzschlag hallte laut in meinem Kopf wieder. In meinen Ohren rauschte es. Ich verharrte. Versuchte tief und gut zu atmen. Wischte mir Schweiß von den Schläfen. Und da erkannte ich auf einmal die Form eines Felsens, der schräg am Hang lag und ein bisschen so aussah wie ein Tisch. Den hatte ich in der Nacht auch gesehen.
    "Dort", sagte ich leise zum Ersten Speer, mit einer Stimme, die sich fern und verstört und gar nicht wie meine eigene anhörte. Fahrig zeigte ich in die Richtung. "Dort drüben ungefähr war das... oberhalb von dem Felsen da... wo ich ihn zuletzt hörte."

    Äußerst unbehaglich war es, unter dem strengen Blick des Primus Pilus. Ich hatte fast das Gefühl, er müsse mir mein Versäumnis an der Nasenspitze ansehen. Dieser Mann, der Erste Speer der Ersten Legion, war ja per se der Inbegriff des römischen Soldaten wie er sein sollte, die vollkommene Verkörperung von Schlagkraft, Entschlossenheit und gnadenloser Härte! Das genaue Gegenteil von mir also. Wenn ich doch nur ein klein bisschen mehr so wie er sein könnte!
    Erleichtert vernahm ich, dass die Parther zurückgeschlagen waren. Und die Kohorten waren schon wieder im Lager? Da musste ich eine ganze Weile da unten verbracht haben, das hatte ich gar nicht wahrgenommen. Andererseits kam es mir wirklich so vor, als läge eine ganze Unendlichkeit zwischen den Ereignissen der Nacht und diesem Zeitpunkt jetzt...


    Centurio Flavius vermutlich gefallen? Bestürzt schlug ich die Hand vor den Mund. Das konnte und wollte ich mir nicht vorstellen, dass mein Centurio - der freundlich, väterlich, und, wie der Kaiser das wollte, ein unbeugsamer Turm in der Schlacht war - einfach den Parthern erlegen sein könnte!
    Oh ja, wir mussten ihn finden. Ich nickte entschlossen, wobei ich mich automatisch zum 'wir' dazuzählte. Bestimmt war er wohlauf - das musste einfach so sein - und nur ein bisschen abhanden gekommen, so wie ich ja auch.
    "Jawohl Primus Pilus. Zuletzt gesehen habe ich ihn, als wir hier vorgerückt sind," - ich überlegte - "noch ein Stück weiter vorne war das."
    Ich deutete wieder in die Richtung, in der das abschüssige Gelände liegen musste, auf das wir da geraten waren, als wir die Parther im Kampf zurückgedrängt hatten. Es war aber so verdammt dunkel gewesen, und nach dem Sturz war ich mir mit der Orientierung auch gar nicht mehr so sicher.


    "Es war ein Abhang mit großen flachen Steinen und dazwischen immer wieder Geröll. Und Gestrüpp. Da habe ich ihn als letztes den Befehl zum Wechseln der Reihen geben gehört. Er kämpfte ganz vorne. Ich stand, ähm, links von ihm, gar nicht so weit weg. Aber danach war ich dann auch in der ersten Reihe, ab da hab ich nichts anderes mehr wahrgenommen. Und dann bin ich eben gestürzt."
    Seltsam fand ich es, wie ruhig man über das chaotische Blutvergießen und Menschen umbringen in der Nacht sprechen konnte.
    Ganz eifrig bot ich dann an:
    "Soll ich versuchen diese Stelle wiederzufinden, Primus Pilus?"

    Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus


    Ihre Gestalten schälten sich Stück für Stück aus der Dämmerung, als sie näher kamen. Die Schilde! Die erkannte ich zuerst. Römische Schilde! Römische Helme! Keine Parther! Ich atmete auf und ließ mein Scutum sinken. Ich war gerettet! Unendliche Erleichterung zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Am liebsten wäre ich dem Mann, der nun auf mich zutrat, überschwänglich um den Hals gefallen! Aber so streng wie er mich anblickte hätte er das wahrscheinlich nicht geschätzt.
    "Miles Decimus Serapio", antwortete ich automatisch, ebenso leise wie er mich angesprochen hatte, straffte mich und führte die Faust zur Brust. "Zweite Centurie, Erste Kohorte, Erste Legion."
    Und dann wurden meine Augen groß als ich erkannte, wer da eigentlich mein Retter war - der Primus Pilus! Der für seine Grausamkeit berüchtigte! Gegen den der der alte Simplex nur ein Waisenknabe war! Was hatte der Praefectus Matinius bei meiner Rekrutierung noch gesagt: Wenn der Primus Pilus Artorius Avitus den Decimer da in die Hände kriegt, überlebt der nicht mal die Zeit bis zum Abmarsch!


    "Ich bin den Hang runtergefallen, bei dem Gefecht, Primus Pilus." sagte ich eingeschüchtert, und wies in die Richtung des fiesen Geröllhanges, dann auf die schroffe Böschung, die ich gerade wieder hinaufgeklettert war.
    "Es war sehr steil da wo wir standen."
    Noch immer war ich von dem Erlebten völlig mitgenommen. Ich biss mir auf die Lippen, erwiderte groß und wahrlich blauäugig den durchdringenden Blick des Ersten Speers, während ich aufgewühlt berichtete:
    "Da war auch ein Parther, da unten. Aber ich habe ihn - in die Flucht geschlagen, und jetzt habe ich eben gerade den Weg zurück gesucht, Primus Pilus."
    Was für ein Glück dass sie auf mich gestoßen waren! Aber warum, so fragte ich mich, waren sie ohne Rüstungen unterwegs, und so ein kleiner Trupp dazu? Waren wir etwa geschlagen und versprengt worden, und sie versuchten nun sich leise zum Lager zurück zu schleichen? Ihn das so zu fragen traute ich mich freilich nicht.

    Zitat

    Original von MARS
    Der Lärm des Kampfes wurde dumpfer, dann war es still. Der Soldat hockt alleine, zusammengekauert in einem weiten Rund. Und in diesem Rund erheben sich plötzlich Stimmen. Nicht eine, nicht zehn, nicht hunderte und auch nicht tausende. Nein, es schallte bald wie aus zehntausenden rauhen Kehlen.


    "Steh' auf, wenn du ein Römer bist!
    Steh' auf, wenn du ein Römer bist!
    Steh' auf, wenn du ein Römer bist!
    Steh' auf, wenn du ein Römer bist..."


    Was war das? Wo war ich?! Wie war ich auf einmal hier hergekommen?! Endlose leere Reihen erstreckten sich um mich. Es schien ein riesiges Amphitheater zu sein. Ganz alleine sass ich auf einer der Bänke, zusammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen. Ganz allein, bis auf die Stimmen. Unheimlich erhoben sie sich in dem Rund, riefen immer lauter, hallten dröhnten... Wo kamen die her?! Hektisch wandte ich den Kopf zu allen Seiten. Niemand zu sehen. Das Rufen schwoll immer weiter an, schlug über mir zusammen wie ein Orkan. Steh auf!
    Hastig sprang ich auf die Füße und starrte, vom Lärm umtost, in das weite Rund. War ich ein Römer? Kein wahrer jedenfalls, nur ein schlechter, der nicht mal einen Feind erledigen konnte. Der Chor der Stimmen war ohrenbetäubend, das Amphitheater zitterte schon von dem dröhnenden Hall aus abertausend Kehlen, dieser schwindelerregenden Anklage! Risse liefen durch die Fassade, breiteten sich aus...
    Ich floh. Rannte einfach los, um den Stimmen zu entkommen. Durch einen klaffenden Riss in der Mauer drängte ich mich hindurch, schlüpfte hindurch und rannte, rannte, rannte immer weiter bis ich die Stimmen nicht mehr hören konnte....


    ...und fand mich am Fuße der Böschung wieder, wo ich mit dem Parther gekämpft hatte, und wo so plötzlich das ganze Grauen auf mich eingestürmt war. Dort wollte ich nicht bleiben. Das blutverkrustete Gladius in der Hand stieg ich den Hang hinauf. Ich sah das Lager vor mir, aber dorthin mochte ich nicht zurückkehren, zu all diesen wahren und grausamen Römern, zu denen ich nicht dazugehörte. Also wandte ich mich ab und ging in die Hügel hinein. Eine felsige Kuppe ragte vor mir auf, da stieg ich hinauf, um meinen Weg zu überblicken. Von dort sah ich die Sonne aufgehen, ein Kranz goldener Strahlen, die gleissend den Himmel erhellten. Unter mir erstreckten sich weite Täler, ich sah große Vögel am Himmel kreisen, und bekam Lust etwas in die Tiefe hinabzuwerfen. Da war immer noch das Schwert in meiner Hand. Weit holte ich aus, und schleuderte es von mir. Es flog durch die Luft, drehte sich und blitzte schön im Sonnenlicht, verschwand dann in der Tiefe. Ich lachte erleichtert und ging weiter.
    Die Sonne stieg höher. Meine Rüstung lastete schwer. Ich war auf einem weiten Feld angelangt, das ganz von schwarzer Asche bedeckt war. Zuerst nahm ich den Helm ab. Da konnte ich schon viel freier atmen. Dann zog ich die Rüstung aus, und das Cingulum militare, lies sie einfach am Rande des Feldes liegen, als ich weiterging. Die Asche federte so weich unter meinen Füßen, da bekam ich Lust, die Flocken unter den nackten Sohlen zu spüren. So streifte ich zuletzt noch die Caligae ab und watete barfuss durch die Asche hindurch. Sanft und flaumig strichen die Flocken um meine bloßen Füße... Ich war so leicht!
    Und je weiter ich kam, um so deutlicher sah ich, dass sich unter der Asche schon neues Leben regte. Frisches Grün spross dort, wuchs und trieb Knospen, durchbrach die dunkle Aschendecke, reckte sich unbesiegt zur Sonne empor.
    Statuen lagen rechts und links meines Weges in diesem Feld verstreut. Es waren alles Kriegsherren, erkannte ich, große Generäle und Schlachtenlenker der Geschichte, die hier, von ihren Sockeln gestürzt und geborsten, nur noch Trümmer waren... Und schon schlangen sich Ranken um diese Überreste, überwucherten die Ruinen, tilgten jede Spur dieser Männer, die einstmals so viel Schrecken verbreitet hatten, soviele in den Tod geschickt hatten.
    Ein Wind ließ die Asche aufstieben, feiner Staub streifte meine Wangen wie die Flügel eines Nachtfalters. Immer höher wuchsen die Pflanzen um mich. Knospen brachen auf und erblühten. Es war ein Meer von Blumen, durch das ich hindurchschritt, von einer tiefen Glücksseligkeit erfüllt, und so leicht, so unsäglich leicht, dass mich schließlich der Wind fasste und mit sich trug... ganz weit weg, der Welt und ihrem Blutvergießen für immer entrückt...


    ~ ~ ~


    ...und wiederum fand ich mich am Fuße der Böschung wieder, wo ich mit dem Parther gekämpft hatte, schreckte auf aus dem Dahindämmern, in das ich, zusammengekauert, taub vom Schrecken verfallen war. Ein schöner Traum war das gewesen - bis auf den bizarren, unheimlichen Anfang - doch er verflog sofort als ich die Augen öffnete, und die Wirklichkeit mich ansprang. Mein Arm schmerzte sehr, war blutüberströmt, und ich hatte Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper. In meinem Mund schmeckte ich bittere Galle. Ich stand auf, wobei mir ziemlich flau wurde, hielt das Gladius fest umklammert und sah mich benommen um. Ein klein wenig heller schien es geworden zu sein. Der Boden vor mir war zertrampelt, ein großer Blutfleck hob sich dunkel, nahezu kreisförmig dort ab, und eine Schleifspur führte davon weg in Richtung des dichten Buschwerkes. Menschen sah ich keine. Und still war es. Der Lärm des Gefechtes, das doch eben noch getobt hatte, war nicht mehr zu hören. Ich war allein. Verdammt, ich musste schnell zum Lager zurück, bevor mich noch irgendwelche Parther erwischten! Hoffentlich war es noch nicht abgebrannt oder erobert.
    Einen kurzen Augenblick lang stellte ich mir vor, dass ich es doch auch so wie in meinem Traum machen könnte: einfach fortgehen, das Grauen des Krieges hinter sich lassen, niemals wieder kommen... Aber dass das Selbstmord gewesen wäre, war mir natürlich klar. Nein, ich wollte weder verdursten noch vom Feind niedergemacht noch von meinen Kameraden wegen Fahnenflucht gekreuzigt werden.


    Natürlich sollte niemand wissen wie schmählich ich beim Töten versagt hatte. Das Krummschwert des Parthers lag noch auf dem Boden. Ob er es wohl bis zu seinen Leuten zurück geschafft hatte, fragte ich mich unwillkürlich, obwohl ich doch wusste dass ich darüber nicht nachdenken sollte. Vielleicht war er auch seiner Verletzung erlegen, irgendwo da hinten im Gebüsch... Ich schauderte, und hob schnell das Schwert auf, steckte es in den Gürtel. Als Trophäe.
    Dann wandte ich mich dem Hang zu, ging mit weichen Knien ein paar Schritt. Beinahe wäre ich über meinen Schild gestolpert. Da war er also gelandet! Den hätte ich vorhin haben sollen! Ich wuchtete mir den Riemen über die rechte Schulter und begann mühselig die Böschung wieder hinaufzuklettern. Jeden Moment verharrte ich, hielt mit klopfendem Herzen Ausschau nach Feinden.


    Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus
    ...und der kleine Spähtrupp, bewaffnet nur mit den Gladii, entfernte sich im Laufschritt vom Rest der Truppe, zurück in die Richtung, in der sie eben noch den Schwertkämpfern gegenüberstanden und von den Bogenschützen beschossen wurden...


    Gerade hatte ich den Rand erreicht, hielt mich an dem Stamm eines knorrigen toten Baumes aufrecht, als Schritte in der Nähe erklangen. Mehr als einer schien das zu sein. Und wohl kaum Kameraden, denn es fehlte das charakteristische Geräusch, das unsere Rüstungen beim Gehen machten. Eisig lief es mir den Rücken hinunter. Und da sah ich schon, nur schemenhaft in der beginnenden Morgendämmerung, einige Gestalten vor mir sich nähern! Bei allen Göttern! Zum Abhauen war es zu spät. Ich presste meinen Rücken an den Stamm des Baumes, umkrallte mein Gladius, und versuchte verbissen, den Schild mit dem verletzten Arm zu halten. Entsetzt starrte ich ihnen entgegen, aschfahl im Gesicht. Aber... Moment mal! War das nicht...-

    Als Optio Tallius in meine Nähe kam, gab ich mir natürlich ganz besonders Mühe. Das Pilum vor mir wäre schon so einige Tode gestorben, als auf einmal blitzschnell die Faust des Optios vor meiner Nase erschien. Huch! Erschrocken riss ich die Augen auf. Ein Glück dass das jetzt kein Partherschwert war. Aber mich hatte wirklich der Ehrgeiz gepackt, und auf seinen Befehl hin riss ich entschlossen meinen Schild hoch, beugte mich in dessen Deckung schnell nach unten, und führte mit der Übungswaffe einen schnörkellosen Stoss gegen seinen Torso. Wie immer jedoch hatte ich, wenn ein Mensch vor mit stand, Hemmungen richtig zuzustoßen, und bremste den Stich ab bevor er mit dem Metall der Lorica kollidieren konnte.

    Schrille Pfiffe drangen durch den Kampfeslärm. Wechsel!, kommandierte der Centurio, eine Hand schob mich nach vorne, und dann war ich plötzlich da, wo ich gerade noch so dringend hingewollt hatte: in der ersten Reihe! Eine Woge von Chaos schlug über mir zusammen. Meine Sohlen rutschten auf dem glatten Boden, überall um mich herum sausten die Klingen durch die Luft, schrien Menschen, krachte und schepperte es, dass einem Hören und Sehen verging, einen vollkommen konfus machen wollte. Nur der Rausch des Kampfes, der auch mich erfasst hatte, verhinderte, dass ich gleich wieder die Flucht ergriff. (Und die Leute hinter mir hätten es wohl auch verhindert, wäre es denn so weit gekommen.)
    Der Feind war nicht so zuvorkommend, mir Zeit zum Akklimatisieren zu lassen - ein langes Partherschwert sauste auf mich zu, geführt von einem großen, bulligen Mann. Atemlos schlug ich mit dem Scutum den Hieb beiseite, es krachte, und ich spürte einen wahnsinnigen Aufprall an meinem Arm. Was für eine Kraft! Ich stach mit dem Gladius nach ihm, aber er war schon zurückgesprungen.
    Es war ein grauenvolles Hauen und Stechen um mich herum, ich atmete ganz tief, dachte gar nicht nach sondern tat nur immer genau das was wir gelernt hatte: mich decken, zustechen, schnell wieder zurückziehen, und vor allem in der Phalanx bleiben. Und Fortuna muss wirklich ihre schützende Hand über mich gehalten haben! Wir rückten vor, wie eine stählerne Walze, die alles zermalmte, oder die Kiefer des großen gefrässigen Tieres, wir trampelten über Gefallene und Sterbende, als der Feind zurückwich. Ein einziger Mahlstrom von Schreien, Hieben, Blut. Zum ersten Mal traf mein Schwert auf Fleisch, und schlitzte dem Mann vor mir die Schulter auf. Es war wirklich erstaunlich wenig Widerstand, Fleisch, so hatte ich irgendwie gemeint, müsse fester sein...


    Jäh wirbelte eine Klinge von oben auf mich herab. Ich hörte das Pfeifen, als sie die Luft durchschnitt, riss meinen Schild hoch, aber da krachte es auch schon, als Camerinus sie parierte, und den Schlag von mir ablenkte. Ihm danken konnte ich nicht, wieder drang einer auf mich ein, und ich deckte mich, und stieß zu, und zog zurück und deckte mich, und da! Ich sah ein Blöße und stach heftig danach - Stoß, Links! - glitt aber an einem Schild ab. Im gleichen Moment, ich sah es nur aus den Augenwinkeln, schnellte, wie eine giftige Schlange wieder von irgendwo her kommend ein Schwert auf mich zu, ich riss den Schild herum, der Aufprall schmetterte ihn gegen meine Schulter und da verlor ich, auf dem steilen, glatten Grund, auf einmal den Boden unter den Füßen!
    Mein Hintermann versuchte noch mich zu packen, aber ich glitt unaufhaltsam bergab, und fiel über den Rand einer gerölligen Böschung, die sich da in der Dunkelheit verlor. Der Schild rutschte aus meine Hände, als ich verzweifelt nach etwas zum Festhalten griff, aber da war nichts und ich schlitterte immer weiter, in einer Wolke von Staub und Steinen.
    Aber es war, Fortuna sei Dank, nicht sehr tief. Zerschunden landete ich in irgendeinem Gestrüpp. Um mich Dunkelheit. Der Kampfeslärm war gut zu hören, es war nicht weit bis zu den anderen, doch die Böschung verdeckte den Blick. Ich rappelte mich auf, immer noch wie in einer Art Trance, die den Schrecken überdeckte - und dann sah ich, dass ich nicht alleine war - einige Schritt von mir erhob sich eine dunkle Gestalt vom Boden, sie schien hinabgefallen zu sein, ebenso wie ich. Ein Kamerad? Ein Feind?!


    Ein Strahl Mondlicht, der zwischen den Wolken hindurchdrang, fiel auf die Gestalt, und mir gefror das Blut in den Adern. Wie ein Panther kam der Parther langsam auf mich zu, sein Krummschwert in den Händen. Ich war schildlos! Ich war verloren! Entsetzt hielt ich mein Gladius vor mich, denn ich hätte nicht gewusst, wo ich in dieser Dunkelheit hätte hinrennen sollen. Bei allen Göttern! Sein Schwert war bestimmt doppelt so lang wie meins!!
    Ganz sicher war sein Schritt aber nicht mehr, sah ich als er näherkam - er war schon verwundet, Blut glitzerte im Mondlicht, sein Haar war blutgetränkt. Mit dem tollkühnen Mut totaler Verzweiflung trat ich ihm entgegen, und starrte ihm in die Augen - er trug seltsame Tätowierungen da außen herum, wie Dolche sahen sie aus - versuchte zu erahnen wo er mich treffen wollte. Ein Hieb, der mir wohl den Kopf von den Schultern hätte trennen sollen, kam auf mich zugesaust, ich sprang zurück, die Spitze fuhr kreischend über das Metall meiner Lorica, und ich fühlte eine Welle absoluter Panik in mir aufsteigen. Aber in dem Bruchteil eines Wimperschlages als er wieder ausholte, mit der langen Waffe, stürzte ich einfach nach vorne, und ich hatte Glück und war ein ganz kleines Bisschen schneller als er, und die Spitze meines Gladius bohrte sich durch seinen Lederharnisch in seine Flanke hinein. Es war weich, und an einer Stelle spürte ich, glaube ich, eine Rippe von ihm, als meine Klinge darüber hinwegschabte, und es war das scheußlichste Gefühl, das man sich vorstellen kann.


    Er fiel, und gab zum ersten Mal ein Geräusch von sich, eine Mischung zwischen Stöhnen und Schrei. Ich zog nicht schnell genug zurück, und sein Schwert vollendete den begonnenen Schwung, und schnitt in meinen Oberarm hinein, in den linken. Es tat in diesem Moment nicht besonders weh. Warm rieselte es mir den Arm hinab. Die Hand um das Gladius gekrallt, von dem es dunkel heruntertropfte taumelte ich zurück. Starrte auf den Mann vor mir am Boden. War das alles wirklich? Er stöhnte, und eine Hand krallte sich in den Boden hinein, er bäumte sich auf, wollte sich wohl aufrichten, fiel wieder zurück. Ich musste ihn jetzt töten. Musste ein Ende machen. Ein Bastard weniger, der meine Kameraden und mich nachts mit Brandpfeilen und Widerhaken überfiel.
    Ich trat heran, vorsichtig, falls es nur eine List war, und hob das Schwert. In den Hals. Am besten in den Hals stoßen. Er lag am Boden. Das Tuch, das sein Gesicht verhüllt hatte, war verrutscht. Er sah mich an, in diesem Moment, und ich blickte zurück, was ich nicht hätte tun sollen, denn ich sah, dass er in meinem Alter war, und dass er litt und wahnsinnige Angst hatte. Mir wurde schlecht, so richtig kotzübel, und zugleich ganz kalt und zittrig, und so stand ich da, zögerte, und auf einmal, als ob eine Schleuse gebrochen wäre, stürmten die ganzen Sachen, die ich eben gesehen hatte alle auf mich ein. Ich spürte dass ich zitterte. Mein Schwert sackte herunter, und ich wich vor dem Parther zurück, mit weichen Knien.


    Ich kann das nicht.


    Bis zur Böschung kam ich, dann dreht sich mir wirklich der Magen um, und ich spie alles aus, bis nur noch bittere Galle kam. Die Tränen liefen mir über das Gesicht. Irgendwo im Schatten eines Überhanges kauerte ich mich zusammen, fühlte mich vor Ekel wie taub. Ich konnte hören, wie der Parther über den Boden kroch, und sich irgendwie davonschleppte, aber das war mir egal. So verharrte ich, die Hand um meinen Oberarm geklammert, und klebrig geronn das Blut zwischen meinen Fingern.

    Ich war sehr, sehr glücklich, dass es heute wohl mal nicht ums Pilumwerfen ging. Denn dabei hatte ich, auch wenn meine Würfe inzwischen einigermassen manierlich waren, noch immer das vage Gefühl, dass die anderen mich heimlich auslachten. Aber das Gladius, mit dem konnte ich, nach den langen Lektionen auf der Überfahrt, schon was anfangen. Ich schnappte mir also ein Übungsschwert, trat kühn dem in die Erde gerammten Pilum entgegen, und stellte mir vor es sei ein bösartiger Feind.
    Vor meinem inneren Auge erschien eine Schildreihe, rechts und links von mir, ich ging in die Grundstellung, hob mein Scutum an, dass es mich von der Nasenspitze abwärts deckte, und begann meinen "Gegner" mit einer Folge schneller, agressiver Stiche zu bedenken. Ich achtete darauf, nicht aus meiner imaginären Phalanx herauszutreten, und nicht zu sehr auszuholen, um meine imaginären Kameraden nicht zu treffen. (Und Ausflüge ins pathetische Theaterfechten hatte mir der Centurio auch schon rigoros abgewöhnt.)
    Laut tönte das Aufeinandertreffen der Hölzer über den Platz. Ich variierte Stichfolge und -winkel, achtete gut auf meinen festen Stand, und attackierte das Pilum mit Feuereifer. Und - obwohl mir schon klar war, dass es vor allem anderen um Effizienz ging - versuchte ich doch auch, dabei immer schöne und geschmeidige Bewegungen zu machen. Denn ich bin nun mal ein ästhetisch veranlagter Mensch.

    Mit einem lauten Klacken schlug ein Pfeil in meinen Schild ein, und blieb zitternd darin stecken, kurz darauf ein zweiter, und das mit solcher Wucht, dass die Spitze ein Stück durch das Holz drang, und ich die fiesen Widerhaken daran direkt vor Augen hatte. Ich erblasste, schluckte mit staubtrockener Kehle, und spürte klebrig kalten Schweiß auf meiner Stirn. Das war alles so unwirklich, gerade eben hatte ich noch friedlich geschlummert, und nun stand ich hier, und irgendwo da hinten im Dunkeln hockte jemand und schoß Pfeile auf mich, um mich umzubringen. Hastig brach ich die Schäfte ab, wie ich das bei meinen Kameraden gesehen hatte. Wir rückten weiter vor. Mein Herz pochte wild, jeder Schlag schien in meinem Schädel zu dröhnen.
    Als der Befehl zur Testudo kam, war ich auf einmal völlig kopflos. Die Theorie kannte ich natürlich, also hob ich meinen Schild über mich, aber was und wie, und wie bitte genau musste ich das jetzt konkret machen?! Hilfesuchend sah ich um mich, und mein Nebenmann - zum Glück war ich neben Camerinus gelandet - sah meine Verwirrung. Er packte meine Hand und brachte sie, und damit den Schild in die richtige Position.
    "So machste das, Junge. Genau so ist es richtig.", sagte er mit einer Ruhe, die ich in dieser Situation ganz unglaublich fand, und klopfte mir sogar noch kurz gutmütig auf die Schulter. Ich nickte verkrampft, und hielt den Schild genau so wie er es mir gezeigt hatte, so dass der Vorderrand den Schild des Mannes vor mir etwas überlappte, und die Seiten genau mit denen neben mir abschlossen - ich hielt ihn akkurat in dieser Position, so verbissen als würde mein Leben davon abhängen (was es ja auch tat), während wir weiter vormarschierten.


    Unter der Testudo, in der Nacht, war es stockdunkel. Laut schabten die Schilde übereinander, so dass bei jedem Schritt ein hohles Geräusch ertönte, und mir war, als wäre ich wirklich Teil eines großen, vielbeinigen, gepanzerten Tieres, das schnaufend und klirrend vorrückte, sich jetzt anschickte den Hang zu erklettern. Pfeile schlitterten über unsere Schilde hinweg, und manche fanden durch die Formation - erschrocken biss ich mir auf die Lippen, als direkt vor mir jemand zu Boden ging. Beinahe wäre ich auf ihn getreten! Was mit ihm war konnte ich nicht sehen, wir gingen um ihn herum, die Lücke schloss sich und das große Tier zog weiter, ohne eines Einzelnen wegen Halt zu machen.
    Dann hörte ich den Centurio rufen, wir sollten die Testudo auflösen, und ich nahm meinen Schild wieder herunter. Jetzt erst sah ich, wo wir uns inzwischen befanden. Der karge Abhang, im fahlen Licht des Mondes hatte allein schon etwas beklemmendes an sich (er hätte eine gute Kulisse für eine thessalische Schauergeschichte abgegeben), aber noch viel unheimlicher waren die dunklen Gestalten, die still, wie gestaltgewordene Schwärze darüber hinweg glitten... Der Feind. Die Parther. Fast glaubte ich in diesem Moment, dass Centurio Flavius recht hatte, und sie tatsächlich keine wirklichen Menschen waren, jedenfalls keine aus Fleisch und Blut. Allerdings sah es so aus, als würden sie vor uns fliehen, was wiederum weniger furchterregend war.


    Denen würden wir es jetzt zurückzahlen, uns so heimtückisch zu überfallen! Eine für mich ganz untypische überwältigende Wut auf diese hinterlistigen Bastarde verdrängte meine Furcht, beflügelte meine Schritte. Eifrig stebte ich den Hang hinauf, und fand mich, da ich beim hastigen Einreihen zuvor auch schon ziemlich weit vorne gelandet war, auf einmal in der zweiten Reihe wieder. Da ertönte der Befehl zum Werfen der Pila, und ganz kurz (ganz kurz!) war ich wirklich und wahrhaftig froh, dass der alte Schinder uns damit so gequält hatte, bis sogar ich einen passablen Wurf hinbekam. Beim Üben jedenfalls. Hier war das schon etwas anderes.
    An der Schräge des Hanges stehend, dem Mann vor mir ausweichend als er ausholte, holte ich Schwung, und schleuderte meinen Speer mit aller Kraft in die Nacht, in Richtung der dunklen Gestalten. Ich bezweifle, dass ich einen von ihnen traf. Aber wenigsten traf ich keinen meiner Kameraden, und das war schon mal ganz gut so.


    Wir rückten weiter vor, kamen zu Feinden, die unter den Pila auf der Strecke geblieben waren. Ich sah einen, dem ein Speer im Brustkorb stak, und der sich schon nicht mehr bewegte, und dachte seltsam unberührt: Also doch aus Fleisch und Blut. Ein anderer, schwerverwundet, wälzte sich stöhnend auf den Boden. Camerinus neben mir stach ihm beim Vorbeigehen das Gladius in den Hals hinein, und der Parther wurde still. Blutige Bilder strömten auf mich ein, prägten sich mir ein, aber sie berührten mich - in diesem Moment - nicht mehr, als wären es Fresken die ich im Vorübergehen betrachtete.
    Sand und Geröll knirschte unter meinen Füßen. Vor uns lag ein Tal zwischen den Hügeln, und da stellten sich einige zum Kampf. Laut erhob sich die Stimme des Centurios über den Lärm des Vormarsches, als er den Angriff befahl, und kampfesgierig drang die Reihe vor mir auf den Feind ein. Ohrenbetäubend klirrten die Schwerter, splitterten Schilde und Knochen, hallten die Schreie...
    Meine Linke hielt den Schild, ich stützte ihn gegen Knie und Schulter, suchte meinem Vordermann Halt zu geben. Die Finger meiner rechten Hand krallten sich, schweißnass, um den Schwertgriff, ich hielt es in der Grundposition wie der Centurio mir das beigebracht hatte, und lauerte auf eine Gelegenheit zuzustoßen, auch zu kämpfen! Das Blut rauschte in meinen Adern, alles war unglaublich intensiv um mich, und die Zeit zwischen zwei Herzschlägen schien sich unendlich zu dehnen. Das war ein Rausch, besser als jede Droge.

    Pfeile, überall Pfeile. Ich umklammerte krampfhaft fest meinen Schild, hielt ihn hoch und deckte mich damit so gut ich konnte. Und ich hatte wohl Glück, mich traf keiner, aber immer wieder hörte ich markerschütternde Schreie... Trotzdem nahm das wirre Durcheinanderrennen in diesem Bereich des Lagers immer geordnetere Züge an, Brände wurden bekämpft, und die Reihen der Kohorten formierten sich diszipliniert. Auch wenn ich immer noch das Gefühl hatte, vollkommen neben mir zu stehen, war es doch irgendwie beruhigend zu sehen, wie schnell diese gut geölte, eingespielte Kriegsmaschinerie in Gang kam. Sogar die Capsarii waren schon unterwegs.


    Dann kam der Befehl zum Ausrücken, und auch meine Centurie setzte sich in Bewegung, sogar ziemlich weit vorne. Es war, als ob ein langer Strom von Eisen auf das Tor zuflösse, in dem auch ich einfach mitgetrieben wurde. Wir marschierten zügig darauf zu, und kurz bevor wir es durchschritten sah ich dann zum ersten Mal in diesem Krieg einen Toten. Er lag auf der Rückseite des Walles verkrümmt auf dem Boden. Ein junger Mann, das Gesicht entstellt vom Schmerz. In den starren, weit offen stehenden Augen lag ein Widerschein der Flammen, und in seinem Hals steckte ein langer Pfeil. Viel Blut war um ihn.
    Ich wollte nicht hinsehen, aber ich konnte meine Blick nicht abwenden, als wir an der Stelle wo er lag, vorüber marschierten. Vor drei Tagen erst hatte ich nachts Wache auf den Wall gehalten. Ich biss mir fest auf die Lippen, umkrallte den Griff meines Schildes, und versuchte, nicht daran zu denken, dass es mich ebensogut wie ihn hätte erwischen können. Aber mir war, als würde sich mir gleich der Magen umdrehen, und ich schwitzte heftig trotz der Kälte, als wir nun das Tor durchschritten, und, von Pfeilen umschwirrt, auf die Dunkelheit zuhielten, wo der Feind auf uns lauerte.

    Durch Schreie aus dem Schlaf gerissen, fuhr ich erschrocken hoch. Zuerst bemerkte ich: es roch brandig. Dann erst sah ich die Flämmchen, die an der Zeltwand neben mit züngelten. Bei allem Göttern! Das Zelt brannte! Draußen schmetterten die Cornicen, gellte ein schrecklicher Schrei... Entsetzen stieg in mir auf. Was war hier los?! Was sollte ich tun?!
    "Schnappt euch Waffen, Rüstung, Schild und dann raus hier!", hörte ich Rusticus mit lauter Stimme befehlen, und sah, wie er mit seiner Paenula heftig auf die Flammen einschlug. Fetzen verkohlter, glimmender Zeltwand wirbelten durch die Luft. Qualm kratzte in meinem Hals, ließ mich husten. Rusticus' Befehl löste meine Schreckstarre, ich raffte meine Sachen zusammen, stürzte zum Ausgang und gelangte mit einigen Zeltgenossen nach draußen. Frische Luft!, war das erste was ich dachte, und dann:Wie wunderschön!, als über mir ein Feuerschweif vorüber glitt, sich einen Augenblick lang vor der Schwärze als glutrote Striemen abzeichnete, als hätte ein feuriger Prankenhieb das Gefüge der Nacht zerrissen...
    Musca packte mich an der Schulter, rüttelte mich, rief irgendwas, das in einem erneuten Hörnersignal unterging. Jetzt hörte ich auch das Brausen in der Luft, von den vielen Pfeilen. Feuerregen, Feuerprobe.
    Automatisch folgte ich dem Beispiel meiner Contubernales, legte hastig die Rüstung an, schlüpfte in die Schuhe, gürtete das Gladius und Pugio, ganz ohne nachzudenken, ganz ohne Zeit zu haben mich wirklich zu fürchten, auch wenn um mich herum ein Inferno losgebrochen war. Unser Zelt brannte hell. Die Flammen loderten schon oben heraus, und auch Rusticus floh nun hinaus, rußverschmiert und hustend.


    "Zum Centurio!", rief jemand und ich folgte einfach, packte Schild und Pilum und rannte mit den anderen zwischen den Zelten entlang, während der Himmel immer wieder erglühte, Pfeile um uns niedergingen. Ein Muli galoppierte aufgescheucht die Lagergasse entlang, sein Fell qualmte und ich sprang hastig zur Seite, damit es mich nicht über den Haufen rannte. Armes Tier., dachte ich noch, in einem entlegenen Winkel meines Bewußtsein - als auf einmal Musca neben mir mit einem Wehlaut zu Boden ging. Ein Pfeilschaft ragte aus seiner Wade, und ein dünnes Rinnsal von Blut tropfte zu Boden.
    "Musca!" Ich beugte mich zu ihm runter - schockiert - wollte ihm aufhelfen, ihm irgendwie helfen - aber er fluchte nur, schüttelte den Kopf und scheuchte mich weiter, zum Zelt des Centurios, wo sich schon ein Haufen Leute versammelt hatte. Da reihte ich mich ein, sah mit großen, weitgeöffneten Augen um mich, und schloß hektisch noch ein paar Riemen an meiner Lorica. Jemand klopfte mir auf die Schulter - ah, Sparsus. Auch wenn er ebensowenig wie ich die heimtückischen Pfeile aus der Luft pflücken konnte bevor sie uns erreichten, fühlte ich mich in seiner Nähe gleich ein Stück sicherer, und ich grinste - wenn auch vollkommen verzerrt - zu ihm rüber.
    Befehle drangen an mein Ohr - Zum Intervallum - Ausrücken - Löschen. Zum Glück musste ich mich nicht entscheiden, wem oder was ich da jetzt gehorchen sollte. Ich folgte einfach stur meinem Centurio, als die ganze Truppe sich nun in Bewegung setzte, Richtung Intervallum...

    Ich und ein treusorgendes Weib! Womöglich gar noch als Familienvater... - da musste ich schon ziemlich grinsen bei dieser absurden Vorstellung!
    Oh, über Edessa stand auch etwas in den Reiseberichten des Characeus, die ich mir während des Vormarsches, in den seltenen freien Minuten, immer mal wieder zu Gemüte führte. Es hieß, es sei eine sehr schöne und alte Stadt, voller entzückender Sehenswürdigkeiten. Ich hoffte, dass diese, wenn wir die Stadt dann erobert haben würden, nicht in Trümmern, Schutt und Asche liegen würden, damit ich sie mir noch anschauen konnte.


    Feuerprobe. Das war ein klangvolles, starkes Wort. Bei dem wurde es mir einerseits ganz mulmig zumute, andererseits verspürte ich so ein ungestümes, ungeduldiges Gefühl in mir, dass man durchaus als "Kampfeslust" hätte bezeichnen können. Ja, irgendwie fieberte inzwischen sogar ich, nach dem ganzen schlimmen Drill und den endlosen Märschen, dem Moment entgegen, wo es hart auf hart gehen würde... (Ich glaube, meine Kameraden hatten mich damit angesteckt.) Eifrig nickte ich. Aber sicher würde ich gut aufpassen.
    "Jawohl Tribun! Vale Tribun!"


    Belebt durch das Gespräch mit dem Terentier, der doch wirklich sehr nett war, so locker und gar nicht abgehoben, hielt ich also mit Feuereifer weiter Ausschau. Es kam aber kein Feind in Sicht, und mit der Zeit wurde ich dann doch müde, und war sehr erleichtert, als schließlich meine Ablösung auftauchte. Leise kroch ich wieder ins Zelt, um noch ein klein wenig Schlaf zu bekommen, bevor es morgen, viel zu früh, wieder weitergehen würde.

    Was?! Wo?! Parther?! Erschrocken wirbelte ich herum, und starrte in Richtung der Hügelkette, auf die der Optio gedeutet hatte. War das jetzt Ernst, oder... - Also, ich konnte jedenfalls keine sehen. Und die Optiones würden uns doch wohl nicht hier trainieren lassen, ungeschützt auf offenem Felde, wenn da oben schon die Parther lauern würden! - Oder...?
    So wirklich sicher war ich mir dabei nicht. Dem Schinder war es wahrscheinlich egal, wenn unsere Reihen ein wenig gelichtet wurden, und Optio Tallius war - so sympathisch, um nicht zu sagen anziehend, er mir in mancher Hinsicht auch erschien - doch auch ein ganz schön harter Hund.


    Zögerlich legte ich den Schild beiseite, der mir auf einmal gar nicht mehr wie ein elendes Zentergewicht, sondern mehr wie ein sehr nützlicher Schutz vorkam, ohne den ich mich plötzlich ganz nackt fühlte. Ich ging auf den Boden für die Liegestütze, und während ich mich da schwitzend abrackerte, sah ich immer wieder auf, und warf nervöse Blicke in die Umgebung.
    Zugleich war ich sehr froh, dass der alte Saufeius nicht mich gefragt hatte, denn Liegestütze und Reden zugleich, das verträgt sich nun mal nicht. Außerdem konnte man ihm ja sowieso nichts recht machen.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus


    Was für ein kurioser Zufall. Ich hoffte, dass die Nacht so gnädig war, die Röte zu verbergen, die mir ins Gesicht stieg, und mir war als müsste der Tribun mir meine lange vergangene Untat gleich an der Nasenspitze ansehen.
    "Ja", sagte ich schnell, und ein wenig überstürzt, in dem Versuch mir nichts anmerken zu lassen, "ich habe mich mit einem Veteranen unterhalten, der eigentlich ganz kurz vor seiner Entlassung stand, zu seiner Freundin und seinen Kindern, und der schien mir gar nicht unglücklich, dass ihm da der Feldzug dazwischen gekommen ist."
    Dass es mit mir mal so weit kommen würde, konnte ich mir aber nicht vorstellen. Überhaupt, so weit vorauszudenken... Mein Eintritt in die Armee war eine Verzweiflungstat gewesen, und jetzt musste ich erst mal den Krieg überstehen.


    Natürlich lag mir die Frage auf der Zunge, warum der Tribun denn nun nicht im Senat saß. Aber die erschien mir dann doch etwas ungehörig. Außerdem erinnerte ich mich, damals über ihn in der Acta gelesen zu haben - hatte er nicht den erhabenen Senatoren ziemlich in den Hintern getreten? Bestimmt waren sie ungnädig, wenn jemand es wagte ihren erlauchten Mittagsschlummer zu stören. Und wahrscheinlich hatten ihm die Patrizierklüngel, zitternd um weitere verstaubten Privilegien, Steine in den Weg geworfen.
    Aber der Tribun schien mir ebensowenig unglücklich wie Cat, jetzt hier zu sein.
    "Interessant... wird es bestimmt auch hier - " sagte ich nachdenklich, und sah über die Spitzen der Pila Muralia hinaus in das fremde Land. Was mochte es für uns bereithalten? Dann fiel mir aber auf, dass ich gerade ziemlich leger redete, und ich setzte, wenn auch etwas verspätet noch ein "-Tribun." hintendran.

    Gerade als sich die wirklich aller-allerletzte Bastion meines Widerstandes in einer Wolke aus Staub, Schweiß und Schmerzen auflöste, ich wankte und darniederzusinken drohte - gerade da war es auf einmal zu ende. Ungläubig taumelte ich vom Platz, hin zum nächsten Schattenfleckchen - das war der Platz unter dem einsamen Baum. Ich riss mir den Helm vom Kopf und die Rüstung vom Leib, und sank zu Boden, wo ich erst mal alle viere von mir streckte. Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so fertig, so geschunden wie an diesem Tag! Mehr mag ich gar nicht dazu sagen - außer: es war nur einer, in einer langen, langen Reihe. Und einer war schlimmer als der andere.


    So zum Beispiel eines Tages, als wir schon im Feindesland waren, nach einem harten Marsch, den ich um so aufreibender fand durch die ständige Anspannung und Bedrohung eines Angriffes. Wieder mal hieß es antreten, und das tat ich auch - schicksalsergeben. Die Flüche oder Beschimpfungen des alten Schinders, den inzwischen mit tiefem Ingrimm hasste, hörte ich schon gar nicht mehr. Die gehörten einfach dazu. Wenn er so richtig loslegte, dann legte ich die Ohren an, und ließ die Woge einfach so über mich hinwegspülen. Im Moment schien sein Mundwerk aber auch noch im Aufwärmen begriffen zu sein, dachte ich, während ich da mit den anderen über die Fläche trabte, die heute unser Exerzierplatz war. Nach den zwei Runden mit dem schweren Schild war mir jedenfalls gut warm.

    Ha! Wir Probati hatten am längsten ausgehalten!
    Die strenge Rat des Artoriers motivierte mich gar nicht, jetzt gleich zurück ins Lager zu gehen, eher im Gegenteil. Schließlich war ich erwachsen, und er nicht mein Vorgesetzter, und überhaupt kam ich mir an diesem Tag mächtig reif und souverän vor!
    Deshalb blieb ich noch ein Weilchen, aber als dann auch noch Andronicus aufbrach, schloß ich mich an, und verließ ebenfalls die Schenke.


    Äußerst fröhlich, wenn auch nicht mehr so wirklich trittsicher, spazierte ich noch ein wenig durch das Trosslager, und verschleuderte meinen Sold für einen Vorrat an Früchten und Süßigkeiten (es gab dort ganz tolle Sesam-Pistazien-Kekse - ich liebe doch alles mit Pistazien!). Ein Opiumhändler lief mir allerdings nicht über den Weg, und das war wahrscheinlich auch ganz gut so.
    Nachdem ich diesen Freigang also weidlich ausgekostet hatte, kehrte dann auch ich ins Lager zurück. Und das gerade noch rechtzeitig.

    Etwas verlegen, dass ich so schreckhaft war, presste ich die Lippen zusammen. Der Tribun schien sich so seine Gedanken zu machen, und ich fragte mich, ob er meinen Onkel persönlich kannte, und ob er ihn jetzt wohl für besonders abgebrüht hielt, oder für leichtsinnig oder für sonstwas... Es war gut, dass er mich dahingehend nicht weiter ausquetschte.
    Ein wahrer Römer, ja, das klang gut, das wollte ich sein, ein Streiter für Rom. Ich nickte ernsthaft bei den Worten des Tribuns, die ich zurück im sicheren Rom bestimmt als abgeschmackte Kriegsrhetorik abgestempelt hätte - aber hier, in Parthia, nachts auf dem Wall in Erwartung des Feindes, da klangen sie sehr erhaben in meinen Ohren, und ließen mein Herz höher schlagen.


    Aber ob es mir gefiel?! So hatte ich mir die Frage selbst noch gar nicht gestellt. Aber eigentlich - jedenfalls wenn ich meine blöde Angst, und den mörderischen Ausbildungs-Drill ausklammerte - eigentlich gefiel es mir wirklich ganz gut. Ich fand es auch ausgesprochen nett von dem Tribun, sich danach zu erkundigen. (Mein Onkel hatte mich das nicht gefragt. Der hatte nur gebrüllt und mir mal wieder klargemacht was für ein Versager ich in seinen Augen doch war!)
    "Ja, Tribun, es gefällt mir wirklich gut", erzählte ich zutraulich und unbefangen, "mal abgesehen von der Grundausbildung vielleicht - aber ich weiß natürlich, das gehört dazu - es ist aufregend, und man erlebt so viel, und bekommt einiges zu sehen was wirklich beeindruckend ist - zum Beispiel die Kriegsflotte, oder Antiochia, oder das große Heerlager... Und dann die Kameradschaft, die ist auch fabelhaft. Und natürlich ist es gut, etwas Richtiges zu tun, etwas für Rom."


    Ein Aufflackern der nahen Fackeln tauchte das Gesicht des Tribuns in rötlichen Schein, beleuchtete es einen Augenblick lang ganz deutlich - und überrascht erkannte ich, dass ich diesen Mann früher schon mal gesehen hatte!
    "Aber - Dea Dia, bist Du nicht der Volkstribun?!", rief ich verblüfft aus. "Der gewesene Volkstribun Terentius?!"
    Ich machte große Augen. Wenn es auch eine opiumverschleierte Zeit für mich gewesen war, so erinnerte ich mich doch noch sehr genau daran - Hannibal und Scintilla hatten mich und Lucan nämlich zum Studium unserer Rollen auf das Forum geschickt, damals während der Kandidaturen, und da hatte ich mir den Terentier sehr aufmerksam betrachtet. Zur Vorbereitung auf das Stück, dass dann nicht gerade hochliterarisch gewesen war, aber immerhin bissig genug, um die Aufmerksamkeit der Garde auf sich zu ziehen.

    Aah, das war gar kein Zähnefletschen - das war ein Lächeln!
    Eingeschüchtert von dieser zernarbten Visage lächelte ich vorsichtig zurück, und erhob auch meinen Becher.
    "Auf die Prima!", rief ich, und aus den Ecken der Gaststube erschollen die Rufe der Zecher, die in die frommen Wünsche dieses römischen Barbaren einstimmten:
    "Auf die Erste! Auf die Besten der Besten!"
    Und natürlich fehlte auch nicht das allgegenwärtige:
    "Roma victrix!"
    Ja, eine Woge agressiver Begeisterung schwappte durch den Raum. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie eine Gruppe von Zivilisten, die ziemlich, nun ja, orientalisch aussahen, unauffällig das Feld räumte.

    Da wollte ich nicht schwächeln und setzte mich auch wieder hin. Der Blick des Artorius Imperiosus, als er mir einschenkte, erinnerte mich so ein ganz kleines bisschen an meine Mutter früher, wenn sie mich mahnte: Mein lieber Junge, so langsam hast Du jetzt aber genug!
    "Ähm ja, nur noch den Becher da.", beteuerte ich also. Dass wir uns heute nicht zu sehr die Kante geben sollten, leuchtete mir auch ein. Ich fühlte mich auch schon sehr fröhlich und beschwingt...
    Ganz schön abenteuerlich kam es mir vor, was ich heute hier erlebte - mit echten Praetorianern zusammen abzuhängen, zu würfeln und zu trinken, meine ich. Das war schon ziemlich kühl! Meine Kumpel von früher hätten mich bestimmt gar nicht mehr wiedererkannt!


    Zufrieden stützte ich das Kinn auf die Hände. Mir fiel jetzt auch die Germanentruppe ein paar Tische weiter auf, und neugierig sah ich zu ihnen rüber. Das waren Bären, die konnten bestimmt saufen wie die Löcher. Ich fand es allerdings komisch, solche Leute unter meinen Kameraden zu haben - ich meine, solche Barbaren, die gehören doch eigentlich eher in die Hilfstruppen. Ich runzelte die Stirn bei diesem Gedanken, da schaute auf einmal einer von ihnen ganz finster und bedrohlich zu mir rüber. Und dann stand er auch noch auf. Huch! Wollte der mir etwa was?!

    Keuchend kam ich wieder zum Stehen nach dieser Ehrenrunde - TARTAROS sage ich nur! - und bückte mich nach einem Pilum. Unverhofft bekam ich gleich zwei zu fassen, und ergatterte so diesmal einen Platz in der dritten Reihe. Da stand ich, auf die Speere gestützt, und rang nach Atem, und kämpfte gegen so ein böses Flüstern in meinem Inneren das immer verführerischer, immer verlockender, zu mir sprach: 'Was wenn Du einfach aufgibst, Faustus? Das hier ist doch Wahnsinn. Das stehst Du nicht durch. Sieh Dir diesen Ausbilder an - die Armee ist ein Tollhaus! Nein - ein Schlachthaus! Da ist es keine Schande, dem ganzen den Rücken zu kehren... Brich einfach zusammen, Du bist am Ende, Du musst nicht mal simulieren, dann werfen sie dich raus, und Du kannst nach Hause gehen...'
    Die erste Salve schwirrte. Ich reichte die Pila nach vorne durch, und sah wie die zweite diesmal ein gutes Stück gleichförmiger startete. Die Gesichter der Kameraden um mich waren rot vor Anstrengung, schweißnass und staubig. Mit zusammengebissenen Zähnen und vor Erschöpfung glasigen Augen kämpften sie wohl alle darum, diesen Tag durchzustehen. Ihre verkniffenen, verzerrten, wie entfleischten Züge erinnerten mich an schaurige Theatermasken, und mir war als stünde ich in inmitten einer Horde von Lemuren.