ZitatOriginal von Lucius Artorius Avitus
Tu das, Miles, sagte der Primus Pilus nur. Da war ich schon irgendwie stolz, dass ich auch mitkommen durfte, hoffte helfen zu können, und trotz des Schreckens, der mich immer noch fest im Griff hielt, fühlte sich das ganze auf einmal wie ein richtiges Abenteuer an. "Der verschollene Centurio" hätte man es nennen können, oder: "Unterwegs mit dem Ersten Speer."
Da es aber keine Abenteuergeschichte war, sondern das wahre Leben, durften uns die Parther, falls hier noch welche waren, nicht erwischen. Die anderen trugen alle keine Rüstungen. Deshalb löste ich schnell die Riemen meiner Lorica und zog sie so leise wie möglich aus. Sonst hätte ich beim Gehen ja Lärm für uns alle genug gemacht. Ich lehnte die Rüstung an eine Wurzel des toten Baumes und hoffte sehr, dass wir auf dem Rückweg - mit Centurio Flavius dann - wieder hier vorbeikommen würden.
Mein Arm schmerzte wieder, als ich ihn dabei bewegte. Ich schob das Subarmalium ein Stück zur Seite und schielte kurz ängstlich auf die Wunde an meinem linken Oberarm. Ein langer Schnitt, mit Blut verkrustet, in dem Fäden meiner Tunika klebten. Es sah gar nicht schön aus aber blutete wenigstens nicht mehr und bewegen konnte ich auch noch alles - würde wohl nicht reichen, damit ich kriegsuntauglich wieder nach Hause geschickt wurde...
Schon ging es weiter. Meinen Schild in der Rechten haltend, setzte ich mich in Bewegung. Da erst erkannte ich, in der Dämmerung, dass der "Miles Iulius", ja mein guter Kamerad Sparsus war! Ich lächelte ihm breit zu, voll Freude ihn zu sehen, und auch dass ihm nichts passiert war. Wobei - er trug einen blutigen Fetzen um die Hand gebunden. Hoffentlich war es nichts schlimmes.
Vorsichtig setzte ich meine Füße, um keinen Stein loszutreten, und nur ja keinen Lärm zu machen, als ich nun an der Spitze des kleinen Trupps versuchte, den Weg zu dem Ort zu finden wo mein Centurio gekämpft hatte. Ich führte sie ein Stück den Rand der Böschung entlang, kam dann zu der Stelle, wo ich meinte, dass ich dort heruntergefallen war. Von dort aus wandte ich mich dann dem Hang zu, stieg ihn ein kleines Stück hinauf.
Undeutlich sah ich dort dunkle Umrisse auf dem Boden liegen. Tote... Brandig roch es, als ich näher herankam. Ein Gestrüpp war ganz schwarz und verkohlt. Ein paar Zweige glommen noch, düsterrot in der fahlen Morgendämmerung. Rauch trieb über den zertrampelten, blutgetränkten Boden hinweg, die Schwaden wie zarte Schleier, die versuchen wollten, das was hier geschehen war, gnädig zu verdecken.
Neben den verbrannten Büschen sah ich, als wir dort entlangkamen, den ersten toten Parther liegen - ein verkrümmter Leichnam. Ohne Kopf. Ich schluckte, presste die Lippen aufeinander, und sah zur Seite. Der nächste Tote war ebenso verstümmelt. Der danach ebenso. Und Köpfe waren da keine.
Ein kalter widerlicher Ekel stieg in mir auf. Das war nicht im Kampf passiert. Das waren... - Unwillkürlich wandte ich den Kopf, und sah langsam, mit ungläubigem Entsetzen in den Augen zu dem Primus Pilus und den Kameraden hinter mir, als ich verstand: das waren meine Leute gewesen, die diese Leichen so abscheulich verstümmelt hatten. Ihnen allen die Köpfe abgeschnitten hatten. Wir Römer.
Mir war schon wieder so entsetzlich übel. Ein Würgen stieg in meiner Kehle empor. Aber ich hatte ja nichts mehr im Magen. Hastig wandte ich den Blick wieder nach vorne, versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken. Mich zusammenzureissen! Starr hielt ich meinen Blick von den geköpften Leichen fern.
Da! Aus den Augenwinkeln sah ich plötzlich eine Bewegung zwischen den Steinen, ganz nah von mir. Ich zuckte zusammen und griff nach meinem Gladius. Aber es war nur ein Schakal, erkannte ich als ich richtig hinsah, ein mageres schmutziggraues Vieh, das über einem Toten stand, und die Schnauze in dessen weit klaffenden Bauchraum versenkt hatte. Das Tier hob den Kopf, blickte uns an wie ein Lemur, mit blutigen Lefzen. Dann verschwand es geschmeidig zwischen den Felsen.
Ich hatte das Gefühl, keinen Schritt mehr tun zu können. Als würden meine Knie jeden Moment wegsacken. Das hier war der Hades, so etwas wie hier sollte einfach nicht sein. Jeder Herzschlag hallte laut in meinem Kopf wieder. In meinen Ohren rauschte es. Ich verharrte. Versuchte tief und gut zu atmen. Wischte mir Schweiß von den Schläfen. Und da erkannte ich auf einmal die Form eines Felsens, der schräg am Hang lag und ein bisschen so aussah wie ein Tisch. Den hatte ich in der Nacht auch gesehen.
"Dort", sagte ich leise zum Ersten Speer, mit einer Stimme, die sich fern und verstört und gar nicht wie meine eigene anhörte. Fahrig zeigte ich in die Richtung. "Dort drüben ungefähr war das... oberhalb von dem Felsen da... wo ich ihn zuletzt hörte."