Beiträge von Faustus Decimus Serapio
-
-
Die markigen Worte meines Centurios noch im Ohr, marschierte ich inmitten meiner Kameraden meinem Schicksal entgegen. Was für eine trostlose Landschaft! Die Hitze war extrem. Aber so ohne Marschgepäck fühlte ich mich beinahe leicht. Auch meine Verletzung spürte ich in all der Aufregung heute kaum. Am Gürtel baumelte mein Wasserschlauch.
Ich spähte über die Ebene. Da drüben war der Feind. Dunkle Linien auf einer Anhöhe, verschwommen in der wabernden Hitze. Heute Abend würden hier die Geier kreisen, die Erde rot von Blut sein...
Mit einem kalten Grauen dachte ich daran, dass ich heute Abend vielleicht nicht mehr da sein würde, sondern tot, in Stücke gehackt, zertrampelt, gefallen auf dem "Feld der Ehre". Ich umfasste das Ancillium-Amulett und sandte ein stummes Gebet zu Mars. Beschütze mich! Und meine Kameraden natürlich auch. Oder hilf mir zumindest, mich selbst zu beschützen! Ich bin zu jung zum sterben!Das Bild des unbesiegbaren Panzerreiters aus meinem Traum in Antiochia stand mir bedrohlich vor Augen. Ich hatte geträumt wie Feuer vom Himmel fiel und dann war wirklich des nachts ein Glutregen von Brandpfeilen auf unser Lager niedergegangen. Wenn das mal kein Zeichen war. Was wenn das mit dem Panzerreiter sich auch bewahrheiten würde?!
Bang sah ich zu meinen Kameraden. Sie trugen unbewegte Mienen zur Schau, doch ich hatte den Eindruck dass sie gerade genau die selben Gedanken hegten wie ich. Wir waren ganz schön weit vorne. Klar, die Erste Kohorte der Ersten Legion unseres geliebten Imperators, die schlich natürlich nicht bescheiden in den hinteren Linien, sondern marschierte stolz vorneweg.
Mit Magenschmerzen und verschwitzen Händen stand ich in der Reihe, während sich um uns herum das Heer auffächerte, und zu einer gewaltigen Schlachtformation wandelte. Es war atemberaubend Teil dieser gigantischen römischen Streitmacht zu sein. Trotzdem hatte ich eine Scheißangst. -
Zitat
Original von Gaius Tallius Priscus
"Jawoll Optio!", schmetterte Rusticus. "Fit, munter und wild drauf diesem parthischen Gesocks mal nen kräftigen Arschtritt zu verpassen!"
Ein zustimmendes Murmeln und Nicken erhob sich rund um den Pulskessel.
Ich lächelte, und riss meinen Blick von den wunderschönen Händen des Optios los, als er mich ansprach. Was, so ging es mir durch den Kopf, wenn ich heute fallen würde? Oder er? Er würde nie erfahren was für eine geheime, stumme, verborgene, nichtsdestotrotz stürmische Leidenschaft ich für ihn hegte... Wenn ich das hier überlebe (und er auch), beschloss ich, so in meinem überdrehten und übernächtigten Zustand, dann gestehe ich es ihm! Komme was wolle! Es liegt in den Händen der Götter!"Aber ja!", behauptete ich, nickte eifrig, hob 'kampflustig' das Kinn und versuchte genauso kühn und siegesgewiß dreinzuschauen wie die Büste des Triumphators, die früher bei uns zu hause im Atrium gestanden hatte.
"Ich meine - nein, natürlich war das nicht genug! Die Gäste sind ja schon wieder Hals über Kopf davongelaufen kaum das wir sie richtig empfangen konnten. Das schreit doch nach einem ausgiebigen Gegenbesuch."
In Wirklichkeit hatte ich schon wieder so ein furchtsam flaues Ziehen im Magen und das Gefühl die zwei Löffel Puls wären bereits zuviel gewesen. Aber vielleicht war eine Schlacht ja ganz was anderes als so ein scheußliches nächtliches Gemetzel? Klarer eben, und mehr ein ehrenhaftes Gefecht... Hoffte ich jedenfalls und redete ich mir auch ein.
"Unser Jüngster ist auf den Geschmack gekommen.", grinste Rusticus, als ich so große Töne spuckte, und Musca spottete:
"Ja, Serapio ißt ganz allein drei Parther zum Ientaculum."
Das Lachen, das nun aufkam, klang aber nicht so ganz echt. Zu deutlich schwang auch bei meinen Kameraden die Anspannung mit. -
"Und dann hab ich also auf einmal den Imperator gesehen. Von ziemlich nah sogar! Und es war völlig - überwältigend, wirklich, also das Opfer, und die Musik und überhaupt alles!"
Aufgeregt berichtete ich meinen Kameraden, die schon am Essen waren, von meiner Begegnung am frühen Morgen, während ich vor dem Zelt gerade meine Rüstung anlegte.
"Und wie das Gebet, und die Musik so nach oben gestiegen sind..." - ich hob ausdrucksvoll die Handflächen gen Himmel, zur Untermalung - "das war so - unglaublich, wirklich! Ja, und dann also der Augur..."
Ohne im Erzählen innezuhalten - meine Nervosität bahnte sich so ihren Weg - wischte ich mit einem Zipfel des Fokale noch schnell einen Fleck von meiner Lorica und schloss dann die Riemen einen nach dem anderen.
"Und das heißt wohl dass es heute wirklich aufs Ganze geht! Aber die Vorzeichen - Camerinus, kannst du mir mal helfen, ich krieg das so nicht... Dankeschön! - ja, also die sind wohl seeehr gut, die Götter sind absolut einverstanden, sagte mir jedenfalls ein Praetorianer, der noch näher dran stand und alles gut hören konnte."
Mein Cingulum klimperte laut als ich es mir umlegte. Dann füllte ich mir auch eine Schale mit Puls, und aß im Stehen, aber vor lauter Aufregung bekam ich kaum zwei Bissen hinunter.
"Wann es wohl losgeht? Wart ihr schon mal in einer richtigen Schlacht? - Oh, guten Morgen Optio Tallius!" -
Zitat
Original von LUCIUS ULPIUS IULIANUS
Natürlich hatte ich kaum Schlaf gefunden. Elends früh war ich schon wachgelegen, und hatte ängstlich darüber nachgegrübelt was uns wohl heute erwarten würde. Noch vor Sonnenaufgang hatte ich mich dann leise aus dem Zelt geschlichen, und war, eingehüllt in die warme Paenula, durch das große Lager gestrichen. Besser als wachliegen und grübeln war das allemal, außerdem wollte ich gerne den Sonnenaufgang sehen.
Gerade kam ich an den Praetoriumszelten vorbei, und fragte mich, ob mein Onkel wohl in solchen Nächten gut schlafen konnte, da hörte ich leise Flötenmusik. Rein und ätherisch. Es war, als drängen die Töne aus einer ganz anderen Welt herüber zu uns schmutzigen, unrasierten, nach Rauch und Schweiß stinkenden Bewohnern dieses staubigen Lagers. Neugierig folgte ich den Klängen, wie gebannt. Sie führten mich in Richtung des Feldaltares. Am Rande der freien Fläche blieb ich stehen. Zuerst erkannte ich nur Prätorianer, dann - den Imperator!Noch nie sah ich so etwas erhabenes, wie dort, an jenem Morgen, seine majestätische Gestalt, beschienen vom ersten Licht des Tages. Hocherhoben vor dem Feldaltar brachte er das Opfer dar. Das war der Mann für den ich zu kämpfen geschworen hatte! Das war der Mann für den jeder von uns seinen letzten Blutstropfen geben würde!
Die Klänge der Flöten umhüllten ihn, schienen sein Gebet hinauf zum Himmel zu tragen. Es war, als wäre er selbst ein Gott, zu uns herabgestiegen um uns zu leiten, uns in die Schlacht zu führen und zum Sieg.
Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Wie geblendet stand ich da zwischen den Zelten, den Mantel fest um mich geschlungen, und bestaunte voll Andacht die Weihe dieses Augenblickes. -
Wieder schwirrten Gerüchte durch das Lager, sprangen von einer Centurie zur nächsten, schwangen sich von Zeltreihe zu Zeltreihe, bündelten sich und verdichteten sich immer mehr. Obwohl wir noch nichts offizielles zu hören bekommen hatten, hieß es immer wieder, die Parther wären ganz nahe und morgen würde es dann richtig zur Sache gehen.
Ich lauschte auf die Gespräche der Vorübergehenden, schnappte Wortfetzen auf, während ich mit einem Löffel den vor sich hinbrodelnden Puls umrührte. Ich war heute mit Kochen dran. Eigentlich tu ich das ja gerne, es macht mir Spaß - auch wenn man das ja nicht laut sagen darf - aber hier, wo mir als Zutaten bloß eine halbe Zwiebel und eben das Getreide zur Verfügung standen, konnte ich mich nicht gerade verkünsteln. Trotzdem war mein Puls immer noch um Längen besser als der von Silio zum Beispiel, oder gar das was Rusticus da produzierte - wobei mir wirklich schleierhaft ist, wie man so eine simple Angelegenheit wie Puls kochen systematisch nicht hinbekommen kann.Tja, dann ist es wohl bald soweit, dachte ich seltsam schicksalsergeben, vielleicht ist das der letzte Abend in meinem Leben, wo ich für meine Kameraden koche - ich meine, überhaupt der letzte Abend in meinem Leben..., doch der Gedanke blieb irgendwie fern und theoretisch für mich. Überhaupt war ich seit dem Überfall in der Nacht wie gedämpft, und viele Sachen berührten mich nicht so sehr wie sonst.
Aber eines freute mich sehr: der Brief, der in meinem Gürtel steckte. Bestimmt war der von Tante Lucilla. Ich hatte ihn vorhin ausgeteilt bekommen, ihn mir aber noch aufgehoben, um die Vorfreude noch ein bisschen zu genießen. Aber jetzt, während der Brei vor sich hin köchelte, hatte ich Zeit und Ruhe, und hielt es einfach nicht mehr aus. Ich zog ihn aus dem Gürtel, freute mich am Knistern des Papyrus, und an den glatt gefalteten Rändern. Den ganzen weiten Weg aus Rom hatten diese Zeilen hinter sich, sie waren in Kisten und Säcken und Satteltaschen über Meer und Land gereist, bis zu mir hier, am Ende der zivilisierten Welt.
Ich zog das Blatt aus der Hülle, entfaltete es andächtig, und lächelte, als ich die energische Handschrift meiner Tante sah. Ach, wie ich sie doch vermisste, und überhaupt meine ganze Familie. Seltsamerweise war mir, als läge in der trockenen parthischen Luft auf einmal ein feiner Duft von Plätzchen und Nüssen - genauso so wie damals, bei Großtante Drusilla, kurz vor den Saturnalien als Lucilla und ich beim Backen in der Küche mitgeholfen hatten! (Naja, Lucilla hatte geholfen, ich war ja noch klein gewesen und hatte eher eine große Sauerei mit dem Teig veranstaltet.)Ich seufzte leise, bei diesem Geruch meiner Kindheit, und dachte wehmütig an die schöne Zeit bei Großtante Drusilla zurück. Dann rührte ich nochmal um, und fing voll Erwartung an, den Brief zu lesen - und stutzte. Da war ja die Häfte schwarz! Welcher Fiesling von Zenseur hatte es sich erdreistet, mir die kostbaren lieben Zeilen meiner Tante so zu rauben?! Das war einfach eine Gemeinheit! Ich bekam nicht übel Lust, mich richtig zu beschweren! Heute war vielleicht nicht der richtige Tag, sicher hatte der Legat wichtigeres zu tun, aber ich nahm mir wirklich fest vor: Wenn ich das was kommt überstehe, dann unternehme ich etwas! Ich mache... eine Petition, ja genau, eine Petition die sich gewaschen hat, gehe damit im Lager herum und sammle ganz viele Unterschriften und dann knalle ich die dem Legaten aber auf den Schreibtisch, damit die in Zukunft nicht mehr solche Exzesse mit unserer Post veranstalten dürfen! Unverschämtheit!
(Ich war mir auch ganz sicher, dass Lucilla bestimmt keine militärischen Geheimnisse an mich geschickt hatte, die es gerechtfertigt hätten da soviel wegzunehmen.)Trotzdem war noch genug von dem Brief übrig, über das ich mich herzlich freuen konnte. Vor allem zu hören, dass Lucilla insgeheim doch stolz war auf mich, das war ein tolles Gefühl! Dann war es doch nicht ganz so sinnlos gewesen sub aquila zu gehen... Und ich lachte leise auf, als ich mir vorstellte, wie sie am Rande des Triumphzuges stand und meinen Namen brüllte und mich den "suchenden Damen" anpries. Als ob ich auf's Heiraten aus wäre. Abgesehen davon durfte ich ja gar nicht.
Es war einfach herrlich aus Rom und von der Familie zu hören, beinahe als sässe Lucilla mir gegenüber und würde mir, mit ihrer unvergleichlichen unerschöpflichen Redegabe, das alles erzählen... - Aber ob ihr Senator wirklich der Richtige war? Eigentlich, wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mir gar keinen Mann vorstellen, der für sie gut genug gewesen wäre...Ups, der Puls! Ich rührte schnell wieder um, aber er war doch tatsächlich in der Zwischenzeit unten ein klein wenig angebrannt. Ich war ganz verlegen deswegen, als ich meine Zeltgenossen zum Essen rief, aber sie waren schlimmeres gewöhnt und nicht so wählerisch.
Während sie schon am Essen waren, wickelte ich zuletzt das kleine Ancilium aus, das Lucilla mir mitgeschickt hatte. Das war ja so lieb von ihr! Und gerade zum richtigen Zeitpunkt hatte es mich erreicht, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte. Strahlend hob ich den Anhänger in die Höhe, und zeigte ihn meinen Kameraden, die ihn begutachteten und sehr angemessen fanden. Ich knotete die Lederschur in meinem Nacken zusammen, so dass das kleine Schild des großen Mars eng um meinen Hals hing. Das Metall, zuerst kalt, wärmte sich an meiner Haut, und gab mir ein ganz beruhigendes Gefühl, so als würde wirklich der große Mars mich beschirmen. -
Er glaubte mir tatsächlich! Ganz feierlich wurde es mir zumute bei seinen Worten. Er sprach ja mit mir wie mit einem Kameraden in diesem Moment, das gefiel mir natürlich, und zudem hörte es sich, so wie er es sagte, richtig bedeutsam an. Ich lächelte beglückt, antwortete respektvoll "Primus Pilus" und "trat ab" - das heißt ich ging die paar Schritt zu meinen Zeltgenossen zurück. Alle Augen lagen auf mir. Es geschah ja nicht alle Tage, dass einer von uns vom Ersten Speer persönlich zusammengestaucht wurde.
Mit einem breiten, strahlenden Lächeln der Erleichterung setzte ich mich wieder hin, nach dem ausgestandenen Schrecken noch immer ganz zittrig und euphorisch zugleich.
"Puuuuuuhhh.........."
Ich fuhr mir mit beiden Händen über das Gesicht. Das war jetzt wirklich heftig gewesen! Kaum war der Erste Speer wieder verschwunden, ging die Fragerei los, alle durcheinander.
Was hast'n Du nur angestellt, Junge? - Schwein gehabt, was? - Ich dachte Du kippsts noch aus den Latschen, Kleiner. - Der is grad ganz schön über sein Schatten gesprungen, nich? - Du hast echt'n Riecher für Ärger Serapio - Na also was war denn nun?So im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, belebte mich, und ich fing dann wirklich an zu erzählen. Auch die anderen hatten natürlich einiges erlebt letzte Nacht, und so sassen wir zusammen und tauschten unsere Geschichten aus, die sich malerisch anhörten im Vergleich zu der hässlichen blutigen Wirklichkeit.... Nur Musca, der Arme, der mit seinem bandagierten Bein bei uns saß, hatte keine wilden Ausfall-Geschichten zu berichten, und war an diesem Abend ganz uncharakteristisch still.
-
Bebend vor Angst stand ich vor dem Primus Pilus. Bei jedem Wort dass er sprach wurde ich ein Stück kleiner, bis ich nur noch eine kleine Maus war, die sich verzweifelt ein tiefes dunkles Mauseloch herbeiwünschte... Ja, warum hatte ich nicht in der Deckung gewartet?!! Ich war doch ein kompletter Idiot! Das letzte Mal dass ich mich so vollkommen restlos nichtswürdig gefühlt hatte, war im Verhörraum der Urbaner gewesen, als man mich meinem Onkel präsentierte - 'hier, das ist der Dieb' - aber diesmal war es noch viel schlimmer, denn der Primus Pilus, der wollte mir ja wirklich was.
Das Blut wich aus meinem Gesicht, als er mir die Strafe ausmalte, und mit blankem Entsetzen in den Augen starrte ich auf die Vitis vor meiner Nase. Ich war geliefert! Der würde mich zum Krüppel schlagen! Oder tot! Hätte ich doch nur... wäre ich doch nie...Als er dann umschwenkte, bekam ich das im ersten Moment gar nicht mit, erst mit Verzögerung drang es durch den Nebel meiner Panik. Ich sehe davon ab beides vornehmen zu lassen. Bona Dea! Ich war gerettet!!!
Mit einer Erleichterung, so ungeheuerlich dass man sie mit Worten nicht zu beschreiben vermag, ließ ich den Atem entweichen - ich hatte gar nicht gemerkt, das ich die Luft angehalten hatte - und sagte aus tiefster Seele:
"Danke Primus Pilus!"
Das war wirklich fair von ihm, er hätte ja auch sagen können: Befehlsverweigerung ist die eigene Schuld, über den Centurio zu stolpern nur Glück und damit kein Verdienst. Ja, und was für ein Glück! Mein Praenomen passt schon zu mir. Soviel und so oft ich auch damit hadere, dass ich nicht gerade hart und stark und heldenhaft genug geraten bin - über das mir zu teil gewordene Glück kann ich mich wirklich nicht beklagen. Fortuna ist mir geradezu unanständig oft hold, manches mal ist es zwar Glück im Unglück, aber trotzdem bewahrt sie mich doch ziemlich regelmäßig vor dem Schlimmsten... Ich fasste natürlich den Vorsatz ihr bei allernächster Gelegenheit ein ganz großes Opfer zu bringen, um ihre Gunst nicht zu verlieren.Bevor ich überhaupt selbst noch was sagen konnte, musste ich erst mal tief durchatmen und meine in alle Richtungen geflohenen Gedanken wieder zusammen sammeln. Eigentlich war es ja jetzt auch egal, aber trotzdem wollte ich noch meine (wirklich nur ein ganz winziges bisschen die Ereignisse verzerrende) Erklärung anbringen, damit der Primus Pilus nicht dachte seine Befehle wären mir gleichgültig.
"Ich wollte nur sagen, Primus Pilus", begann ich kleinlaut, " dass ich nicht einfach so auf eigene Faust losgezogen bin, es war nämlich so, dass ich von unten her einen Parther gesehen habe, der sich da am Felsen entlang in eure Richtung geschlichen hat, und ich wusste nicht ob ihr ihn bemerkt hattet oder nicht, deshalb bin ich aus der Deckung und habe, ähm, einen Stein den Hang hinauf geworfen, um vielleicht die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken... Und dann war da einer von diesen Aasgeiern, ohne den hätte ich den Centurio bestimmt gar nicht bemerkt, der meinte wohl er wäre schon tot und wollte an ihm rumpicken."
Aber bevor ich mich womöglich doch noch irgendwie um Kopf und Kragen redete, ließ ich dann lieber das erzählen.
"Es wird nie wieder vorkommen, Primus Pilus.", beteuerte ich ernsthaft, und selber auch vollkommen davon überzeugt. (Natürlich, nachdem ich gerade so haarscharf an der schrecklichen Strafe vorbeigeschlittert war.)
"Es tut mir wirklich sehr leid. Und dann wollte ich mich auch noch bedanken, dass Du mich, ähm, aufgelesen hast da draußen, ich weiß ja nicht ob ich es allein überhaupt zur Castra zurückgeschafft hätte."
Jetzt wo ich nicht mehr um mein Leben zittern musste, war ich ihm auf einmal richtig dankbar. -
Mir blieb fast das Herz stehen, als auf einmal, wie aus dem Boden gestampft, die bedrohliche Gestalt des Primus Pilus bei uns erschien. Vor Schreck rutschte mir das Schreibrohr aus den Fingern, und hinterließ einen großen Tintenfleck auf dem Papyrus das ich gerade mit den Ereignissen der letzte Nacht vollkritzelte.
Ja... ich hatte das allerdings gedacht, oder jedenfalls so verzweifelt gehofft, dass ich mir schon selbst eingeredet hatte es müsse so sein. Aber hier war das Damoklesschwert - in freiem Fall!
Entsetzt heftete mein Blick sich auf die Vitis, und hastig sprang ich auf die Füße. Meine Contubernales, denen ich ja nichts von der Misere erzählt hatte, blickten überrascht, oder salutierten eilig vor dem berüchtigten Ersten Speer. Das tat ich auch, salutierte stramm und trat schnell vor, auch wenn ich viel lieber weggelaufen und mich unter irgendeinem Bett versteckt hätte.
Vor dem Ersten Speer nahm ich kerzengerade Haltung an, blickte starr geradeaus. Meine Knie waren weich und meine Kehle wie zugeschnürt.
"Primus Pilus", krächzte ich, schluckte, und sprach völlig überstürzt weiter:
"BitteumdieErlaubnisdaserklärenzudürfen,PrimusPilus." -
Ich hatte das Bedürfnis mich zu waschen, einmal so richtig von Kopf bis Fuß! Aber das Wasser was wir ausgeteilt bekamen reichte noch nicht mal um wirklich den Durst zu stillen, in der glühenden Hitze, durch die wir uns hier fortbewegten. Allenfalls mit Sand konnte man sich waschen, das hatte ich auch getan, aber mir war als würden das Blut und der Schweiß und der Geruch nach Aas aus dem nächtlichen Kampf noch immer an haften. Ich bekam sie nicht los, ebensowenig wie die Bilder dieser Nacht, die mir penetrant und die ganze Zeit im Kopf herumgingen.
Meine Wunde schien zum Glück sauber zusammenzuheilen. Sie schmerzte natürlich, aber als ich sah, dass sogar der ungleich schwerer verwundete Centurio Flavius schon wieder mitmarschierte, dachte ich, dass ich zum Jammern kein Recht hätte, und riss mich eben zusammen. Schweigend stiefelte ich durch die Hitze. Es war grausig, an den Zivilisten, die uns flehentlich um Wasser baten, einfach vorbeizugehen. Aber wir brauchten es ja selbst!
Auch abends mochte ich nicht reden, schrieb nur wie besessen alles was passiert war in meinem Tagebuch auf. Das war zum Glück nicht dem Zeltbrand zum Opfer gefallen, nur etwas angekohlt an einer Ecke.
Aber obdachlos war mein Contubernium jetzt, und von mir war beinahe die ganze Kleidung verbrannt, die ich nicht am Leib getragen hatte. (Der einzige Lichtblick war, dass ich damit auch diese unsägliche rosa verfärbte Tunika los war, die sie mir in Mantua in der Rüstkammer angedreht hatten). Es war ein Hin und her, bis ich den allernötigsten Ersatz bekam.Aber wenigstens bekam ich überhaupt etwas. Ich hörte nämlich von einem Kameraden, der irrtümlich offiziell für tot erklärt worden war, und nun gar nichts mehr erhielt - kein Wasser, kein Essen, kein garnichts - weil er auf den einschlägigen Listen nicht mehr verzeichnet stand. Seine Zeltgenossen mussten ihn mit durchfüttern, bis er seinen Kampf gegen die Mühlen der Legio-Bürokratie ausgefochten hatte. Aber vielleicht war diese Geschichte auch nur ein Gerücht, eines von den vielen, die während des Marsches durch die Reihen geisterten.
-
Sparsus, Du bist schon wieder zugespammt!
-
Noch immer völlig eingeschüchtert blickte ich dem Primus Pilus unsicher hinterher als er davonzog. War meine Strafe jetzt aufgehoben oder aufgeschoben... Blöde Unsicherheit. Mit dem Helm meines Centurios unter dem Arm folgte ich ihm und Sparsus ins Lazarett. Die Lorica, die ich auf dem Rückweg wieder eingesammelt hatte, hing lose über meiner Schulter.
Völlig am Ende ließ ich mich da irgendwo hinplumpsen, und wartete inmitten anderer Verwundeter, stumm vor mich hinstarrend bis ich dran kam. Das war also Krieg. Ich wollte nach Hause.
Ein Schrei drang an mein Ohr, erfüllt von entsetzlicher Pein, kaum mehr menschlich zu nennen.
"Was ist das?", fragte ich erschrocken einen Capsarius, der gerade mit einem Tablett voll blutiger Instrumente vorbeikam. Quälten sie hier so die Verwundeten?
"Das Verhör." meinte er trocken und ging an mir vorüber.
Ich dachte an den Gefangenen, den wir mitgebracht hatten, und an den Blick des verwundeten Parthers unten an der Böschung. Es stimmte nicht, was mein Centurio mir gesagt hatte. Diese Leute auf der anderen Seite waren auch Menschen, vielleicht dachten sie anders, oder fühlten anders, waren womöglich wirklich grausam von Natur aus - aber sie hatten Schmerzen und litten genauso wie wir, das hatte ich gesehen. Und wahrscheinlich hatten die normalen parthischen Soldaten hier genauso wenig mit den Übergriffen auf irgendwelche obskuren Klientelkönigreiche zu tun wie ich... Aber ich wusste auch, dass das alles keinen Unterschied machte! Ich hatte ja keine Wahl, schließlich war ich jetzt Soldat...
Ich muss mich abhärten, dachte ich verzweifelt, sonst steh ich das hier nicht durch!
Irgendwann kam auch zu mir ein Medicus, reinigte den Schlenz an meinem Arm, und nähte ihn fein säuberlich zusammen, mit neun Stichen, die scheußlich weh taten. Leider machte er keine Anstalten mich als schwerverwundet und dienstuntauglich zurück in die Heimat zu schicken, und als ich ihn leise nach Opium fragte sah er mich nur mißbilligend an, und meinte so ein Kratzer sei kein Anlass dafür. -
Ein bisschen Trost und Zuspruch hätte ich jetzt gut gebrauchen können. Aber es war gerade wohl nicht so ganz der richtige Moment dafür - Sparsus überhörte meine weinerliche Frage. Wahrscheinlich wusste er was mir blühte, und wollte mir weder die Unwahrheit sagen, noch mir noch mehr Angst machen...
Oh, wäre ich doch nur gemütlich in der Deckung hocken geblieben! Oh, wäre ich doch nie zur Legio gegangen! Ich hätte mir irgendwo in der Provinz, am besten in Hispania, von der Verwandschaft einen gutbezahlten Posten zuschieben lassen sollen, bei dem die Arbeit mehr symbolisch ist, dann könnte ich jetzt Acta-lesend in einem gemütlichen Officium sitzen, am Mittag dann Feierabend machen, den Nachmittag am Strand verbringen... Statt dessen trottete ich elend, verwundet, vor Kälte und vor dem Damoklesschwert Artorius Avitus zitternd, durch diese götterverfluchte parthische Stein-Einöde!!!
Schlimmer konnte es gar nicht mehr kommen, dachte ich, erfüllt von tiefem Selbstmitleid. Dabei hatte der Feldzug zu diesem Zeitpunkt ja gerade erst angefangen, und ich ahnte damals noch nicht, was noch alles auf mich zukommen würde.Was allerdings meine Weltsicht wieder ein wenig zurechtrückte, war ein Blick auf den Gefangenen, der schlaff über dem Rücken des eleganten Rappen lag. Sein Kopf hing herunter, seine gefesselten Hände baumelten bei jedem Schritt hin und her. Da war jemand - das konnte ich nicht leugnen - noch sehr viel ärmer dran als ich. Was mit den Gefangenen wohl passieren würde? Ob man sie behielt, um sie im Notfall gegen welche von unseren Leuten eintauschen zu können? Oder wurden sie versklavt? Oder zu Tode gemartert? Besser gar nicht drüber nachdenken...
Zum Glück war der Centurio noch an der selben Stelle, und er schien sogar wieder einigermassen bei sich zu sein. Es wunderte mich, wie "herzlich" der Primus Pilus auf einmal wurde, ich hätte nicht gedacht, dass auf dieses steinerne Gesicht sich jemals so was wie ein Lächeln verirren würde.
Sparsus stützte Centurio Flavius unter den Schultern und zog ihn hoch, und ich packte seine Hand, um ihm auch beim Aufstehen behilflich zu sein. Sooo furchtbar alt fand ich ihn ja eigentlich noch nicht - aber ziemlich schwer!
Danach führte ich das fuchsfarbene Pferd zu ihm, das auch ganz brav mit mir kam. Ich überprüfte ob der Sattel gut festsass, klopfte dem Tier auf den Hals, und hielt die Zügel, damit es ruhig stand, und der Centurio, hoffentlich, mit unserer Hilfe aufsitzen konnte. -
Ich wurde blass und musste heftig schlucken.
Befehlsverweigerung.... Strafe....
"Ich wollte aber doch nur...", setzte ich kläglich an, um das ganze zu erklären - der Parther, der Stein, der Geier, der Centurio, wie da eben so eines zu anderen geführt hatte, doch der Ton des Ersten Speers war so unheilvoll, seine Miene so EISKALT, dass mir die Stimme den Dienst versagte.
Szenen liefen vor meinen Augen ab, eine grauenvoller als die andere, ein ganzes schreckliches Theaterstück: Spießrutenlaufen, Stockhiebe, Pranger, Ausgepeitscht werden, eine unehrenhafte Entlassung, und dann Onkel Livianus Gesicht, als er sich von mir abwandte, einmal mehr endlos enttäuscht...
Ich presste die Lippen ganz fest zusammen und nickte abgehackt.
"Ja Primus Pilus" brachte ich schwach hervor, und ging mit hängenden Schultern ein Stück voraus, führte die beiden an den Felsen entlang, bis wir beinahe wieder beim Centurio waren."Hier.", murmelte ich eingeschüchtert, und ließ dem Primus Pilus an einer schmalen Stelle den Vortritt. Bang auf meiner Unterlippe kauend, ging ich dann neben Sparsus her. Seine Schuhe?
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, tut mir leid.", flüsterte ich, und schlang die Arme um mich. Mir war kalt, meine Verletzung brannte und schmerzte, und ich hatte eine Scheiss-Angst.
"Die hab ich da unten gelassen, bei den Schilden, entschuldige.... - Glaubst Du..."
Meine Stimme bekam so ein verräterisches Zittern. Ich kämpfte wirklich um meine Beherrschung, erst die fürchterliche Nacht und jetzt das hier! Ich war nur noch ein Häuflein Elend. Ich schluckte nochmal und fragte Sparsus ganz ganz leise, und voll des Jammers:
"Glaubst Du er lässt mich... auspeitschen? Oder gar... rauswerfen?!" -
Den Göttern sei Dank, der Centurio schien doch noch nicht im Sterben zu liegen. Er erkannte mich sogar. Besorgt stützte ich ihn mit dem rechten Arm, als er sich etwas aufsetzte, wo bei ich acht gab, nicht seine zerfleischte Schulter zu berühren. Der Arme, es musste fürchterlich wehtun.
"Der Angriff ist zurückgeschlagen, Centurio.", wiederholte ich.
"Der Primus Pilus und der Tesserarius haben nach Dir gesucht. Aber sie sind dann, glaub ich, auf Feinde gestossen, die sich hier noch rumtreiben..."
Ein Rumpeln, und das Kollern von Steinen drang an mein Ohr. Ich lauschte bang, und beschloss, dass ich nachsehen musste, die anderen herholen - wenn sie noch am Leben waren, und nicht einer Übermacht von Parthern in die Hände gefallen waren...
"Centurio, ich, ähm, sage ihnen ganz schnell bescheid. Sie sind nicht weit. Ich bin sofort wieder da!"Hastig erhob ich mich, versicherte mich noch mal mit einem Rundblick, dass die Luft im Moment rein war, und schlich mich auf Zehenspitzen (soweit meine Caligae das zuliessen) ein Stück am Rande des Felsens entlang, das Gladius fest umklammert. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich meinte, jeder Parther im Umkreis von zehn Meilen müsse es pochen hören. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartete. Ganz zaghaft lugte ich um einen Felsvorsprung... - und wie ungeheuer war meine Erleichterung, als ich den Primus Pilus erblickte, und Sparsus - der gerade einen Gefesselten auf seine Schultern lud?
"Primus Pilus!" flüsterte ich aufgeregt, und trat hinter dem Felsen hervor auf sie zu.
"Ich hab den Centurio gefunden, Primus Pilus. Gleich dort drüben!" - Ich zeigte hektisch in die Richtung - "Er lebt! Aber schwerverletzt ist er."
Die beiden schönen Pferde, die da auf dem Pfad standen, fremdartig gesattelt und gezäumt, zogen kurz meinen Blick auf sich.
"Ich glaube es wäre gut ihn auf einem Pferd zu transportieren.", wagte ich vorzuschlagen. Dann aber wurde mir, so vor dem Ersten Speer stehend, auf einmal schlagartig wieder bewusst, dass ich hier oben eigentlich ja gar nichts zu suchen hatte. In Deckung bleiben und so. Oh je... Das musste Ärger geben... -
[Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/smilie/musik/h015.gif]
Praefectus, wünsche alles Gute zum Geburtstag, Praefectus!
[Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/smilie/musik/k015.gif]
-
Zitat
Original von Marcus Flavius Aristides
Was genau da oben jetzt geschah konnte ich nicht sehen. Ein Poltern, Stimmen. Ohne nachzudenken begann ich, mit dem Schwert in der Hand, den Hang hinaufzulaufen. Völlig verblasst war der Befehl in Deckung zu warten, angesichts der Dramatik dieses Augenblickes, ebenso das Wissen dass ich viel zu weit weg war, um eingreifen zu können. Und auch dass der Primus Pilus nun mal der Primus Pilus war und meiner Hilfe wohl kaum bedurfte, kam mir nicht in den Sinn. Ich erreichte den Felsen, an dem ich mich orientiert hatte, rannte an dessen zerklüftetem Rand entlang, um zu den anderen zu stoßen. Da hörte ich ein misstönendes Krächzen, und erblickte einen hässlichen, zerrupften Geier, der auf etwas herunterzupicken schien etwa an der Stelle wo sich gerade zuvor der Parther aus dem Schatten geschält hatte. Ein absolut widerliches Vieh. Und da war noch was - undeutlich zwar, halb verdeckt hinter dem Fels - aber waren das nicht zwei Caligae-beschuhte Füße?!
Hastig lief ich dahin, angespannt wie nur was, und erwartete jeden Moment, dass die kaum überschaubaren Nischen und Risse und Verstecke noch mehr Feinde ausspeien würden. Da lag wirklich der Centurio! War er tot?
Das Vogel-Ungetüm hüpfte ungelenk, scheinbar widerstrebend, ein Stück zurück, als ich auf ihn zukam. Es stank atemberaubend nach Aas. Ich wedelte scheuchend mit den Armen, und rauschend erhob es sich in die Lüfte."Centurio!"
Trotz der Aufregung hielt ich meine Stimme gedämpft. Ein Stöhnen kam von ihm und seine Hand bewegte sich auch.
"Centurio, lebst Du noch?"
Es war natürlich eine dumme Frage, aber ich war ja auch vollkommen nervös. Ängstlich sah ich mich nochmal nach Feinden um - waren aber keine zu sehen, hier - und beugte mich zu meinem Vorgesetzten. Leichenblass war er, blutüberströmt - war das sein eigenes? - und seine Schulter sah absolut übel aus. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich war doch kein Capsarius.
Mit fahrigen Fingern löste ich den Riemen seines Helmes, und zog ihm das schwere Ding erstmal vom Kopf, damit er besser Luft bekam, während ich konfus versuchte zu erklären, ohne zu wissen in wie weit er mich gerade überhaupt verstand:
"Centurio, der Angriff der Parther ist zurückgeschlagen, und wir haben nach Dir gesucht, also der Primus Pilus und der Tesserarius - aber Parther sind hier doch auch noch unterwegs, und Centurio wie geht es Dir, kannst Du mich hören?" -
Ein lautes Wiehern durchschnitt hell und klar die bitterkalte Morgenluft. Schreckhaft zuckte ich zusammen, und spähte vorsichtig am Rand des Gestrüpps vorbei, hinter dem ich wartend kauerte. In der Dämmerung traten die Dinge immer deutlicher zutage. Ich sah den Rand des markanten Felsens, anhand dessen ich die Stelle des Kampfes wiedererkannt hatte, und wie sich dahinter der Hang weiter erhob, bis dass er mit der Wand des Tales verschmolz.
Geröll lag überall verstreut, und klobige Felsen, dunkel in dem diffusen Licht. Sie sahen aus wie große Tiere, lauernd an den Hang geduckt, wartend auf unvorsichtige Eindringlinge in diese fremde Welt aus Stein und bläulich-fahlem Licht. Ein blasses Zickzackband, das dort oben entlangging, schien mir ein Pfad zu sein - seltsam, dass es auch hier in dieser Einöde Menschen geben mussten, die wohl diesen Pfad ausgetreten hatten, die hier vielleicht ganz normal gelebt hatten, und Ziegen gehütet hatten, oder was auch immer, bevor unsere Legionen kamen...Da oben war Bewegung! Einen Moment lang sah ich den Umriss eines Pferdes, der sich vor einen etwas helleren Felsen schob. Ich kniff die Augen zusammen, und spähte angestrengt da hinauf. Was war da los? Es hielt mich nicht mehr in meinem Versteck, und ohne mich um die abwehrenden Gesten eines der anderen Miles zu kümmern, ließ ich Schild und Helm zurück und begann, zuerst hinter dem Gestrüpp, dann im Schutze eines aufgetürmten Grates von Gesteinsbrocken, ein kleines bisschen den Hang hinaufzukriechen. Nur so ein ganz kleines Stück, nur um besser sehen zu können, was da oben geschah...
Kalt und rissig waren die Steine unter meinen Fingern, als ich mich da entlang schlängelte, an manchen Stellen von Flechten überwachsen, an anderen blutbespritzt. Ein, zwei Leichname, an denen ich vorbeikam, schockierten mich in dem Moment, da ich all meine Aufmerksamkeit so gebannt auf die Vorgänge dort oben gerichtet hatte, kaum. Und man stumpft ja auch irgendwie ab, wenn man das Schlimme ständig und reichlich sieht.
Vorsichtig spähte ich wieder hinauf, mit schmalen Augen hinter einem Haufen großer Steine hervor - und da sah ich, jetzt schon ziemlich deutlich, wieder den Pfad und die Formen zweier Pferde, und dann konnte ich auch den Primus Pilus ausmachen, ganz da in der Nähe. Er hatte mir den Rücken zugewandt, hielt das Schwert in der Hand, und schien sich in Richtung der Pferde anzuschleichen wie ein Raubtier... Ich hielt den Atem an, nagte nervös an meiner Unterlippe. Bona Dea, der wilde Überschwang des offenen Kampfes war ja nichts gegen dieses nervenzerfetzende Such - und Versteckspiel!Jäh stockte mir der Atem. Da! Ein dunkler Fleck, den ich eben noch für einen Schatten am Rande einer Felsspalte da oben gehalten hatte, setzte sich auf einmal in Bewegung - löste sich von der Felswand. Ein Schemen, ein menschenförmiger Umriss, ein Parther! Geschmeidig glitt er auf unseren Primus Pilus zu, der ihn nicht wahrzunehmen schien....
Der Parther wiederum hatte anscheinend mich, in meiner Deckung, nicht bemerkt. Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Ich holte Luft um zu rufen, eine Warnung hinaufzubrüllen, dachte gleichzeitig entsetzt, dass das dann eine Einladung an alle Parther hier in der Gegend wäre... Hektisch schlossen sich meine Finger um einen runden Stein. Ich richtete mich auf, holte aus, und schleuderte den Stein mit aller Kraft (und mit meinem unnachahmlichen Wurftalent), den Hang hinauf, in Richtung des sich anpirschenden Parthers. In hohem Bogen sauste der Stein durch die Luft, zeichnete sich ganz kurz dunkel gegen den Morgenhimmel ab.
Dass ich den Bastard treffen würde, war unwahrscheinlich - aber ihn vielleicht kurz ablenken? - und vor allem hoffte ich mit jeder Faser, dass das Geräusch in seinem Rücken den Ersten Speer warnen würde.
Fieberhaft starrte ich dem Stein hinterher, zerbiss in ungeheurer Nervosität meine Unterlippe. Der winzige Moment bis zum Aufprall schien sich ins Endlose zu dehnen... -
Flau im Magen und bleich im Gesicht folgte ich dem Befehl des Primus Pilus und suchte mir Deckung hinter einem zerzausten Gesträuch. Ich nahm Sparsus Helm und Schild, und gab ihm bereitwillig mein Pugio. Nur mit den Lippen formte ich ein stilles "Viel Glück!". Dann zogen die beiden los. Wir anderen warteten ab. Zusammengekauert in der Deckung, inmitten des Schlachtfeldes der letzten Nacht... (Für mich war es ein Schlachtfeld. Für die Veteranen hätte es diesen Namen wahrscheinlich nicht verdient gehabt.)
Zäh floss die Zeit dahin. Angespannt horchte ich. Jeder Laut konnte ja einen herannahende Parther bedeuten, oder einen Pfeil, oder Speer... Immer deutlicher zeichnete sich das öde Tal um mich herum ab, als es nun schnell heller wurde. Bald musste schon die Sonne aufgehen. Ich spähte in die Richtung wo die beiden verschwunden waren. Nichts zu sehen. Dieses Warten machte mich ganz verrückt! Ich hoffte, dass wir auch bald wieder zur Suche dazu stoßen könnten. -
Zitat
Original von Gaius Tallius Priscus
"Zustoßen und durchstoßen! Nicht anstupsen!" Priscus hatte am Bauch nicht einmal etwas gespürt. Die schlagende Bewegung mit dem Schild war da schon wesentlich intensiver gewesen. "Schildhandhabung ist gut. Aber mit dem Schwert immer kräftig rein. Da für ist es gemacht."Ich nickte ziemlich betreten, als der Optio mich so korrigierte. Zu hören, dass ich eine gute Schildhandhabung hatte, freute mich dagegen. Natürlich, Lob war hier ja spärlich gesät.
"Immer kräftig rein", schrieb ich mir also hinter die Ohren, und setzte mit dem Gladius ohne Zögern augenblicklich nach, kaum das er ausgesprochen hatte. In einem schnellen Stoß, in den ich richtig Kraft reinlegte, ließ ich das Übungsschwert hinter meinem Schild vorschnellen, und stach es ganz gerade und mit Wucht gegen ihn. Und Ha! Es gab ein lautes Klong, als es auf seine Lorica traf, und ich spürte die Stärke des Aufpralls in meinem Handgelenk. Schnell zog ich wieder zurück, hatte einen Moment lang ein frohlockendes Grinsen im Gesicht.Nachdem wir noch eine Weile lang die Pila bearbeitet hatten, ging es dann in Zweiergruppen weiter. Ich tat mich mit Cocles zusammen, der seitdem wir so richtig im Feindeslang unterwegs waren, gar nicht mehr so großspurig tat wie zu Anfang, was ihn zu einem wesentlich angenehmeren Zeitgenossen machte. Zuerst korrigierte ich ihn, lauerte ganz konzentriert auf Lücken in seiner Deckung, um diese dann eifrig auszunutzen, danach tat er das selbe. Wir zählten die Treffer, und spornten uns gegenseitig an. Das war schon eine gute Übung, und sie machte mir, obwohl ich natürlich müde war vom Marschieren, richtig Spaß.