Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Die Würfel rollten und die Praetorianer verloren. Ha!
    Fröhlich erhob ich den frischgefüllten Becher und rief:
    "Auf Fortuna, die heute mit der Prima ist! Möge sie es auch in Zukunft sein! - Auch wenn wir es natürlich nicht nötig haben..."
    Ich nahm einen tiefen Schluck, und dabei fiel mir auf, dass ich, seit ich bei der Armee war, viel mehr trank als früher. (Aber dafür nahm ich eindeutig weniger Opium.)
    "Sagt mal", warf ich dann spontan eine Frage in die Runde, die mich doch ziemlich beschäftigte, "glaubt ihr, die Parther sind wirklich so grausam wie man sagt? Es heißt doch, dass die Orientalen allgemein einen Hang dazu haben, und die Parther sollen ja angeblich ihre Opfer bei lebendigem Leibe häuten. Mein Centurio meint sogar, sie sind überhaupt keine richtigen Menschen. Nicht so wie wir."
    Fragend sah ich in die Runde.

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus


    Solche Worte aus patrizischem Munde zu hören, nahm mir dann doch den Wind aus den Segeln. Wo ist da denn der Unterschied? Ich staunte.
    "Meinst Du das ernst? Hm, naja, ich denke Du hast recht, irgendwie. Es ist halt so eine Sache von Tradition, und Macht, und sich ändernden Zeiten..."
    Wie auch immer. Ich zuckte die Schultern. Meine Nec-Sevus-Nec-Patria-Bekannten hätten sich jetzt stundenlang die Köpfe heißgeredet ('generationenlange Unterdrückung' - 'Notwendigkeit zur Aufbrechung verkrusteter Eliten' - 'Mobilisierung des Umsturzpotentials'), aber ich fand es gerade nicht so wichtig, das Thema bis zum letzten auszudiskutieren.
    Tiberius Andronicus war jedenfalls kein Schnösel, beschloss ich, und stocherte mit dem Stock noch ein paar Funken in die Luft.
    "Na dann.", murmelte ich, und wusste nicht so recht was ich sagen sollte. Passenderweise kam schon wieder der Weinschlauch vorbei - oder nein, er kam aus der anderen Richtung und es war ein neuer. Beinahe voll. Sehr gut!
    "Dann auf gute Kameradschaft!"
    Schwungvoll trank ich Andronicus zu und reichte ihm den Wein weiter.

    Es war genau wie immer. Was ich auch tat, es war eine Enttäuschung für die Familie. Diesen Ausdruck der Resignation, der auf den Zügen meines Onkels erschien, nachdem die Wut vorübergezogen war, den kannte ich sehr gut.
    Ich war also auf einmal Legionär? Was mich sonst wahrscheinlich zu Jubel und Luftsprüngen bewegt hätte, war mir gerade beinahe egal. Es machte die Sache ja anscheinend nur verzwickter für meinen Onkel - meinen Onkel, der schon schwer genug an der Sorge um über fünftausend Menschen zu tragen hatte, und sich jetzt auch noch mal wieder mit mir herumärgern musste.
    Nur mit einem kurzen Blick streifte ich die Urkunde, und wieder biss ich mir fest auf die Lippen, um meine Fassung zu bewahren - mein Onkel warf mich also nur nicht raus, weil die Schmach für die Familie noch schlimmer wäre, als die Tatsache, mich in seiner Legion zu haben.
    Immerhin, versuchte ich mich aufzurichten, immerhin heißt das ich kann bleiben, aber das half nicht gegen die tiefe und wirklich verzweifelte Niedergeschlagenheit, die ich in mir fühlte. Es war so aussichtslos! Ich war immer nur eine Last für ihn, ein Ärgernis, das Zorn verdient hatte, oder bestenfalls Resignation.


    Krampfhaft schluckte ich die Tränen runter, die mir in die Augen steigen wollten. Verdammt! Und schon war er wieder mit irgendwelchen Unterlagen beschäftigt, als ob ich gar nicht da wäre.
    "Ja. Legatus.", sagte ich mit erloschener Stimme, salutierte und wandte mich zum Gehen. Vor dem Ausgang blieb ich aber stehen und drehte mich nochmal zu ihm um, blickte ihn an wie er da am Schreibtisch saß, ein Feldherr in glänzender Rüstung, mit den Dokumenten vor sich. Ich holte tief Luft.
    "Was ich noch sagen wollte. Nicht dass Du denkst Lucilla hätte es mir erlaubt. Ich hab ihr nur einen Brief geschrieben. Es war allein meine Idee. Meine eigene dumme Idee. Und... - Ach. Egal. Entschuldige. Ich geh schon."


    Bevor meine Stimme vollends versagte, strich ich schnell den Vorhang zur Seite und trat hinaus. Die Wachtposten vor dem Zelt sahen mich ganz komisch an. Wahrscheinlich hatten sie jedes Wort gehört. Und das Brüllen war wahrscheinlich durchs halbe Lager geschallt.
    Egal. Ich straffte mich, raffte den Rest meiner Würde zusammen, und schaffte es hocherhobenen Hauptes bis zum Zelt meines Contuberniums. Zum Glück war keiner drin, war wohl zu heiß. In dieser dunklen Höhle suchte ich Zuflucht. Ich musste jetzt wirklich ganz dringend alleine sein.

    "Jawohl Optio."
    Mit dem anderen Rekruten zusammen begab ich mich steifbeinig zum Lager. An einer Wassertonne füllten wir ein paar Lederschläuche. Also vor allem er. Ich war sowas von fertig, zu kaputt um zu reden, selbst um mich zu beklagen oder über den unmenschlichen Drill zu schimpfen.
    Erledigt lehnte ich mich gegen den Rand, schöpfte mit beiden Händen das Wasser und ließ es mir über den Kopf laufen. Die Kühle linderte das Dröhnen ein bisschen, es blieb ein dumpfer Schmerz im Hinterkopf. Und endlich trinken! Das war wirklich eine Wohltat. Kurz konnte ich durchatmen, und es ging dann auch so einigermassen wieder.
    Wir luden uns die Wasserschläuche auf und kehrten zu dem Platz vor dem Lager zurück, wo wir, dann, sobald erlaubt, die Schläuche an unsere pilumtragenden Kameraden weitergaben, die sich nicht zweimal bitten ließen. (Und natürlich an die Optiones.)
    Es war doch wirklich ein ungeheures Glück (im Unglück), dass wir unseren Optio hatten, dachte ich, sonst hätte der Schinder uns wahrscheinlich bis zum Verdursten hier über den Platz gejagt. Mich zu treten, als ich am Boden lag! Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wuchs meine Empörung.
    Na warte, dachte ich, irgendwann... irgendwann wirst du das bereuen, Du Bestie. (Wie wahrscheinlich schon viele Rekruten vor mir gedacht hatten.)
    Die leergetrunkenen Schläuche legten wir beiseite, und bewaffneten uns dann, wie befohlen, ebenfalls jeder mit einem Pilum.

    Da lag ich, und nahm benebelt, und anfangs irgendwie fern der Ereignisse, wahr, wie verschiedene Personen sich mit mir beschäftigten. Zuerst: Sparsus. Er war doch wirklich ein guter Kumpel, fand ich, doch dann kam der niederträchtige Ausbilder, vertrieb ihn und trat und beschimpfte mich. Der Schreck drang durchaus bis zu mir durch, und verstört von dieser Boshaftigkeit versuchte ich, mich irgendwie aufzurichten, aber kaum hob ich den Kopf dröhnte er noch viel mehr. Au! Benommen schloss ich wieder die Augen, blendete das helle Licht aus.
    Dann war es Optio Tallius, den ich hörte, und ich tat was er sagte, und sah ihn an. Ja, was war eigentlich los?
    "Ich weiß nicht...", krächzte ich, "mein Kopf...", aber so langsam wich dann doch der Nebel um mich. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete ich mich zum Sitzen auf. Alles schien noch dran zu sein, nur meine Lippe war aufgeschlagen und mein Kopf, der tat weh. Ich nahm den Helm ab - er hatte eine Beule -, fuhr mir mit dem Arm über das vor Hitze glühende Gesicht und spuckte das Blut und den Staub in meinem Mund auf den Boden.


    Mir war so elend von dem Schreck und den Kopfschmerzen, dass ich mich am liebsten heulend in einer Ecke verkrochen hätte. Aber ich musste ja ein harter Soldat sein, oder so tun - deshalb nahm ich mich wirklich schwer zusammen, holte tief Luft und rappelte mich erfolgreich wieder auf die Füße auf.
    "Optio, darf ich... - ich meine: dürfen wir bitte etwas trinken?", bat ich, dann wurde mir vom schnellen Aufstehen schon wieder schwindlig, alles drehte sich, ich schwankte und hielt mich schnell am nächstbesten fest - das war die Schulter des Optios. Der Schwindel ging vorbei, und als ich wieder fester auf den Füßen stand, ließ ich mit einem verlegenen "Verzeihung, Optio Tallius." die Hand schnell wieder sinken.

    Das mit dem Aufstand klang doch wirklich bedenklich. Aber, naja, wenn ich einen Aufstand geplant hätte, hätte ich den auch gemacht, wenn der Kaiser gerade im Felde stand. Stumm trank ich aus meinem Becher, während der Praetorianer-Optio erzählte, und fand, dass er den Mund doch reichlich voll nahm. Und als er gleich über Patrizier im Allgemeinen herzog, tat mir Andronicus ein bisschen leid. Genau wie vor kurzem: kaum kamen ein paar Leute in Hispania auf dumme Gedanken, wurde schon wieder überall gegen "die Iberer" gehetzt.
    Als der Würfelbecher bei mir ankam, hob ich ihn, und schüttelte ihn, dass die Würfel klapperten - dabei fiel mir auf: reichten die paar Groschen kargen Probatus-Lohnes, die ich dabei hatte, überhaupt die ganze Runde hier einzuladen? Ich war da nicht so ganz sicher - ob mir im Notfall wohl jemand was borgen könnte?


    Elegant aus dem Handgelenk - ich hatte mir das mal von einem professionellen Spieler in Araneas Spelunke abgeschaut, und es lange geübt - kippte ich den Becher und ließ die Würfel über den Tisch rollen.
    Puh! Eine Vier und eine Drei.
    "Sieben!", rief ich fröhlich, und schob die Würfel weiter zu dem Miles, dessen Namen ich noch nicht kannte.
    Wenn der jetzt nicht Pech hatte, dann ging die Rechnung wohl auf den Herrn in Schwarz.

    Zitat

    Original von Appius Iunius Lucullus


    "Ooh ja..."
    Das war 'ne tolle Idee! Ich sah schon einen florierenden transkontinentalen Opiumhandel entstehen.
    "Wir kaufen es hier billig, strecken es, und verscherbeln es in Rom für das Doppelte. Aber..." - ich wollte mich schier ausschütten vor Lachen, als ich ehrlich feststellte: "..aber du darfst mich bloß nicht mit der Fracht alleine lassen, sonst is in Rom nichts mehr übrig... wie vom Lotus..ja, haha, das war was, ich hab alles selbst geraucht, und Callistus guckte in die Röhre, haha... "


    Lucullus mochte meine Augen. Das freute mich nun wirklich. Ich lauschte seinen Worten und vor meinen Augen erschien die Gestalt einer blonden Luciana, einer Sirene, verführerisch und kalt.
    "Gemein...", murmelte ich, "Frauen sind einfach treulos... aber Männer sind, wenn ich so drüber nachdenke, auch nicht besser..."
    Aber das mit der Familie war noch viel schlimmer. Ich spürte, wie eine schwere Traurigkeit nach meinem Herz griff, und erschrak richtig, als Lucullus so verbittert auflachte.
    "Das ist furchtbar...", flüsterte ich bestürzt, drückte gefühlvoll seinen Arm und wollte Lucullus sehr gerne trösten - aber ich war so müde, und wusste nicht so recht wie...
    Eng an seine Schulter geschmiegt schloss ich die Augen. Ich spürte, wie sein Lachen über meinen Namen - oder waren es meine Faxen? - seinen Körper erbeben ließ, und lachte leise mit, einfach weil es ansteckend war. Wie schön es war, in seinem Arm zu liegen. Ich atmete tief ein, und fand, dass Lucullus sehr gut nach Holzrauch und nach Mann roch...
    "Mmh... so SCHÖN....", flüsterte ich benebelt.
    So schön, dass ich in meinem Rausch kein bisschen mehr daran dachte, dass wir hier ganz in der Nähe des Lagers an einem Bachufer lagen, das keineswegs besonders abgeschieden oder versteckt war, und dass jeden Moment jemand anderes auf den Gedanken kommen konnte, hier seine Wäsche zu waschen oder seine Schuhe zu putzen. Ein wenig Geröll, ein bisschen vertrocknetes Schilf, das war alles was uns vor den Blicken aus dem Lager beschirmte - egal. Ich war selig.


    "Doch wirklich", flüsterte ich, und drehte meinen Kopf ein klein wenig, so dass mein Atem sacht über Lucullus Halsbeuge hinwegstrich. Wieder leise lachend fragte ich neckend, und schon ziemlich schleppend:
    "Ja, glaubst Du mir denn nicht? Ich glaub Dir doch auch dass Du ein Iunier bist. Ich gehör zu einem verdammten Haufen von verdammten Helden, ehrlich, haha, also: dem Namen nach. Was soll ich tun, um es Dir zu beweisen, hm....? - Wobei manchmal glaub ich man hat mich in der Wiege vertauscht... dann wär ich jemand ganz anderes...soll ich vielleicht jemand anderes sein?"
    Der Gedanke erschien mir grandios, und ich hatte gleich gute Ideen.
    "Du, Lucullus", seufzte ich sehnsüchtig, "magst Du mein Achilles sein? Dann bin ich Dein Patroklos... Oder nein, zur Gegend hier passt es besser wenn Du der große Alexander bist... ich bin dann Dein Hephaistion... - Mmmh, ist das SCHÖN... Du hast so HERRLICH starke Schultern...."
    Und ich schmiegte mich sehr zärtlich an seine Seite, betrachtete unter halbgeschlossenen Lidern seine einprägsamen Züge, die mir durchaus eines Alexanders würdig erschienen. Vorsichtig hob ich die Hand, berührte mit den Fingerspitzen ganz sacht seine Stirn, und begann schläfrig und sanft die Konturen seines Gesichtes nachzufahren.

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus


    Also auch so eine familiäre Belastung. Ich nickte verstehend, aber als er vom "Karriereweg" sprach, begann ich gleich noch ganz andere Motive zu vermuten.
    "Ach so", meinte ich bissig, "Du willst also später mal sagen können 'Quirites, auch ich habe den Staub der parthischen Wüste geschluckt! Unter einfachen Soldaten hab ich ganz vorne für das Imperium gefochten!'. Ja, ich könnte mir vorstellen dass das die Leute vor der Rostra schon beeindruckt. Und wenn Du ihnen dann noch ein paar passende Narben vorzeigst - dann läuft das mit der Karriere wahrscheinlich wie von allein."
    Ich grinste den untypischen Patrizier neben mir spöttisch, und ein wenig herausfordernd an. Musste am Wein liegen, irgendwie fühlte ich mich gerade so untypisch streitlustig...

    Immer das selbe Lied. Wenn ich unsicher war, dann sprach ich häufig zu leise. Und interessante Männer machten mich nun mal oft unsicher (manchmal aber auch plötzlich ganz dreist, je nachdem). In diesem Fall: ersteres, und so verschluckte das Knistern der Flammen meine Frage an den Optio, der sich bald darauf erhob, verabschiedete und in der Nacht entschwand. Schade, aber vielleicht würde ich ihn ja ein anderes mal noch nach den alten Geschichten ausfragen können.


    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus
    "Es wundert dich wohl, das ich als Patrizier ganz unten angefangen habe, oder", fragte er schließlich


    Wieder sah ich zu Andronicus. Schon wollte ich ihn hämisch darauf hinweisen, dass wir doch noch immer ganz unten standen, aber der Tonfall seiner Frage machte mich ein bisschen nachdenklich. Wie das wohl war, bestimmt wurde er ständig bestaunt wie ein bunter Hund.
    'Denk nur, Gaius, wir haben einen echten Patrizier als Probatus in unserer Centurie!' - 'Ach ja, Lucius? Und wir haben ein Muli mit zwei Köpfen!'
    Andererseits war mein Centurio ja auch ein Patrizier, und wurde von seinen Leuten - wie auch mir - sehr geschätzt. Und dann fiel mir noch der attraktive Marspriester in Rom ein, der auch kein Problem damit hatte, mit einem runtergekommenen Plebejer zu frühstücken.
    Die Frage 'warum?' schwang mit, als ich Andronicus also antwortete:
    "Schon."

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus


    Ich hatte mich eindeutig im Ton vergriffen, und als mein Onkel auf mich zukam, und dabei wahrhaftig wie ein wütender Kriegsgott aussah, wurde mir das sehr, sehr bewusst. Nein, so redete man nicht mit seinem Onkel, dem man dazu noch so viel zu verdanken hatte. Im ersten Moment dachte ich er würde mir jetzt eine scheuern. Ich biss mir auf die Lippen und kämpfte gegen den Impuls mich zu ducken und vor ihm zurückzuweichen. Er sollte doch sehen, dass ich nicht mehr so wie früher war, kein "verängstigtes Weibstück", wie er mich geschimpft hatte!
    Trotzig blieb ich stehen wo ich war und erwiderte seinen Blick so standhaft ich konnte - doch er schlug mich nicht, er redete mir ins Gewissen. Und angesichts seiner Worte kam mir meine Idee, heimlich zur Prima zu gehen, auf einmal ziemlich, nun ja, kindisch vor. Ich wurde ganz kleinlaut.
    "Daran hab ich nicht gedacht.", sagte ich leise, und meine Stimme hörte sich nicht gerade fest an, als ich versuchte zu erklären: "Also - klar ist mir bewusst, dass wir ins Feld ziehen und dass das Ernst ist, und dass man da draufgehen kann... Das weiß ich. - Aber ich hab gar nicht daran gedacht dass Du Dir Gedanken machen könntest wegen mir. Oder Sorgen."


    Ich zuckte die Schultern und fuhr mir verlegen mit der Hand über die Nasenspitze.
    "Du musst in mir einfach nur einen Römer sehen, und nicht Deinen Neffen, denke ich. Ich meine, die anderen Probati haben ja auch alle irgendwo jemanden der sich um sie sorgt... Die ganze Armee besteht aus einzelnen Menschen, die ihre netten Seiten haben, und ihre Ängste, und Familie, und Träume für die Zeit nach dem Krieg... Aber sie sind römische Soldaten, vor allem. - Ähm, ja. Und zum Beispiel der senatorische Tribun, dessen kleiner Bruder ist auch mit dabei. Oder Licinius Crassus damals, dessen Sohn war auch - naja, aber das ist vielleicht kein gutes Beispiel. Entschuldige."
    Meine Gedanken waren ganz konfus. Aufgewühlt blickte ich meinem Onkel in die Augen, und meine alte Befürchtung schnürte mir die Kehle zu.
    "Das heißt...", fragte ich mit zitternder Stimme, "Nein. Onkel Livianus, Du wirfst mich doch jetzt nicht raus, oder?!"

    Ich konnte einfach nicht mehr. Mein Mund war trocken wie die Wüste, mein Schildarm schmerzte, mir war schummrig vor Erschöpfung. Nahm das denn nie ein Ende?! Wieder schleppten wir die Schilde über den Platz, wieder hieß es einen Wall formieren, wieder kniete ich mich hin, stemmte mich gegen den Schild, und das letzte woran ich mich genau erinnere ist, dass ich noch dachte:
    Oh, das gilt mir. He, wo ist denn mein Hintermann?! Oh, schon so nah -
    Dann brach etwas mit Wucht über mich herein, ich wurde heftigst zurückgeschleudert, und irgendwas traf mich scheppernd am Kopf, so dass mir Hören und Sehen verging. Alles wurde schwarz. Dann lag ich auf einmal auf dem Rücken im Staub des Platzes. Die Sonne schien mir in die Augen, und ein paar verschwommene, behelmte Köpfe schoben sich in mein Blickfeld, blickten auf mich herunter. Aus meiner Perspektive sahen sie ziemlich bizarr aus. Mein Kopf dröhnte schlimmer als nach einer Überdosis Lotus, ich stöhnte leise und schmeckte Blut und Staub in meinem Mund. Scheiß-Armee.

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus
    "Du hast auch verwande hier? Was für einen Rang haben die denn? Mein Bruder ist Tribunus Laticlavius."


    Ich überlegte. Der Tribunus Laticlavius, das war doch ein Patrizier. Oft genug hatte ich Bemerkungen gehört über sein exzentrisches Haustier, das sei doch "typisch Patrizier". Dann war mein Probatus-Kollege also auch einer? Ich wandte den Kopf, musterte ihn verwundert, und gleich sehr viel reservierter als zuvor. Hätte nicht gedacht, dass sich so ein feiner Pinkel zur Grundausbildung herablassen würde. Hm. Und dass er gleich nach dem Rang fragte, fand ich in diesem Zusammenhang irgendwie prahlerisch. Das Bedürfnis, gegenzuhalten, und der Wein, der, obwohl sauer, mir doch vielleicht schon ein wenig zu Kopfe gestiegen war, ließ mich eher kühl entgegnen:
    "Ach, hier bei der Prima hab ich nur einen Onkel, den Legaten. Die anderen sind hier und dort über das Imperium verteilt."


    Ich griff nach einem Stock, und stocherte müssig ein bisschen in der Glut. Ein paar Funken stoben auf und verglommen in der Schwärze des Nachthimmels. Um uns herum wurde jetzt ein fröhlich-obszönes Sauflied angestimmt, das ich aus Subura-Zeiten gut kannte, und leise summte ich den Refrain mit.
    "Optio Tallius,", fragte ich dann, über die Flammen hinweg neugierig zu ihm rübersehend, "wenn ich fragen darf - warst Du dabei, damals als die Prima dem Verräter Laeca das Handwerk gelegt hat?"
    Ich hatte ja gehört, das sei eine ganz große Sache gewesen, und schon ziemlich lange her, aber etwas genaueres hatte ich noch nie darüber erfahren.

    Ich lachte auf, als Sparsus so schön respektlos über die Praetorianer herzog, und hatte noch immer ein breites Grinsen im Gesicht als Andronicus auftauchte.
    "Salve Andronicus."
    Ich rückte meinen Stuhl ein wenig zur Seite und nahm mir einen der Becher die Sparsus gefüllt hatte.
    "Auf die Prima und dass wir schnell wieder zu Hause sind!", prostete ich fröhlich zurück.
    "Und auf den edlen Spender!"
    Einen Schluck des Weines goss ich auf den Boden aus gestampfter Erde und murmelte dazu: "Für Mars und Bellona.", dann erst setzte ich den Becher an die Lippen. Endlich mal ein ordentlicher Wein!
    Ich wunderte mich, als die Praetorianer uns zum Rüberkommen einluden, ich hätte gedacht sie wären für sowas zu hochnäsig. Erfreut, und neugierig zu sehen wie diese geheimnisumrankten Gardisten wohl so waren, folgte ich den anderen, und natürlich der Weinamphore, rüber zu ihrem Tisch.
    Imperiosus' Frage interessierte mich auch. Ich setzte mich, den Becher in der Hand, und schloss mich neugierig seiner Frage an:
    "Ja, wisst ihr was in Rom so läuft, und was es neues gibt? Wir sind ja nun schon 'ne Weile weg."
    Und hier in diesem götterverlassenen hintersten Winkel des Imperium gewannen Neuigkeiten aus der Heimat doch eine ganz andere Bedeutung.

    Anscheinend hatte ich Sparsus noch mehr erschreckt als er mich. Sogar so sehr, dass er seinen Wein verschüttete.
    "Tschuldigung. Ah, ja von Trockenfrüchten könnt ich mir auch mal einen kleinen Vorrat anlegen, Hauptsache leicht. Ich? Ach ich seh mich nur so'n bisschen um. Ist doch schön einfach mal aus dem Lager rauszukommen. Und ehrlich gesagt kann ich meine Zeltgenossen so langsam schon gar nicht mehr sehen."
    Und nebenbei war ich mal wieder auf der Suche nach ein bisschen günstigem Opium. Zu dumm, dass mein Sold so wenig hergab.


    Während wir da so redeten, trat auf einmal ein anderer Miles zu uns unter das Sonnendach, mit so finsterem Blick, dass ich mich schon fragte, was wir denn verbrochen hatten. Doch er offenbarte sich als ein Bekannter von Sparsus - der durchbohrende Blick schien mir ein Scherz zwischen den beiden zu sein - und lud uns gleich zum Essen und Trinken ein.
    "Oh, danke!", sagte ich, überrascht von dieser Großzügigkeit.
    "Ja sicher hab ich Hunger."
    Aber dass Sparsus mich gleich wieder den "den Kleinen" nennen musste! Pah! Ich warf ihm einen vorwurfsvollen Seitenblick zu. Diese Bezeichnung schien an mir zu haften wie klebriges Pech, ich bekam sie einfach nicht los. Vielleicht sollte ich mir mal einen Bart wachsen lassen um älter zu wirken?


    "Es freut mich.", sagte ich, als der Neuankömmling sich vorstellte, fühlte mich aber doch zugleich auf unbehagliche Weise von ihm gemustert.
    Morgen schon? Das war - bald. Ich war gar nicht so begierig darauf meine Haut zu Markte zu tragen (wie mir in den letzen Tagen immer deutlicher klar wurde), doch das konnte ich natürlich nicht zugeben. Also nickte ich eifrig, als Sparsus meinte, er hoffe dass es bald sei, und machte dazu ein möglichst kampfeslustiges Gesicht.
    Den Blicken der anderen folgend, sah dann auch ich zu den Prätorianern, die gerade die Würfel auspackten. Einer von ihnen kam mir bekannt vor... ach ja, der hatte sich ja an unserem Lagerfeuer mit Optio Tallius unterhalten. Ich erinnerte mich an die Worte, die ich, neugierig wie ich war, davon aufgeschnappt hatte, und teilte sie gleich meinen Kameraden mit.
    "Der eine von den Gardisten da drüben - der große links mit den braunen Haaren - ist früher auch bei der Prima gewesen. Also, meine ich jedenfalls gehört zu haben."

    Als Optio Tallius uns - verhalten - lobte, schöpfte ich ein wenig neuen Elan. Den brauchte ich auch, denn schon ging es wieder ans Marschieren, dann ans Rennen...
    Formate! Hastig stoppte ich meinen Lauf, wurde von hinten angerempelt von einem, der noch im Schwung war, ging aber schnell auf ein Knie runter und setzte meinen Schild auf den Boden. Ich rückte zur Seite, bis er gut mit denen rechts und links von mir abschloss - unsere Linie war, aus dem Laufschritt heraus, aber nicht unbedingt gerade, sie erinnerte mich eher an eine Schlangenlinie. Da waren, viel zu schnell, auch schon die "Pferde" bei uns. In Erwartung des Aufpralls stemmte ich mich gegen den Schild, doch sie krachten gemeinerweise alle ganz am Rand in unseren Wall. Die Kollegen dort purzelten hilflos nach hinten. Tja, was sollte man da auch machen?
    Aufmerksam lugte ich über den Rand meines Schildes, um den "Feind" im Auge zu behalten. Die nächste Attacke kam bestimmt.

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus
    "Nein, ich komme aus Rom nicht aus Antiochia. Der Armee? Naja irgendwie schon, aber eigenlich bin ich meinem Bruder gefolgt."


    "Ach", sagte ich, "dann ist der also auch bei der Prima. - Ich hab auch 'n ganzen Haufen Familie beim Militär. Da hat man ja praktisch keine Chance."
    Schon wieder kam der Weinschlauch bei mir vorbei. Gut, da wollte ich mich mal nicht beklagen, und langsam fand ich diesen Tropfen auch gar nicht mehr soo schlecht.
    Nebenbei betrachtete ich den Prätorianer, der sich mit dem Optio unterhielt. Diese schwarzen Rüstungen waren einfach unschlagbar schmuck. Vielleicht, so überlegte ich müssig, wenn ich das hier überlebte, und mich anstrengte, könnte ich ja später auch mal den Weg zur Garde finden? Bisschen paradieren, geheimnisvoll im Schatten des Thrones stehen und von Zeit zu Zeit abenteuerliche Geheimmissionen für den Imperator übernehmen - das konnte ich mir ganz reizvoll vorstellen.

    Nach der Verlesung der Rede des Imperators hatten wir für den Rest des Tages Freigang bekommen. Rusticus hatte daraufhin sowas gegrunzt in der Art wie "un dann kann ja der Kleine gleich mal noch Korn auf Vorrat mahlen" - da hatte ich mich ganz schnell aus dem Staub gemacht!
    Bis in die Stadt rüber war es mir in dieser Gluthitze zu weit. Aber man musste nur aus dem Lagertor treten, ein paar Passus gehen, und war schon mitten in dem Lager des Trosses - das, entsprechend der Größe des Heeres, ebenfalls gigantisch war. Wie eine zweite Heerschar folgten Marketender und Huren, Bäcker, Schankwirte, Krimskrams- und Sklavenhändler und sogar manche Soldatenfamilien in unserem Kielwasser.


    Neugierig schlenderte ich durch das Wirrwarr der krummen Lagergassen - ganz anders als die schnurgeraden Wege bei uns drüben - und betrachtete das Sammelsurium der Bewohner und ihrer Behausungen - von großen Zelten über Eselskarren bis zu löchrigen Planen, und manche schliefen auch auf der nackten Erde. Kinder bettelten mich an, Dirnen winkten mir zu und zeigten lockend die Schenkel, und an jeder Ecke gab es Talismane zu kaufen gegen alles mögliche Unheil.
    Ein Ausschank mit einem Sonnendach davor lockte mich, vor allem wegen des Schattens. Ich stellte mich an den "Tresen", der ein Brett über einigen Strohballen war, um mir einen Becher Wein zu bestellen. Schritte in meiner Nähe ließen mich den Kopf wenden - Ups! Da war ja Sparsus. Mit einem klein wenig nervösen Lächeln sah ich ihm entgegen - denn ich hatte immer noch die leise Befürchtung, dass er mir meinen dummen Spruch übelgenommen hatte, und das jetzt womöglich klären wollte.
    "Salve.... ähm, ganz schön groß hier, nicht? Und wonach schaust du hier so?"

    "Das wärs! Der hat doch bestimmt einen Riesen-Vorrat in seinem Valetudinarium...", sagte ich verträumt, und lachte, weil ich es mordskomisch fand, wie Lucullus die Flasche über sich schüttete.
    "He, das bisschen haut Dich ja richtig um...", neckte ich ihn.
    "Das ist gutes Zeug, was die hier haben... in Rom würden die einem das aus den Händen reißen! - Du bist auch echt in Ordnung... echt in Ordnung, keine Frage... Auf das Opium! Lob und Preis Morpheus, wider den Tag, ewig dem Rausch!", sprach ich inbrünstig, begeistert so unverhofft einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Und die Flasche, beschloss ich, würde ich ganz symbolisch neu füllen, damit sie nicht mehr leer war, aber später irgendwann... jetzt mochte ich nicht aufstehen...


    "Ja...?", fragte ich gedehnt, "ich darf....?", als Lucullus auf meine Frage hin nickte, und ich rückte auch gleich ein Stück näher an ihn heran. Denn unter Opium wurde ich immer sehr schnell sehr anlehnungsbedürftig. Und dass seine Hand schon nach mir griff empfand ich wirklich als einladend.
    So sah ich, direkt neben ihm liegend, auf die Ellbogen aufgestützt und das Kinn auf den verschränkten Händen ruhend, mit verschleiertem Lächeln auf ihn hinunter.
    "Mmh... aber warum ist Dein Leben leer?... - ach, wie ich heiße?"
    Ich steckte ihm die Hände entgegen, und spreizte auf einmal alle zehn Finger, grinsend bis über beide Ohren, als hätte ich einen tollen Witz gemacht. Mit verstellter Stimme sagte ich dazu grabestief und ironisch-pathetisch:
    "DE-CI-MUS.", dann ließ ich seufzend meine Stirn an Lucullus' kräftige Schulter sinken.
    "Mmmh...muss mich mal 'n bisschen anlehnen...", murmelte ich, und schmiegte meinen Kopf an seine Halsbeuge - deren Schwung ganz perfekt dafür geeignet war. Das fühlte sich GUT an!

    Ich hatte Angst. Die ganze Nacht hatte ich mich rumgewälzt und fast keinen Schlaf gefunden. Jetzt stand ich da, neben meinen Kameraden, die alle mutig und entschlossen aussahen, und fror und fürchtete mich, und hoffte, dass man es mir nicht ansah. Der Optio ging an unserer Reihe entlang, und berührte auch mich kurz mit der Hand an der Schulter.
    Roma victrix! sagte er, als wäre es eine Zauberformel, um uns zu stärken, bevor wir die Grenze überschritten. Die Grenze. Die Brücke.


    Der Gedanke nie wieder zurückzukehren schnürte mir die Kehle zu. Wozu gingen wir nochmal ins Partherland - weil sie irgendeinen römischen Vasallen bedroht hatten, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte?! Weil wichtige Handelsrouten bedroht waren? Sollte ich sterben, damit in Rom auf den Trajansmärkten auch immer schön genug Seide, Gewürze und Dattelwein zu kaufen war?!
    Nein, eigentlich wusste ich ja: es ging ums Prinzip. Um Macht. Um Glorie. Um Gold. Um die Vorherrschaft. Und so weiter.
    Wie ein Lamm zur Schlachtbank fühlte ich mich, als unsere Centurie sich in Bewegung setzte. Der Widerschein der Morgenröte auf den Rüstungen erinnerte mich an Blut. Ein schlechtes Omen. Auf ins Feindesland! Dulce et decorum est pro patria mori.

    Zitat

    Original von Gaius Tiberius Andronicus


    Ha! War er also viel kürzer dabei als ich. Das nahm mich gleich schon mal sehr für ihn ein.
    "Ich bin praktisch seit dem Abmarsch aus Mantua dabei. Also auch noch nicht soo lange - aber ich hab mich inzwischen ganz gut eingewöhnt. Am Anfang fand ich alles sehr verwirrend, hier."
    Und mit einem schiefen Grinsen meinte ich:
    "Sag mir, wenn ich dir vielleicht irgendwie helfen kann oder so. Wir Probati müssen doch zusammenhalten."


    Ich schlang eine Ecke der Paenula gegen die Kälte über meine Schulter, lehnte mich auf die Ellbogen zurück, und sah in die rote Glut, dann reihum in die Gesichter der Männer an unserem Feuer. Stoppelbärtig und verwegen sahen sie aus, und ich fragte mich unwillkürlich, welche von denen, die da jetzt so fröhlich feierten, wohl bald unter parthischen Lanzen und Pfeilen sterben würden... Ganz schlechter Gedanke!
    Ich angelte nach dem Weinschlauch und trank einen großen Schluck, und dann noch einen obwohl es immer noch scheußlich schmeckte. Ein Miles, den ich nicht kannte, begann mit rauer Stimme ein trauriges Soldatenlied anzustimmen, ein paar andere fielen mit ein. Mir wurde ganz weh ums Herz, und ich versuchte lieber schnell wieder das Gespräch anzuknüpfen.
    "Dann kommst Du aus Antiochia? Es ist eine unglaublich schöne Stadt finde ich. Und geheimnisvoll. - Oder bist Du der Armee gefolgt?"
    Vielleicht hatte er ja unbedingt in den Krieg gewollt.