Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Tot! Ich schluckte und wich unwillkürlich vor dem Optiostab zurück als wäre er eine parthische Lanze. Die drastischen Worte prägten sich mir sehr genau ein: Formation - ein Körper - oder tot. Meine spöttische Distanz zu dieser Übung hatte sich auf einmal komplett verflüchtigt. Schlagartig wurde mir klar: das hier war kein Spaß, und keine Schikane, sondern Ernst, und es sollte uns lehren, auf diesem Feldzug am Leben zu bleiben. Ich war nicht in einem Theaterstück, sondern auf dem Weg in einen wirklichen Krieg, in dem ich wahrhaftig draufgehen konnte... So deutlich war mir das noch nie vor Augen gestanden, wie in diesem Moment, als der Optio auf mich zeigte und sagte tot.
    Verschreckt nickte ich, holte tief Luft für ein deutliches "Jawohl Optio Tallius", doch das ging völlig unter, als Optio Eisenfresse schon wieder losbrüllte.


    Eilends reihte ich mich in die Linie ein, wandte mich nach rechts, und trabte los, als er das Kommando gab. Die Reihe zog sich auseinander, als einer von uns gleich blitzschnell lossprintete - und wurde wieder kompakter, als er sich bei Tallius' mahnenden Worten wieder zurückfallen ließ.
    Wir rannten und rannten. Nach ein paar Runden um den Platz lief nicht nur mir der Schweiß in Strömen herunter. Das Scheppern der Rüstungen und das Trappeln der Füße, dazu der fade Geschmack des Staubes, das schnelle Pochen meines Herzens und das Brennen der trockenen Luft in der Kehle schienen alles zu sein, was es auf dieser Welt noch gab. Stur rannte ich weiter, von Seitenstechen geplagt und erfüllt von der Furcht, nicht durchzuhalten und hinter den anderen zurückzubleiben - immer um den Platz herum - vom Lagertor zu der staubgrauen Tamariske (dem einzigen Baum in Sicht), weiter entlang des krummen Steinmäuerchens - bis zu dem armseligen Trosskarren vor dem die Ochsen die Köpfe hängen ließen... und wieder... und wieder... und wieder... und immer weiter...
    Nahm das denn nie ein Ende?!!

    Optio Tallius war auch nicht fürs Latrinen graben. Glück gehabt!
    Etwas verwirrt von seiner Ankündigung, überlegte ich noch, was damit wohl gemeint war, als auf einmal flott Befehl auf Befehl ertönte.
    Hastig drehte ich mich nach rechts, wieder nach rechts, nach links, machte kehrt... und so weiter. Mir wurde ganz schwindelig, und zugleich musste ich grinsen bei der Vorstellung was für ein dämliches Bild wir wohl für einen Zuschauer abgaben - ein Haufen Probati, die irgendwo in der syrischen Ödnis wie die Irren hin und her, und herum wirbelten. Ich fragte mich schon, wozu das ganze? Wollte er uns wirklich beibringen wo rechts und links war? Diente dieses gemeinsame Kreiselspiel, bei dem wir uns alle gleichermassen zum Narren machten, vielleicht dazu, das Zusammengehörigkeitgefühl zu stärken? Oder war es einfach eine Übung im Gehorchen an sich? Das waren zu viele Fragen auf einmal, über die ich da grübelte, und prompt verpasste ich ein Kommando und geriet aus dem Takt.
    Zwar war ich da nicht der einzige, doch es war mir ziemlich peinlich, und bei dem Spruch des Optios spürte ich, wie mir prompt das Blut in den Kopf schoß. Verlegen rieb ich mir die Nase. Mist! Als ob ich nicht wüßte wo rechts und links ist! Gerade vor Optio Tallius wollte ich mich doch von meiner besten Seite zeigen.


    Ab da passte ich besser auf, lauschte aufmerksam und kehrte und drehte mich mit großem Ernst. Als die Kommandos verstummten, stand ich dann nach rechts gerichtet - Auge in Auge mit einem anderen Rekruten, der sich, mit vor Konzentration ganz verkniffenem Gesicht, nach links ausgerichtet hatte. Er sah mich so finster an, dass ich ganz verunsichert nach den anderen schielte, um meine Position zu überprüfen.

    Als ich mit dem Wasser zu unserem Zelt zurückkehrte, war ich immer noch ziemlich ärgerlich auf meine Kameraden, die ständig "Probatus" mit "Laufbursche" gleichsetzten. Ich grübelte darüber nach, wie ich mich dagegen wehren konnte, aber das Problem dabei war einfach, dass ich mich nicht traute, mich mit Rusticus anzulegen.
    Die anderen waren aber auch nicht müssig gewesen, während ich das Wasser geschleppt hatte, was mich dann wieder versöhnte. Das Feuer brannte schon, der gutmütige Camerinus drehte den Mahlstein, während Musca und Silio dabei waren, eine Ziege zu häuten - eine Ziege?
    "Wo kommt die denn her?", fragte ich erstaunt, und setzte den Eimer neben dem Feuer ab.
    "Haben wir - gefunden.", lachte Musca,
    "Vorhin, beim Holzholen, ne Wildziege. Gibt nen guten Braten, zur Feier unserer Ankunft."
    Und gekonnt schlitzte er mit dem Pugio das Fell längs auf, löste es um Läufe und Kopf herum ab, und zog dem Tier schwungvoll die Haut ab.


    Skeptisch blickte ich auf das blutige, struppige Fell, in dem beim genaueren Hinsehen unschwer ein Brandmal zu erkennen war. Aber ich verkniff mir einen Kommentar, denn bei der Aussicht auf Ziegenbraten lief mir das Wasser im Mund zusammen, und ging statt dessen bei einem der einheimischen fliegenden Händler ein paar Zutaten besorgen . Die Innereien und das verräterische Fell fanden den Weg in die Latrinengrube.
    Ich machte mich nützlich bei der Zubereitung des Bratens - das hatte ich damals gelernt, als ich im "Wilden Mann" in der Küche gearbeitet hatte - und spickte ihn vergnügt mit Knoblauch und Kräutern. Camerinus buk derweil ein paar Weizenfladen, und Silio organisierte eine besonders lange Pilumspitze als Bratspieß, denn wir dann, über zwei Astgabeln gelegt, abwechselnd, und voll Vorfreude, über der Glut drehten. Und schon bald breitete sich ein köstlicher Duft aus. Das heruntertropfende Fett fing ich mit der Kasserolle sorgfältig auf, und goss es wieder über den Braten, auf dem sich eine knusprige Kruste bildete, die sehr lecker aussah.


    "Wie wär's denn...", überlegte ich laut, "wenn wir den Optio zum Essen dazu einladen, wenn er mag?"
    Es war natürlich meine kleine Schwäche für ihn, die da aus mir sprach.
    Die anderen waren einverstanden, und Musca meinte schlau:
    "Kann auch nicht schaden, den Centurio zu fragen. Für'n richtig feines Essen drückt der auch mal nen Auge zu, musst du wissen."
    "Oh, echt? - Aber ist das nicht irgendwie... vermessen?"
    "Ach was", er zwinkerte mir zu, "frag ihn ruhig. Und auch den Optio natürlich."
    Ich nickte, und als dann abzusehen war, wann das Fleisch gar sein würde, zog ich los, um Optio Tallius und Centurio Flavius zu suchen, und ihnen - wenn auch ein bisschen schüchtern - die Einladung meines Contuberniums zu überbringen.

    Wir marschierten hin und her, auf dem öden Stück Erde neben dem Lager. Durch ockerfarbene Staubschleier hindurch brannte die Sonne vom Himmel auf uns herab. Ich schwitzte, und war schon nach kurzer Zeit von einer feinen Staubschicht überzogen. Sogar zwischen den Zähnen knirschte dieser verfluchte Staub.
    Optio Eisenfresse wurde nicht müde uns über den Platz zu scheuchen und zu beschimpfen, und so liefen wir, und standen, und liefen wieder, und drehten uns mal hierhin, mal dahin... Ein wenig albern kam ich mir dabei schon vor, aber ich hatte keine Lust, Bekanntschaft mit dem Stab des Optios zu machen, und gab mir große Mühe alles schön prompt und zackig zu machen. Es klappte auch ganz gut, bis wir dann rennen sollten, da gingen Linie und Einheitlichkeit gleich verloren, und es dauerte eine ganze Weile bis wir uns einigermassen aufeinander abgestimmt hatten. Bei der Hitze ständig über den Platz hin und her zu rennen, war echt furchtbar! Aber der Optio schien mir ein ausgemachter Sadist zu sein. Wobei ich es gleichzeitig auch irgendwie faszinierend fand, wie unentwegt er wetterte, und über welch nie versiegenden Schatz von Flüchen er gebot.


    Verschwitzt und außer Atem stand ich dann schließlich wieder still, und hoffte, dass es jetzt mit der Rennerei ein Ende haben würde. Da hörte ich das Reizwort 'Latrinen graben' - und dachte nur: Das kann doch nicht wahr sein! Die ganzen letzten Tage hatte ich im Schweiße meines Angesichtes mit Sparsus zusammen die Latrinen buddeln müssen, nur weil ich ein einziges Mal ein ganz kleines bisschen vorlaut gewesen war... und jetzt sollte es anscheinend gleich damit weitergehen?!
    Gequält wandte ich die Augen gen Himmel, wischte mir mit dem Handrücken einen Schweißtropfen von der Nase, und stellte mal wieder für mich fest, dass meine Vorurteile von früher, gegen das Militär, durchaus der Wirklichkeit entsprachen.

    "Bona Dea! Ist das GROSS!!"
    Ich beschirmte die Augen mit der flachen Hand, und sah überwältigt auf das gigantische Heerlager, das, nach den langen und monotonen Tagen des Marsches, nun vor uns auftauchte. Ein Meer von Zelten erstreckte sich auf der Ebene. Und dazu kamen ja nun nochmal zwei Legionen! Ich begann, wirklich Ehrfurcht vor der gigantischen Kriegsmaschinerie zu empfinden, die hier, in diesem götterverlassenen Winkel des Imperiums eine solche Stadt des Militärs aus dem Boden stampfen konnte.
    Und da, der gewaltige Strom dahinter, das war der Euphrat, von so vielen Mythen umrankt, und die Grenze des Imperiums...
    Tief sog ich die heiße syrische Luft ein, bewegt von der Erhabenheit dieses Momentes.


    Alles war schon für unsere Ankunft vorbereitet. Ich war sehr glücklich, heute zur Abwechslung mal keine Gräben mehr buddeln zu müssen. Nachdem unser Zelt, genau ausgerichtet nach den vorbereiteten Markierungen, dann stand, streckte ich mich davor auf dem Boden aus, ruhte meine müden Beine aus und sah hinauf in den blauen Himmel. -
    "Serapio!"
    Eine bronzene Situla schob sich in mein Blickfeld.
    "Geh mal Wasser holen."
    Ich blinzelte hoch zu dem Sprecher, es war Rusticus, einer der unangenehmeren unter meinen Contubernales. Er war schon etwas älter, bullig, mürrisch, und hatte die blöde Angewohnheit hatte, mich ständig für sich rumzuschicken.
    Ich seufzte und sah unwillig auf den schon leicht verbeulten Eimer, der da vor meiner Nase in der Luft baumelte.
    "Warum denn ich?"
    "Weil du der Jüngste bist, und weil ich es dir sage."
    Er sah kalt auf mich runter, mit einem Gesichtsausdruck der eher besagte: "Weil ich stärker bin und dir sonst die Fresse einschlage."
    "Hab ich doch gestern schon gemacht, das. Und vorgestern."
    "Und jetzt ist der Eimer wieder leer.", stellte er sehr scharfsinnig fest, und ließ ihn einfach los.
    Ich fing das Ding auf, bevor es auf mich fiel und murmelte: "Erraticus!"
    "Was war das?!"
    "Nix. Ich geh ja schon..."
    Missmutig rappelte ich mich auf und schlappte los.
    "Und beeil dich, du musst ja danach noch das Korn mahlen!", rief er mir noch hinterher.
    Ich zog eine Grimasse, und stellte mir vor wie sich Rusticus mit dem Kopf zuerst in eine Latrinengrube steckend machen würde. Die Situla in der Hand schloss ich mich dann dem Strom von Soldaten an, die, genauso wie ich, auf dem Weg zur nächsten Wasserstelle waren.

    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    "Probatus Decimus Serapio! Mitkommen!"


    In dem spärlichen Schatten neben dem Zelt würfelte ich mit Cocles um unseren nächsten Sold, und hatte gerade eine richtige Glückssträhne, als die Stimme von Optio Tallius durch das Lager schallte. Bedauernd legte ich die Würfel weg, sprang auf die Füße, und folgte ihm, wobei ich nicht umhin konnte, meinen Blick immer mal wieder etwas länger auf seinen gebräunten, kräftigen, schöngeformten Händen ruhen zu lassen, die seit neuestem meine Phantasie beflügelten.
    Schon von weitem dröhnte uns eine Ansammlung wüster Beschimpfungen entgegen, ich fragte mich verwundert, wer da wohl gerade öffentlich seinen Streit austrug, und erkannte erst auf den zweiten Blick, dass da anscheinend gerade exerziert wurde.
    Ein Glück, dass unser Optio nicht so ist!, dachte ich erleichtert beim Anblick des Mannes mit der zerknitterten Eisenfresse, der seine Männer so übel zusammenstauchte. Dass wir neu hinzugekommenen uns ebenfalls einreihen sollten, war dann ein ziemlicher Schreck für mich.


    Sobald die anderen Probati wieder zurückgekommen waren, und Halt gemacht hatten, trat ich hinzu und stellte mich daneben, auf ihrer Linie, auf, die anderen taten das selbe. Bauch rein, dachte ich bang, Brust raus, Kinn nach oben, stand kerzengerade, und still, und hoffte dabei inständig, dass ich diesem furchterregenden Ausbilder nicht irgendwie auffallen würde.

    Die Tage zogen dahin, und verschmolzen in meinem Geist zu einem einzigen Eindruck von Staub und stechender Sonne, von Erschöpfung, lahmen Schultern, und dem Geruch des Hirschtalgs, mit dem ich meine Füße jeden Abend einrieb um das Brennen zu lindern.
    Wenn wir marschierten sah ich nicht viel von der Landschaft, nur den Schild meines Vordermannes, überragt von seinem Gepäck, doch bei den Rasten war ich immer wieder überwältigt von der kargen, fremden Großartigkeit dieses wilden Landes. Wir zogen vorüber an endlosen Ebenen und majestätischen Bergen, deren zerklüftete Flanken über den Tag hin in unzähligen verschiedenen Schattierungen von braun, ocker und rot erschienen. Große Raubvögel kreisten über dunstigen Tälern, und einmal durchquerte die Straße einen Wald gigantischer, duftender Zedernbäume, deren tiefgrünes Geäst uns eine Zeitlang willkommenen Schatten spendete. Sonst knallte die Sonne meist unbarmherzig auf uns herunter, und wie die meisten bekam auch ich erstmal einen heftigen Sonnenbrand ab.
    In den Reiseberichten des Characeus, die ich in Antiochia erstanden hatte, verfolgte ich ungefähr unsere Route, doch oft war ich enttäuscht, dass ich keine Gelegenheit hatte, die sehenswerten Orte und interessanten Stätten aufzusuchen, die der Autor begeistert beschrieb. In mir wuchs der Wunsch, dieses faszinierende Land einmal in Friedenszeiten ausführlich zu bereisen und zu entdecken.

    Die nüchterne Art des Optios brachte auch mich wieder auf den Teppich. Er hat recht, dachte ich mir, Geschichte wiederholt sich nicht. Und uns führt ja der Kaiser persönlich, und Onkel Livianus, da wird das ganze schon was werden.
    Ich nickte verständig und schämte mich ein bisschen dass ich mich so erschrocken hatte. Musste an dem schlechten Traum vorige Nacht liegen.


    Dankbar für jede Hilfe reichte ich ihm die Tunika rüber.
    "Nein, nie."
    Das hatte früher immer unsere Haushälterin gemacht, und später, in meiner Subura-Zeit hatte ich andere Sachen im Kopf gehabt als meine Kleidung in Schuß zu halten. Aber ich sah ein, dass es praktisch war, es selbst zu können, und sah aufmerksam zu wie Optio Tallius die Nadel führte.
    "Ah, so. Und so... ja."
    Es sah nicht besonders schwer aus, wie er das machte - und irgendwie gefiel mir die Leichtigkeit, mit der seine rauen Soldatenhände so behende die feine Nadel durch den Stoff gleiten ließen.
    Schöne Hände hat er..., dachte ich bei mir und er bewegt sie so geschickt und wirklich sehr gefühlvoll... und noch dazu ist er so freundlich... und so ein markiger Typ, hart und wettergegerbt... da könnte man schon überlegen... also falls er zufällig auch ... - Faustus! Schluß!! Aus!! Du bist jetzt bei der Armee und führst ein tugendhaftes, entbehrungsreiches, urrömisches Leben! Also denk nicht mehr an sowas!
    Aber das fiel mir ganz schön schwer.


    "Ja! Alles gemerkt.", behauptete ich, auch wenn meine lasterhaften Gedanken mich ziemlich abgelenkt hatten.
    Mit einem strahlenden Lächeln nahm ich meine Tunika zurück, dabei streiften meine Hände nicht ganz zufällig die des Optios. Ein leichtes, angenehmes Kribbeln überlief mich bei dieser flüchtigen Berührung.
    "Dankeschön, Optio Tallius.", sagte ich, und sah ihn verträumt an, "dann mach ich das mal so, vielen Dank."
    Und ganz versonnen begann ich damit, die Naht wieder aufzutrennen, um dem Stoff dann so zu säumen, wie er es mir gezeigt hatte.

    "Ja", murmelte ich schreckensbleich, "So, ähm, anderthalb Jahrhunderte - und sie wurden VÖLLIG AUFGERIEBEN!"
    Aber das ging im herzhaften Lachen meiner Contubernales unter, bei der Bemerkung des Optios über meinen Saum, mit dem sie mich vorher auch schon ständig geneckt hatten. Das Lachen löste die Anspannung, und vertrieb das bleiche Gespenst des Crassus und seiner erschlagenen Mannen von unserem Lagerfeuer. Ich lachte vorsichtig mit, und antwortete kokett grinsend:
    "Also das hatte ich eigentlich nicht vor."
    Mit einer Grimasse hielt ich mir die verunglückte Tunika vor und seufzte:
    "Aber das wird und wird einfach nicht gerade, es verzieht sich nur immer oder es franst aus, ich weiß nicht warum."

    Ich war froh zu hören, dass die Parther wohl noch nicht hinter dem nächsten Bergkamm auf uns lauerten. Aber 'Zeugma', den Namen hatte ich doch schonmal gelesen... Als mir einfiel wo, riss ich erschrocken die Augen auf.
    "Bona Dea! Das ist ja genau der gleiche Weg, den damals Licinius Crassus genommen hat!"
    Wenn das kein schlechtes Omen war! Mein erschrockener Ausruf hatte auch meine Contubernales aufgeschreckt, die, wie mir schien, ebenfalls alarmierte Blicke tauschten. Bei allen Göttern, was wenn von unserer Armee auch nur jeder vierte zurückkäme? Unwillkürlich musterte ich die anderen sieben und fragte mich, wer von uns dann wohl die zwei Überlebenden sein würden.

    Immer wieder versuchte ich, auf den Zehenspitzen stehend, einen Blick auf den Kaiser zu erhaschen, aber ich sah leider bloß wogende Helmbüsche und blitzende Pilumspitzen. Dann hatte das Warten ein Ende. Eifrig nahm ich Gepäck und Schild auf, als der Legat den Befehl gab, und rückte alles zurecht. Ich fand es immer noch aufregend, hier unter seinen Soldaten zu sein, ohne dass er davon wusste, und die gespannte Aufbruchsstimmung hatte auch schon wieder meine Zweifel zerstreut. (Allerdings hatte ich vom Latrinengraben argen Muskelkater in den Schultern.)
    Als ich sah wie der Optio zur Stadt hin grüßte, tat ich das auch, balancierte das Pilum mit dem Gepäck, und winkte fröhlich den Leute zu, die uns da so herzlich bejubelten.
    Dann ging es wieder los, wir marschierten durch die liebliche Umgebung von Antiochia, ich sah herrliche Olivenhaine, üppige Weinreben und schwerbeladene Granatapfelbäume und fragte mich so langsam schon, wo eigentlich die schrecklichen Einöden und Wüsten blieben, an die ich bei 'Syria' bisher immer gedacht hatte.

    Als der Optio zu dem Zelt meines Contubernium trat, saß ich gerade davor auf dem Boden, mit untergeschlagenen Beinen, und malträtierte meine grüne Tunika mit Nadel und Faden, in dem Versuch sie endlich an meine Größe anzupassen. Auch meine Zeltgenossen hingen da herum, in einem lockeren Kreis um unsere Kochstelle. Einige waren noch am Essen, einer flickte seine Schuhe, zwei würfelten drum wer den Abwasch machen musste.


    Ich hatte einen ganz miesen Tag hinter mir, denn obwohl das Wiedersehen mit meinem geliebten gehassten Laster am Vorabend kurz und unerfreulich gewesen war, hatte es in mir wieder dieses unüberwindliche Verlangen nach der Droge geweckt.
    Ich war rastlos und dünnhäutig, und zudem machte ich mir ernsthaft Gedanken wegen meines Traumes - der mir auf eine ungute Weise bedeutsam erschien. War es eine Warnung gewesen, eine Strafe für meinen Rückfall oder gar ein Zeichen des Kriegsgottes selbst?! Ich zog es vor zu glauben dass das Opium verdorben gewesen war, und alles nur daran gelegen hatte, doch der Zweifel nagte an mir. Gehörte ich vielleicht einfach nicht hierher? Was wenn alles was ich hier tat nur eine schlechte Komödie war, "Flosculus als Soldat", ein lächerliches Zwischenspiel, eine Burleske die das Publikum milde belächelte bevor es sich wieder ernsthaften Dramen zuwandte...?
    Sollte ich flüchten solange es noch Zeit war, mein Leben retten bevor ich es unter den Lanzen blutrünstiger Parther sinnlos aushauchte?


    Diese Gedanken trieben mich schon den ganzen Tag um, ich versuchte mich abzulenken aber sie flossen ein in meine Worte beim Tagebuchschreiben, raubten meine Konzentration beim Lesen, machten mich unaufmerksam als ich mit einem anderen Probatus zusammen den Schwertkampf übte. (Zum Glück hatten wir uns Holzstäbe besorgt, so hatte es mir nur ein paar blaue Flecken eingebracht.) Und auch als ich mich ans Nähen machte, lief es gar nicht gut - was aber auch daran liegen mochte, dass ich es noch nie zuvor getan hatte.


    Ungeduldig stieß ich die Nadel ein paar mal durch den Saum, und zog den Faden fest, worauf der Stoff Falten schlug und der Saum ganz schief wurde. Ich zog an einer anderen Stelle, da riss der Faden einfach ab. Entnervt ließ ich die Tunika in den Schoß sinken und sah zu Optio Tallius auf, als er das Wort an uns richtete.
    Ab morgen wird es ernst. Das klang, nun ja, ERNST. Unruhig rutschte ich hin und her. Als er geendet hatte räusperte ich mich, ich hatte nämlich einen Frosch im Hals, und fragte, wobei es mir kaum gelang die Nervosität in meiner Stimme zu verbergen:
    "Optio Tallius, wenn ich fragen darf, wo ziehen wir denn als nächstes hin? Und wann, ähm, also ich meine ab wann müssen wir denn damit rechnen dem Feind zu begegnen - ich weiß ja, wir müssen immer wachsam und bereit sein, aber kannst Du uns sagen ab wann er erwartet wird?"

    Der pechschwarze Himmel über mir erglühte in einem Meer von Funken. Wie ein blutiger Regen stoben sie herab und tauchten die felsige Einöde in der ich stand in glutrotes Licht. Zugleich ertönte ein ohrenbetäubendes Kreischen und Klingen.
    Als ich den Kopf in den Nacken legte, und sah was der Grund war, stockte mir der Atem! Ein gigantisches Schwert wurde geschliffen. Von einem Horizont bis zum anderen reichte die blanke Klinge, Blitze zuckten in metallischem Gleißen, und unheilvoll erglänzten ihre scharfen Ränder, von denen sich der Funkenregen ergoss.
    Ein Schlag dieser titanischen Klinge musste ausreichen stolze Städte zu vernichten, Völker auszulöschen und blühende Reiche in Schutt und Asche zu legen! Der Hauch des Göttlichen ließ mich in Ehrfurcht und Schrecken erschaudern.


    Dann hörte ich donnernden Hufschlag und spürte, dass etwas übles und gewaltiges sich näherte... Und schon schälte sich aus dem blutigen Licht die Silhouette eines riesigen Reiters - ein parthischer Panzerreiter, wie ich ihn einmal auf einem Relief gesehen hatte. Sein Ross schnaubte Feuer, seine Rüstung umschloss ihn wie der Panzer eines Insektes, und seine Lanze war lang und spitz. Unaufhaltsam kam er auf mich zu. Ich wollte schreien und fortrennen, aber meine Füße waren wie festgewachsen. Schon spürte ich den Gluthauch des Pferdes brennend im Gesicht, der Reiter senkte die Lanze und richtete sie auf mich... Verzweifelt zog ich mein Gladius. Doch als ich es vor mich hielt, sah ich, dass es sich in eine schöne Mohnblume verwandelt hatte. Sie welkte rapide im Feueratem des schaurigen Rosses, die sattroten Blütenblätter kräuselten sich, wurden grau, und dann zerfiel die Blume ganz zu Asche, zerrieselte in meiner Hand, wurde als ein Hauch von feinem Staub davongetragen...


    Ich riss meine Füße vom Boden los und rannte! Der parthische Reiter verfolgte mich, ich stürzte über den Felsen und Geröll davon. Der Hufschlag dröhnte in meinen Ohren, das Feuer wollte mich versengen. Seine Lanze sauste auf mich zu! Doch im letzten Moment erblickte ich in einem großen Felsen eine hölzerne Türe, die riss ich auf, warf mich in den Eingang hinein und schlug sie mit aller Kraft zu - gerade im letzten Moment. Das Holz erzitterte als die Lanze auftraf, und die dornige Metallspitze drang eine Handbreit durch das Holz.
    Ein schwerer Riegel war an der Türe, den schob ich schnell vor. Erleichtert - ich glaubte mich gerettet - wandte ich mich um um zu sehen, wo ich gelandet war - und erstarrte. Es war der Verhörraum der Cohortes Urbanae! Da war der Stuhl auf dem ich gesessen hatte, und die Blutflecken auf dem Boden, und da stand auch der fiese Princeps Prior, mit verschränkten Armen und schüttelte mißbilligend den Kopf.
    "So so. Du wolltest also Soldat spielen. Das kauft Dir doch keiner ab."
    Und er grinste verächtlich.
    "Solch einer wie Du bleibt immer ein Lügner und ein Dieb! Los, ab in den Carcer mit Dir, wir haben da noch ein besonderst lauschiges Plätzchen frei!"


    Entsetzt wollte ich zurückweichen, doch hinter mir barst in diesem Augenblick die Wand in tausend Stücke, und der Panzerreiter preschte mit gesenkter Lanze herein. Zugleich wichen die Dachbalken des Verhörraumes auseinander und gaben den Blick auf den funkenroten Himmel frei. Ein düsteres Gesicht beugte sich da aus dem Nachthimmel auf mich herunter - es sah aus wie eine Mischung aus den Zügen von Onkel Livianus und Onkel Meridius und meinem Vater - und betrachtete mich. Dann ertönte ein Seufzen, so enttäuscht, dass es mich bis ins Innerste traf, und das Antlitz wandte sich von mir ab, verschwand wieder in der Unendlichkeit...
    Da lachte der Princeps Prior höhnisch, und auch der parthische Reiter stimmte scheppernd mit ein, sie zeigten mit den Fingern auf mich und lachten, lauter und immer lauter, so dass ich meinte mir müsse gleich der Schädel zerspringen...
    "Neeeeiiin!!!"


    Schweißgebadet fuhr ich auf. Mein Herz raste. Ich lag in einem düsteren Bretterverschlag auf einer löchrigen Matratze, ich war nackt, und im ersten Moment völlig desorientiert. Im trüben Licht einer kleinen Funzel sah ich die syrische Meretrix, sie hockte breitbeinig über einer Schüssel und wusch sich mit einem Schwamm. Da fiel es mir wieder ein, wie ich mich mit ihr vergnügt hatte, und auch ein bisschen Opium von ihr bekommen hatte. Ich konnte den Rauch noch in meinem Mund schmecken.
    Nur ein Traum, nur ein Traum...
    Mit beiden Händen fuhr ich mir über das Gesicht, ließ mich dann ganz erledigt wieder zurückfallen.
    "Das Opium war schlecht.", murmelte ich, noch ganz mitgenommen von diesem Horror-Traum...
    Aber nur ein Traum, nur ein Traum...


    "Ja was du willst Römer für Dein wenig miese Kröten?!"
    Die Syrerin funkelte mich verärgert an, ich dachte sie würde gleich den Schwamm nach mir werfen. Vorher war sie eindeutig zärtlicher gewesen. Nun ja.
    "Genug du hast geschlafen, jetzt auch noch du dich beschwerst! Los, weiter ich muss arbeiten, nicht du hast bezahlt für ganzes Nacht heutige!"
    "Ja, ja..."
    Müde stand ich auf, suchte meine Sachen zusammen und zog mich an. Mit noch immer ganz zittrigen Fingern gürtete ich mein Cingulum militare, sah kurz in meine Tasche ob auch nichts fehlte, und leerte noch den Rest, der in meinem Geldbeutel verblieben war auf einem schäbigen Tisch aus.
    "Hier... Also dann. Vale Nahma."
    Sie lächelte schon wieder und winkte mir flüchtig zu.
    "Vale hübsches Römer, und komm vorbei auf Rückweg deiniges!"


    Benommen trat ich hinaus in die Nacht. Kalt war es geworden. Ich fröstelte und durchquerte unsicheren Schrittes einen schmutzigen Hinterhof, war dann wieder in den unheimlichen dunklen Gassen. Zum Glück hörte ich gerade in diesem Moment wie in der Nähe ein fröhliches Trinklied gegröhlt wurde, und dazwischen tönte es immer wieder "Auf die Prima! Auf die Prima!"
    Schnell ging ich dem nach und fand einen Trupp Soldaten, die schwankend auf dem Rückweg zum Lager waren. Denen schloß ich mich an, sonst hätte ich bestimmt nicht so leicht zurückgefunden.
    Ich war richtig erleichtert, als ich das Tor des Lagers durchquerte. Es war ein bisschen als würde man nach Hause kommen. An meinen Albtraum wollte ich am liebsten gar nicht mehr denken. Leise kroch ich in das Zelt hinein, in dem meine Kameraden schon schliefen, rollte mich im Stroh zusammen, zog die Paenula fest um mich, und war auf der Stelle eingeschlafen.

    Keine richtigen Menschen? Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Sie waren natürlich Barbaren, die Parther, aber doch ziemlich hochzivilisierte. Wenn sie keine Menschen waren - was dann? Böse Mischwesen vielleicht, Ausgeburten des Tartaros, die hinauf ans Licht gekrochen waren um unser wohlgeordnetes Imperium mit Chaos und Verderben zu bedrohen? Dass dieses Volk mit dunklen Mächten und übelwollenden Daimonen im Bunde standen, hörte man ja immer wieder. Aber eigentlich glaubte ich nicht so richtig ersthaft an sowas.
    Keine richtigen Menschen... Was hatte der Centurio wohl damit gemeint? Ich traute mich nicht ihn nochmal zu fragen, nickte statt dessen zögerlich und betrachtete mein Schwert. Bei der Vorstellung, wie ich es in das "erstaunlich weiche" Fleisch eines Menschen hineinstieß, verspürte ich tief in meiner Kehle den hartnäckigen Reiz zu würgen. Aber ich wußte ja, dass der Centurio recht hatte - wenn ich irgendwann einem Parther gegenüber stehen würde, dann würde der auch keine Hemmungen haben mich abzustechen oder mir den Schädel zu spalten. Ich war jetzt bei der Armee, da durfte ich einfach nicht mehr so zimperlich sein!


    "Erheiternd" hatte er also meine Vorstellung gefunden. Geknickt fragte ich mich, ob ich es nicht vielleicht doch als Komödiant weiter bringen könnte als als Soldat... Aber ich war fest entschlossen alles zu lernen was wichtig war, und ein guter Soldat zu werden! Meine Familie würde noch staunen! Oder, wenn es mit dem werden nicht klappte, musste ich wenigstens nach Außen hin einen guten Soldaten darstellen, ihn erfolgreich mimen, um nicht schon wieder als Versager dazustehen...
    Aufmerksam hörte ich dem Centurio zu, merkte mir genau was er sagte und mühte mich eifrig ab, seinen Anweisungen nachzukommen. Er war wirklich ein guter Lehrer, fand ich, und obwohl er ja schon auch streng war, freute ich mich, dass er sich so viel Zeit für den Unterricht nur mit mir nahm. Es war, glaube ich, vor allem dieses irgendwie väterliche in seiner Art, das da immer mal wieder durch die Strenge hindurchschimmerte, was ich mochte.


    Wieder und wieder vollführte ich die Übungen, bis ich schweißgebadet war, Blasen an den Händen hatte, und jeder Muskel in meinem Schildarm laut vor Schmerzen schrie. Und so ging es auch die nächsten Tage und eigentlich die ganze Zeit bis zu unserer Ankunft in Syria. Es war eine elende Schinderei und zwischendurch gab es Moment wo ich Centurio Flavius von ganzem Herzen verfluchte (aber nur wenn er es nicht hörte) und am liebsten über Bord gesprungen wäre, doch stur hielt ich durch und gab wirklich mein bestes! An den Händen bekam ich Schwielen, die ständigen Liegestützen wurden weit weniger mörderisch, und auch beim Kampf mit dem Gladius machte ich richtig Fortschritte. Und das war für mich seit langer Zeit endlich mal etwas, auf das ich stolz sein konnte.

    Irgendwo muss ich falsch abgebogen sein. So nach und nach wurde die Umgebung ärmlicher und düsterer, und ich geriet in ein wahres Labyrinth von schmalen Gassen und Treppen die den Hang, an dem dieses Viertel stand, hinaufführten. Auf einmal war mir sehr deutlich bewußt wie alleine ich hier unterwegs war. Torbögen öffneten sich zu schwarzen Innenhöfen, leere Fensterhöhlen starrten mich an, und die wenigen Gestalten, denen ich auf der Straße begegnete musterten mich stumm und feindselig. Beklommen suchte ich nach dem Rückweg in die hellen und fremdenfreundlicheren Teile der Stadt, und ging gerade sehr angespannt an einer klobigen Insula vorbei, als mich aus dem überdachten Eingang heraus eine Stimme in gebrochenem Latein lockend anrief:
    „Salve hübsches Römer! Warum denn ist so ganzes alleinig in dieses heutig Nacht?“
    Und eine rassige Syrerin trat fließend wie eine Schlange, an mich heran und hatte eh ich's mich versah meinen Arm ergriffen, den sie aufreizend streichelte. Sie schien wenig älter als ich und trug nichts als ein bisschen durchscheinenden Stoff, unzählige Kettchen und Reifen und einen starken Duft nach Rosen und... Schlafmohn!
    „Heißen mich Nahma, Du magst kommen mit mich...?“,
    gurrte sie kehlig.
    „Ist sich nicht teuer aber seehr gut!“
    Wie angewurzelt blieb ich stehen, und atmete den Duft des Opiums, der mir von ihr so betörend in die Nase stieg. Und auf einmal war der Wunsch, ihn noch einmal zu kosten, mich dem Rausch und der sanften Umarmung des Traumes hinzugeben schier übermächtig! Auch die Frau lockte mich, aber längst nicht so sehr wie der Ruf meines alten wunderbaren und zerstörerischen Lasters. Dem ich doch eisern abgeschworen hatte...
    „Ich hab fast kein Geld mehr...“,
    murmelte ich, und versuchte halbherzig meinen Arm zu befreien.
    „Aaah, aber ist sich Vergnügen gar nicht teuer!“
    Ermunternd zog sie meine Hand an ihren hübschen Busen. Das fühlte sich schon gut an. Ich schluckte trocken und dann konnte ich nicht mehr anders und fragte:
    „Hast du... Opium?“
    „Opium? Ja, Opium viel für hübsches Römer.“,
    versprach Nahma lächelnd, und machte die Geste des Rauchens.
    Was soll ich sagen - die Schlachtreihe meiner Defensive wurde von einer Woge der Gier einfach davon gespült. Mein Denken schaltete sich aus, und als die schöne Syrerin mich mit sich zog, folgte ich ihr willig.

    Nach dem Essen schlenderte ich über den morgenländischen Markt und betrachtete fasziniert die exotischen Waren. Ob Tante Lucilla sich wohl über diesen federleichten bestickten Schleier freuen würde? Oder über ein niedliches Kästchen aus Zedernholz? Über diese seltsamen Armreifen? Oder vielleicht über dieses messingbeschlagene Zaumzeug mit bunten Trodeln? (Wohl eher nicht, aber ich hätte es gerne gehabt.)


    Ein paar Stände weiter trieb unser umtriebiger Fremdenführer gerade zum Aufbruch zu den, wie er versprach, unvergleichlichen Grazien des „Rosengarten“. Ich wollte gerade aufschließen, um die Gruppe mit der ich unterwegs war, nicht zu verlieren, als mir, in einer eher abgelegenen Ecke am Rande des Basars die Auslagen eines Buchhändlers in Auge sprangen.
    Neugierig trat ich näher – ich brauchte nämlich unbedingt etwas über Land und Leute – grüßte, und war sofort vollkommen gefesselt von einer herrlichen Sammlung griechischer Liebeslyrik. Sehnsüchtig ließ ich meine Blicke über die prächtig verzierten Schriftrollen gleiten, und wünschte mir das Gehalt eines Centurio, oder besser das eines Legaten, um hier meinen Hunger nach Poesie zu stillen. Ich kam sogar ernsthaft in Versuchung, noch mal auf meinen Nebenerwerb von früher zurückzugreifen, und mir ein paar fremde Börsen zu stibitzen... aber das ging natürlich nicht, schließlich hatte ich ein neues Leben angefangen und überhaupt. (Außerdem war ich mit den genagelten Sohlen sowieso viel zu laut und auffällig.)


    Schweren Herzens legte ich die Schriftrollen zurück, doch der Händler, ein sympathischer älterer Herr, hatte noch viel mehr im Angebot, darunter auch deutlich schlichteres. Freundlich und geduldig zeigte er mir Werk um Werk, ich verständigte mich auf Griechisch mit ganz gut mit ihm, und schließlich entschied ich mich für ein (leicht beschädigtes) Exemplar von „Reisen in Syria und Parthia“ von Isiodoros Characeos, einen Teil des „Leben des Crassus“, in dem viel über die Parther stand und einen gebrauchten kleinen Lyrikband.
    Das gute an den Papyri war, dass sie fast nichts wogen! Die Schriften kosteten mich den Großteil meines Soldes, den ich bisher ja immer aufgehoben hatte, da es keine Gelegenheiten zum Ausgeben gegeben hatte. Darüber war ich jetzt froh, und glücklich verstaute ich die Schätze in meiner Ledertasche.
    Die anderen Soldaten waren inzwischen natürlich über alle Berge. Ich erkundigte mich also nach dem Weg zum „Rosengarten“, verabschiedete mich von dem freundlichen Schriftenhändler und machte mich alleine auf den Weg.

    Über eine breite und belebte Straße, die zu beiden Seiten von eleganten Säulenbögen gesäumt wurde, schlenderten wir, und gelangten, geführt von Anmuwakalias, auf einen großen Platz, wo noch um diese späte Stunde ein lebhaftes Marktreiben zu Gange war. Unzählige Lampen und Laternen, Fackeln und Feuerschalen erhellten die Nacht. Antiochia war wahrlich eine Stadt der Lichter. In der Mitte des Platzes erhob sich ein jasminberankter Springbrunnen, dessen Fontänen von bunten Laternen illuminiert wurde, die Wassertropfen schimmerten in allen Farben, als wäre jeder von ihnen ein kostbarer Edelstein. Ganz überwältigt von diesem märchenhaften Anblick trat ich näher heran, streckte die Hand aus und fing ein paar Tropfen auf.


    Derweil lotste unser Führer die Gruppe mit der ich unterwegs war schon zielstrebig zu verschiedenen Ständen, wobei er auf die "seeehr guten Preise" dort aufmerksam machte, und gleichzeitig vor den anderen Händlern, den schlimmen Gaunern warnte, die uns arme Fremde nur ausnehmen wollten...
    "Hier: wunderbare Talismane gegen Skorpione", krakeelte er, "unverzichtbar in der Wüste, werte römische Soldaten, un-ver-zicht-bar! Der Stich des weißen Skorpions ist SOFORT TÖDLICH! - doch mit diesem Schutzamulett seid ihr sicher! Aus dem Horn der Antilope von Baalbeck gefertigt. Oder hier, eine Tinktur gegen den Biss der gefleckten Felsenviper - der ebenfalls tödlich ist..." etc.


    Mich aber lockte ein köstlicher Duft zu einem Stand mit syrischen Speisen zum Mitnehmen. Ich bemühte mich und bestellte auf griechisch - wenn auch ziemlich stockend, denn in meinem Unterricht früher war es doch eher selten um so lebensnahe Situationen gegangen. Aber scheinbar verstand mich die Verkäuferin, oder jedenfalls ungefähr, und ich erhielt eine pikant gefüllte Teigtasche, mit viel Sesam obendrauf, die ich neben dem Brunnen sitzend verzehrte. Sie war scharf und schmeckte phantastisch, und war vor allem mal was anderes als immer dieser ewige Getreidematsch!
    Als sich dann auch noch ein verwitterter alter Musiker mit einer ungewöhnlich langhalsigen Kithara in der Nähe niederließ, und gekonnt ein Lied anstimmte, das mal melancholisch, mal voller Lebensfreude klang, war ich ganz und gar selig. Ich lauschte und mampfte, und betrachtete vollkommen selbstvergessen die Menschen, die Lichter, die Wasserspiele...

    Wir durchquerten das beeindruckende Stadttor und tauchten hinein in ein Wirrwarr von bunten Farben, exotischen Gerüchen und fremden Sprachen. Mit großen Augen bestaunte ich die Menschen, die auf den Straßen unterwegs waren, viele in so ausgefallenen Trachten und phantasievoll heraus staffiert, dass unsere römisch-soldatische Kleidung im Gegensatz dazu äußerst langweilig wirkte.
    Die lauten Schritte der Caligae auf dem Pflaster schienen eine Art Signal zu sein, denn sofort stürzte sich ein Haufen Leute auf uns und redete teils auf Latein, teils auf Griechisch oder mit Händen und Füßen auf uns ein.


    "Salve oh ihr edlen Streiter unseres geliebten Imperators!", rief uns der erste entgegen, ein hagerer kleine Orientale in einem schreiend violetten Gewand, und verbeugte sich überschwänglich.
    "Willkommen in Antiochia, willkommen!"
    Er strich sich den gekräuselten Bart und taxierte uns abschätzend unter schweren Lidern.
    "Da die Herren hier fremd sind, mögen sie es mir gütig erlauben ihnen zu Diensten zu sein, ich bin Anmuwakalias, und keiner kennt die Stadt besser als ich, wonach eure Herzen auch schlagen mögen, für ein lächerlich geringes Entgelt von zwei Sesterz pro Mann bringt Anmuwakalias euch hin, vermittelt, führt, verhandelt, dolmetscht und besorgt euch außerdem die allerschönsten Mädchen."


    "Große Herren, eine kleine Münze für einen Kriegversehrten...", jammerte ein schmutziger Geselle und streckte uns die Bettelschale entgegen.
    "Ihr könntet bald an meiner Stelle sein, dann werden die Götter euch eure Großzügigkeit lohnen!"
    (Das wollte allerdings keiner von uns hören.)
    Ein dritter versuchte uns Honigdatteln anzudrehen, ein vierter eine Kameltour in den Nymphenhain von Daphne, ein fünfter seine Schwestern und die anderen ich-weiß-nicht-was.


    Wir fanden, dass das Angebot des Mannes mit dem unaussprechlichen Namen ganz gut klang, wollten uns aber nicht übers Ohr hauen lassen und handelten ihn knallhart auf die Hälfte runter, bevor wir uns seiner Führung anvertrauten. Er jagte die anderen davon und komplimentierte uns dienernd in die Stadt hinein, wobei er ununterbrochen sprach, dabei wild gestikulierte und uns die mannigfaltigen Freuden aufzählte die wir heute Nacht erleben konnten. Außerdem vergass er nicht, uns auf die vielen Sehenswürdigkeiten an denen wir vorüberkamen aufmerksam zu machen, und erzählte im Gehen zu ihnen lauter blumige Geschichten, denen ich gebannt lauschte.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Sparsus


    Mit langem Gesicht schaufelte ich weiter, war insgeheim aber froh, dass Sparsus das noch anstrengendere Hacken übernommen hatte. Ich hatte das Gefühl, dass die Arbeit kein Ende nahm, und dass mir gleich die Arme abfallen würden, aber irgendwann war das Loch doch ordentlich tief geworden.
    "Pfff.... ja... endlich...", seufzte ich und griff, erfreut über diese kameradschaftliche Geste, nach der dargebotenen Hand. Er zog mich hinauf, und ich streckte und reckte mich am Rande der Grube und klopfte mir die Erde ab.
    "Ja, fragen wir. Hoffentlich dürfen wir auch!"
    Ich war zwar fix und fertig, wollte mir Antiochia aber nicht entgehen lassen. An langen Reihen von Zelten vorbei, die jetzt von den schrägen Strahlen der Abendsonne angeleuchtet wurden, gingen wir durch das Lager. Hier und dort brannten kleine Feuer und ließen dünne Rauchfäden in die Luft steigen, manchmal klapperte Kochgeschirr, aber der Großteil der Leute schien schon ausgeflogen zu sein.
    Auch an den Zelten des Stabes kamen wir vorbei - wo was war im Lager, das hatte ich mir inzwischen gut eingeprägt - und verwundert sah ich, aus einiger Entfernung, vor dem Zelt des Tribuns eine Frau!
    "Guck mal!", meinte ich im Vorübergehen überrascht zu Sparsus. Was die hier wohl machte?


    Wir erreichten die Zelte unserer Centurie, und ein paar Nachzügler, die gerade gutgelaunt als Gruppe in die Stadt aufbrachen, teilten uns die gute Nachricht vom allgemeinen Ausgang mit. Eilig wusch ich mir Schweiß und Erde ab, schlüpfte in eine frische Tunika und gürtete sie mit dem Cingulum militare. Da die anderen alle ihre Waffen dabei hatten, schnallte ich meine auch um, steckte noch mein ganzes Geld ein, und war abmarschbereit.
    Ich sah mich nach Sparsus um, und ging eilig zur Porta Praetoria, wo sich die anderen gerade bei den Wachen abmeldeten, um mich auch anzuschließen. Verheißungsvoll zeichneten sich die Mauern, Dächer und Türme der Stadt vor dem Abendhimmel ab. Antiochia erwartete uns.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Sparsus


    Mmh ja... das mit der Ausbildung stimmte wohl. Lernen für das Leben, sozusagen. Ich nickte widerstrebend. Es schien weiterzugehen, und ich hievte wieder meinen Schild auf den Rücken, suchte dann mit der Tragstange die angenehmste Position.
    "Das wäre toll...", meinte ich sehnsüchtig, als wir uns wieder in Bewegung setzten. Antiochia....allein der Name klang schon nach Exotik und Abenteuer, und ich brannte darauf die Stadt zu sehen.
    Das mit den Flötenspielerinnen hatte ich allerdings nur so gesagt weil ich glaubte dass ein richtiger Soldat solche Reden schwingen musste. In Wirklichkeit sehnte ich mich viel mehr in die kräftigen (und doch so sanften...) Arme meines geliebten rehäugigen Erastes, den ich um so mehr vermisste je weiter wir uns von Rom entfernten.
    Ob er wohl auch mal an mich dachte? Ich hätte nicht unbedingt darauf gewettet. Auf einmal ganz melancholisch stiefelte ich mit den anderen durch den Hafen, und weiter unter der stechenden Sonne, hin zu unserem ersten Lagerplatz auf syrischem Boden.