Der Centurio sah auf einmal so grimmig drein, dass ich schon meinte, gleich ein Donnerwetter erleben zu müssen. Erschrocken hielt ich den Atem an (und wusste wieder mal nicht was ich falsch gemacht hatte), doch dann sprach er ruhig zu mir. Eindringliche Worte waren das. Ich nickte ernst - ja, in der Prima zu sein war eine große Ehre, das wußte ich, eine Ehre die man sich auch verdienen mußte... Doch in der Tat hatte ich schon die Vorstellung gehabt, mich auf dem Schiff ein wenig erholen zu können. Wo die anderen jetzt schon stöhnten, dass es nichts für uns zu tun gab und dass sie sich langweilten, hatte ich mich auf die Ruhe gefreut.
Doch ich machte ein entschlossenes Gesicht, ein fauler Apfel wollte ich nämlich nicht sein. Bei der Drohung er könne mich gar zurückschicken, lief es mir kalt den Rücken hinunter! Ich muss ihn wohl ziemlich entsetzt angestarrt haben - denn das wäre für mich wirklich die Krönung der Blamage, der absolute Gipfel des Versagens, dann würde ich es niemals wieder wagen, meinem Onkel unter die Augen zu kommen. Das durfte einfach nicht passieren!
Und so dachte ich keinen Augenblick lang nach, als er den Befehl erteilte, sah auch nicht hoch zum Mast, und zu dem Ausguck weit weit über uns, sondern schwang mich auf der Stelle in die Wanten. Nur nicht zurückgeschickt werden! Ich kletterte als wäre der Cerberus hinter mir her. Der erste Teil war auch nicht so schlimm, ich hatte so eine Art Strickleiter erwischt, die nicht viel steiler aufgespannt war als die Stiege die unter Deck führte. Aber dann wurde es angsterregend, als ich den Mast erreichte, schon ziemlich weit oben über den Köpfen der Leute auf Deck.
Beklommen sah ich, dass es ab jetzt senkrecht nach oben ging. Das sanfte Auf und Ab des Schiffes vervielfachte sich hier in der Höhe, und als ich den Fehler beging nach unten zu sehen, da wurde mir ganz anders... Ich klammerte mich an den Mast, der mit mir weit hin und her schwankte, und gar nicht sehr dick oder solide aussah!
Ich schluckte, und spürte das dumpfe Pochen meines Herzens, als ich ängstlich weiter kletterte. Ich hatte doch keine Wahl! Vorsichtig setzte ich die Füße, zog mich Stück für Stück nach oben, den Blick krampfhaft auf den Mast vor meiner Nase gerichtet. Die harten Sohlen der Caligae waren auch nicht gerade ideal für dieses Unterfangen...
Nur nicht noch mal nach unten sehen! Gerade vorhin hatte ich ein paar Matrosen bewundert, die wie die Eichhörnchen in der Takelage herumturnten - wie machten die das?! Neben mir bauschte sich das Segel im Wind, er war hier oben viel stärker und pfiff mir nur so um die Ohren.
Ich kam auf Höhe der Rah, dann ein kleines Stück darüber hinaus, und hob gerade hoffnungsvoll das Gesicht zu der kleinen Plattform des Ausgucks, die jetzt nicht mehr weit war, als eine plötzliche Bö die Trireme zur Seite legte. Das Segel knatterte, ein Stampfen ging durch das Schiff, ein heftiger Ruck neigte den Mast, und ich rutschte ab! Mit einem erstickten Aufschrei glitt ich an dem glatten Holz hinab, suchte vergeblich ein Tau zu fassen, oder irgendeinen Halt, und dachte nur NEIN! NEIN!!!
Das Bild meines toten Körpers, zerschmettert auf den Planken des Decks blitzte vor meinen Augen auf - da tauchte mit einem Mal wieder die Rah vor mir auf, und ich erwischte gerade noch das Rundholz, schlang krampfhaft die Arme darum und hielt mich daran fest. Mein Oberkörper lag auf der Rah, doch meine Füße baumelten in der Leere unter mir. Schreckensbleich kniff die Augen zusammen, meine Gliedmassen waren eiskalt und es rauschte in meinen Ohren.
ZU HILFE!!!
Ich war mir sicher, mich keinen Fingerbreit mehr bewegen zu können.
Hilfe kam von oben.
"He, hör mir genau zu!", rief mich eine Stimme aus dem Ausguck an.
"Stell dich mit den Füßen in die Fußpferde und halt dich an den Hafenbeschlagzeisingen!"
Was?? Flußpferd?? Zeisinge?? Ich verstand kein Wort, doch ich öffnete vorsichtig ein Auge und spähte nach oben. Über den Rand der kleinen Plattform sah das tiefgebräunte Gesicht eines jungen Matrosen zu mir hinunter. Er grinste aufmunternd, bleckte dabei Zähne weiß wie die Meeresgischt und zeigte gestikulierend auf irgendwas unter mir.
"Na da, die Fußpferde!"
Ängstlich schielte ich nach unten. Da war so ein Seil unter der Rah gespannt... - meinte er das? Warum sagte er es nicht - jedenfalls angelte ich mit den Füßen danach und stand dann schon ein ganz klein wenig sicherer da zwischen Himmel und Meer.
"Arme über die Rah, mit den Ellenbogen festklammern und bloß nicht zurücklehnen! Dann langsam zum Mast zurück!", kommandierte der Matrose.
Ich atmete heftig, und machte, ganz langsam und zittrig, was er mir sagte. Als ich den Mast wieder erreichte, streckte der Seemann mir von oben eine Hand zu und half mir das letzte Stück hoch. Durch das Loch in der Mitte der Plattform kroch ich hinauf, blieb dann, mich fest am Mast haltend, keuchend und aschfahl da sitzen.
"Oh bei allen Göttern! Bei allen Göttern!"
Mehr brachte ich nicht heraus.
"Immer eine Hand für Dich, eine Hand für das Schiff.", belehrte mich mein Retter, noch immer grinsend. "Was hat dich denn hier hochgetrieben?"
"Mein Centurio..." ächzte ich, und sah unwillkürlich über den Rand nach unten auf Deck wo er stehen musste. Oh bei allen Göttern, wie das schwankte!