Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Bei jedem Schritt quatschten meine Caligae, und ich hinterließ eine Spur von Tropfen, als ich dem Centurio in Richtung der Unterkünfte folgte. Ich haderte mit mir wegen meines Auftrittes geradeben, und achtete kaum auf die Leute um uns, die mich teilweise mit verwunderten Blicken bedachten.
    Mein neuer Centurio schien, nach dem ersten Eindruck, ja ganz umgänglich zu sein - oder nein, das richtige Wort war: jovial. Ich war sehr froh, dass ich nicht bei dem Primipilus gelandet war, der angeblich ein ganz übler Leuteschinder war.
    Während er diesem Naevius seine Anweisungen gab, wartete ich still. Der faulige Hafenwasser-Geschmack war noch immer in meinem Mund, und ich beneidete Centurio Flavius um den Weinschlauch, den er bei sich trug. Überhaupt wünschte ich mir, mich endlich waschen und umziehen zu können. Ob der Stützpunkt hier wohl auch Thermen hatte? Das wäre genau das richtige, jetzt.


    Und schon wieder wurde ich gemustert. Ich stand gerade und hoffte, dass auf der Wachstafel nichts schlimmes über mich vermerkt stand.
    "Ja, Centurio. Ich habe mich am Vortag des Abmarsches gemeldet. Ich glaube ich bin der letzte Rekrut davor gewesen."
    Bei der Frage nach dem Legaten wurde mir ganz ungemütlich, ich wollte nicht lügen, aber ich wollte auch nicht, dass mein Onkel von meinem Hiersein erfuhr. Außerdem hatte ich Angst, dass die Leute hier dann denken würden ich sei aufgeblasen und verzärtelt und wolle immer eine Extrawurst.
    Etwas zögerlich nickte ich und antwortete: "Ähm... ja Centurio. Näher," - und schüttelte den Kopf - "aber man kann nicht gerade sagen sehr nahe."
    Brilliant, Faustus, ganz brilliant...!
    Unsicher rieb ich mir die Nase. Tja, was konnte ich denn schon? Marschieren, Salutieren... und ich schaffte schon ein paar mehr Liegestützen als am ersten Tag. Aber ob ihn das interessierte?
    "Nein, Centurio, es tut mir leid, ich habe noch keine Erfahrung und keine Unterweisung im militärischen Bereich. Man, ähm, sagte mir ich solle mich an die Veteranen halten, dann ginge das schon."
    Verlegen malte meine Fußspitze ein nasses Muster auf das helle Pflaster unter unseren Füßen.
    Kleinlaut fügte ich hinzu: "Mit der Theorie kenne ich mich schon ein wenig aus... Und, naja, ich hoffte ich könne noch was lernen unterwegs. Und mich halt auch so nützlich machen. Centurio."

    Auf dem Boden sitzend, den Rücken an den Stamm einer Pinie gelehnt, streckte ich die Beine lang von mir. Es war schon spät. Das Geräusch der Meeresbrandung drang leise vom Ufer her bis zu mir, harmonisch und beruhigend, doch lauter ertönte das Schnarchen aus vielen Kehlen aus den Lagerhallen, in die man uns allesamt einquartiert hatte. Die Luft da drin war zum Schneiden, und außerdem munkelte man von Ratten.
    So hatte ich nur schnell meine Schlafmatte auf dem Boden ausgerollt und war über die Beine der vielen, die sich schon aufs Ohr gelegt hatten, wieder nach draußen geschlichen. Ich war zwar erschöpft und zerschunden von dem Marsch und der Verladearbeit, aber schlafen konnte ich jetzt nicht. Den Kopf in den Nacken gelegt sah ich zum nächtlichen Himmel auf, und zu den Sternen da oben.


    Ich dachte daran, wie herzlich uns die Leute von Ravenna empfangen hatten, mit Blumen und Jubel, und ich fragte mich, wann der Kaiser wohl eintreffen würde, und was er zu uns sprechen würde. Und dann gingen mir die vielen Verabschiedungen, die ich heute gesehen hatte, im Kopf herum, herzzerreißende Szenen waren darunter gewesen. Ein bisschen traurig war ich schon, dass ich niemanden hatte, der mir auf Wiedersehen sagte - aber wie sollte ich auch, ich war ja klammheimlich zur Armee gegangen.
    Mit einem leisen Seufzen entzündete ich eine kleine Öllampe, packte in ihrem warmen Flackerschein mein Schreibzeug aus der Gürteltasche, und reihte es auf meinem Schild auf, der neben mir auf dem Boden lag. Zeit nach Hause zu schreiben.


    Mit dem Pugio spitzte ich den Federkiel, tunkte ihn in die schwarze Tinte und setzte energisch die ersten Worte auf das Papyrus: Liebe Tante Lucilla...
    An meine fröhliche und herzensgute Lieblingstante zu schreiben, das baute mich schnell wieder auf. Mit einem leisen Schaben glitt die Feder zügig über die spröde Oberfläche, und bald war das Blatt, und dann noch ein zweites, dicht von meinen Worten bedeckt. Nur meine Handschrift, die war nicht die beste unter diesen Umständen, aber ich glaubte nicht, dass Lucilla sich daran stören würde.
    Der zweite Brief, der war allerdings nicht leicht. Ich wußte nicht mal ob der Empfänger es überhaupt gutheißen würde, wenn ich mich einfach so bei ihm meldete. Und wie sollte ich nur beginnen...?
    Lieber Hannibal,... - zu unverbindlich.
    Liebster Hannibal,... - zu gefühlig.
    Salve Hannibal,... - zu belanglos.
    Hannibal, mein zärtlicher Erastes,... - viel zu gewagt!


    Als auf einmal Schritte in meiner Nähe erklangen, riss mich das aus meinem Grübeln. Wie ertappt strich ich die verräterischen Anfangsfloskeln schnell komplett durch, bis nur noch schwarze Flecken auf dem Papyrus zurückblieben. Vom Licht der Öllampe geblendet spähte ich ins Dunkel und versuchte zu erkennen wer da kam.

    Tropfend und verlegen stand ich inmitten der Zuschauer, die sich bei dem Spektakel anscheinend gut amüsiert hatten. Manche hatten sogar Wetten abgeschlossen! Ich murmelte ein Dankeschön zu dem Mann, der mich hochgezogen hatte, und wandte mich ab, wollte schnell das Feld räumen um dem Gelächter zu entkommen - ich mag es gar nicht wenn man über mich lacht.
    Da war auf einmal Optio Griesgram bei mir, fasste meinen Arm und bedankte sich so überschwenglich, dass ich ihn nur verwirrt ganz groß anguckte.
    "Ähm."
    Ich räusperte mich und wollte schon offenbaren 'Also eigentlich bin ich ja nur ins Wasser gefallen, am Anfang.', aber dann entschied ich mich dagegen und beließ es bei einem wohlerzogenen:
    "Nichts zu danken, gern geschehen."


    Der Mann schien wirklich sehr an seiner Katze zu hängen, dachte ich, als er mit dem nassen Bündel im Arm abzog. Bei seinem Vorübergehen lachten die Soldaten noch viel lauter als über mich, und da tat er mir beinahe leid. Ich zupfte mir eine glibberige Alge vom Ärmel und wandte mich dem Mann zu, der mir die Hand geboten hatte. Oh je, das war mein Centurio? Der würde mich nach diesem Auftritt bestimmt niemals erst nehmen können, dachte ich düster. Tja... Doch unerschrocken biss ich die Zähne zusammen, salutierte besonders zackig (das Hafenwasser spritzte nur so) und verkündete:
    "Probatus Faustus Decimus Serapio meldet sich wie befohlen, Centurio!"


    Seltsamerweise führte das zu neuen Heiterkeitsausbrüchen in der Umgebung. Ich versuchte diese gleichmütig zu überhören, harrte aus, tropfte vor mich hin, und grübelte angestrengt wo in aller Welt mir ganz genau dieses Wölben der Augenbraue schon mal begegnet war.

    Sofort sog sich meine Tunika voll, der Stoff waberte im Wasser um mich herum und wollte mich, gemeinsam mit den genagelten Sohlen meiner Stiefel, nach unten ziehen. So behindert kam ich nicht besonders schnell vorwärts, aber trotzdem näherte ich mich stetig den Korb. Klägliches Miaunzen wies mir den Weg. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sich am Kai schon eine Traube von Menschen gebildet hatte, die feixend das Schauspiel verfolgten.
    Das Wasser stank. Neben mir dümpelte ein Haufen gammliger Küchenabfälle auf dem Wasser, und dann streifte etwas glitschiges mein Bein. Ich zuckte zusammen, aber ich schwamm weiter, und dann war der Korb auch schon in Reichweite. Auf und nieder schaukelte er auf den kleinen Wellen, und große dunkelblaue Augen starrten mich verschreckt über den Rand hinweg an. Die kannte ich doch!
    "Drusilla? Keine Angst...",
    murmelte ich sanft zu dem verängstigten Wesen, das ja nichts dafür konnte dass es so einem ausgemachten Stinkstiefel gehörte, und griff nach dem Korb.
    "AU!!!"
    Das liebe Kätzchen hatte mir heftig eins mit der Pfote gewischt, meine Hand zuckte zurück, und wieder ergriff eine Welle den Korb und trieb ihn ein Stück weiter hinaus. Angewidert spuckte ich das Wasser aus, dass ich bei dem Schrecken in den Mund bekommen hatte, trat Wasser, und hatte für einen Moment nicht übel Lust, das undankbare Tier seinem Schicksal zu überlassen... Aber es hatte ja nur Angst.


    Und so schwamm ich hartnäckig hinterher bis ich den Korb wieder erreichte, fasste ihn kurz ganz vorsichtig und gab ihm einen Schubs zurück in Richtung rettendes Ufer. Auch für mich war es wirklich Zeit umzukehren, ich war erschöpft und meine Kleidung zog mich immer schwerer nach unten. Außerdem brannte das Salzwasser in den Blasen, die ich mir beim Marsch eingehandelt hatte.
    Den Korb vor mir hertreibend, ihn immer wieder anschubsend, bugsierte ich ihn mitsamt der Insassin zurück zur Kaimauer. Irgendjemand fischte ihn dann heraus. Ich dagegen suchte vergeblich an dem algigen, rutschigen Stein des Kais nach einem Halt um wieder aus dem Wasser zu steigen. Als sich mir von oben eine Hand entgegen streckte, ergriff ich sie erleichtert, und kraxelte mit dieser Unterstützung zurück an Land.
    Klatschnass und außer Atem stand ich da, das Wasser floß von mir herab und bildete eine kleine Pfütze zu meinen Füßen. Ich wischte mir die Nässe aus dem Gesicht, strich mir die Haare zurück, und entfernte angeekelt ein labbriges, fauliges Stück Rübenschale, das sich bei dieser Rettungsaktion darin verfangen hatte.

    Kaum hatte ich mir eine Schale mit Getreidematsch ergattert, mich hingesetzt und ein paar Bissen gegessen, als ein Bote mich aufscheuchte, mit dem Befehl ich solle mich am Hafen bei meinem Centurio melden, einem gewissen Flavius. Leidig ließ ich mein Essen stehen, klopfte meine Tunika sauber und machte mich, nach diesem schrecklich anstrengenden Tag nicht gerade leichtfüßig, auf den Weg zum Hafen.


    Im Vorübergehen besah ich mir die Schiffe, die an den Stegen vertäut lagen. Leise knarzte das Holz, die Fahnen flatterten im Wind, und die Wanten gaben dieses leise Singen von sich, ein Gemisch von Geräuschen, das sich in meinen Ohren so heimelig anhörte, und mich sofort an Tarraco erinnerte. Nostalgisch dachte ich an daran zurück wie wir als Kinder dort so gerne auf der Mole gespielt hatten, als mich ein panischer Hilferuf aus meinen Gedanken riss. 'Jemand ertrinkt!', dachte ich im ersten Moment, so entsetzt klang dieser Schrei. Doch als ich aufsah erblickte ich das Unglück - Katze über Bord.


    Wie ein Schiffbrüchiger auf seinem Floß saß das Tierchen in seinem Korb, der gerade zügig von der Kaimauer abtrieb. Im ersten Moment schmunzelte ich, weil es einfach komisch aussah, doch dann tat die Katze mir leid. Man weiß doch wie diese Tiere das Wasser hassen. Am Kai lag ein langer Bootshaken, den packte ich und versuchte das Körbchen zu angeln. Es war aber schon beinahe außer Reichweite. Ich streckte mich, reckte mich, hätte es beinahe erwischt, doch dann stieß eine kleine Welle den Korb spielerisch beiseite.


    Mist! Eigensinnig angelte ich weiter, merkte in meinem Eifer dabei nicht, dass die Spitzen meiner Caligae bereits über den Rand der Kaimauer hinausragten. Nur noch eine Handbreit, dann hätte ich es erwischt... - es kam wie es kommen musste. Ich verlor das Gleichgewicht, und rutschte ab, fiel, und landete mit einem lauten Platsch erschrocken im Hafenbecken. Bäh, was für eine brackige Brühe! Ein Glück, dass ich wenigsten meine Rüstung nicht trug, sonst wäre ich wohl abgesoffen wie ein Stein.
    So verzog ich das Gesicht, spuckte eine Mundvoll Dreckwasser aus, fluchte und paddelte - wenn ich denn schon mal hier gelandet war sollte es nicht umsonst sein - heldenmütig der schiffbrüchigen Katze hinterher.

    Die Seeluft wehte uns um die Nase, die Möwen kreischten und das trockene Gras oben am Ufer raschelte in der frischen Brise, als wir den Strand erreichten. Draussen auf dem tiefblauen Meer wiegten sich gemächlich die Schiffe, eine riesige Flotte, die nur darauf wartete, dass ihre großen Rümpfe sich füllten mit Menschen und Material, um sie schnurstracks gen Osten zu bringen.
    Beeindruckt von dem Anblick blieb ich stehen. Der ganze Strand war übersät von Soldaten, die Kisten und Geräteteile, Taurollen, Balken, Winden, Ballen und Lasten über den Sand schleppten, hin zum Wasser wo eine Vielzahl von Booten bereitlagen, um die Fracht aufzunehmen und hin zu den großen Schiffen zu rudern. Es war ein Gewimmel, eine Masse von Menschen, die - ohne dass auf den ersten Blick zu erkennen war wie es funktionierte - hochkoordiniert zusammenarbeitete.
    Ein Ameisenhaufen! Das war es, woran mich dieses Bild sofort erinnerte. Die Soldaten sehen aus wie emsige kleine Ameisen.


    Dass ich selber auch so ein kleines Tierchen war, das rief mir ein barscher Befehl des Optios ins Gedächtnis, der uns ebenfalls zum Verladen einteilte - eine Wagenladung Kisten, von hier nach dort, zack, zack. Mit einem Kameraden zusammen schleppte ich so ein Ding quer über den Strand. Es knirschte unter unseren Füßen, bei jedem Schritt sanken wir tief in den Sand, bis wir endlich den Rand des Wassers erreicht hatten, und die Kiste in einem der Boote dort abluden. Ein Miles der Classis stolzierte dort herum, in seiner schmucken blauen Kluft, und gab Anweisungen wie die Last zu stauen war - ziemlich wichtigtuerisch wie es mir schien.


    Da sah ich zu meinen Füßen eine interessante Muschel liegen, fächerförmig, mit einem schönen Perlmuttglanz, und gerade bückte ich mich um sie aufzuheben, als ganz in der Nähe ein lautes Krachen ertönte. Aufgeschreckt fuhr ich hoch und starrte, ebenso wie alle anderen, auf eine riesige Kiste, die den Trägern wohl aus der Hand geglitten war - diese standen betreten drumherum - das Holz war geborsten und eine Flut von Metall und Sägespänen hatte sich über den Strand ergossen. Gigantische Pfeile lagen dazwischen, mit Schäften wie Balken so dick und riesigen Eisenspitzen, die bedrohlich in der Sonne blitzten.
    "Was ist denn das?", entfuhr es mir erstaunt.
    Ein älterer Legionär belehrt mich grinsend: "Für unsere Skorpione. Das sind die Stacheln, Jungchen, die wir den Parthern zu kosten geben werden."


    Ah so. Ich nickte und dachte 'Wie brutal', doch dann nahte schon wieder der Optio, um uns weiter zur Arbeit anzutreiben. Und wir schleppten und schleppten, beluden die Boote und halfen, sie sicher durch die Brandung zu bugsieren. (Was trotz des schwachen Wellenganges gar nicht so einfach war.)
    Klatschnass und mehr als erschöpft, war ich froh als man uns endlich Zeichen gab aufzuhören. Ächzend streckte ich meinen Rücken und kehrte mit den anderen zu den Unterkünften zurück. Ich hatte schon wieder einen Bärenhunger, und außerdem musste ich dringend was gegen die fiesen Blasen an meinen Füßen tun. Vielleicht wusste Cat ja ein Mittel dagegen? Ich musste ihn mal fragen.

    Von oben bis unten in die neue Soldatenkluft gehüllt, gerüstet und bewaffnet, trat ich vor die Feldzeichen der Legio Prima. Ich richtete den Blick auf den Adler, und ging im Geiste schnell noch mal die Zeilen des Eides durch, dessen Wortlaut ich gerade auswendig gelernt hatte. Ein wenig seltsam schien es mir schon, hier zu diesen Feldzeichen zu sprechen, als ob sie mich hören könnten - aber natürlich, es waren Symbole, denen das innewohnte, wofür die Legio stand, ihr Geist und ihre Werte... Und diese Zeichen würden uns voraus getragen werden, wenn wir gegen Parthia zogen.
    Also dann. Ich nahm Haltung an und sprach feierlich die Worte des Eides der mich endgültig an die Legio band, wie schon so viele Soldaten vor mir, wie noch so viele nach mir:


    "IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS..."
    Gehorsam war die erste Pflicht. Ich würde alles ausführen was der Imperator befahl, und nicht nur das, ich würde es auch entschlossen tun! Ich zögerte nicht bei den Worten, meine Entscheidung war ja längst gefallen, jedoch war da durchaus eine leise skeptische Stimme in meinem Kopf, die fragte: 'ALLES? Und was wenn der Kaiser einmal schlechte Befehle gibt? Er ist kein Gott, auch er kann einmal Fehler machen. Oder denk an die Kaiser der Vergangenheit, manche fielen dem Wahnsinn anheim, andere waren brutale Schlächter...'
    Doch, wie ich mich selbst beruhigte, im Gegensatz zu diesen Ungeheuern in Purpur war unser Imperator Ulpius Iulianus, wie ja allgemein bekannt, ein gütiger und gerechter Herrscher, ein staatskluger Lenker und Beschirmer des Reiches, der gewiss niemals solche Bösartigkeit offenbaren würde.


    "...NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM..."
    Treue. Ich war nun ein Teil der Legio, ein Teil von etwas, das viel größer war als ich selbst. Das war einerseits eine große Ehre, andererseits lag es nicht mehr in meiner Hand, nein, hatte ich gar nicht mehr das Recht, mich davon abzuwenden. Aber warum sollte ich auch?


    "...NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA."
    Tapferkeit. Nein, Todesverachtung! Da konnte ich allerdings nur hoffen, dass ich im Fall des Falles wirklich so mutig sein würde. Den Tod nicht zu scheuen, dazu gehört nun mal mehr als ein Schwur. Doch sicherlich war es besser, so sagte ich mir, bei der Verteidigung des Imperiums einen sinnvollen Tod zu sterben, als sein Leben einfach wegzuwerfen, aus Verzweiflung oder Überdruss, und da war ich ja schon nahe dran gewesen.


    Der Schwur war geleistet. Jetzt war ich wirklich Teil der Legio. Ich salutierte vor den Feldzeichen, und verließ das Heiligtum, tauchte aus der ruhigen und erhabenen Atmosphäre wieder in den quirlige Aufbruchstrubel des Kastells. Morgen schon, morgen würde es losgehen!

    Tja, das mit dem Nähen würde ich wohl noch lernen müssen. Das Horn allerdings wog schwerer als die paar Nadeln und Knöpfe. Unschlüssig nahm ich es in die Hände, drehte es hin und her... und legte es dann schulterzuckend zu dem Stapel dazu. Die paar Beulen konnte man bestimmt glätten, die Flecken abreiben, und wer weiß, vielleicht konnte ich mich mit dem Instrument ja noch nützlich machen.
    Hatte ich was komisches gesagt? Verwundert hörte ich, wie der Optio in fröhliches Gelächter ausbrach. Es war allerdings ansteckend, so dass ich auch grinsen musste. Als er's mir dann erklärte, rieb ich mir etwas verlegen die Nase und murmelte:
    "Ja, sicher. - Uuuh, das wäre schlecht. - Nein, ich meinte ja nur, dass die Sachen auch schmuck sind."


    Aufmerksam verfolgte ich, wie der Optio den Riesenhaufen Ausrüstung in ein tragbares Gepäck verwandelte, machte es dann ganz eifrig nach. Es machte mir Spaß, das so geduldig und ausführlich gezeigt zu bekommen, und ich prägte es mir genau ein. Aber schwer, furchtbar schwer war das ganze Zeug, und mir graute jetzt schon davor, das alles längere Zeit auf dem Rücken tragen zu müssen. Morgen schon sollten wir also aufbrechen...
    "Jawohl Optio! Vielen Dank Optio! Vale!"
    Und gekleidet wie ein richtiger Soldat, dazu beladen wie ein Packesel, stapfte ich aus der Rüstkammer. Bis ich nach einigem Hin- und Her in der richtigen Unterkunft gelandet war, war ich schon völlig verschwitzt und heilfroh, das meiste Zeug wieder ablegen zu können. Schicksalsergeben begab ich mich dann in die Hände des Armee-Barbiers, der meine schönen langen Haare radikal absäbelte - ein ganz und gar unschönes Erlebnis, an das ich mich lieber nicht zurückerinnern möchte, und über das ich darum lieber den Mantel des Schweigens decke. So geschoren ging ich - äußerlich - schon als Soldat durch, und es war an der Zeit, meinen Eid zu leisten.

    "Oh doch!", widersprach ich überzeugt,
    "Du hast dafür gesorgt, dass ich entkommen konnte, und auf die Gefahr für Dich selbst hast Du dabei gar nicht geachtet."
    Das musste doch etwas bedeuten, da war ich mir sicher! So selbstlos handelte man doch nicht, wenn der andere einem egal war... Oder?
    Aber Hannibals nächsten Worte klangen nicht gerade danach. 'Eine Frau die ihm viel bedeutete', war also der Grund, dass er so in Eile war und keine Zeit für mich hatte.
    "Ah..?", brachte ich nichtssagend hervor, und wünschte, ich hätte mich verhört. Ich verschränkte die Arme und biss mir fest auf die Unterlippe. Er sollte nicht sehen wie enttäuscht ich war. Aber es war ja dunkel genug.
    "Ja, versteh ich, klar."
    Ich versuchte, ganz locker und natürlich zu klingen. Anscheinend gelang mir das gut.
    "Macht ja nichts, dann vielleicht auf ein anderes Mal..."


    Es wunderte mich schon, dass er nun, anders als ich zuvor erfahren hatte, doch nicht mehr das Lupanar leitete, und es beunruhigte mich auch zu hören, dass Leute von Satryus in der Nähe waren, aber beides drang nicht so recht zu mir vor. Ich hielt die Arme fest verschränkt, sah Hannibal an, hörte wie er redete, und wusste nicht was ich sagen sollte. Es gab ja nur eines was ich ihm wirklich sagen wollte, aber das war jetzt komplett unpassend. Überhaupt kam es mir plötzlich ungeheuer kindisch vor.
    In der Villa der Gens Flavia also? Seltsam. Und wozu dieser Vertrauensbeweis wo er mich doch offenbar bloß schnell loswerden wollte?
    "Ja, sicher."
    Ich nickte und legte ein breites, strahlendes, falsches Lächeln auf meine Lippen, als ich mich an ihn heran beugte.
    "Und Du auch auf Dich, Meum Savium! Viel Glück!"


    Kurz und flüchtig spürte ich seine Lippen auf meinen, dann war er fort. Jäh rutschte mir das Lächeln aus dem Gesicht, ich lehnte mich an die Wand der Nische und starrte trist auf die fette Statue ohne sie wirklich zu sehen. Tja, sagte ich mir, das wars dann wohl mit der Romantik. Reiss Dich zusammen, Faustus, was auf so ne Weise begonnen hat wie zwischen Euch, das wird doch eh nie was richtiges, in tausend Jahren nicht.
    Trotzdem liefen mir ein paar Tränen über die Wangen. Ärgerlich wischte ich sie weg - ich wollte nicht weinen, und ich wollte auch nicht verletzt sein, nur weil ich mir dummerweise etwas eingebildet hatte, was eben in Wirklichkeit nicht so war. Ich schluckte, atmete ein paar Mal tief durch, und verließ den Alkoven.


    Schon nach ein paar Schritten hörte ich wieder Lachen und Gesang von Phyllis' fröhlichem Fest, aber mir war ganz und gar nicht mehr danach. Die Sandalen noch immer in der Hand, verließ ich auf leisen Sohlen das Lupanar. Ich entwich wie ich gekommen war durch die Hinterpforte. Zum Glück begegnete ich dabei niemandem mehr.
    Erst als ich einige Häuser Abstand gewonnen hatte, setzte ich mich auf eine Mauer und schnürte meine Sandalen. Dann machte ich, dass ich aus der Subura rauskam. Ich hatte ja jetzt eine Zuflucht, die Casa meiner Familie.
    Immer mal wieder tastete ich im Laufen nach den Päckchen in meiner Gürteltasche. Es war gut ihr Knistern zu hören, es beruhigte mich, und auch wenn ich furchtbar traurig und enttäuscht war, und die Gedanken an Hannibal mir ständig im Kopf herumkreisten, so wußte ich doch, dass ich mich später durchaus würde trösten können. Jedenfalls zeitweilig.



    [Blockierte Grafik: http://img122.imageshack.us/img122/7250/ircivisiu5.png]

    Zitat

    Original von Appius Bavius Cattullus


    Es wunderte mich wie gleichmütig Cat von dem friedlichen Familienglück sprach, das jetzt ja wohl erst mal wieder in weite Ferne für ihn gerückt war. Aber ein echter Soldat, so dachte ich mir, der jammert nicht, selbst wenn er Grund dazu hätte. Auch eine Lektion die ich mal versuchen sollte, mir hinter die Ohren zu schreiben.
    Und wie sehr es mich beruhigte, zu hören, dass das mit dem Optio nicht an mir lag! Ich hatte schon befürchtet, mich besonders begriffsstutzig anzustellen. Aber wenn das immer so war!
    Nur als er mich 'Kleener' nannte, da verzog ich unwillig das Gesicht. Ich wollte doch genau das nicht mehr sein... Aber was solls. Sein Angebot war sehr freundlich, und genau das brauchte ich ja auch - jemanden der sich hier in dieser Welt auskannte und mir zeigte wie es lief.


    "Ja, das werde ich sehr gerne!"
    Ich grinste fröhlich, und vergass für den Moment völlig meine schmerzenden Füße. Etwas überrascht ließ ich meine Tragestange kurz locker, als er danach griff, packte sie dann wieder fest. Tatsächlich, das Gewicht lastete jetzt weniger einseitig, irgendwie verteilte es sich über den Schild ausgeglichener auf beide Schultern.
    "Mhm, ist besser, danke."
    Und ob es jetzt daran lag, oder vielleicht eher daran dass ich mich auf einmal nicht mehr ganz so fremd fühlte, jedenfalls fand ich die folgenden Meilen sehr viel weniger beschwerlich als die zuvor. Die Seeluft schmeckte frisch und nach Salz, Ravenna war nicht mehr weit, und ich war mit vielen Kameraden auf dem Weg in ferne Länder, wo exotische Entdeckungen, wilde Abenteuer und womöglich auch Ruhm nur auf uns warteten...

    Glück gehabt.
    "Dankeschön!", rief ich erleichtert, und gelobte mir, diese peinliche Tunika nie, nie, anzuziehen, was immer auch kommen möge. Um nicht unhöflich zu sein, nahm ich sie trotzdem dankend entgegen, und legte sie mit den mit den anderen auf den Stapel meiner Ausrüstung.
    "Nein, Nähen kann ich nicht."
    Ich zuckte die Schultern und verbesserte mich:
    "Oder bessergesagt, ich habe es noch nie in meinem Leben gemacht."
    Ob es wohl schwer war, fragte ich mich einen Moment, und irgendwie fand ich die Vorstellung eines hartgesottenen Legionärs, der fein säuberlich die Nähnadel führte, auch etwas albern.


    Beim zweiten Versuch hielten die Tibialiae schon besser. Ich knotete die Lederriemen fest und richtete mich eben wieder auf, als ein riesiges gewundenes Horn in Sicht kam. Für mich? Konnte das sein, dass die das Ding einfach loswerden wollten?
    "Ähm, nein, eigentlich nicht. Nur Flöte. Ich schätze ich könnte es lernen, aber..."
    Etwas erschrocken sah ich auf das riesige, und an mehr als 'an einer Stelle' angeschlagene Instrument. Probehalber hob ich es hoch, setzte es an die Lippen und blies die Backen auf. Zuerst bekam ich gar keinen Ton heraus, dann, als ich mich wirklich mühte und heftig in das Horn stieß entlockte ich ihm ein quäkendes, dafür ohrenbetäubendes:
    'TRÖÖÖT!'
    Uuuh. Ich verzog das Gesicht und legte das Ungetüm schnell wieder zur Seite.
    "Nun, es ist schon etwas ganz anderes."


    Aber ah, jetzt wurde es interessant. Strahlend nahm ich die Waffen in Empfang. Dass ich möglicherweise einmal gezwungen sein würde, sie gegen andere Menschen einzusetzen, daran dachte ich in diesem Moment überhaupt nicht. Ich zog das Gladius aus der Scheide und bewunderte die schlichte aber schöne Klinge, wog das Pilum in der Hand, und bemerkte zum ersten Mal wie verdammt schwer so ein Schild war. Am besten gefiel mir aber die Rüstung, auch wenn sie nicht gerade neu aussah, sondern schon so eine gewisse Patina an sich hatte. Ich schlüpfte gleich hinein - schwer war sie allerdings auch - und versuchte ungelenk die Riemen zu schließen. Gleich kam ich mir viel gewichtiger und sicherer vor.
    "Vielen Dank, Optio, die Sachen sind toll!"


    Wie ich diesen Berg tragen sollte, war allerdings eine gute Frage. Ich hängte mir den Schild über die Schulter, versuchte den Rest zu einem Bündel zu schnüren, das Pilum irgendwie unter den Arm zu klemmen - aber die Sachen machten sich sofort selbständig, und sobald ich mich bückte um ein Ding aufzuheben verabschiedete sich dafür ein anderes.
    "Nein.", sagte ich verzagt.
    "Keine Ahnung. Mit einem Maultier vielleicht?"

    "Das heißt ihr nehmt mich?!"
    Ich strahlte ganz ungläubig, und wäre am liebsten in ein lautes Jubelgeschrei ausgebrochen. Die ersten Ermahnungen hörte ich zwar, aber sie gingen in der Freude ziemlich unter. Rasch zog ich mir die Tunika wieder über, und nahm die Wachstafel wieder zurück - die kostbare Wachstafel, auf der festgehalten war, dass ich - ich, Faustus Decimus Serapio, Taugenichts und Tagedieb, auch bekannt unter dem Künstlernamen Flosculus (was allerdings nicht auf der Tafel stand) - tatsächlich als tauglich für die Legio Prima befunden war!!!


    "Ja, sicher, ich habe ABSOLUT verstanden.", tat ich zackig kund.
    "Kein Problem, das wird NIE wieder vorkommen! Alles klar! Und nochmal vielen, vielen Dank, Medicus! Vale! Und einen schönen Tag noch!"
    Und mit einem Grinsen, so breit als hätte ich mir gerade eine Riesenportion indischen Hanf reingezogen, "trat ich weg", das heißt ich eilte beschwingt davon, um als nächstes mein Glück in der Rüstkammer zu versuchen.

    Von wegen nicht rot werden! Als mir klar wurde, dass ich durchschaut war, fühlten sich meine Wangen dann doch plötzlich ziemlich heiß an. Er hatte mich erwischt! Doch dass er es nicht an die große Glocke hängen wollte, ließ mich erleichtert aufatmen.
    "Danke.", murmelte ich verlegen, zog dann folgsam meine Tunika aus, und ließ mich vertrauensvoll begucken, beklopfen, behorchen und beriechen - was er damit wohl feststellte? Jedenfalls bemühte mich, bei der Untersuchung gut mitzumachen. Nackt zu sein störte mich nicht, was mich allerdings genierte war, dass meine Tätowierung, diese Altlast, die so gar nicht zu einem strammen Soldaten passen mochte, jetzt offen zu Tage trat.
    Was hatte ich mir damals nur gedacht, fragte ich mich, wie schon so oft, in dieser Nacht als ich mir diese niedliche kleine Mohnblüte auf die Hüfte hatte stechen lassen ... (Natürlich hatte ich gar nichts gedacht, ich war einfach vollkommen berauscht gewesen, ebenso wie meine damaligen Freunde mit denen zusammen ich auf die glorreiche Idee gekommen war, einen 'geheimen Bund' zu gründen - mit diesem Erkennungszeichen - in dem wir bedingungslos dem Mohn, dem Rausch und der Ekstase huldigten, in ewigem Traum uns abwandten von der schnöden und banalen Welt des Tages.... und was für versponnene Ideen wir eben weiter noch so hatten. Ich konnte mich nicht mal daran erinnern dass das Tätowieren weh getan hätte.)


    Auf die Frage hin nickte ich, und antwortete zur Abwechslung mal ehrlich:
    "Ja, einmal habe ich mir den Arm gebrochen, als ich als Kind vom Pony gefallen bin. Es ist aber gut verheilt."
    Ich streckte ihn den rechten Arm hin und zeigte ihm die Stelle oberhalb des Handgelenkes.
    "Ach ja, und einmal zwei Zehen."
    Da war das Pony - Bukephalos, wie ich es pompös genannt hatte - mir nämlich auf den Fuß getreten. Auch den Fuß zeigte ich her und wackelte mit den Zehen um zu demonstrieren dass ich auch davon keinen Schaden genommen hatte.

    Als mit einem Mal schnelle Hufschläge neben unserer Marschkolonne erklangen, und ich jemanden sagen hörte "Der Legat!", blickte ich auf, und sah gerade noch wie mein Onkel sein Pferd in raumgreifendem Galopp an uns vorüber trieb. Es war ein schönes Bild, mit der lieblichen Küstenlandschaft im Hintergrund, dem Blitzen seiner Rüstung, der wehenden Mähne des Pferdes... man hätte es malen sollen.
    Ich lächelte in mich hinein bei der Vorstellung, dass er gewiss keine Ahnung hatte, dass ich hier dabei war, und träumte im Laufen eine ganze Weile lang vor mich hin - darüber wie ich mich bewähren würde, und etwas aus mir machen würde, und wie überrascht er sein würde wenn er schließlich irgendwann erfahren würde wie entschlossen (und erfolgreich) ich mein Leben in den Griff bekommen haben würde...


    Dabei sah ich versonnen auf das Meer hinaus, wo Welle um Welle langsam auf das Ufer zurollte, sich in weißer Gischt an den Steinen brach und verschwand, während schon die nächste sich aufbäumte, sich überschlug und in der Brandung verging... Aus der Entfernung sah es ganz langsam und gemächlich aus, ein endloses Schauspiel, dem ich schon als Kind am Strand von Tarraco gerne stundenlang zugesehen hatte...
    Über diesem Anblick geriet ich allerdings aus dem Tritt; als ich dann schnell wieder aufholte begann mein Schild von der Schulter zu rutschen, und als ich das vermaledeit schwere Ding schnell festhielt, hätte sich beinahe mein Mantelsack verabschiedet. Hektisch zurrte ich die Sachen im Gehen wieder fest - irgendwie hatte ich den Dreh beim Packen noch nicht raus - und bemerkte unheimlich erleichtert, dass der Optio wohl gerade anderweitig beschäftigt war, und ihm das Malheur ausnahmsweise mal entgangen war. Sonst fand diese brutale Schweinebacke nämlich ständig was an mir auszusetzen, und ich hatte das Gefühl dass ihm das auch noch Spaß machte.



    Zitat

    Original von Appius Bavius Cattullus


    Als ich dann wieder glücklich in den Marschrhythmus gefunden hatte, sprach mich auf einmal mein Nebenmann an. Bei den ersten Worten 'Wenn du Dir Ärger ersparen willst...', erschrak ich, das klang doch eher bedrohlich in meinen Ohren, aber dann erkannte ich, dass sie wohl gutgemeint waren. Ich sah zu ihm rüber und lächelte dankbar. Er sah wie ein echter Veteran aus, fand ich, so wettergegerbt und abgeklärt, einfach souverän, ich wünschte ich wäre auch ein bisschen mehr so.
    "Oh, danke.", antwortete ich ganz leise, und achtete gleich mal genau darauf was er so tat. Ob er jetzt etwas Spezielles damit meinte?
    "Ich heiße Serapio, ich bin, ähm, ganz neu, gerade erst dazugekommen. Du bist bestimmt schon lange dabei, oder?"
    Und mit einer dezenten Kopfbewegung hin zu Optio Schweinebacke fragte ich mit gedämpfter Stimme etwas was mich wirklich beschäftigte.
    "Kannst Du mir vielleicht sagen, Cat, ob der immer so ist, oder hat er mich, ähm nun ja, ganz besonders im Visier?"

    Bei der Vorstellung wie Mattiacus eine goldhaarige Germanenprinzessin um die Hüften packte und wie einen Diskus von seiner Kline fortschleuderte, prustete ich los, lachte fröhlich, und konnte mich schier nicht mehr einkriegen.
    Erschöpft ließ ich mich auf meine Kline zurückfallen. Die Flamme eines Öllämpchens flackerte hell auf, als ein Nachtfalter darin verglühte, und zog meinen Blick auf das FASZINIERENDE Farbenspiel, das ich eine ganze Zeit lang gebannt betrachtete. Die Speisen auf dem Tisch hingegen, so nett sie auch anzusehen waren, interessierten mich nicht. Unter Opium habe ich fast nie Hunger.


    "So SCHÖN ist es hier", seufzte ich, stützte meine Wange auf die Hand und lächelte meinem Onkel freudig zu.
    "WUNDERSCHÖN... Aber ich bin ein bisschen müde jetzt, ich denke ich werde mal so langsam... ähm, was wollte ich noch sagen?... mich zurückziehen, genau."
    Mit schleppenden Bewegungen erhob ich mich von der Kline, und umarmte meinen Onkel überschwänglich.
    "Gute Nacht Onkel Mattiacus...", wünschte ich ihm träumerisch "...und vielen, vielen Dank für Deine Geschichte... und dass Du im Schneesturm nicht vom Kurs abkommst mit dem Becher, du weißt schon, wegen der Sirenen... oh, ich glaube ich rede Unsinn, entschuldige, hör nicht auf mich..."


    Ich lachte entschuldigend, und ging mit vor Müdigkeit ganz schweren Beinen langsam Richtung Haus. Beinahe wäre ich über ein Blumenbeet gestolpert, dass da im Halbdunkel unerwartet vor mir auftauchte, doch im letzten Moment fing ich mich wieder.
    "Hoppla...", murmelte ich, "Nichts passiert...", und winkte Mattiacus noch mal selig lächelnd zu, bevor ich dann endgültig im Hause verschwand. Mit Hilfe einer freundlichen Sklavin - ja, auch die Bediensteten in diesem Haus waren alle so NETT! - fand ich mein Zimmer wieder.
    In dem herrlich weichen Bett fiel ich in einen tiefen Schlaf, in dem mich farbenprächtige Traumgespinste umfingen, es ging da um Kristallstürme, aufregende blonde Waldfrauen und eine Burg die von einem Stamm kriegerischer Bären bewohnt war. Doch all diese Bilder gehören in das Reich des Traumes, und die lassen sich ja leider kaum jemals wirklich in Worte fassen. (Jedenfalls nicht von mir.)



    [Blockierte Grafik: http://img122.imageshack.us/img122/7250/ircivisiu5.png]

    Ich nickte zerknirscht, und sah meinem Onkel noch sehr betreten hinterher, als er fortging. Er war einfach erschienen als ich ihn dringend brauchte, hatte geholfen, und jetzt war er wieder unterwegs zu bedeutsamen und ruhmvollen Aufgaben, wie immer.
    Seufzend über meine eigene Unzulänglichkeit wandte ich mich ab. Mein Leben in den Griff kriegen... - ich hatte keine Ahnung wo in dieser grenzenlosen Misere, die sich mein Leben nannte, ich ansetzen sollte. (Immerhin hatte er mir keinen Hausarrest gegeben.)


    Aber die Familie war, bei allen Differenzen, schon ein Lichtblick, musste ich mir eingestehen.
    "Ich bin heute Abend auch bestimmt da.", wandte ich mich deshalb ein bisschen schüchtern an Mattiacus, dessen Andeutungen über sein Abenteuer mich wirklich neugierig gemacht hatte.
    "Und ich würde furchtbar gerne mehr von Deiner Reise hören. Es klingt so abenteuerlich. Also, ähm, bis später beim Essen dann...."
    Ich verschränkte die Hände fest ineinander, und verließ das Atrium, zum einen um nach einem Bediensteten Ausschau zu halten, der vielleicht meine Sachen aus der Stadt holen könnte, zum anderen um bei einem ausgiebigen Bad endlich den Schmutz der letzten Tage loszuwerden.


    [Blockierte Grafik: http://img122.imageshack.us/img122/7250/ircivisiu5.png]

    "Danke!", erwiderte ich strahlend bei der herzlichen Begrüßung.
    "Ja, ich weiß ich bin spät dran, aber dass es so spät ist wusste ich nicht. Da hab ich ja noch mal Glück gehabt, dass ich nicht vor verschlossenen Toren stand, schätze ich."
    Ein beifälliges Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, und ich wäre beinahe laut herausgeplatzt bei der Bezeichnung 'Schreckschraube'. Ja, das passte ganz genau!
    "Hier ist die Tabula."
    Ich streckte sie ihm entgegen, und wartete dann ungeduldig auf meine schönen neuen Sachen.


    Ja, Pustekuchen! Die Tuniken die er mir brachte waren echt das letzte. Mit langem Gesicht und ausgestreckten Armen hielt ich die grüne hoch und stellte fest:
    "Das ist ja ein Zelt. Da drin ertrinke ich."
    Die braune ging so einigermassen, auch wenn sie viel zu lang war für den Sommer.
    Dagegen die letzte... Ich verzog das Gesicht und sagte ehrlich entsetzt:
    "Das kann ich doch nicht anziehen. Das ist... ROSA! Bitte, das geht doch nicht, wie sieht denn das aus, das ist so weibisch, was sollen denn meine Kameraden von mir denken wenn ich so rumlaufe, am Ende ziehen die noch falsche Schlüsse!!"
    Flehentlich sah ich den Mann an, er wirkte so sympathisch, er musste mir doch irgendwie helfen können.
    "Vielleicht kann ich sie färben!", fiel mir ein.
    "Oder kann ich nicht einfach meine normale Tunika hier behalten?"
    Ich sah an mir hinunter und strich über das beige Leinen.
    "Geht das nicht? Oh bitte, es würde doch bestimmt gar nicht auffallen!"


    Deprimiert machte ich mich daran den Rest anzuprobieren. Ich stieg in die Feminalia, zog mir das Subarmalium über und schnürte die Caligae. Ungewohnt aber ganz passabel. Der Mantel war auch in Ordnung und schien schön warm, für den Moment natürlich viel zu warm. Ich drehte mich kurz hin und her um zu sehen wie er schwang, und begann dann, die Tibialiae um die Unterschenkel zu wickeln. Irgendwie hielten sie nicht.
    "Ähm, Verzeihung, ist das so richtig?"

    Unbehaglich so geprüft und beurteilt zu werden, sah ich in das Licht und kniff leicht die Augen zusammen.
    "Krämpfe? Nein, ich habe nie Krämpfe. Außer mal beim Schwimmen, in der Wade, ganz selten... Ähm, das mit den Augen könnte damit zusammenhängen dass ich letzte Nacht nicht so gut geschlafen habe."
    Allerdings schlief ich schlecht, unruhig und flach, seitdem ich der Droge untreu geworden war. Es war, als ob Hypnos und Morpheus, die mir zuvor so reichlich ihre Gunst gewährt hatten, zornig auf mich wären.
    "Ich war einfach aufgeregt. Weil ich ja heute so einen weitreichenden Schritt in meinem Leben mache."

    Mir stellten sich förmlich die Nackenhaare auf, als der Optio so borniert über das Iberische, die Sprache meiner Vorfahren, herzog. Auch wenn ich mich als Römer fühle, sind mir meine iberischen Wurzeln doch wichtig. In mancher Hinsicht, und besonders in solchen Situationen, verstehe ich schon diejenigen meiner Landsleute, die noch immer - starrsinnig und völlig vergebens - von der Unabhängigkeit gegenüber Rom träumen.
    Ärgerlich holte ich Luft zu einer Entgegnung - dachte an die Liegestützen - und schwieg dann doch resigniert.
    'Ja, ja, die Jugend von heute.' Was für ein Stinkstiefel, dieser Mann! Genau solche Leute, diese Bürokraten mit ihren verknöcherten Ansichten sind es doch, die die schon längst überfällige Erneuerung unserer römischen Gesellschaft hin zu mehr Offenheit, Freiheit und Aufgeschlossenheit vollkommen blockieren!


    Aber diese Überlegungen gingen im nächsten Schock unter, den er mir nebenbei versetzte.
    "Auf Daumenbreite.", wiederholte ich leise, ganz erschüttert. Das war ein harter Schlag! Hätte ich mir doch besser von Tante Lucillas Haarkünstler die Haare schneiden lassen, als es noch Zeit war, der hätte vielleicht noch etwas Annehmbares daraus machen können. Leidend nickte ich, davon überzeugt dass so ein grober Armee-Barbier mich wahrscheinlich vollkommen entstellen würde.
    "Ja.", antwortete ich niedergeschlagen, und nahm die Wachstafel entgegen.
    "Ins Valetudinarium, zur Rüstkammer, zum Barbier und dann zum Fahnenplatz, ich habe verstanden. Und danke, ich werde mich schon zurechtfinden, Optio."
    Da war ich mir zwar nicht so sicher (woher auch) aber es drängte mich, nach diesem Schrecken möglichst schnell aus diesem Officium an die frische Luft zu kommen. Ich würde mich schon irgendwie durchfragen. So verabschiedete ich mich mit einem reservierten "Vale, Optio.", und machte mich zügig auf den Weg.

    Wie glücklich ich war, als wir endlich die Küste erreichten! Jetzt konnte es bis Ravenna nicht mehr so furchtbar weit sein. Dieser Gewaltmarsch, in den ich da so unvorbereitet hineingeraten war, machte mich völlig fertig.
    Anfangs war es ja noch abenteuerlich gewesen - die flammenden Reden, der große Aufbruch, die erste Wegstrecke mit all den Leuten die uns da Spalier standen. Einmal war es mir sogar passiert, dass ein hübsches Mädchen am Straßenrand mir eine Blume zusteckte als wir vorüber marschierten. Die anderen Rekruten mit denen ich unterwegs war johlten natürlich, aber die waren nur neidisch. Ich mochte diese Geste und fühlte mich beinahe wie der Held in einem alten Epos.
    Aber das Marschieren mit der ganzen Ausrüstung und dem Gepäck war ja so anstrengend! Den ganzen Tag unterwegs, und dann ständig das schwere Zeug schleppen. Schon nach zwei Tagen war mir klar, dass ich unbedingt zur Reiterei musste! Die müssen ihr Zeug wenigstens nicht selber auf dem Rücken tragen


    Abends fiel ich bleischwer auf mein Lager, nur um am nächsten Morgen viel zu früh wieder aufgescheucht zu werde. Zudem bekam ich üble Blasen in den neuen Caligae. Zwischendurch wünschte ich mir nichts sehnlicher als zurück in Rom zu sein, und mich in der Casa der Familie bekochen und umsorgen zu lassen, zwischendurch vielleicht mal ein Thermennachmittag, etwas Lektüre, oder als Maximum der Anstrengung ein Theaterbesuch.
    Aber das ging ja aus vielerlei Gründen nicht. Und irgendwie war ich schon stolz, hier dabeizusein, wenn auch nur als (noch, wohlgemerkt) unbedeutender, unwissender Rekrut.
    Es war einfach unglaublich imposant, besonders wenn wir über eine Anhöhe zogen, und man den ganzen stahlblitzenden, waffenklirrenden Heereswurm in voller Länge überblicken konnte. Wahnsinn.
    Aber ich musste noch so viel lernen. Wenn ich nicht zu erschöpft war, beobachtete ich aufmerksam die erfahrenen Soldaten, und versuchte, mir von ihnen abzuschauen wie es hier so lief, aber ich machte trotzdem immer wieder Fehler, ohne böse Absicht. (Ich gewann schnell die Erkenntnis, dass unerschöpflich Liegestützen machen und zackiges Salutieren die beiden größten, löblichsten, und unerlässlichsten Tugenden eines römischen Soldaten sind.)


    Ravenna! Allein der Name klang wie ein Gedicht in meine Ohren. Endlich ausruhen! Auf einem Schiff in aller Ruhe ganz entspannt übers Meer zu fahren, das würde bestimmt paradiesisch werden. Von dieser Hoffnung zehrte ich, und setzte auf der Küstenstraße weiter und immer weiter, ja ich möchte sogar sagen stoisch einen schmerzenden Fuß vor den anderen, in Richtung auf unser erstes Etappenziel.


    [Blockierte Grafik: http://img453.imageshack.us/img453/9281/leg1probatuscr8.png]