Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zumindest diese Maßnahme wurde genehmigt. Ja, alle würde ich sie überprüfen lassen, die Palastdiener, befragen, durchleuchten, und ein paar von ihnen zu Informanten machen. Und Akten über sie anlegen, versteht sich. Am liebsten hätte ich einem nach dem anderen den Kopf aufgeklappt und hineingesehen... nicht nur bei den Dienern, versteht sich, am liebsten hätte ich die Gedanken eines jeden Menschen in dieser Stadt, ach was, im gesamten Reich, fein säuberlich durchsiebt, auf hochverräterische Elemente überprüft, und solche Subjekte beizeiten aus dem Verkehr gezogen, noch bevor sie Unheil anrichteten, oder andere mit dieser, für das Gemeinwohl im höchsten Maße bösartigen, Pestilenz anstecken konnten...
    Das wäre schön. Was für eine wunderbare Welt wäre das, in der den Hütern der Sicherheit solche Mittel zur Verfügung stünden! Alle würden in Frieden leben, beschützt und satt, unter einem starken und unangefochtenen Monarchen... Eine paradisische Utopie.
    - Nur ein kleiner Gedanke stellte sich quer: wenn jemand meinen Kopf aufklappen würde... und meines "Lasters" gewahr würde... würde ich dann nicht auch zu den womöglich erpressbaren Kandidaten gezählt, und von einem pflichtbewußten Oberhüter der Sicherheit aussortiert werden?
    Schwierig. (Besser nicht zu viel drüber nachdenken.)


    Ein kaiserlicher Leibarzt... Der des Cornelius Palma kannte sich sicherlich bestens mit Giften aus, aber: NEIN. Die des Vescularius Salinator hatten auf mich den Eindruck halbseidener Scharlatane gemacht, wenn man auch sagte, dass ihre Potenzmittel sehr gut gewesen sein sollten. Ulpius Valerianus hatte, ob seines auszehrenden Leidens, natürlich ständig sehr renommierte Ärzte um sich gehabt. Sie waren nach seiner Ermordung verhaftet worden, ebenso wie das übrige Gefolge und Personal der misenesischen Kaiservilla, zwei von ihnen waren mir später bei den Ermittlungen behilflich gewesen.
    "Zur Zeit nicht. Doch früher gab es da verdienstvolle Persönlichkeiten. Ich werde schleunigst in Erfahrung bringen, wer von ihnen noch in Frage kommt, Imperator."


    Meine Idee mit den Imagines sagte dem Kaiser zu.
    "Mit Sicherheit. Die anderen Einheiten tragen die Imagines zwar nicht direkt an ihren Signa, so wie wir - " Bekanntlicherweise ein exklusives Vorrecht der Garde, welches unsere besondere Nähe zum Kaiser auch symbolisch widerspiegelte. Bei den Legionen gab es hingegen eine spezielle Kaiserstandarte, und einen Imaginifer, der sie trug. "- doch die Abbilder deiner Familie feierlich in die Kaiserstandarten der Legionen aufzunehmen, das wird ebenfalls ein starkes Zeichen setzen. Die Bedeutung der Feldzeichen für die Milites, die kann ja gar nicht überschätzt werden."
    Ganz besonders für die einfachen Soldaten. Der Geist der Einheit wohnte in den Standarten, das Kriegsglück haftete daran, sie wurden bekränzt, gesalbt und kultisch verehrt.


    "Alltägliche Verwaltungsfragen oblagen dem ab epistulis, doch bei strategischen Fragen, und bei militärischen Angelegenheiten von größerer Tragweite waren die Gardepräfekten die ersten Berater."
    Was mich zum nächsten wichtigen Thema brachte.
    "Wenn es dir recht ist, würde ich dann zur Sicherheitslage in den Provinzen kommen..." begann ich, nach meinen Unterlagen greifend.

    Gut dass ich hinter Valentina stand, und sie mein Gesicht nicht sehen konnte. Es entglitt mir nämlich, und mein Unterkiefer klappte herunter, als sie so beiläufig davon erzählte, dass sie sich von Helvetius hatte verführen lassen, noch am selben Tag an dem sie ihn kennengelernt hatte.
    "Was?!" japste ich ungläubig. Ich war ja nicht sonderlich prüde, aber Valentina war eine Frau, noch dazu eine die ich zu heiraten gedachte, und die ich allerortens als Muster von Sittsamkeit gepriesen hatte. Es widerstrebte mir zu denken, dass ich sie so falsch eingeschätzt haben könnte. Bestimmt hatte ich sie irgendwie falsch verstanden.


    Meine Umarmung verlor aber doch etwas von ihrer Stärke. Ich blickte auf Valentinas goldblonden Hinterkopf, und erinnerte mich an etwas, was ich eigentlich schon seit langem wusste, und doch, weil dieses Wissen schwer erträglich war, immer wieder mal zu vergessen pflegte – im Grunde wissen wir nichts über die Menschen die wir zu kennen glauben. Wir sind alle nur Figuren in einer Landschaft. Manchmal stellt irgendein unbewegter Beweger zwei Figuren eine Zeitlang nebeneinander. Dann wieder auseinander. Weiter ist nichts dabei.
    "Mhm." machte ich, und "Hmhm."
    Es kränkte mich, wie sie sagte, dass ihr Herz gegen mich war, und dass sie sich während des Festes die ganze Zeit den Helvetier herbeigewünscht hatte. Ich fand nämlich, dass Freundschaft, echte Freundschaft, durchaus auch von Herzen kam. Valentina war mir ans Herz gewachsen, und mir hatte das Fest trotz aller Kompromisse wirklich Spaß gemacht.
    "Selbstverständlich." antwortete ich schmallippig. "Aber was heißt rächen. Es ist doch meine Pflicht deine Ehre zu verteidigen."
    ...
    "Valentina." fragte ich angespannt nach. "Habe ich das eben recht verstanden?!"

    Ich durfte, Seiana hatte nichts dagegen. Vor lauter Vorfreude grinsend von einem Ohr zum anderen setzte ich mich, nun nur noch in Equestunika, auf die Fensterbank und streckte die Beine von mir. Ich liebte es ja über die Maßen, schöne Geschenke zu machen, und die kleine Silana war, wenn sie sich freute, so unglaublich herzerwärmend. Natürlich mußte sie das allerbeste Pferdchen, sowie den technisch ausgereiftesten Ziegenwagen samt Rasse-Fahrziege bekommen!
    "Ja, ich denke auch, es könnte echt einen gesellschaftlichen Wandel anstoßen." stimmte ich Seiana zu, und lachte über ihre Drohung: "Haha, da kannst du Gift drauf nehmen, dass ich das Versprechen wahr mache."
    Es war so angenehm, einfach mal wieder mit ihr zu quatschen, in aller Ruhe. Ich zupfte von den Hanfpflanzen auf meinem Fensterbrett ein gefiedertes Blatt ab, und drehte es entspannt zwischen den Fingerspitzen. Vielleicht könnten wir nachher mal wieder zusammen einen durchziehen – lange genug war es her.


    Doch dann wurde meine Schwester mit einem mal so ernst, und überbrachte eine Hiobsbotschaft.
    Ich senkte den Kopf, und atmete tief aus. Jetzt nicht aus der Haut fahren, Faustus.
    "Ach Seiana." Nun sah ich wieder auf, und blickte ihr zutiefst bestürzt ins Gesicht. "Ich habe befürchtet dass es dazu kommt. Ich habe das echt befürchtet." Aufgewühlt schüttelte ich den Kopf. "Du weißt doch, dass ich natürlich will, dass du... dein Glück findest Schwesterherz. Aber ich bin davon überzeugt, dass Iunius Seneca niemand ist auf den du dich verlassen kannst. Ja, solange alles gut und leicht ist, wird er eine gute Figur machen. Aber wenn ein rauherer Wind weht, dann knickt er um. Menschen zeigen ihr wahres Wesen immer erst dann wenn es hart auf hart kommt. Und als es hart auf hart kam, bei der Garde, da ist Iunius umgeknickt wie ein Grashalm. Da hat er sein wahres Wesen gezeigt. Hat jedweden Stolz, Ehre und Loyalität vergessen... Natürlich kann man jetzt sagen, dass du Rückgrat genug für zwei hast. Und die Iunier sind ja auch eine respektable Familie. - Aber bei zukünftigen Härten wird das auch nicht anders sein. Willst du dich denn wirklich an so jemanden binden? Selbst wenn du ihn liebst..." Natürlich liebte Seiana ihn, sonst hätte meine kluge Schwester sich doch nie auf eine so haarsträubende Mesalliance eingelassen. "...mußt du ihn doch nicht gleich heiraten..."
    Düster stützte ich den Kopf in die Hand, furchte die Stirn. Der Iunier hatte mich, gerade da ich früher so viel von ihm gehalten hatte, einfach nur bodenlos enttäuscht. Und meine Schwester würde er irgendwann auch enttäuschen. Über kurz oder lang.
    "Er hat ja nicht mal versucht, seinen schändlichen Treuebruch irgendwie... zu bereinigen... Noch nicht mal versucht." Ich war ja nicht völlig unversöhnlich. Selbst Licinus hatte ich irgendwann vergeben. Aber der Iunier hatte ja nicht mal den Anstand gehabt, zu versuchen, es irgendwie aus der Welt zu räumen, bevor er es sich erdreistete, Seiana heiraten zu wollen.
    "Statt dessen hat er geschmeidig sein Fähnchen nach dem Wind gehängt und ist Klient geworden ausgerechnet von dem Duccius, diesem elenden Aasfresser, der..." Ich stockte, und sah auf das Hanfblatt zwischen meinen Fingern. Atmen, Faustus. Ich schluckte, und versenkte meinen Blick im Zentrum des Blattes. "... der unserer Familie so verdammt viel Leid angetan hat. Wenn du ihn heiraten würdest, Seiana, dann würdest du doch gleichzeitig in den Dunstkreis von diesem Lump geraten. Es würde die Familie zerreißen. Bitte. Tu es nicht..."

    Das Fest war in vollem Gange, doch im Laufe des Abend kam irgendwann dann doch der Moment, wo ich meinen alten Kameraden Licinus einmal beiseitenahm, um ein paar Worte in Ruhe mit ihm zu wechseln. Meinen Weinkelch in der Hand, schritt ich mit ihm zusammen zur Diana-Laube im hinteren Bereich des Gartens, mit beschwingten, nicht mehr so ganz treffsicheren Schritten.
    "Kamerad, Kamerad Licinus!" schwärmte ich dabei, selig angeheitert, "Wie schön, ja wie ungeheuer schön, dich endlich mal wieder zu Gast zu haben!"
    Und ich stieß mit ihm an, so schwungvoll dass die silbernen Kelche klangen und der Wein schwappte:
    "Auf die Freundschaft! Die immerwährende, jawohl!"
    Ich trank. Und trank. Sodann förderte ich aus einer Falte meines Gewandes eine Lederhülle mit gewissen Dokumenten darin zu tage und drückte sie ihm in die Hand.
    "Ja, ähm, und das hier, wegen Cremona, das, ähm, wollte ich dir ja natürlich schon längst zurückgegeben haben. Also, Schwamm drüber, Kamerad."
    Und kein Grund es wieder zu vertiefen.
    "Hab ich das vorhin recht gehört," wechselte ich sogleich zu was anderem, "dass die Zwillinge zur Armee wollen? Hahaha, ist das nicht kurios, auf was für Ideen die jungen Mädchen heutzutage so kommen?"

    Voll Erleichterung sah ich, wie freundlich meine Schwester meinen Geliebten begrüßte. Zugleich beschlich mich aber der Eindruck, dass Valentina immer bedrückter wirkte. Bona Dea, diese ganze Angelegenheit war eben doch nicht ohne. Oder auch: ein Balanceakt ohne Gleichen. Ich tat es meiner Verlobten gleich und besorgte mir mehr Wein, stieß mit ihr an und leerte wieder zügig meinen Kelch...
    Carmelita? Caius' Carmelita? fragte Seiana nach.
    "Aber ja!" bestätigte ich lächelnd, und mit einer kleinen Grimasse fügte ich halb ironisch hinzu: "Wie die Zeit vergeht, nicht?"
    Germanicus schien sehr angetan von unserer Nichte. Ich fand es ganz natürlich dass sie alle bezauberte und nickte wohlwollend. Dabei fiel mir auf, dass Camelia-Carmelita noch gar nicht verheiratet, ja, meines Wissens nach noch nicht mal verlobt war. Ganz anders als ihre Schwester Milonia, die schon so jung vermählt worden war. Das wurde ja höchste Zeit für Carmelita! Sinnierend sah ich zu ihr... dann schweifte mein Blick durch die Schar der anwesenden Gäste... und blieb mal hier, mal da kurz hängen, verharrte zuletzt auf der schneidig-aufrechten Gestalt meines alten Freundes Licinus.
    Hm....
    Licinus war vertieft in ein Gespräch mit den Zwillingen. Ein paar Wortfetzen schnappte ich auf, und schmunzelte hellauf amüsiert. Gerade war nicht der Moment, aber im Laufe des Abends würde ich Licinus unbedingt mal beiseite nehmen müssen, um in aller Ruhe ein paar Worte mit ihm zu wechseln...


    Jetzt aber wollte ich Borkan und Seiana doch unbedingt den tollen Alabasterelefanten zeigen, den Vespa mir, als Gegenstück zu dem Valentinas, geschenkt hatte. Eben hatte ich ihn doch noch in der Hand gehalten, aber jetzt war er auf einmal weg. Wo hatte ich ihn bloß hingestellt?
    "Wo ist nur der Elefant hingeraten...?" murmelte ich, mich suchend umguckend... Dann entschuldigte ich mich kurz und ging auf die Suche nach ihm... streifte durch die immer weinseligere Festgesellschaft... und stieß an deren Rand auf Dives.
    "Ah. Dives. Sag mal," fragte ich ihn arglos, mich umsehend, und zugleich unschlüssig hinter dem Ohr kratzend, "...hast du vielleicht meinen weißen Elefanten gesehen?"

    Varus. Sie flüsterte den Namen, hauchte ihn, und brach sogleich das Siegel, widmete sich dem Brief. So als wäre ich gar nicht hier. Seltsam, so kannte ich Valentina nicht, die sonst stets so zugewandt und höflich war, und überrascht sah ich sie mit schräggelegtem Kopf an, wie sie sich hingebungsvoll in den Brief vertiefte.
    Unschlüssig rieb ich mir über meinen Schmiss. Varus und ein Widderwappen. Helvetius Varus? Der nette Winzer, der damals ein Auge auf die kleine Stellula geworfen hatte? War dieser Mann der Rivale, den ich ausgestochen hatte? Schien so. Und Valentinas Reaktion nach zu urteilen, war er ihr alles andere als gleichgültig. Hmm......
    Es gefiel mir nicht, doch Valentina hatte schon so viel noble Seelenruhe gegenüber Borkan und mir aufgebracht, dass ich beschloss, jetzt mal nicht kleinlich zu sein. Ich lehnte mich also zurück, legte den Arm über die Lehne, und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen.
    Ich las die Titel der Bücher im Regal.. ich betrachtete die Motive der Wandmalereien... dann die gelben Köpfe der Königskerzen, was meine Gedanken zu der Bemerkung des Kaisers über die Vertreibung der Könige brachte, dann überlegte ich, was alles für die öffentliche Weihe der Imagines vorzubereiten war... ob eine Vorführung der Reitkunst der Equites besser war – könnte besonders der Kaiserin gefallen, falls sie uns auch beehrte – oder eine Vorführung unserer Artillerie – auf die ich besonders stolz war – oder beides...


    ...bis Valentina den Kopf zu mir wandte, und doch durch mich hindurchblickte, mit völlig verstörtem Gesichtsausdruck.
    "Valentina?! Was ist denn?" fragte ich bestürzt, doch sie antwortete nicht, las wieder, nahm das Kästchen und schreckte davor zurück. Es fiel zu Boden und ein Stein sprang heraus. Verwirrt hob ich ihn auf, drehte ihn in der Hand: nur ein knubelliger Stein. Oder, ach so: ein gebrochenes Herz. Ein blutendes gebrochenes Herz sogar. Der Helvetier schien einen Hang zum Kitsch zu haben.
    Valentina stand am Fenster, in ihren Gram gehüllt wie in einen Harnisch. Den Brief hatte sie liegen lassen. Ich musste wissen, was da los war!! Also nahm ich das Papyrus und begann zu lesen.
    "Mala leche! Was für ein Bastard!" entfuhr es mir, als ich meine Verlobte so übel, so unter der Gürtellinie, beschimpft sah. Schwarz auf weiß. "Was für ein scheinheiliger, hinterfotziger, elender Jammerlappen! Bei Mars und Bellona, dem brech ich alle Knochen...!"
    Nicht mal, dass er mich einen Kriegshelden und noch dazu "schön" genannt hatte, konnte meine Empörung lindern, angesichts einer solchen Ungeheuerlichkeit. Nein, mein hispanisches Blut kochte, und ich wäre sogleich losgestürmt, doch zuerst galt es Valentina Trost zu spenden. Herrje, die Arme!
    Ich trat an sie heran, entkrampfte meine geballten Fäuste, und streichelte vorsichtig ihre zuckenden Schultern. Dann legte ich, so sanft wie ein Elefant seinen Rüssel um den der Gefährtin schlingt, meinen Arm von hinten um sie herum.
    "Valentina, meine liebe Valentina, mein kleines Rotkehlchen..." murmelte ich, gab ihr einen Kuss auf die Schläfe, und hielt sie tröstend in meinen Armen... "Der spinnt doch. Das ist doch bodenloser Schwachsinn den er schreibt. Hämischer, bodenloser Schwachsinn. Jeder, der dich kennt, weiß, dass du nicht so bist wie er dich hinzustellen versucht, sondern die beste, die liebevollste und sanfteste, die ehrlichste und edelmütigste aller Frauen. Einen Korb zu bekommen, das ist nie schön, aber dich deswegen so anzugehen, das ist das Allerletzte, und ich verspreche dir, so wahr ich hier stehe: Er wird das bereuen! Bitterlich!!"

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    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/25.06.14/ga7derx8u13c.jpg| Acestes


    Die Zeit, die war ein sonderbares Ding. Mal schienen Augenblicke sich zu Jahren zu dehnen, mal schnurrten Jahre auf die Länge eines Atemzuges zusammen. Man konnte es kaum glauben, und doch war es so.
    Und so war der Tag, an dem der Cursor Acestes mit seiner Lieferung vor der Casa Iunia auftauchte, ganz eindeutig noch immer der Tag drei nach der Testamentsverlesung des verblichenen Cornelius Palma. Auf einem Handkarren transportierte Acestes ein bauchiges Fass, dessen dunkle Eichendauben von blankpolierten Reifen zusammengehalten wurden, und an dessen Seite das Wappen der Gens Decima, in das Holz eingebrannt, zu sehen war. Wenn man das Fass anstechen würde, dann würde ein vorzüglicher Tempranillo von rubinroter Farbe heraussprudeln.
    Ausserdem hatte Acestes einen versiegelten Brief dabei.
    "Eine Botschaft und eine kleine Aufmerksamkeit, für den ehrenwerten Hausherrn Iunius Silanus!" erklärte Acestes, als er beides am Eingang des Hauses abgab, und sich nach getaner Arbeit mitsamt Handkarren wieder trollte.


    In dem Brief stand geschrieben:



    Tribun Faustus Decimus Serapio grüßt den Procurator a libellis Lucius Iunius Silanus



    Werter Iunius Silanus, ich möchte Dir danken, dass Du meine Ernennung so schnell ausgeführt hast. Nachdem es mir so lange verwehrt wurde meinem Beruf nachzugehen, ist es eine Wohltat, meinen Dienst nun zügig wieder antreten zu können.
    Ich sende dir hier ein Fass Tempranillo, ein rassiger Tropfen vom tarraconensischen Weingut meiner Familie. Vale bene, und lass es mich wissen, wenn ich Dir auch einmal entgegenkommen kann.



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    Sim-Off:

    Wisim ;)

    Während des Wartens geisterten mir die Vorwürfe im Kopf herum, die er mir gewiss machen würde, und ich legte mir Verteidigungen zurecht, und mir fiel dann auch so manches ein, was ich ihm ja auch zum Vorwurf machen könnte, und so sah ich meinem Liebsten halb zerknirscht, halb trotzig entgegen, als Akadios ihn hineinführte Die beiden Custodes postierten sich dann am Durchgang zum Hauptraum, und ließen uns ein wenig Privatheit. Auch wenn sie sowieso alles wußten, da sie ja so gut wie immer um mich waren.
    Ich stand auf, um Borkan irgendwie zu begrüßen... und er – oh, beim süßen Atem der Aphrodite, wie unschuldig verlegen er mit einem Mal aussah – er entschuldigte sich, und ich schmolz natürlich sogleich ganz und gar dahin, gerührt und unendlich erleichtert.
    "Komm her. Komm her, mein Liebster..." murmelte ich, und schloß ihn fest in meine Arme. "Mir tut es leid. Es tut mir leid. Es war so dumm von mir. Ich wollte doch eigentlich nur, ehrlich, eigentlich wollte ich wirklich nur einen Sekretär kaufen, aber... naja. Es tut mir leid. Ich bin in letzter Zeit... naja. Es ist... alles ein bisschen viel auf einmal in der letzten Zeit. Ich bin so froh dass wir uns haben. Du bist mein Ein und Alles."
    Und du bist ein Heuchler, Faustus. raunte eine innere Stimme, aber ich hörte vehement nicht hin. Ich war nicht mit Manius "durchgebrannt". Ich war hier. Das war es doch was zählte. Oder etwa nicht? Ich war hier. Mit Borkan. Hier.
    "Komm her, Corazón...."
    Borkan... mein Phantasos... meine Isis und mein Träumer... Ich umarmte ihn innig, umschlang ihn, mich seiner versichernd, ich streichelte sein Haar, ich suchte seine Lippen, küsste ihn zärtlich, lange und immer wieder.

    Seiana trug das Chaos mit Fassung, und erzählte von meiner großartigen kleinen Nichte. Ich lauschte ihr lächelnd, belebt von den Gedanken an die hinreißende Kleine. Dann wurde mein Lächeln kurz ein wenig verstohlener, als sie nämlich Álvaro erwähnte. Er war mein allererster Schwarm gewesen, damals, in unserer Jugend in der Provinz. Ich hatte ihm aber niemals was gesagt. Er war ja so schön und kühn und älter als ich, und es bestand die ernsthafte Gefahrt dass er (und seine Kumpels) mich auslachen würde. Nein, es wäre absolut undenkbar gewesen, ihm etwas zu sagen! Und jetzt brachte er meiner Nichte das Reiten bei.
    "Das kann ich mir vorstellen, dass ihr das gefällt! Oh, dann kann ich ihr ja jetzt endlich ein kleines Pony schenken!" rief ich freudig aus, darauf hatte ich mich nämlich schon lange gefreut."Und einen Ziegenwagen. Sie muß unbedingt einen Ziegenwagen haben." Unser Ziegenwagen war (lange vor Álvaro natürlich) meine größte Leidenschaft gewesen, und unser Bruder Appius und ich waren damit tollkühne Rennen gefahren, denen manches Blumenbeet im Garten zum Opfer gefallen war.
    Treuherzig sah ich meine Schwester an, in der Hoffnung dass sie nichts dagegen hatte.
    "Und stell dir vor, Seiana: Reiten wird jetzt salonfähig! Für Damen meine ich. Seitdem die Augusta auf ihrem Schimmel auf dem Forum erschien, nach der Kaiserwahl. Ich habe sie ja eskortiert, sie abgeholt, das war überhaupt sehr aufregend – eine fabulöse Frau, so natürlich und majestätisch zugleich, ganz aussergewöhnlich – und dann auf einmal steigt sie auf dieses Ross, und ich denke noch ganz perplex: 'soll ich was sagen?', aber nun ja, sie ist die Gattin des Kaisers, und dann, auf dem Forum, da hat sie dem Kaiser glatt das Spektakel gestohlen mit ihrem Auftritt. Sie hat auch eine vortreffliche Haltung, sitzt im Sattel wie eine Eins."

    "Zu Befehl, Imperator."
    Ich hatte den Kaiser wohl ein wenig verstimmt. Doch zumindest schien er gewillt, es sich noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Nun ja, wer bekam schon gute Laune davon, die eigene Sterblichkeit vor Augen geführt zu bekommen? Aber es war unsere Aufgabe, die Aufgabe der Garde, sein Leben zu beschützen, und Kaiser zu sein war nun mal brandgefährlich. Wenn man sich die letzten vier ansah, von denen drei gewaltsam und verfrüht gestorben waren (während ich den vierten liebend gerne eigenhändig gerichtet hätte, wenn den Giftgreis nicht zuvor die Furien selbst in den Tartaros gerissen hätten), dann konnte man nur zu dem Schluß kommen, dass die Kaiser Roms ähnlich sicher lebten wie die Gladiatoren auf dem Sand der Arena.
    Wir würden wohl die alten Kampftechniken der Gladius-und-Toga-Kombination wieder vermehrt aufgreifen müssen. Einige Veteranen aus der guten alten Zeit waren noch immer wahre Meister darin, die Toga um den Arm gewickelt Angriffe abzulenken, oder sie, mit Bleigewichten im Saum versehen, fast so wie ein Retiarius sein Netz handhabt, über Angreifer zu schleudern.


    Sogleich folgte die nächste Anweisung, die mir ebenfalls unsäglich leichtsinnig dünkte. Senatoren und Equites nicht durchsuchen? Nachdem all die Verschwörer und Kaisermörder unter ihnen noch immer frei herumliefen? Wozu waren wir Prätorianer eigentlich da – als Dekorationselemente? Ich biss die Zähne zusammen. Ich fühlte mich so... müde.


    "Wie du wünschst Imperator. Ich werde Anweisung geben, dass der Schutz in deiner, sowie deiner Familie, direkten Umgebung verstärkt wird, um im Fall des Falles die fehlenden Kontrollen zu kompensieren. Ich kann dir nur dringend raten, bei jedweder Art von Empfang, Audienz und Besuch ständig Wächter der Garde präsent zu haben. Die Vergangenheit lehrt, dass Verrat plötzlich zu kommen pflegt, und beinahe nie aus der Richtung aus der man ihn erwartet.


    Des weiteren möchte ich die Dienerschaft des Palastes einer allgemeinen Überprüfung unterziehen. Auch dies als Lehre aus der Vergangenheit. Der ruchlose Küchensklave, der sich von dem Verschwörerzirkel Cornelius' bestechen ließ, und darauf Kaiser Valerianus, seiner Gattin und seinem jungen Sohn das Gift verabreichte, das sie alle tötete, dieser Sklave ließ sich zu diesem ungeheuerlichen Verbrechen verführen, weil er eine Schwäche hatte, die die Verschwörer zielsicher ausnutzten: er war dem Glücksspiel verfallen und hatte hohe Schulden. Um das zu verhindern, dass in der Zukunft noch einmal die fatale Schwäche eines Bediensteten verwendet wird um ihn zum Werkzeug des Verrates zu machen, darum die Überprüfung. Damit wir unzuverlässige Elemente, die zu Sicherheitsrisiko werden können, im Vorneherein schon aus deiner Umgebung entfernen können.


    Darüber hinaus möchte ich anregen, dass du einen erwiesenermaßen loyalen Medicus auswählst, der stets Antidote gegen die gängigen Gifte parat hält. Vielleicht wäre es sogar ratsam, sich mittels einer Theriakkur zu feien?"
    Doch da würde ein Experte ihm sicher besseren Rat erteilen können, ich wollte nur den Gedanken aufwerfen.
    "Und noch zuletzt zur Sicherheit – die Erfahrung lehrt auch, dass Fehler meist dann geschehen, wenn die Routineabläufe verlassen werden. So wie zur Saturnalienzeit... Mir ist bewußt, wie lästig all die Vorkehrungen sein müssen, und wie einschränkend, doch ich bitte dich, in deinem eigenen Interesse sowie dem des gesamten Reiches, sie auch in solchen Ausnahmefällen zu wahren. Und ich würde dich auch respektvoll bitten, Imperator, dies deiner Familie ebenfalls einzuschärfen."


    Bei der Augusta hatte ich wenig Sorge, dass sie die Vernunft ausser acht lassen könnte, doch der Caesar war jung, wirkte lebhaft, und es wäre nur natürlich, wenn er durch all die Sicherheitsmaßnahmen sich gegängelt fühlen würde.
    Um nach all diesem düsteren Erörterungen vielleicht – hoffentlich – die Laune des Kaisers wieder ein wenig zu heben, schloß ich noch einen Vorschlag an:


    "Was ausserdem deine Familie betrifft, Imperator. Wäre es in deinem Sinne, wenn wir, um die Treue der Garde zu deiner gesamten Familie zu unterstreichen, bei der feierlichen Weihe deiner Imagines auch die Bildnisse der Augusta und des Caesar in unsere Feldzeichen aufnehmen?"

    Na also, er hatte es endlich gefressen. Ich erwiderte bestätigend sein Nicken, sicher dass die ganze Sache sich in Wohlgefallen auflösen würde, sobald Casca erst mal im Tempeldienst stand. Wer so viele wohlgesetzte Worte voll Drama und Pathos allein schon um seine eigene Befindlichkeit machen konnte, der würde mit Sicherheit auch höchst dramatische Opferungen hinlegen, ja, stehende Ovationen von den Tempelbesuchern erhalten.
    Mein effektvoller Abgang litt allerdings ein wenig, denn ich hatte vor lauter decimisch-dynamischem Schwung meine Sachen auf der Kline liegen lassen, musste mich nun also noch mal umdrehen und sie einsammeln.
    "Dass du ein brauchbarer Bursche bist, und in den Cultus Deorum eintreten willst." antwortete ich knapp auf seine erste Frage. Und auf seine zweite: "Dito."
    Meine Unterlagen, die ich wohl doch besser in Ruhe in der Bibliothek studieren sollte, sowie meine Syrinx vor der Brust in den verschränkten Armen haltend, fixierte ich ihn noch einmal, und wieder war es dieser hilflose Charme des Träumers, so bestürzt sich der harten Welt zu stellen, der mich dann doch noch etwas milder hinzufügen ließ:
    "Und wenn du erst mal ein paar Opfer selbstständig geleitet haben wirst, und es zum Aedituus geschafft haben wirst, du selbst einem Tempel vorstehst, die Menschen sich um Rat an dich wenden und du mit deinen wohlklingenden Anrufungen ihren Hoffnungen die Wege öffnest zwischen den irdischen und den überirdischen Gefilden - dann, Casca, dann kommt ein Tag, da setzen wir beide uns wieder zusammen, hier im Garten, trinken ein Glas in aller Ruhe und blicken lächelnd auf heute zurück."


    Ich ging zum Haus zurück, der Tag war noch immer so strahlend schön, aber ich nach diesem Gespräch nun doch ein wenig erschöpft. Casca gegenüber zu stehen, das war beinahe wie in einen Spiegel in die ferne Vergangenheit zu sehen. Und ich fragte mich: Wirkte ich etwa tatsächlich wie ein versiegter Brunnen? Leidenschaftslos, ausgetrocknet, ausgedörrt? Von irgendwo... ich vermag nicht zu sagen woher... drang ein Wispern in meinen Geist..."Auserzählt?" Ich erschrak, auch wenn ich den Sinn dieses Wortes nicht verstand, ein grauenvolles Nichts wehte mich daraus an.
    Schaudernd brach ich mir, im Vorübergehen an der Jasminhecke, einen blumigen Zweig ab. Ich roch daran, und ließ den süßen Duft meine Seele betören, die Larven und Lemuren vertreiben. Verstohlen horchte ich in mich hinein: Flosculus? Bist du da irgendwo? Keine Antwort.


    In meinem Officium stellte ich den Zweig in eine Vase und schrieb den Brief. Es war befremdlich, sehr befremdlich, auf diese Weise an Manius zu schreiben. Aber es mußte natürlich ganz unverfänglich sein, falls jemand anderes den Brief zu sehen bekam.



    Geschätzter Freund, ich sende meinen Cousin Cnaeus Decimus Casca zu Dir, und empfehle ihn deiner wohlwollenden Aufmerksamkeit. Casca ist ein redseliger mitteilsamer wortgewandter junger Mann von grüblerischem spintisierendem tiefgründigem Wesen, Scharfsinn und Integrität.
    Mein Cousin hat den Willen, seine Talente in den Dienst des Cultus Deorum zu stellen. Ich unterstütze dies, und bitte Dich, ihm diese Türe zu öffnen. Suche einen guten und strengen Lehrmeister für ihn aus, damit er tüchtig lernt und seiner Familie Ehre macht. Ich danke Dir.



    Und nochmal in schön. Ich versiegelte das Schreiben und ließ es Casca durch Timaia überbringen.



    Gardetribun Faustus Decimus Serapio grüßt Senator und Pontifex pro magistro Manius Flavius Gracchus


    Geschätzter Freund, ich sende meinen Cousin Cnaeus Decimus Casca zu Dir, und empfehle ihn Deiner wohlwollenden Aufmerksamkeit. Casca ist ein wortgewandter junger Mann von tiefgründigem Wesen, Scharfsinn und Integrität. Mein Cousin hat den Willen, seine Talente in den Dienst des Cultus Deorum zu stellen.
    Ich unterstütze dies, und bitte Dich, ihm diese Türe zu öffnen. Suche einen guten und strengen Lehrmeister für ihn aus, damit er tüchtig lernt und seiner Familie Ehre macht. Ich danke Dir.


    Vale bene
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    Ein paar Tage nach unserer Verlobung war es, als ich Valentina zur Mittagszeit einen kleinen Besuch abstattete. Sie hatte mich im Tablinum empfangen, und ich hatte ihr die Blumen überreicht, die ich ihr diesmal mitgebracht hatte, einen sonnigen Strauss hochaufragenden goldener Königskerzen und Rosen der Sorte "Aurora". Nachdem wir dann ein wenig über das Fest geplaudert hatten, fiel mir der verirrte Brief wieder ein, und ich bemerkte:
    "Übrigens, es ist Post für dich bei uns angekommen. Mir scheint, die Klatschbasen der Stadt haben die Verlobung schon gleich zur Hochzeit aufgebauscht. Ich habs dir mitgebracht..." Ich kramte in meiner Tasche, so eine praktische Legionärs-Pera war das, mit gekreuzten Riemen, und wurde fündig.
    "Hier. Der Brief, und das Kästchen kam auch dazu."

    Hora Duodecima.
    Irem.
    Ich war da.
    In dem reservierten Separee setzte ich mich. Die Atmosphäre, die mich hier sonst so fesselte, vermochte mich heute kaum in ihren Bann zu ziehen. Ich schlug die Beine unter, grub die bloßen Zehen in den Teppich, und hieß Akadios draussen nach Borkan Ausschau halten, während Pelias über mich wachte. Falls Borkan überhaupt kam. Diese Begegnung heute morgen hatte ein wirklich mulmiges Gefühl bei mir hinterlassen. Mit Daumen und Zeigefinger rieb ich mir die Nasenwurzel und starrte lange blicklos auf das kleine Tischchen vor mir. Nach meinen Wünschen gefragt bestellte ich irgendetwas das sich gut anhörte für uns beide (Zuversicht demonstrieren!), und Palmwein natürlich. Der kam schnell. Ich trank ein paar Schluck für mehr Zuversicht, und wartete bedrückt auf meinen Liebsten.

    Er zeigte mir die kalte Schulter und ich kam mir wie ein ausgemachter Unmensch vor. Dann verschwand er, ließ mich stehen wie einen begossenen Pudel. Mich und den Korb.
    "Du hast deinen Korb vergessen!"
    Zwecklos, er war schon weg. Ich mußte ihn ganz schön gekränkt haben, das sah ihm doch gar nicht ähnlich sonst... Leidig hob ich das Ding auf. Ich konnte ja wohl kaum mit einem Einkaufskorb am Arm in der Castra erscheinen, wie sah denn das aus? Als ich einen Blick hineinwarf, lachten mich lauter köstliche Dinge an, Pistaziencreme, frische Krebse, Wachteleier, Rauke... Sah ganz so aus als hätte er für uns eingekauft. Ich seufzte, meine Schultern sackten ein Stück tiefer, und ich gab den Korb an Pelias weiter.
    "Bring ihm den bitte nach hause" wies ich meinen treuen Leibwächter an, "Und dann reserviere für heute abend im Irem. Ein Separee."
    Pelias machte sich auf, die anderen schlossen sich wieder mir an, als ich durch die frühmorgendlichen Strassen der erwachenden Stadt in Richtung Viminal davonstapfte.

    An der breiten Uferpromenade der Tiberinsel, an der Ecke der Passage zum Faunustempel, liegt die exotische Caupona "Irem". Auf dem Schild über dem Eingang sieht man drei schlanke Türme inmitten goldener Sanddünen, und in verschnörkelten Lettern steht dort: IREM und Taberna homeritica.
    Durch eine mit Schnitzereien reichgeschmückte Türe führt der Weg in eine Gaststube, die einer orientalischen Schatzhöhle gleicht. Ziselierte Räucherschalen säumen den Eingang, würziger Rauch kräuselt sich von dort in den tiefen Raum, der mit weichen Teppichen ausgelegt ist. Wie Kaskaden stürzen sich farbenfroh gemusterte Wandbehänge von der Decke, und überall hängen und stehen unzählige Lampen, durch deren durchbrochene Wände das Licht in fremdartigen Ornamenten auf die Umgebung fällt. Geflügelte Greifenstatuetten recken reptilienhaft die Zungen und tragen auf ihrem Rücken Kohle- und Räucherpfannen.
    Pflanzen, sowie mit Pflanzenornamenten bemalte Stellwände gliedern den Raum. Die Tische sind nur kniehoch, und feste Sitzkissen mit Trodeln an den Ecken ersetzen die Klinen. Oft spielen Musiker hier, auch Geschichtenerzähler finden sich gerne ein.
    Wohlgestalte Angestellte in märchenhaft-orientalischer Tracht kümmern sich stets lächelnd um das Wohlbefinden der Gäste (und erfüllen ein Stockwerk weiter oben auch darüber hinausgehende Wünsche.) Die Caupona ist gut besucht. Sie serviert an den römischen Gaumen angepasste "original homeritische" Speisen, und schenkt exquisite Palmweine aus.

    "Das habe ich eben auch gedacht... dass das schön wäre..." stimmte ich Borkan zu, mit einem leisen sehnsuchtsvollen Lächeln, das sich sodann in Ironie verzog – schön, aber nur Hirngespinst. "Abgesehen davon, dass mein Vater Feuer spucken würde wie der Vesuv über Pompeii" fügte ich sarkastisch hinzu, mit einem Blick auf Livianus, unseren Patriarchen, der da würdevoll an der Seite seiner edlen Gattin inmitten der Gäste stand. Resigniert war mein Blick, ehrfürchtig, und zugleich liebevoll. Mein Vater eben... Das schlimme war, dass ich ihn durchaus verstehen konnte (immer besser in den letzten Jahren): Rom war eine Schlangengrube, und in einer Schlangengrube gab man sich nun mal keine Blöße.


    Borkan erhob sich, ich tat es ihm gleich und wies auf Seiana. "Da drüben, das ist sie."
    Wir gingen hinüber. Valentina packte gerade etwas aus... so spontan wie das hier war hatte ich echt nicht mit Geschenken gerechnet, aber es weckte doch eine kindliche Freude trotzdem welche zu bekommen. Ob Seiana mir wohl auch was mitgebracht hatte?
    "Was für ein aparter Farbverlauf," bewunderte ich das Gewand und fügte lächelnd, an Valentina gewandt hinzu: "Du musst dir ein paar Muscheln dazu ins Haar stecken, dann siehst du aus wie eine Meeresnymphe."
    Darauf hatte ich nun endlich die Gelegenheit, Seiana und Borkan miteinander bekannt zu machen. Vertraut legte ich ihm den Arm um die Schulter, auf eine Weise die durchaus noch in einen freundschaftlichen Rahmen passte.
    "So Schwesterherz, jetzt lernt du endlich meinen L...Lebensretter kennen" sagte ich zu ihr, und meine Aufregung war auch unter dem lässigen Tonfall nicht so ganz zu verbergen. Ich hoffte doch inständig dass sie sich ebenfalls sympathisch waren, und Seiana, so wie Massa es getan hatte, Borkan mit offenen Armen willkommen hieß. "Hier, meine große Schwester Seiana..."


    Carmelita begann noch ein Lied für uns zu spielen. Ich ließ den Arm von Borkan Schultern gleiten, als die Aufmerksamkeit sich auf Valentina und mich richtete, und wandte mich meiner Nichte zu, lächelte versonnen und etwas wehmütig wie ich sie da so sah, bei Messalina und Casca, so erwachsen und schön, und mich in ihrer selbstsicheren Art die Worte zu setzen deutlich an ihren Vater, unseren verstorbenen Bruder, erinnerte.
    Andächtig lauschte ich ihrem Lied. Es war wunderschön, klangvoll, und romantisch... Sehr romantisch. Mein Lächeln wurde gequält und gequälter. Warum nur bestanden denn alle darauf, uns als Liebespaar zu sehen?! Ich hatte doch mit voller Absicht nicht auf Venus, sondern auf Minerva den Becher erhoben, doch die Jugend schien mir heutzutage ganz ausgesprochen empfindsam gestimmt zu sein (das war mir schon bei Casca aufgefallen, als er mir mit so viel Seufzen sein Herz ausgeschüttet hatte.)
    Unwohl huschte mein Blick kurz zu Borkan, wieder zu Valentina, deren Lächeln auch recht maskenhaft geworden war. Ich spendete lautstark Applaus als Camelia geendet hatte, und war dann ganz froh dass Germanicus Aculeo zu uns hinzutrat, und mit seiner arglosen Ansprache die Spannung aus der Situation herausnahm. (Dass ich mal froh darüber sein würde, einen Germanicus auf meinem Verlobungsfest zu haben, wenn mir das früher einer gesagt hätte, dem hätte ich den Vogel gezeigt.)
    "Hahaha" lachte ich über das "halb Rom", meinte zu Aculeo: "eigentlich nicht, wir wollten nicht eine von diesen förmlichen Veranstaltungen, wo alle nur stocksteif rumstehen und kein Wort rausbringen."
    Und dann wieder in die Runde: "Carmelita ist wirklich eine begnadete Künstlerin, nicht wahr? Als Kind war sie schon so ungeheuer musikalisch, und jetzt – aber hola! - hat sie das wirklich zur allerschönsten Blüte gebracht."
    Ob sie vielleicht auch eines meiner Lieblingslieder aus der hispanischen Heimat kannte?
    "Carmelita!" rief ich fröhlich zu ihr rüber, "Du meine Musengeküsste Nichte! Kennst du auch das Lied von dem Hirten im verzauberten Berg, oder dem Stierkämpfer aus Valentia? Oder das von der Tarantel?!" Für das Lied vom Schwein, das auf Reisen ging, war es vielleicht noch etwas früh...

    Eine ordentliche Standpauke hatte ich meinem jungen Cousin da gehalten, und zwischendurch sah er mächtig niedergeschlagen aus. Aber, bei den Gräbern unserer heldenhaften Ahnen, einer mußte es ja machen. Und er mußte da jetzt durch. Harte Worte war es, ja, aber auch: wahre Worte.
    Ich nickte bestärkend, als er gelobte strenger zu sein. Und wieder sprach er von den Legionen.
    "Ach Casca. Das mag jetzt kein wirklicher Trost für dich sein, aber... es könnte doch genauso gut sein, dass das Schicksal es auf seine Weise nicht nur schlecht damit gemeint hat, denn, nun ja, ein Haufen Soldaten fallen auf dem Schlachtfeld, krepieren an der Ruhr, oder kommen mit einem Bein weniger nach hause" gab ich, etwas überfordert von seiner Invalidität, zu bedenken. "Wenn ich nicht mehrfach ein verdammtes, unverschämtes Glück gehabt hätte, und gute Kameraden... wie Massa... und mein Freund Sparsus, früher... dann wäre ich auch nicht wiederkommen." Leidig sah ich auf meinen zerklüftet zernarbten rechten Arm, aber immerhin hatte ich ihn noch und konnte ich ihn auch wieder fast wie früher benutzen.
    ...Hätte ich das von Massa jetzt nicht sagen sollen? Ich wußte ja wie quälend es war, fortwährend im Schatten größerer Helden zu stehen. Da war es schon wieder, das Mitgefühl, dass sich bei Cascas treuherzig-träumerischem Blick so raffiniert verstohlen an mich heranpirschte. Dabei wollte ich doch streng mit ihm sein! Und zwar: Zu seinem eigenen Besten.


    "Kleine Fantasien und Lockungen des Herzens haben im Dienst an Rom nichts verloren, Cousin Sturschädel" wiedersprach ich ihm vehement, "Es sei denn das erhebende Gefühl, dich als dienendes Glied in ein Ganzes einzufügen, dass sehr viel größer, und sehr viel edler und epochaler ist, als ein einzelnes Individuum es je sein könnte: Roma Aeterna!"
    Denn das war es, auch wenn im schmutzigen Tagesgeschäft schleimige Opportunisten sich tummelten wie die Schnecken auf dem Salat – die Idee unseres ewigen Rom strahlte und würde immer strahlen.
    "Also hör auf zu... so zu dramatisieren, und hör auf in dich hineinzulauschen, sonst hältst du irgendwann noch das Grummeln deines Magens für eine Stimme göttlicher Eingebung!"
    Ich? Wieso ich?
    "Wirke ich etwa wie ein leidenschaftsloser, ausgetrockneter Brunnen?" fragte ich spöttisch zurück. "Aber das tut hier nichts zur Sache. - Hier geht es darum, dass du, mein lieber Cousin, morgen beim ersten Hahnenschrei aufstehst, dir was ordentliches anziehst, pünktlich auf der Salutatio des Senators erscheinst. Und Pontifex ist er, oberster Pontifex ist er sogar. Dann stellst du dich höflich vor, gibst ihm den Brief, den ich dir gleich schreibe, wirst Discipulus im Cultus deorum, und bekommst dein Leben in den Griff! Verstanden?"
    Ich schwang die Beine von der Kline und erhob mich, für einen effektvollen Abgang mit diesen schönen Worten, bevor ihm wieder neue Ausreden einfielen...

    Unser guter Ianitor hatte mir eine Botschaft an Valentina überbracht, die sich hierher verirrt hatte. Da hatte wohl jemand die Verlobung schon für die Hochzeit gehalten. Ein Brief und ein Kästchen waren es, um genau zu sein. Bestimmt Glückwünsche und ein Geschenk. Ich kann nicht leugnen, dass ich neugierig war, angesichts des versiegelten Briefes, der das Widderkopfwappen trug. Ich schüttelte das Kästchen ein wenig, etwas rappelte darin. Dann legte ich beides beiseite, um es Valentina bei meinem nächsten Besuch mitzubringen...