Eine zentnerschwere Last, nein, ein ganzes Atlasgebirge von Furcht glitt von meinen Schultern, als er nicht wegging. Kleinlaut nach meinem Ausbruch, doch unendlich erleichtert stand ich vor ihm, und obgleich es ja nun keinen Anlass mehr gab, ihn festzuhalten, ließ ich meine Hände nicht sinken. Er sprach mit mir, so sanft wie mit einem kranken Pferd, und es klang alles so rundherum durchdacht und vernünftig, fugenlos und schlüssig, dass ich ihm nicht mehr widersprach, es nicht mehr wagte ihm zu widersprechen - obgleich es mir noch immer den Magen umdrehte bei der Vorstellung wie er sich an diese elende Harpie band.
"Hmhm. Entschuldige. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist."
Zumindest war sie unfruchtbar. Sie würde ihn nicht um den Finger wickeln können, indem sie ihm ein Balg gebar oder unterschob. So dachte ich mit einem Aufflackern von Häme.
Ein öffentlicher Skandal?
"Bring mich nicht auf Ideen..." murmelte ich leise. Aber das war natürlich Unsinn.
Sein Versprechen beruhigte, rührte und berührte mich. Und... das was darin mitschwang. Ich lächelte ein wenig, zögerlich. Er war so nahe. Es wäre nur so ein ganz kleiner Schritt, es wäre so leicht... mich einfach in seine Arme zu werfen und meinen Kopf an seine Schulter zu legen, und seine sanften Worte um uns herum in die Leeres des Raumes schweben zu lassen wie... kleine Glühwürmchen.
Er sah müde aus. Sein Lächeln, das schöne schräge, immer so etwas hintersinnig erscheinende, vermochte es kaum seinen Mundwinkeln zu heben.
"Hmhm." murmelte ich wieder. . "Danke." Natürlich musste er gehen. Natürlich war dies alles hier Unsinn, und je länger wir hier so standen um so unsinniger wurde es, unsinnig war besonders dass ich noch immer seinen Arm und Schulter berührte, und ich musste nun wirklich mal entschlossen an Borkan denken, und wie glücklich ich mit Borkan war, wie viel wir uns gegenseitig bedeuteten, was ich ihm alles verdankte und wie unglaublich heiß er war, und dass ich mit ihm, Borkan, mein Leben zu teilen entschlossen war, und ich sah Manius vor mir und wünschte ich könnte alle Müdigkeit, alle Schwere mit den Fingerspitzen sachte von seinem Antlitz streichen, bis dass es wieder erstrahlte... so wie vorhin ganz kurz.
"Ach Manius."
Widerstrebend ließ ich die Hand von seinem Arm gleiten, strich ihm mit der anderen noch verstohlen die Schulter hinab, unter meine Handfläche den feingewebten Stoff seiner Tunika, und darunter ihn und die Wärme seines Körpers spürend. Dann erst löste ich die Berührung.
Beiträge von Faustus Decimus Serapio
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"Du hast recht." stimmte ich zu. Ein unabhängiger Advocat, der sich voll und ganz dem Fall widmen konnte, das war besser. Ich war echt froh, dass auch Livianus diese Ungeheuerlichkeit nicht länger auf sich beruhen ließ, statt dessen auch den Mörder zur Rechenschaft ziehen wollte. Wir besprachen dann noch ein paar Einzelheiten des wen und wann und wie.
Darauf ging es um ein im Gegensatz zum vorher besprochenen echt harmloses Thema:
"Was ich dich ausserdem noch fragen wollte. Ich möchte mich bei deinem Klienten Iunius Silanus erkenntlich zeigen, dafür dass er auf deinen Auftrag hin meine Ernennung so schnell erledigt hat. Aber ich kenne ihn gar nicht persönlich. Ich dachte an eine Auswahl edler Weine, aber irgendwie erscheint mir das banal angesichts der Bedeutung die diese verdammte Urkunde für mich hat. Hast du vielleicht eine Idee was für eine Art von Geschenk... oder Spende... oder Einladung... seinen Geschmack treffen könnte?" -
Etwas hatte sich verändert, während meiner wortreichen Ausführungen. Es war als wäre ein Funke übergesprungen. Der kantige Miles verfolgte meine Worte mit intensiver Aufmerksamkeit, und auch wenn er sich weiter in Schweigen hüllte, so meinte ich doch, die Gedanken hinter seiner hohen Stirn förmlich sich jagen zu sehen. Auch der Optio zeigte sich nun bereit meine Expertise gebührend zu würdigen. Das war, ich muß es eingestehen, eine wahre Wohltat. So oft, so vermaledeit oft war ich mit den Erkenntnissen meiner Ermittlungen (und ich spreche jetzt nicht nur von der hier) auf den Granit des agressiven Nichtwissenwollens (wie gerade wieder bei Dives), des Verlacht werdens oder der totalen Gleichgültigkeit gestoßen.
Im Gegensatz dazu aufmerksame Zuhörer vor mir zu haben, engagierte Gesetzeshüter, und in Person des Optios sogar jemanden der selbst neue Fakten und Gedankengänge beisteuerte – das war eine ganz fabulöse Abwechslung! Mein Urteil über Iunius war wohl, befeuert von meinem verletzten Stolz, doch etwas arg vorschnell gewesen... so konnte man sich irren...
Merk dir das, Faustus.
Nun regte sich doch mein schlechte Gewissen, dass ich die Tabula, als ich Valentinas Namen ausstrich, verändert hatte. Ich sagte mir dann aber, dass es an der Aussage des Indizstückes grundlegend nichts änderte. Nur die Spur zu Sergia Fausta war damit nicht so deutlich.
Iulia Torquata hatte den Optio selbst informiert, gemeint jemand wolle ihr schaden. Und der Mörder war kein Amateur. Ich fragte mich ständig, wie in aller Welt ein gestandener Sicarius sich zu sowas bewegen ließ. Das war und blieb einfach komisch. Es musste irgendwas damit zusammenhängen, Hinterbliebenen Vorteile zu verschaffen. Ansonsten wäre es doch weitaus naheliegender, die Erpresserin (oder den Erpresser) abzustechen als sich selbst."Ich stimme dir zu, Optio. Und ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass Iulius Dives nichts damit zu tun hat. Ich kenne ihn schon lange, und die Art und Weise dieses Verbrechens ist absolut nicht sein Stil. -" Lange Bekanntschaft hieß natürlich nicht wirklich kennen, und Monstrositäten verbargen sich in erschreckender Zahl auch unter vertrauten Gesichtern, aber diese Details gehörten gerade nicht hierher.
"Iulia Torquata... - Was du berichtest, dass sie dir sagte, jemand wolle ihr schaden, das passt sowohl ins Bild der verschreckten Unschuld, als auch einer in das Verbrechen eingeweihten... oder sogar daran beteiligten, oder auch nur die wahren Hintergründe erahnenden... die euch bewußt in die Irre zu führen versuchte..." überlegte ich. Hmm. Das war wohl eher ein Steinchen zum an die Seite legen und später einfügen. "Doch so jung wie sie ist, ohne Einfluss das rechtfertigt es wohl, den Blick erst einmal auf plausiblere Möglichkeiten zu richten. Ihr Geliebter, der Soldat den sie des Nachts getroffen haben soll, der hätte natürlich auch ein Motiv. Wenn es ihn denn gibt.
Doch das nur der Vollständigkeit halber. Ich halte eine andere Person für weitaus verdächtiger: "
Nach einer mäßigen Kunstpause ließ ich die Katze aus dem Sack:
"Und zwar die Ehegattin des Iulius Dives. Sergia Fausta.
Die Frau hat nämlich sowohl ein Motiv: das Gerede über ihre Stieftochter zum Schweigen zu bringen, bevor es dem Ansehen der Iulier noch weiteren Schaden zufügt. Als auch, das Gerede durch die euch zugeschusterte Tabula als infames Gerücht darzustellen.
Die Frau hat ausserdem, da sie sich nicht mit traditionellen Aufgaben begnügt sondern als Postpräfektin arbeitet, eine beträchtliche Anzahl von Verbindungen. Und Vermögen.
Das allein würde für einen begründeten Verdacht noch nicht ausreichen. Doch hinzu kommt die... eigenwillige Natur dieser Dame. Sie ist bekannt dafür nach öffentlicher Aufmerksamkeit zu lechzen. Ihrer eher bescheidenen Herkunft zum Trotz hat sie ihre Hochzeit als Großereignis inszeniert, und ganz Rom dazu eingeladen. Streitlustig, ja, querulatorisch ist sie ausserdem, hat erst vor kurzem den Senator Germanicus Sedulus wegen irgendeiner Lex-Mercatus-Lappalie schlechtbegründet vor Gericht gezerrt und ist dort gescheitert."
(Das erste Mal übrigens, dass ich mit diesem elenden Germanicer Mitgefühl gehabt hatte.)
"Und zudem..." Ich zögerte, das war ja alles nicht gerade unheikel. "weiß ich, dass diese Frau sich früher bereits einmal als Erpresserin betätigt hat. - Auch wenn wir davon ausgehen, dass der Sicarius nicht durch die Nachricht auf der Tabula erpresst wurde, sondern diese Tabula ihm bewußt mitgegeben wurde, um uns irrezuführen.... es gibt doch zu denken. Jemand, der selbst bereits Erpressung eingesetzt hat, und zu bekommen was er, was sie, will... ist sicherlich auch schneller bei der Hand damit, dieses Verbrechen in eine Scharade wie diese einzubauen.
Das alles ergibt natürlich noch keinen Beweis ihrer Schuld. Doch es würde ausgesprochen gut zusammenpassen." -
"Pff! Ich hab mich schon gewaschen" protestierte ich grinsend. Zumindest eine Katzenwäsche, mehr war morgens ja auch nicht üblich.
Mit den ersten Verrichtungen des Tages war auch die Erinnerung an die Träume, die mich heute nacht aufgesucht hatten, verblasst – bis auf eine Episode, die mir noch im Gedächtnis haftete, weil ich mich beim Aufwachen so über sie gewundert hatte:
Ich hatte Dives getroffen, in diesem Traum. Doch es war ein ganz... freundliches Zusammentreffen gewesen, ohne die Gewitterstimmung, die in der Realität jedesmal über uns hereinbrach. Und es war ein Traum mit viel Blau gewesen. Dives hatte auf einer himmelblauen Kline gesessen, eine dunkelblaue Toga um sich drapiert, und mir mit seinen großen meerblauen Augen ganz gelassen entgegen geblickt. Hinter ihm fiel helles, doch diffuses Licht durch ein großes Fenster und umrahmte sanft seine Kontur. Ich hatte mich auf den Rand der Kline gesetzt, ebenfalls ganz entspannt, und mich gefreut ihn zu sehen. Dann hatte ich seitlich von uns eine Frau erblickt, die, nun im Nachinein betrachtet, ziemliche Ähnlichkeiten mit der Sergia hatte. Im Traum war mir das aber nicht aufgefallen, und die Frau hatte mich nicht weiter gestört. Allerdings war sie kleiner als die Sergia gewesen. Die Frau hatte eine rote Stola an, und dunkle, wellige Haare, mit vielen Zöpfchen, die als oberste Schichte kunstvoll miteinander verflochen und mit blauen Glasperlen geschmückt wie ein Netz über dem frei fallenden restlichen Haar lagen. Auch hier fiel mir erst beim aufwachen auf – ein solches Bild hatte ich natürlich beim Minervafest gesehen, wo eine Ornatrix am Strassenrand genau so eine Frisur erschaffen hatte. Und das Wirrste kam dann erste: die Frau hatte nämlich mit einem Mal die oberste Schicht ihrer Frisur abgenommen, und dieses Netz von Zöpfchen bedeutsam lächelnd beiseitegelegt.
Dann war ich, zusammenhanglos, an einem Strand gestanden. Das Licht war noch immer so milchig und vage gewesen, und der grobkörnige Sand und das anbrandende Meer schienen wie von Farben entsättigt. Aber friedlich. Neben meinen bloßen Füßen hatte ein Büschel von hartem Strandschilf gestanden. (Ein bisschen wie am Stand von Ostia, unweit unseres Domus Calamis, da wo die Salinen begannen. )
Tja, und das war's, an mehr konnte ich micht erinnern. Was für ein sinnloses Zeug ich da wieder zusammengeträumt hatte!Aber zurück zur Realität: Varenus frühmorgendlicher Besuch.
"Entschuldige die Unordnung..." murmelte ich, und stieß einen Haufen wild durcheinander geknäulte Klamotten von dem Scherenstuhl runter zu Boden, um einen Platz freizumachen wo Varenus sich hinsetzen konnte. Ich bräuchte wirklich dringend einen neuen Leibsklaven... traute aber keinem.
Als Varenus mich um Hilfe bat, horchte ich auf und nickte bereitwillig. Dann folgte ich seinem Blick zu meinem Alltags-Harnisch, und wurde auf seinen Kommentar hin ein ganz klein bisschen misstrauisch. Denn ich wußte ja wie sehr mein Vetter aus der Art geschlagen war, und was für verquere Ansichten er zum Thema Militär hatte.
"Mehr oder weniger. Worauf willst du hinaus, Vetter? Und was für ein jemand ist das, den du finden willst?" -
Abgehauen? Mit ihrem Liebsten? Valentina? Oh.
Ich machte große Augen, das passte gar nicht in das rundherum tugendhafte Bild, das ich mir von ihr gemacht hatte. Doch zugleich verlieh es ihr etwas menschlicheres - so perfekt wie ich sie mir ausgemalt hatte konnte ja gar niemand sein. Und der Familie einmal entflohen zu sein, das war offenbar etwas, das wir gemeinsam hatten. Ausserdem, unter dem Gesichtspunkt meiner ernsthaften Absichten betrachtet, war eine Frau, die die jugendlichen Torheiten schon ausgekostet hatte, ganz sicher einem Mädchen vorzuziehen, die diese noch vor sich hatte.
Ich hätte sie in den Arm nehmen wollen, als sie weitererzählte, ihr einen freundschaftlichen Halt geben. So viel Verlust hatte sie erlebt. Doch wegen der Leute, wegen der Blicke, wegen der jungen Nichten... zögerte ich, und stand nur dicht neben ihr, und hörte ihr zu, voll Mitgefühl.
Als ob sie etwas Dunklem auftauchen würde, sah sie dann wieder zu mir auf. Ärmlich? Ich schüttelte den Kopf. Das wäre das letzte Wort was mir dazu in den Sinn käme.
"Tapfer." verbesserte ich sie dann nachdenklich, "Mit einem starken Willen gesegnet. So hört sich das an, nein, so ist das, dass du... trotz aller Verluste, die du in der Vergangenheit erlitten hast, und trotz alle Härten, dir den Weg zurück immer wieder wieder freigekämpft hast. Und die Stärke in dir findest, für andere zu sorgen, und Freude um dich herum zu verbreiten." Natürlich dachte ich dabei auch an unser erstes Zusammentreffen, wo sie mir Verfemten, in diesem riesigen Atrium voll hämischer Fratzen, als einzige wie ein Mensch begegnet war.
Bewegt legte ich nun doch den Arm um sie, und drückte sie ein wenig.
"Rarissima Valentina." nannte ich sie lächelnd, dann schielte ich unwillkürlich runter auf meine Brust – nein, ich hatte mich nicht mit Dulcia Piperata vollgekleckert, es war nur eine liebevolle Geste von ihr.Bona Dea, da stand ich also mit einer Frau im Arm. Mit einem Mal überfiel mich diese Erkenntnis! Ich verspürte so einen Anflug von flauem Flattern im Magen, und die Haltung die mir eben ganz natürlich gewesen war, wurde mit einem Mal so... hölzern. Hilfesuchend sah ich mich nach Dentata um, doch sie war gerade damit beschäftigt, die Zwillinge abzulenken und zu einem Puppentheaterstück hinzulenken. Wo es um eine Königstochter ging, die sich anscheinend nicht zwischen zwei Prinzen-Brüdern entscheiden konnte, und dann verwandelte der böse Bruder sie auch noch. In – na klar – eine Eule. Schuhuu.
"Wollen wir uns einen Moment setzen?" forderte ich Valentina auf, ließ den Arm zögerlich wieder sinken und geleitete sie zu einem etwas ruhigeren Fleckchen – eine Rundbank unter einer Platane, etwas abseits des Gedränges.
Ich setzte mich auf das von vielen Hintern blankgeriebene Holz und streckte die Beine aus. Die Leibwächter hielten die Leute auf Abstand, man konnte von hier auf das bunte Treiben sehen wie auf einen vorüberziehenden Strom.
"Du schmeichelst mir." gab ich ihr dann lächelnd zurück. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte. "Meine Familie, ja... ohne sie wäre ich nie so weit gekommen."
Können zählte ja nichts im Exercitus, wenn es nicht zusammen mit den richtigen Verbindungen daherkam. "Aber ich habe schon auch ziemlich mit meiner Familie gehadert, mit unserer Soldatentradition... Früher. Jetzt ist es gut so wie es ist. Aber damals – da bin ich wie du auch mal ausgebüxt, aber das ist auch nicht gut gegangen. Mein Vater – um genau zu sein hat er mich mittlerweile als seinen Sohn adoptiert, damals war er noch mein Onkel – hat mich dann großherzig aus dem ganzen Schlamassel wieder rausgeholt."
Ihre Offenheit brachte mich dazu, auch mehr zu erzählen als ich es für gewöhnlich getan hätte. -
Livianus würde Valentina sicher gleich ins Herz schließen, wenn.... Ja, wenn.
Jetzt oder nie, Faustus.
Minerva steh mir bei!
"Valentina?" Ich holte tief Luft... -
"Herein." rief ich, noch ein wenig verschlafen ob der frühen Stunde. Ich war gerade dabei, mich fertigzumachen, um mich in die Castra zu begeben.
"Morgen Varenus." grüßte ich meinen Cousin. "Was gibt's?" -
Und irgendwann da kam er, der Tag an dem das Wachen und Warten sich gelohnt hatte, und der Senat tatsächlich den klugen Aquilier zum Kaiser wählte.
Von meinem Posten am Eingang der Curia hörte ich die Antrittsrede des Auserkorenen. Ein "Kaiser für alle", das war nicht nur eine griffige Formel, es war auch das was das Reich brauchte.
Und wenn der Mann sich nicht gerade als neuer Caligula entpuppte, dann konnte es nach Desaster-Cornelius sowieso nur steil bergauf gehen. Ich für meinen Teil war entschlossen, den neuen Herrscher mit allen Kräften zu unterstützen. Auch wenn die Senatoren sich brüsten durften ihn gewählt zu haben, und die Garde sich nicht eingemischt hatte, real würde seine kaiserliche Macht erst durch die Unterstützung der Soldatenschaft des Reiches."Militeees!" sprach ich zu den Prätorianern. Auch heute waren es wieder zwei Centurien, die ich vor der Curia hatte antreten lassen. Aus dem Gebäude schallte Applaus.
"Es ist soweit. Wir haben einen neuen Kaiser. Macht euch bereit, den Imperator Caesar Augustus Tiberius Aquilius Severus angemessen zu begrüßen!"
Ein Raunen ging über das Forum Romanum, durch die Soldaten und Zivilisten gleichermaßen. Caligae scharrten, Rücken strafften sich, und wie der Wind durchs Weizenfeld streicht, so ging ein Wogen durch die Helmbüsche, als die Männer die Köpfe zum Eingang der Curia wandten. Kam er schon, der neue Kaiser? Nein, noch nicht...
"Aciem dirigite!" befahl ich. "Milites state! Oculos ad prosam!"
Und die Cornicen und Tubabläser wies ich an:
"Haltet euch bereit, den Imperator mit einem Ehrensignal zu empfangen!"
So harrten wir in in schönster Präzision und gespannter Erwartung des ersten Auftrittes unseres Kaisers. Ein andächtiger Schauer lief mir über den Rücken, bei dem Gedanken daran, welch historischen Tag ich gerade miterlebte. -
"Du hast recht!" stimmte ich ihm überrascht zu. "Das hatte ich gar nicht bedacht..." Dass man darüber, etwas wundervolles festzuhalten, womöglich verpasste, etwas noch wundervolleres zu ergreifen. "Du weiser Mann!" neckte ich ihn. So mühelos hatte er mich diesem Anflug von Melancholie entrissen.
"Oder in Bronze. Was dir lieber ist. Hm... Mamor ist göttlicher. Bronze würde zu deinem Teint besser passen..." murmelte ich, zärtlich seine klar geschnittenen Gesichtszüge mit den Fingerspitzen nachfahrend.
Wie jung wir waren... "Daran auch." grinste ich. Ich fühlte mich zwar bisweilen wie ein zerschlissener alter Veteran, doch aus der Perspektive meines imaginären Zukunfts-Ichs war ich wohl noch jung.
Überdrüssig? "Quatsch."Mmmh... wie herrlich war es doch, mich aufs neue in seinen Zärtlichkeiten sonnen zu dürfen...! Ich schmolz dahin, Borkan machte mich verrückt, er ahnte ja nicht wie verrückt er mich machte, und wiederum ergaben wir uns einander und unserer Leidenschaft. Ach! Viel zu selten waren diese gemeinsamen Nächte, sie waren die pure Seligkeit!
Irgendwann setzte ich mich auf, mich wohlig räkelnd und gähnend. Ich angelte mir einen Becher vom Beistelltisch, füllte ihn auf, und trank durstig.
"Du auch?"
Ich reichte ihm den Becher weiter. Paradiesische Erschöpfung legte sich warm und schwer über meinen Körper, und zufrieden seufzend fiel ich wieder neben ihm in die Kissen. Aber ach, da fiel mir ein dass ich ihm vorhin, als die Leidenschaft uns übermannt hatte, noch gar nicht alles erzählt hatte.
"Wegen vorhin, Corazon... also, wen ich ins Auge gefasst habe... Ich habe mir überlegt, Quintilia Valentina zu fragen. Sie ist doch echt große Klasse, findest du nicht auch? Sanft und gut, und schön und anständig... eine richtige Dame eben, und immer freundlich, und Familiensinn hat sie, und Schneid obendrein. Und ich glaube sie mag uns."
Ich gähnte und zog die Decke über uns, kraulte Borkan schläfrig den Nacken.
"Wahrscheinlich hat sie schon haufenweise Verehrer, aber ich kann es ja mal versuchen, nicht?" -
Hatte der Iunier denn bei der Garde nicht gelernt, wie man jemanden aushorchte? Oder versuchte er sich gerade daran, den Rüpel-Urbaner zu mimen, damit ich dann dem anderen alles erzählte? Wenn, dann gelang es ihm damit nur, mich, der ich doch eigentlich von mir aus schon ein großes Interesse daran hatte, die Urbaner über die Ergebnisse meiner Ermittlung zu informieren, zum zweifeln zu bringen ob das wirklich sinnvoll war. Oder nur verschwendeter Atem. Indigniert erhob ich mich.
"Lass dir gesagt sein Iunius, dass du auf diese Weise als Ermittler nicht weit kommen wirst. Beweise fliegen einem im seltensten Falle wie gebratene Tauben in den Mund. Beobachten, zuhören, hinterfragen, geduldig weiterforschen – den Kopf zum Denken benutzen, und nicht wie einen Rammbock – dies ist das notwendige Handwerkszeug."
Ob es vielleicht daran lag, dass ich als privater Ermittler unterwegs war? In den Schundgeschichten, die ich früher so gern gegelesen hatte, da traffen die genialen privaten Ermittler auch immer auf ausgesprochen tumbe Urbaner. Vielleicht war das in der Realität ja so ähnlich. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, als Urbaner damals bei solchen Begegnungen besonders tumb gewesen zu sein, oder besonders geniale private Schnüffler getroffen zu haben...?
Womöglich alles eine Frage der Perspektive.Der Miles begutachtete das Indiz allerdings wesentlich aufmerksamer als sein Vorgesetzter. Er hatte einen aufgeweckten, klaren Blick, und dann war ihm mit einem Mal deutlich die Empörung anzusehen. Darum erbarmte ich mich, und erklärte ihm auf seine Frage hin:
"Wenn du diese Tabula betrachtest, Miles, musst du zugleich den gesamten Fall ins Auge fassen.
Primum: Die Tötung des Händlers hat etwas hochgradig inszeniertes. Am hellichten Tage – auf dem belebten Markt – und zudem durch einen Mann, der sich gleich darauf selbst ersticht. Ginge es nur darum, jemanden aus dem Weg zu räumen, gäbe es wesentlich einfachere Wege. Doch all dies, was da aufgeboten wurde, ist dazu geeignet, maximale Aufmerksamkeit zu erregen.
Secundum: Wenn wir den Inhalt der Nachricht noch kurz beiseite lassen - einen Sicarius aufzutreiben, der sich nach der Tat selbst ersticht, das ist verteufelt schwierig. Auch Mörder hängen an ihrem Leben. - Was also kann einen Menschen dazu bringen? Fanatismus. Doch selbst iudäische Zeloten nehmen ihren eigenen Tod eher in Kauf, als dass sie sich selbst entleiben würden. Eine Beziehungstat. In Konstellationen von Eifersucht und Verzweiflung kann es im Ausnahmefall zu einem solchen Mord kommen – doch dazu passt das Vorhandensein der Tabula wiederum nicht. Viel Geld für Hinterbliebene, extreme Furcht, Drohungen gegen Nahestehende, das sind mögliche Antriebsfaktoren. (Und Wahnsinn. Aber Wahnsinn zieht immer, und du solltest ihn erst als ultima ratio in Betracht ziehen.) Ergo – allein dies spricht für einen Auftraggeber mit einem gewissen Vermögen und/oder dem Talent zur Erpressung."
Sobald ich einmal anfing mit dem dozieren, da packte mich trotz allem wieder die Faszination daran, einen Fall Steinchen für Steinchen zu betrachten und nach und nach herauszupuzzeln welche Mosaikbilder sich daraus zusammensetzen ließen.
"Tertium: Die Tabula. Regelmäßiges Schriftbild, korrektes Latein, keine Rechtschreibfehler. Spricht für einen gebildeten Auftraggeber. Oder gebildeten Komplizen des Auftraggebers, versteht sich.
Doch etwas macht stutzig an dieser Tabula."
Ob es ihm bereits aufgefallen war?
"Es steht darauf, der Mörder solle sie ausstreichen. Doch das ist kaum geschehen, wir können sie noch immer gut lesen. Würde ein Mann, der erpresst wird und der, um seine Frau und seine Kinder zu retten, die ungeheuerliche Tat begeht, nicht nur zu morden sondern auch sich selbst zu töten, würde ein solcher Mann eine so einfache Anweisung missachten? Nein. Er würde nicht das Risiko eingehen, dass der Erpresser die Drohung wahr macht und die Familie ermordet. Er hätte die Tabula ebenso gewissenhaft gelöscht, wie er das Leben des Händers ausgelöscht hat.
Ergo – diese Tabula ist dazu gedacht, gefunden zu werden. Sie ist eine plump gelegte falsche Fährte.
Quartum solltest du fragen, Miles: Cui bono? Wer profitiert davon, wenn öffentlichkeitswirksam ein Mann abgestochen wird, der kurz zuvor noch erzählt hat: 'das Iuliermädchen, das Vestalin werden will, hat Unzucht getrieben'. Und wenn durch die Tabula gleichzeitig verbreitet wird: die Geschichte von Iulias Eskapaden sei nur eine böswillige Verleumdung, in Auftrag gegeben von demselben Schurken, der auch den Mord plus Selbstmord veranlasst habe."
Ich fixierte den Miles, gespannt auf seine Antwort.
"Rein hypothetisch Miles, ganz spontan ins Blaue hinein gedacht, welche Personen würden davon profitieren?" -
Besser verbrennen, als zulassen dass sie in fremde Hände fallen, dass fremde Menschen roh spottend meine intimsten Geständnisse lesen! so dachte ich vorwurfsvoll. Aber ich hatte Manius' Briefe auch nicht verbrannt, bevor ich in den Bürgerkrieg zog, sie bloß gut versteckt... und ich war bei meinem Aufbruch auch nicht, so wie er, in unmittelbarer Todesgefahr gewesen... (Ich hätte meinen Vorwurf ja zurückgenommen, wenn ich nur zu Wort gekommen wäre.)
Wie, was, gülden, Schwingen, tragen, trugen, Hoffnung...? Ich war perplex, ich hatte nicht gewusst, dass die Briefe ihm immer noch so wichtig waren. - Nein. Gewesen waren.Aber natürlich! Vescularius war an allem schuld. Und die liebe gute Aurelia Prisca hatte nur aufgepasst auf die Briefe, na klar doch.
"Hast du nicht gehört was ich gerade sagte?!" Ich hasste es, wenn meine Gegenüber ihnen nicht genehme Worte einfach überhörten.
"Sie. Hat. Mich. Mit. Meinen. Liebesbriefen an dich. ERPRESST!! - Sie war kaltblütig dazu bereit, nicht nur meine, sondern zugleich natürlich auch DEINE Reputation in aller Öffentlichkeit in den Schmutz zu treten! Und ich kann dir sagen: Sie meinte es ernst, es war keine leere Drohung!"
Davon war ich überzeugt. Die Aurelia war ein schwarzherziges Biest, eine Femme fatale und meisterhafte Manipulatorin. Die Sergia war ja schon eine gefährliche Schlange, aber die Aurelia spielte in einer noch ganz anderen Liga. Der einzige Fehler den sie gemacht hatte, der war, sich für unangreifbar zu halten. Hochmut war ihre Achillesferse.Manius stand nun direkt vor mir, durchbohrte mich mit seinem Blick und machte mir Vorhaltungen, die in meinen Ohren ausgesprochen selbstgerecht tönten. Ich hatte ein Déjà-Vu, ein furchtbares Gefühl von Unausweichlichkeit, und als er dann auch noch entschlossen schien, mich einfach stehen zu lassen und fort zu gehen, haargenau so wie Hannibal damals, haargenau so wie Dives es getan hatte, rollte eine kalte Woge der Angst über mich hinweg, und völlig irrational panisch griff ich nach seinem Arm, und:
"Warte! Warte, Manius! Bitte warte...." flehte ich ihn förmlich an, "Ich habe es nicht so gemeint, ich..." musste ihn aufhalten, alles andere war nichtig dem gegenüber... "Es tut mir leid! Hörst du?! Ich habe kein Recht mich einzumischen, es geht mich nichts an, du musst tun was du für richtig hältst! Diese Ha... Frau vermag gewiss eine respektable Fassade zu zeigen, und dir nützlich zu sein - solange wie sie auf deiner Seite ist! Nur bitte, glaub mir doch bitte verdammt noch mal, was ich dir erzählt habe! Manius, diese Frau war dazu bereit uns beide zu vernichten, und sie hasst mich bis aufs Blut, sie wird versuchen dich gegen mich aufzuhetzen, und bei allen Göttern, ich habe eine Scheiß-Angst dass ihr das gelingt!!"
Gehetzt brachen die Worte aus mir hervor, die Angst, die abgeschabten Rest-Verbindungen die noch zwischen uns waren, auch noch gekappt zu sehen, die Angst ihn vollends zu verlieren, ließ mich keinen Gedanken mehr daran verschwenden vor ihm mein Gesicht zu wahren, ich umklammerte seinen Arm, griff nach seiner Schulter, umfasste sie fahrig in dem furchtsamen Bestreben ihn zu halten.
"Gerade wo wir... wieder einigermassen normal... miteinander reden können. Konnten bis gerade jetzt, verdammt, es ist so entsetzlich fragil! - Und ja, ja ich bin mit Borkan zusammen, aber du täuschst dich, er ist es der mich gefunden hat als ich.. verloren war, aber so was von verloren, und ohne ihn stünde ich jetzt nicht hier, aber auch ich habe eine Familie und Pflichten und komme nicht länger um eine Ehe herum. Es ist nicht das, nicht dass du heiraten willst, wer bin ich denn dass ich ein Recht hätte da irgendwie...... Nein, es ist doch nur dass du ausgerechnet... sie......" -
Ich hatte recht? Bona Dea - ich blinzelte verblüfft - was war denn jetzt passiert? -
Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass er handeln würde. Doch er war nun mal Politiker. Zumindest seine Zustimmung hatte ich – auch gut.
"In Ordnung." antwortete ich. Es ehrte mich, dass Livianus mich als seinen Nachfolger sah, und ich fühlte mich dem mittlerweile auch gewachsen. Trotzdem hoffte ich natürlich, dass das "irgendwann" noch in weiter Ferne lag."Darüber hinaus... gedenke ich, sobald etwas Ruhe wieder eingekehrt ist, den Mord an unserem Klienten, den Sklavenraub, die Misshandlungen und Verwüstungen, die die aufständischen Soldaten der Legio II hier in unserem Haus begangen haben, vor Gericht zu bringen. Ich habe die Sklaven eingehend befragt: Der Centurio, der diese Marodeure angeführt hat, hat seinen Namen laut herausposaunt, bevor sie sich ans Morden und Plündern gemacht haben. Zeugen gibt es genug. Auch Familienmitglieder, nicht nur Sklaven. Und sogar ein Senator ist darunter."
Nachdenklich fuhr ich mir übers Kinn, blickte meinen Vater fragend und auffordernd zugleich an.
"Aber ich möchte dir natürlich nicht vorgreifen. Als Pater Familias ist es ja dein Vorrecht, diese Anklage zu erheben und unsere Familie zu vertreten."
Natürlich würde es mehr Gewicht haben, wenn er selbst in den Ring stiege. Wenn er das denn wollte. -
Was für ein Gebrüll! Neugierig verdrehte ich den Kopf zu den Verschlägen mit den Kreaturen der Unterwelt, als wir da vorübergingen. Bestimmt war es nur Nepp - aber man wußte ja nie. Ich war so viel rumgekommen, und hatte doch noch nie ein wirkliches Ungeheuer gesehen, ausser den Krokodilen im Nil, und einmal einen großen Hai, vom Schiff aus, (und der Harpie in Menschengestalt Aurelia Prisca). Selbst die blemmyschen Kephalopoden im Zwölfmeilenland hatten sich bei näherer Betrachtung ohne ihre Schilde als ganz gewöhnliche Wilde entpuppt. Ich fragte mich, ob die Monstren der Sagen und Reiseberichte vielleicht mittlerweile alle erlegt waren, oder sich zurückgezogen hatten jenseits der Grenzen der zivilisierten römischen Welt?
Aber so lumpige Buden waren natürlich nichts für die Mädchen und Damen. Mir gefiel es, wie fürsorglich Valentina über ihre Nichten wachte.Wir bummelten weiter, plauderten entspannt über dies und das, und kamen zu einem Stand mit sehr hübschem Schmuck. Während Valentina die Broschen erstand, suchte ich nach einem Mitbringsel für meine Nichte Messalina. Ich fand einen feingearbeiteten silbernen Haarkamm, geziert von einer Eule mit ausgebreiteten Schwingen, stilisiert, mit kleinen Mondsteinen verziert. Aber ob sie sowas überhaupt tragen durfte? Nun ja, wenn nicht, dann konnte sie sich damit ja die Haare kämmen.
Icarion erstand das Schmuckstück, und ich schlenderte wieder neben Valentina einher. Am liebsten hätte ich ihr den schönsten Schmuck, der sich hier nur auftreiben ließ geschenkt, um sie weiter aufzuheitern, aber Dentata hatte mir vorhin noch eindrücklich eingeschärft, es nicht zu übertreiben, um nicht großspurig oder verschwenderisch zu erscheinen. (Verschwenderisch, ich?)
"Das würde ich mir nicht anmaßen." meinte ich, als Valentina wieder von ihrer Entscheidung sprach. Worum es da wohl ging? "Aber wenn es was gibt wo ich helfen kann, sag Bescheid."Der Dichterwettstreit, bei dem die Redner alle das hohe Lob Minervas sangen.... erinnerte mich fatal an die Wett-Lobpreisungen des Bacchus, damals, auf der legendären Meditrinalienfeier. Ein tiefempfundenes Seufzen entfleuchte meiner Brust, als ich mir vorstellte wie Manius, wenn er jetzt dort im Ring stünde, brillieren und alle anderen in die Knie zwingen würde.
Valentinas scherzen brachte mich zurück in die Gegenwart. Ich folgte ihrem Blick zu den Zwillingen und meinte schmunzelnd zu ihr:
"Du stellst dein Licht unter den Scheffel, du Wortgewandte." Und mit einem Augenzwinkern behauptete ich grinsend, um sie ein wenig zu necken: "Aber sittsames Schweigen ist ja auch die höchste Zier einer Dame, nicht wahr?"
Und Wollarbeiten. Ob Valentina wohl spann und webte?
Wir spazierten weiter zwischen den Buden entlang, sahen eine exotische Tänzerin, die den Körper einer Schlange zu haben schien und einen kunterbunt gekleideten Gaukler mit kahlgeschorenem Schädel, der souverän mit Fackeln jonglierte.
"Wo kommst du eigentlich her, Valentina, bis du hier aus Rom gebürtig?" fragte ich sie irgendwann, neugierig sie besser kennenzulernen.Die custodes hatten währenddessen ganz schön zu tun, uns die aufdringlichen Verkäufer vom Leibe zu halten.
"Nein, die Herrschaften wollen die Dame mit dem Bart nicht sehen! Nein, wirklich nicht." raunzte Stykar, erst einen Schlepper beiseiteschiebend, dann den stimmgewaltigen Bauchladenmann. "Und, nein - was? - nein, die Asche eines Eulenbalges zur Behandlung von Wahnsinn ist auch nicht vonnöten..." -
Untadelig?! Mir entwich ein gepresstes Auflachen bei dieser Bezeichnung, dann biss ich wiederum die Zähne aufeinander, hörte mühsam beherrscht Manius unerträgliche Worte, nach denen es mich nicht mehr auf der Kline hielt, so dass ich aufsprang, und kopfschüttelnd, eine Hand zur Faust geballt, mit der anderen hilflos gestikulierend, im Raum herum ging.
"Das... das ist aberwitzig... ich glaube es einfach nicht..."
War es nicht grausig genug, dass Dives eine erpresserische Megäre, die mich hasste, geheiratet hatte? Welche Schicksalsmächte hatten sich gegen mich verschworen, dass nun auch Manius sich an eine erpresserische Harpie (die mich wahrscheinlich noch viel mehr hasste) binden würde?!
"Manius, du..." Verzweifelt ging ich auf ihn zu, hielt wieder inne. Das war ja wie ein Fluch!!
Du darfst das nicht! wollte ich ihm entgegenschreien, und verächtliche Tiraden gegen die Harpie lagen mir auf der Zunge, drängten machtvoll danach, gesagt zu werden, doch zugleich wusste ich ganz genau, dass ich es damit nur schlimmer machen würde. Alles schon gehabt. Er hatte sich ja offensichtlich entschieden. Je mehr ich versuchen würde ihn davon abzubringen, um so mehr würde er sich von mir abwenden, und wie Ödipus würde ich am Ende selbst das Unglück, dass ich abzuwenden versuchte, eben dadurch über mich bringen. Das Unglück ihm fern zu sein.
Mierda.
Schon jetzt hatte er sich wieder in seine eisige Gravitas gehüllt, und sah mich an wie... irgendeinen dahergelaufenen Störenfried. Aber jetzt nichts zu sagen, das ging über meine Kräfte.
"Diese... überaus untadelige Frau hat mich erpresst." stieß ich aufgewühlt hervor. "Und zwar mit den Briefen, die ich dir damals geschrieben habe - und auf die du, nebenbei gesagt, ruhig besser hättest aufpassen können. Sie hat sie gestohlen und mich damit erpresst! ... Aurelia Prisca ist alles andere als honorig, halbnackt habe ich sie damals angetroffen, eine Orgie mit ihren Sklaven feiernd. Und..."
Gekränkt hob ich das Kinn, berichtete Manius mit einer Empörung, frisch wie am ersten Tag: "... Sie nannte uns Pathici." -
"Bedenke mit wem du sprichst." wies ich den jungen Iunier scharf zurecht. Er hatte unter mir gedient, er kannte meinen Ruf, und quatschte mich doch so unverschämt an als hätten wir früher zusammen Schweine gehütet.
"Erdreistest du dich gerade tatsächlich, mir zu unterstellen, es ginge hier um persönliche Streitigkeiten?" Verärgert schüttelte ich den Kopf. "Ich muß mich wohl verhört haben, Optio. - So du deine Ermittlungen bisher sauber durchgeführt hast, so sollte dir nicht entgangen sein, dass der Ermordete vor seinem Tod eine etwas heikle Geschichte über eine Vestalin in spe weitererzählt hat. Ein Mädchen, welches zufällig die Adoptivtochter des senatorischen Tribuns Iulius ist."
Ich konnte nicht glauben, dass ihnen dieser Zusammenhang nicht aufgefallen war. Dafür hätte man doch sehr schlampig ermitteln müssen, und die Hartnäckigkeit mit der sie sich an Borkans Fersen geheftet hatten, die sprach für das Gegenteil von schlampig.
"Du verkennst die Situation, Optio, wenn du meinst, es ginge hier darum, für oder gegen Iulius zu arbeiten. Es geht einzig und allein darum, dieses sonderbare Verbrechen aufzuklären, dessen ungeachtet was Iulius dazu meint. Er kann diese Ermittlung, allein dadurch dass der Name seiner Familie darin fällt, nicht mehr unvoreingenommen betrachten. Das..." Ich zögerte, fuhr dann aber doch fort, nun an beide Urbaner gerichtet: "...hat sich gerade bestätigt. Ich habe nämlich versucht, ihn über das was ich herausgefunden habe in Kenntnis zu setzen." Müde und entnervt von dem ganzen Geschrei das daraus entstanden war, rieb ich mir mit zwei Finger die Nasenwurzel. "Er wollte aber nicht einmal zuhören. Letztendlich... führt kein Weg daran vorbei, dem Stadtpräfekten direkt über diese ganze seltsame Angelegenheit Bericht zu erstatten."
Worauf ich natürlich so gar nicht scharf war. Ich ahnte ja nicht, dass mein Vater mir schon bald die Hand reichen würde, und wir das Zerwürfnis kitten und uns wieder versöhnen würden.
"Ihr werdet verstehen warum, wenn ihr euch die besagte Tabula anseht..."
Mit diesen Worten holte ich das Objekt der Begierde hervor und zeigte es den beiden, erst einmal stumm ihre Reaktionen beim Lesen verfolgend.
DER SYRER HAT SEINEN ZWECK ERFÜLLT. DAS GERÜCHT IST IM UMLAUF. JETZT LASS IHN SEINE BEZAHLUNG ERHALTEN UND BEREITE SEINEM LEBEN EIN ENDE. DANACH, WENN DIR DIE LEBEN DEINER FRAU UND KINDER DAS WERT SIND, BEENDE AUCH DEIN EIGENES LEBEN. SEI GRÜNDLICH UND LÖSCHE AUCH DIESE TABULA, BEVOR DU ZUR TAT SCHREITEST.MIT ERWARTUNGSVOLLEM GRUSS DEINES KLEINEN SOHNES
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Flauten gibt es doch immer wieder mal. Ich finde es übertrieben deswegen so in Untergangsstimmung zu verfallen. Wenn der neue Kaiser in Aktion tritt, wenn er öffentlich auftritt, und wenn es endlich wieder Wahlen, Ernennungen, Ludi usw gibt, dann wird das dem Spiel in Rom sicher einen neuen Energieschub verpassen.
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Zitat
Original von Loukia
„Aber ja. Selbstverständlich habe ich das gebacken.“ strahlte Loukia selig.
„Leider kann ich hier nur eine sehr bescheidene Auswahl meiner Gerichte präsentieren.“ begann sie zu plappern,
„Von der ganze Vielfalt meiner Coquina kann man sich in der Caupona Aluta überzeugen lassen, es wäre mir eine außerordentliche Freude, dich dort als Gast begrüßen zu dürfen. Man findet uns in Trans Tiberim, zwei Gassen südwestlich des Pons Cestius. Es ist leicht zu finden, eigentlich immer der Nase nach.“
Das reicht jetzt Loukia, schwafel deinen Kunden nicht die Ohren voll, rief sie sich zur Ordnung. „Mmhhhja, also sechsmal Pfeffergebäck für acht Asse das Stück, das macht dann nochmal zwölf Sesterzen, mein Herr.“[Blockierte Grafik: http://imagizer.imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg] | Decimianus Icarion
"Immer der Nase nach -" lachte Icarion, mit geblähten Nasenflügeln tief einatmend und die verlockenden Düfte von Loukias Speisen witternd, "das glaube ich gern! Da werde ich bestimmt einmal vorbeischauen."
Trans Tiberim, zwei Gassen südwestlich des Pons Cestius, Caupona Aluta, prägte er sich ein. Das war gar nicht so weit von der Herberge zum Salamander entfernt, wo sie damals diesen strapaziösen Winter hatten verbringen müssen. Es bestätigte sich immer wieder: Trans Tiberim war groß im Kommen. Schmieriger Garküchenfrass wich exclusiver Kochkunst, ranzige Ureinwohner wurden von adretten Neuhinzugezogenen verdrängt, und natürlich stiegen die Mieten.
Dankend nahm er das hübsche Päckchen entgegen, bezahlte das Pfeffergebäck, dazu natürlich auch noch die Auswahl der Zwillinge (die, wie er bemerkte, nur ganz bescheiden zugegriffen hatten), und legte der süßen Griechin noch zwei Denarii Trinkgeld dazu.
"Vale bene!"
Gute Geschäfte musste er ihr wohl kaum wünschen, so heißbegehrt wie ihre Werke waren, so bestürmt wie ihr Stand wurde. Das Palmblätterpäckchen übermütig am Bastband schwenkend, gesellte Icarion sich schnell zu seinen Kollegen, bevor die ihm alles weggegessen hatten.
"Heda ihr Scheunendrescher, lasst mir auch noch etwas übrig..."
Kurz darauf kehrte er noch einmal zum Stand zurück und brachte die leeren Becher wieder, da war schon fast kein Durchkommen mehr.~ ~ ~
ZitatOriginal von Quintilia Valentina
"Vielleicht ergibt sich mal die Gelegenheit, dass ich deine Schwester treffe. Ich würde sie gerne einmal kennenlernen." Meinte Valentina dann als Serapio ihr von ihr erzählt hatte. Das musste eine sehr starke Frau sein und vielleicht konnte sich Valentina etwas von ihr abschauen oder sie gar um Rat fragen. Doch dann müsste sie ziemlich bald auf eben diese Schwester treffen und dies war sicherlich Wunschdenken. Nein, diese Entscheidung musste sie selbst treffen.
Auch sie hob ihren Becher, als Serapio seinen Trinkspruch verkündete und sah ihn dankbar an.
"Und mich vor unklugen Entscheidungen bewahren." Murmelte sie leise und nahm dann schnell einen Schluck aus ihrem Becher.
Die Süßigkeit von angebotenen Palmblatt kostete Valentina dann und schloss genießerisch die Augen. "Du hast recht, es schmeckt vorzüglich."
Als sie dann den Befehl an einen der Begleiter hörte, schmunzelte Valentina und sah seitlich zu Serapio auf. "Er wird sich bestimmt darüber freuen." Meinte sie dann leise.
Dann aber sah sie wieder zu ihren Nichten hinüber. "Sieh dir die beiden Naschkatzen an, stehen zusammen und versuchen sogar im gleichen Takt zu kauen, nur damit sogar ich mir heute schwer tue sie auseinander zu kennen." Sie lächelte liebevoll.
"Obwohl mein Bruder tot ist, sehe ich es als ein Geschenk, dass die Beiden zu mir gekommen sind. Ich bin sehr dankbar dafür und ich hoffe ich kann ihnen zu einer bessere Zukunft mit guten Aussichten verhelfen."
Wieder ein Seufzen, bevor Valentina von ihrer Süßspeise naschte. Nein, all der Gesang und die ausgelassene Stimmung um sie herum konnten nichts gegen ihren Schwermut tun.Valentina mit meiner Schwester bekannt zu machen, das fand ich eine wunderbare Idee und nickte energisch. Gerne hätte ich mir auch zu meinem Vorhaben von Seiana einen guten Rat geben lassen, doch mein Instinkt sagte mir, dass es besser war nicht zu lange zu zaudern. Eine so zauberhafte Frau wie Valentina hatte sicherlich an jedem Finger ein dutzend Verehrer, sie würde nicht lange alleine bleiben, da hieß es beherzt auf das Ziel zu halten.
Allerdings war mir gerade nicht sonderlich beherzt zumute. Als Valentina etwas murmelte, davon dass sie 'vor unklugen Entscheidungen bewahrt' sein wollte, fragte ich mich sogleich, ob das etwa ein subtiler Hinweis an mich sein sollte...? Nein, bestimmt nicht, sie hatte doch eben von einer familiären Entscheidung gesprochen. Ganz schön nervenaufreibend war das. Vielleicht hätte ich die ganze Sache doch lieber meinen Tanten überlassen sollen, die kannten sich auf diesem Terrain viel besser aus als ich. Hilfesuchend blickte ich zu Dentata, die mir wohlwollend zunickte. Dann lief es wohl doch gar nicht so schlecht.
"Ich liebe Pistazien, in jeder Form." plauderte ich. Valentina hatte mich durchschaut, für wen das Päckchen war, und ich lächelte schief, dankbar für die lockere Selbstverständlichkeit mit der sie Borkan zur Sprache brachte. "Bestimmt."
Doch noch immer war diese Melancholie um sie herum. Ich folgte ihrem Blick zu den Zwillingen, und ja, in dem Augenblick schienen sie wirklich vollkommen synchron.
"Die Familie um sich zu haben ist immer ein Segen. - Und... ähm... wenn ich dir irgendwie.. zur Seite stehen kann, du weißt ja. Aber das sollten wir vielleicht später in aller Ruhe besprechen?"
Wie auch das was ich auf dem Herzen hatte.Denn hier umrauschte der festliche Lärm uns von allen Seiten, Stimmengewirr, Schritte und die Klänge und Gesänge verschiedener Gruppen von Musikern, die sich seltsam zusammenmischten. Aus dem Menschentraube vor dem Stand wo wir eben gewesen waren, erhob sich über das allgemeine Gerede das schrille Keifen einer wohlbeleibten Dame:
"Gütige Iuno! Hinten anstellen! Gilt auch für Urbaner! Und... ooooh, die armen Kleinen, ganz verschreckt! Neeein, kleiner Marculus, nicht weinen, der Mann tut nur so böse. - DU, ja DU junger Mann, dich meine ich, du Grobian, wie kannst du nur die armen Kinderchen so erschrecken?!!"
Während ein vorüberziehender Händler, mit einem schmuddeligen Bauchladen schwer bepackt, aus voller Kehle röhrte:
"Gestampfter Eulenmagen! Erstklassiger Eulenmagen! Fein gestampft! Nur eine einzige Prise davon wirkt gegen Koliken, Bauchgrimmen und Hartleibigkeit! Sofortige Linderung, auch bei schweren Fällen!"
Von einer Bude etwas weiter, wo man mit Lederbällen auf Amphoren werfen konnte, erscholl Klirren und Scheppern, Gelächter und Johlen...Ich verspeiste den letzten Bissen des hinreissenden Gebäcks. Mein Wein war ausgetrunken, und Icarion brachte die leeren Becher zurück.
"Wollen wir uns weiter umsehen?" schlug ich mit Blick in die Runde vor. Nicht dass die jungen Damen sich langweilten, wenn wir nicht über die erste Attraktion hinauskamen. Wiederum überließ ich es Valentina, wo wir uns nun als nächstes hinwenden würden. -
Das Nachglühen der Leidenschaft umhüllte uns wohlig, und so lagen wir, lange Zeit, vollkommen im Einklang und eng aneinander geschmiegt. Ich hielt ihn in meinem Arm, legte den anderen quer über seine Brust, und hielt ihn so, ganz von meinen Armen umschlossen, wie von einer Festungsmauer gegen alles Ungemach, ihn, mein Glück, während mein Atem ruhiger wurde und der Schweiß auf der Haut langsam trocknete.
"Ich möchte..." flüsterte ich irgendwann, und streifte seine Schläfe ganz sacht mit den Lippen, "Ich möchte diesen Augenblick dem Strom der Zeit entreissen."
Nie sollte diese Wärme erkalten, nie diese Seligkeit schal werden, niemals wieder sollte einer von uns allein sein. Ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf meine Lippen, schon als ich es nur dachte. Denn ja, es gab diese Augenblicke, die wie Felsen aus den Strom der Zeit herausragten. Momente des wahren Glücks. Und dieser war einer von ihnen. Doch zuletzt obsiegte immer die Zeit. So viele Augenblicke, die einst mein Sein angefüllt hatten, waren verblasst, zerronnen und schon halbvergessen, und so viele meiner Weggefährten, einst voll praller Lebenskraft und Intensität, waren vergangen, verschwunden, fern von mir, fremd geworden, oder nur mehr Staub und Asche, Schatten und Erinnerungen die eines Tages mit mir vergehen würden.
Bleib bei mir. Bleib bei mir. Bleib bei mir... hoffte ich, ihn ungestüm fester umschlingend. Und ich werde es nicht versauen. Nein, diesmal nicht. Diesmal werde ich es nicht versauen...
Sein Atem. Sein Herzschlag. Der dunkle Vorhang seiner seidig langen Wimpern, und dahinter die orientalische Unergründlichkeit seiner Augen.
"Ich möchte..." raunte ich ihm ins Ohr, "dich in Marmor portraitieren lassen, ich möchte dein Bildnis in meinem Fortunatempel aufstellen, denn du bist mein Glück, und..." Nun musste ich selbst schmunzeln, über meine eigene Sentimentalität, und doch gefiel es mir, mir das auszumalen, wenn auch schüchtern und scherzhaft: "...stell dir vor, wenn wir dann irgendwann mal alt und grau sind, und zusammen auf einer Bank in der Sonne sitzen, um unsere morschen Knochen zu wärmen, und ich dich in die Arme nehme, so wie jetzt, genau so... dann blicken wir auf diese Statue und erinnern uns an diesen Moment jetzt, genau jetzt..." -
"Was?! Bei allen Furien!" fuhr ich auf, und starrte Manius mit vor Unglauben und Schrecken geweiteten Augen an. Die Aurelia...?!
"Aurelia Prisca?" stammelte ich, "die klauenbewehrte Harpie, die schamlose Schlampe? Aber... aber Manius... die willst du heiraten..??!"
Dass er wieder heiraten musste, das an sich leuchtete mir schon ein, und ich trug mich ja mittlerweile sogar selbst mit solch bürgerlichen Gedanken, und im Grunde ging es mich auch gar nichts mehr an, aber.... aber.... dieses furchtbare Weib?! Ich wurde ganz bleich bei der Vorstellung, wie sie ihr Gift in seine Ohren träufeln würde, und ihn gegen mich aufbringen, wie sie auch noch die allerletzte Verbindung zwischen uns kappen würde, und wie sie... triumphierend ihre langen schmalen Patriziergliedmaßen geschmeidig um ihn herumwinden würde, wie die Ranken einer würgenden Schlingpflanze, wie ein fleischfressendes Dschungelgewächs, wie eine kränklichgrelle Orchidee deren Duft einem widerlichsüß den Atem raubte. Bis Manius ihr irgendwann ganz gehören würde, und mich ebenso scheel ansehen würde wie Dives, mir alles mögliche unsinnige unterstellen würde, und und mir ebenso boshaft entgegenschmettern würde: 'Ich wünschte ich hätte dich nie getroffen!'.
Das kann doch nicht wahr sein...
"Hat sie... hat sie dich etwa erpresst....?" murmelte ich entgeistert, meine Hand um die Lehne der Kline gekrallt, so fest dass die Knöchel weiß hervortraten. -
Auch wenn Valentina nur sehr zurückhaltend erzählte, klang das alles andere als unbeschwert.
"Ich verstehe," sagte ich voll Mitgefühl (zumindest glaubte ich zu verstehen). "Meine Schwester Seiana hat auch lange Zeit die Verantwortung für unsere Gens hier in Rom allein auf ihren Schultern getragen. Damals war mein Vater ins politische Exil nach Hispania getrieben worden, und ich diente weit weg in Ägypten bei der Legio XXII. Meine Schwester hat das bravourös gemeistert – wie sie eigentlich immer alles hinkriegt - aber... ja, wie du sagst, es lastet nun einmal schwer, und es hat ihr viel abverlangt."
Es war eben einfach nicht natürlich, dass eine Frau gezwungen war "ihren Mann zu stehen". - Wäre dies nicht genau der richtige Augenblick, um mit der Tür ins Haus zu fallen und mit meinem Vorschlag herauszurücken? Aber hier, so zwischen Süßigkeitenstand und Getümmel, die Hände voll Leckerbissen? Stilvoll wäre das nicht.
Nervös hielt ich mich an meinem Becher fest. Dann hob ich ihn und trank ihr zu.
"Auf dich, Valentina. Auf die Stärke mit der du deine Familie durch die schweren Zeiten gesteuert hast, und auf die Kühnheit, die du unter deinem Liebreiz und Sanftmut verbirgst." sprach ich, ernsthaft und voll Wärme. "Möge Fortuna -" Hier kippte ich den Becher, und ließ einen guten Schluck auf das Straßenpflaster schwappen. "in der Zukunft für dich nur das allerbeste bereithalten."
Der Wein war genau richtig mit Honig versetzt, lieblich aber nicht zu süß. Ich nahm auch einen ersten Bissen von dem Gebäck – und stockte, ganz andächtig.
"Mhm! Fabulös!" schwärmte ich, diesen Trialog von Pistazien, Pinienkern und dem raffiniert gewürzten scharf-süßen Teig genießend.
"Ist deins auch so gut? Das hier ist wirklich ein Gedicht, das mußt du probieren!"
Enthusiastisch hielt ich Valentina das Stück Palmblatt mit den Dulcia piperata hin, um sie auch kosten zu lassen.
Das war so gut, da mußte ich unbedingt Borkan auch etwas davon mitbringen.
"Icarion, kauf bitte noch was davon!" rief ich meinem Ex-Leibsklaven zu, auf das Pfeffergebäck deutend. "Zum Mitnehmen."~ ~ ~
[Blockierte Grafik: http://imagizer.imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg] | Decimianus Icarion
Vom Strahlen der Verkäuferin angesteckt, hatte Icarion beinahe ebenso sonnig lächelnd die zwanzig Sesterzen auf den Tisch gezählt. Was für zivile Preise. Und dem Patron hatte es gemundet, so gut dass er nach mehr verlangte. Auch die Leibwächter schienen glücklich, besonders Styrkar, der gerade schon den ersten blankgenagten Knochen wegwarf und gierig nach dem nächsten Rippchen griff.
Schmunzelnd deutetet der Hispanomauretanier auf das Pfeffergebäck.
"Also noch ein halbes Dutzend davon bitte, zum Mitnehmen."
Loukias Speisen.
"Hast du das gebacken?" erkundigte er sich. Bestimmt, so stolz wie sie sie anpries. "Wo bietest du deine Speisen denn für gewöhnlich an?"
Es war ja nie verkehrt, etwas zu wissen mit dem man den Patron in Verzückung versetzen konnte. -
"So ist es doch beinahe immer." sagte er abgeklärt.
"Aber in dem Ausmaß!" fiel ich ihm da heftig ins Wort.
Der Giftmord an den Ulpiern war der größte Frevel den man sich nur vorstellen konnte, ein Bruch der heiligsten Prinzipien, die das Imperium zusammenhielten, und Auslöser des seit Generationen schlimmsten Krieges - im Herzen des Reiches! Als Römer dem gegenüber gleichgültig zu sein, das sprengte bei weitem den Rahmen des ganz normalen menschlichen Phlegmatismus und Opportunismus. Es war schlichtweg: abnormal.
Ich biss die Zähne zusammen, um nicht wieder damit anzufangen, und damit zwangsläufig auch wieder Manius mit zu beschuldigen, es war damit ein für alle mal genug. Und sagte mir:
Einfach mal Schnauze halten, Faustus.
Der Wert lag im Resultat. Je näher an der Wahrheit um so besser. - Im Prinzip stimmte ich dem zu. Aber mit Bauchschmerzen. Ich dachte mir nämlich, dass man sich mit dieser Maxime jedwede schändliche Tat, alles Ehrlose, immer irgendwie als wertvoll beschönigen könnte. Auch wenn ich mir sicher war, dass Manius diese Implikation nicht beabsichtigte. Im Grunde... - und das wurde mir, als ich ihn so kraftvoll von der Notwendigkeit des bestmöglichen Kaisers sprechen hört, auf einmal wieder so messerschaft bewußt – war er der redlichste und aufrechteste Mann den man sich denken konnte, so ehrenhaft und idealistisch wie man es als Senator nur sein konnte. Und dass ausgerechnet er in den Strudel des Verschwörerwahnsinns geraten war... schien mir nur mehr ein grausamer Scherz zynischer Schicksalsmächte zu sein.Ich stützte den Kopf in die Hände. Wie schön war es ihm zu lauschen. Seine Worte sich emporschwingen zu hören, auf der Woge der Begeisterung, welche mich mit sich trug, zu den hochaufragenden Gestaden seiner Berufung als Lenker des Staates. Wie lange war es her, dass ich ihn so hatte sprechen hören, dass ich dieses Funkeln in den Augen, dieses... Leuchten von innen her auf seinem Gesicht gesehen hatte. Ewig.
"Hmhm." Ich nickte, benommen von der Macht seiner Worte. Dabei hielt ich ja eigentlich so gar nichts von den verstaubten patrizischen Privilegien. Doch an der Stelle, auf diese Weise, da hätte er mir wahrscheinlich auch den größten Nonsens erzählen können, ich hätte allem gleich enthusiastisch zugestimmt. Denn es war das Gesichts Atons, das in diesem Augenblick hinter den Wolken hervorblitzte, und ich betrachtete es hingerissen. Und nostalgisch.
"Hmhm."
Sein Verzicht machte ihn natürlich nur noch nobler."Claudius hatte auch keine militärische Erfahrung als er den Thron bestieg. Und hat doch seinen Britannienfeldzug höchstpersönlich siegreich geführt, auf seine fähigen Generäle gehört, und weite Landstriche erobert." bemerkte ich schließlich. "Und... ich muß dir wohl nichts zu deinen eigenen Ahnen sagen, aber Domitian hatte ja auch keine militärische Vorerfahrung, und er hat als Kaiser die Chatten besiegt, die Rebellion des Saturninus zerschmettert und die Rheingrenze befriedet, er hat die Daker besiegt, und die Donaugrenze verteidigt gegen ähm, die Sarmaten und Iazygen."
Seitdem ich mich für mein Examen Tertium an der Academia militaris über all das belesen hatte, sah ich den umstrittenen letzten flavischen Kaiser in einem ganz anderen Licht. Aber ermordet worden war er auch...
"Ich meine damit nur, es muß kein Manko sein. Ich bin mir sicher, dass du ein verdammt guter Kaiser wärst!. Der richtige, um das Reich wieder in ein goldenes Zeitalter zu führen. - Aber ich bin... ganz selbstsüchtig, und ganz, ähm, im privaten... doch froh, dass du es nicht tust." gestand ich ihm bewegt. "Nur weil... naja. Ich will nicht dass...-" "dich auch einer vergiftet, ersticht oder abschießt", das meinte ich eigentlich, doch um ihm bei diesem heiklen Thema nicht wieder zu nahe zu treten, schloß ich dann doch lieber: "...Ich will nur sagen: es ist eine schwere Bürde, das Wohl des Reiches auf seinen Schultern zu tragen."Darauf verlor ich den Faden, trank ein paar Schluck, und suchte meine konfusen Gedanken zu ordnen. Irgendwie... zeichnete es sich ab, dass meine Wunschvorstellung, einen ganz normalen Umgang mit Manius zu pflegen... ungefähr genau so dämlich war, wie sich munter einem Waldbrand zu nähern, mit dem Ziel sich daran einen Kienspan anzuzünden.
Ich schluckte trocken. Zum Glück hatte ich meine Konfusion vorausgeahnt und mir vor dem Treffen im Kopf fein säuberlich eine Liste gemacht, davon was ich unbedingt mit ihm besprechen musste. An schnöden Dingen. Und daran klammerte ich mich nun fest, und stürzte mich, als wäre nichts gewesen, einfach auf das nächste Thema. Und so besprachen wir mit befremdlicher Sachlichkeit hier noch etwas juristisches und da noch etwas politisches. Die Zeit verging wie im Fluge...