Nein, liebe Senatoren, nein, liebe Passanten, bitte weitergehen, dies ist kein Militärputsch, wir bewachen hier nur den Senat.
Nachdem das erstmal geklärt war, flaute das Interesse an unserem Aufmarsch ab. Wobei die prätorianische Pracht der Männer natürlich noch immer genug Bewunderung, Gaffen und sehnsüchtige Blicke hervorrief, um einem jeden die Brust schwellen zu lassen.
Wir blieben auf unserem Posten, während der Sitzung des Senates. Am folgenden Tag ließ ich die zwei Centurien wieder in ganzer Stärke aufziehen, martialisch und wachsam. Und so geschah es auch an allen weiteren Tagen an denen der Senat tagte, während aller Senatssitzungen. Selbst wenn das Gebäude leer war, blieben ein paar Wächter davor postiert.
Unruhen gab es in dieser Zeit keine mehr – was ich natürlich unserer imposanten Präsenz zu gute hielt. Doch vielleicht lag es auch (mit) an dieser merkwürdigen Resignation, die die Stadt ergriffen zu haben schien. Es war wie ein schicksalsergebenes Verstummen, als hielte Rom bang den Atem an.
Und es zog sich. Tag und Tag, Woche um Woche.
Trotzdem war es keineswegs ein langweiliger Wachdienst. Zum einen konnte ich dabei, so vom Rücken meines hohen Rosses aus, sehr gut beobachten was auf dem Forum so vorging, und all die Senatoren natürlich, die an uns vorbei rein und raus aus der Curia Iulia gingen. Und es tat verdammt gut, wieder zurück zu sein.
Unwillkürlich blickte ich immer besonders pflichtbewußt und konzentriert wenn mein Vater vorbeikam. Und hoffte, dass er zufrieden war, damit wie ich seinen Auftrag ausführte. Er müsste nur mit den Fingern schnippen, die Gardisten stünden bereit für was auch immer.
Wenn ich dagegen den Duccier erblickte, wurden meine Gesichtszüge zu kaltem Stein. Besonders dann, wenn er an meinen hastatragenden Männern vorüber gehen musste. Doch nein, man konnte eben nicht alles haben. Zumindest nicht gleich.
Was mir wiederum... um der Wahrheit die Ehre zu geben... so ganz und gar nicht unangenehm war, das war, dass Manius mich nun wieder von meiner beinahe besten Seite sah, als schwarzgewappneten Tribun, das Paludamentum lässig über die Schulter gebauscht, auf meinem blankgestriegelten Rappen...
Und was den Quästor Iulius Dulcis Dives anging, den so ausserordentlich fantasiebegabten Intrigentheoretiker, so fragte ich mich müßig, ob er mir nun, da ich wieder was hermachte, wohl seine Gunst wieder schenken würde, die er mir mit meinem Fall entzogen hatte. (Nicht dass ich die noch gewollt hätte, die fragwürdige Gunst, nein nein, gar nicht, es war lediglich so eine beiläufige Überlegung.)
Mit einem ganz anders gearteten Interesse, beobachtete ich den tiberischen Vigintivir, der vor kurzem mit dieser ungewöhnlichen Hinrichtung Aufsehen erregt hatte. Selbstverständlich mißbilligte ich es, bei der derzeit herrschenden Brandgefahr so leichtfertig herumzuzündeln. Andererseits...
Doch nicht nur, dass ich perfekt beobachten konnte, wer mit wem vor dem Senat plauderte, Grüppchen bildete, kungelte, wer wen beiseite nahm, wer wem die kalte Schulter zeigte – auch die Reden, die im Inneren der Halle geschwungen wurden konnte ich, wenn ich Posten am Eingang bezog, mit anhören. Und das war natürlich in der jetzigen Zeit (meistens) höchst spannend.
Mal abgesehen von dem endlosen Wahlverfahrensgerangel. Das waren die Tage, in denen ich darüber nachsann, dass es doch eine viel bessere Methode für sowas geben musste. Wie wäre es, so dachte ich bei mir, wenn man die Senatoren einfach alle zusammen einsperren würde. Und sie erst wieder rauslassen (also, die, die überlebt hatten), wenn sie sich auf einen einzigen der Kandidaten als Kaiser geinigt hatten. Wäre das nicht genial?! Ich fand meine Idee genial. Einfach und effizient. Sie hätte das ganze Verfahren enorm beschleunigt, uns allen viele, viele Wochen der Unsicherheit unter dem Damoklesschwert des Krieges erspart.
Dann allerdings, das musste ich mir eingestehen, nahm der Senat Fahrt auf, der Duccier leitete das ganze für einen elenden Waldbarbaren erstaunlich strukturiert, und es wurden einige große Männer nominiert, deren Reden ich aufmerksam verfolgte.
Dass mein Vater ablehnte, das war keine Überraschung, und ich war, ganz selbstsüchtig, größtenteils sehr erleichtert, dass er diese Bürde nicht auch noch auf sich nahm. Wir waren eine solide hispanische Offiziersfamilie, verdienstvoll, doch seit drei Generationen erst Bürger, nach dem Thron zu greifen wäre Hybris gewesen.
Ganz anders Manius - Flavius Gracchus, der Vespasian und Titus (und Domitian) zu seinen Ahnen zählte! Mein Herz schlug heftig als er sprach – und ebenfalls ablehnte. Wie schade. Wenn er und mein Vater sich zusammentun würden... Manius' alter Glanz und das kunstsinnige Programm das er dem Senat dann doch vorstellte, wenn das unterstützt würde durch meines Vaters militärische Expertise und Schlagkraft... ähnlich wie bei Nerva und Trajan... Ich träumte ein paar Sekunden lang ganz versonnen hinter meiner kühlen Tribunenmiene vor mich hin, von einem goldenen Zeitalter unter einem Kaiser Manius Flavius Graccus....
Der Cassier machte auch Eindruck auf mich, so tatkräftig wie er sprach. Und das mit der Ostgrenze, das war wirklich ein Problem, sehr richtig was er da sagte! Doch bei allem Patriotismus, als Überlebender der grausigen Schlachten des letzten Partherfeldzuges.... hielt ich es für sehr viel wichtiger, die Euphratgrenze weiter zu befestigen, als, wie ich da herauszuhören meinte, womöglich erneut nach Ctesiphon zu greifen.
Und der Aquilier, der schien mir ein wirklich kluger Kopf zu sein...