Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Dives..." warf ich nur kurz ein, froh Quintilia die Enthüllung zu überlassen. Ihr hörte er doch viel eher zu.
    "Uns ist schon bewusst, dass das was du hier gerade hörst, dir sicher auf den ersten Blick ganz unglaublich erscheint. Und dass dieses Treffen hier, dir auch etwas, ähm, dubios erscheinen muss. Aber dass wir diese ganze Geheimniskrämerei gewählt haben, das liegt nur daran, dass wir echt keine Lust haben, uns auch von mordlustigen Messerstechern umbringen zu lassen. Es liegt uns fern, dir schaden zu wollen, oder deiner Gens, wenn wir dies wollten, dann würden wir unseren schweren Verdacht nicht hier, dir präsentieren sondern an höherer Stelle."
    So sprach mit meiner schönsten 'Stimme der Vernunft'.
    "Also, insofern du bereit bist, uns zuzuhören, wollen wir dir auch gerne darlegen, was geschehen ist, was wir herausgefunden haben, und wie wir zu diesem Schluß gekommen sind."




    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/25.06.14/qnp5zx6end3q.jpg|Columbana



    Einige Besucher, Bittsteller und Klienten antechambrierten bereits im Atrium des Hauses. Stimmengemurmel, tappende Schritte und das Plätschern des Impluviums erfüllten den Raum, in den die Sklavin nun Matinius Agrippa von der Porta aus hinein geleitete. Hin zu einer Tuffsteinbank, auf der er Platz nehmen konnte, wenn er das wünschte. Auch ein Becher mit verdünntem Wein wurde gereicht, dann hieß es warten.




    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/03.03.15/xhceggkmuk3m.jpg| Ephialtes


    "Dein Herr hat keinen Termin, nicht wahr?" meinte der Ianitor, und warf zur Vergewisserung noch einen Blick auf seine Wachstafel, auf der die Namen der angekündigten Besucher standen. Seit dem Tod des Kaisers war der Stadtpräfekt der mächtigste Mann Roms, und damit heißumschwärmter denn je. Hätte Ephialtes einen jeden der ihn sprechen wollte hereingelassen, dann wäre das Haus aus allen Nähten geplatzt.
    Er musterte den Matinier. Dem Anschein nach war es einer der senatorischen Familie. Darum sprach er zu ihm, direkt:
    "Du kannst gerne eintreten und im Atrium warten, Herr, doch der Stadtpräfekt ist überaus beschäftigt und ich vermag nicht zu sagen, wann und ob er heute noch für dich Zeit finden wird."
    Eine Haussklavin stand schon bereit, den Besucher ins Atrium zu führen...


    .....so spazierte ich über den Campus, und pfiff dabei eine Melodie vor mich hin, die aufpeitschend war, und melancholisch zugleich, und eine Menge Erinnerungen in sich barg. Es war die des alten Marschliedes "Von Britannias rauhen Küsten / Bis zu Parthias großem Strom / Ziehen wir mit Mut zu Felde / Für den Kaiser, Ruhm und Rom "....
    Von der Ecke, in der soeben eine meiner (leicht entvölkerten) Gardecenturien den blitzschnellen Formationswechsel probte..... spazierte ich, vorbei an einer Reihe sich einzeln im Nahkampf auftrainierender Gardisten.... bis hin zu der Ecke, in der gerade ein Urbanercenturio einen Haufen Frischfleisch schliff. In meinem Windschatten folgten drei Gardisten als Leibwächter (gerade hier in der Castra ging ich kein Risiko ein) und mein Beneficiarius.
    Nachdenklich fasste ich die ganze Versammung ins Auge, die Rekruten, abgehetzt und doch viele mit Feuereifer dabei, wie sie da gerade das Exerzieren lernten, und den jungen Centurio, der es ihnen beibrachte. Und der mir nicht unbekannt war.
    (Wie ewig lange es her war, dass ich selbst an seiner Stelle gewesen war. Und wie noch viel ewiger, dass ich auch so ein geplagter Rekrut gewesen war.)
    Hmm... Meine Schritte wurden noch langsamer, ich verzog keine Miene doch ich beobachtete genau.

    Der Lärm der Caligae auf dem Pflaster hallte im Rhythmus des Marsches durch die Gassen. Die Hufe meines Pferdes klapperten. Wie lange war es her! Und, obgleich der Anlass so grimmig war - was war es für eine Lust, endlich wieder Rüstungen aufblitzen, Helmbüsche flattern, Befehle zackig ausgeführt, das Skorpionensignum hoch aufragen zu sehen. Allerdings sah man von den Rüstungen leider nur recht wenig, denn die Männer trugen, aus Rücksicht auf die Sensibilitäten der Senatoren, und mit Blick auf die Traditionen, die Toga über Rüstung und Waffen. Das alte Symbol dafür dass wir, obgleich unter Kriegsrecht stehend, uns doch der Heiligkeit des Pomeriums bewusst waren.


    Auf dem Forum Romanum, da wo zuvor die Urbaner die Stellung gehalten hatten, da zogen nun wir auf. Am Morgen, bevor der Senat zu seiner nächsten Sitzung zusammenkommen würde, genau so wie mein Vater der Stadtpräfekt es am Vortag beschlossen hatte. (Offiziell kam die Weisung natürlich vom Gardepräfekten, doch dieser Mann war so unscheinbar und führungsschwach, dass man für gewöhnlich dazu neigte zu vergessen dass er überhaupt existierte.)


    So schwer die Garde auch noch immer in Mitleidenschaft gezogen war, so wenig sah man das den vorneweg aufmarschierenden Männern an, denn dies hier war ja nicht irgendein Auftrag, nein, hier ging es ums Ganze, um Schutz und Machtdemonstration zugleich, um Repräsentation und Respekt und so weiter und so fort, und darum hatte ich für diesen Einsatz zum ganz vorne marschieren die erste Centurie der ersten Kohorte ausgewählt! Beziehungsweise die erste Hälfte dieser Doppelcenturie. (Die andere Hälfte verstärkte die Palastwache oben auf dem Palatin, so dass sie gleich parat wäre, im Handumdrehen hier eintreffen könnte falls es Tumulte gäbe.) Allesamt waren es gestandene Krieger, prachtvolle Söhne des Mars. Und groß waren sie, die Männer der Ersten der Ersten. Ich war froh um mein hohes Ross, denn unter diesen langen Kerls hätte ich, mit meiner ganz stinknormalen Durchschnittsgröße, ziemlich klein ausgesehen.
    Ihnen folgte dann die sechste Centurie der zweiten Kohorte, etwas weniger imposant von Statur, aber durch den fähigen Hastatus posterior auch nach den langen harten Zeiten immer noch verhältnismäßig gut in Form, (und zur Feier des Tages vorübergehend aufgefüllt durch Soldaten anderer Centurien.)
    Vor der Curia Iulia ließ der Trecenarius die Männer mit abgezirkelter Präzision Stellung beziehen, so dass sie das Gebäude zu beiden Seiten der Eingangstufen beschirmten und flankierten (aber nicht abriegelten, die Senatoren mussten ja unbehelligt rein und raus können.)


    "Militeees!" wandte ich mich markig an die Soldaten,
    "Wir sind die Leibgarde des Kaisers..." (Unter anderem.) "...und haben doch keinen Kaiser zum Beschützen. Wem sollen wir also dienen, in dieser stürmischen Zeit?
    Wir dienen ROM - und wir dienen ROM am besten, indem wir alles tun, damit das Reich bald, sehr bald, endlich wieder einen guten Kaiser hat, den guten Kaiser, den es schon seit so langer Zeit so schmerzlich vermisst, und den es nun um so dringender braucht!
    Und darum, Milites, werden wir nun die bewachen, die uns diesen neuen Kaiser geben werden! Wir werden die Senatoren Roms beschützen, bewachen und beschirmen, damit sie sicher und unbesorgt ihrer Arbeit nachgehen können!
    Denn es hat bereits Tumulte gegeben. Es wurden Senatoren attackiert. Ja, es gibt unverantwortliche Subjekte hier in der Stadt, die nichts besseres zu tun haben, als zu zündeln und den Aufruhr zu schüren. Werden wir das zulassen? - Nein!
    Hier vor den Hallen des Senates steht unsere Wacht! Auf dass die Senatoren Roms sicher ihrer edlen Aufgabe nachkommen können, auf dass sie ihrer Verantwortung Rechnung tragen können, und zügig ihre Pflicht tun, dem Reich aus ihrer Mitte einen guten neuen Kaiser zu bestimmen!"

    Und auf dass sie nur aus ihrer Halle zu gucken brachten, um daran erinnert zu werden, dass sie sich verdammt nochmal flott auf einen Kandidaten einigen sollten, anstatt so lange um Formalitäten und ihre persöhnlichen Pfründe und Profilierungen zu streiten bis der nächste Usurpator ins Machtvakuum sprang und uns Palma-gleich den nächsten Bürgerkrieg bescherte.
    "Auf dass wir, Milites, auf dass wir alle, Römer," – hier sprach ich auch zu all den lauschenden Zivilisten auf dem Forum, bezog sie mit einer weiten Armbewegung mit ein - "sehr bald wieder einen Kaiser haben, der die Zügel des Reiches wieder fest in die Hand nimmt, so wie einst der vergöttlichte Divus Ulpius Iulianus!
    Einen Kaiser, der diesem kriegszerrütteten Reich Eintracht schenkt und Frieden bewahrt. Durch wahre Stärke!"

    Damit meinte ich natürlich: durch die Unterstützung der Soldaten Roms. (Was sonst?)
    Einige Männer stiessen die Schäfte der Hastae gegen die ovalen Schilde, andere fielen ein, es dröhnte dumpf wie Donnergrollen über das Forum, wurde wieder still. Und so standen wir und so wachten wir.

    Das nervöse Flattern in meinem Magen wuchs, mit jedem Schritt den ich die Alta Semita entlangging, den Höhenpfad der mittlerweile eine breite Strasse war, welche sich von Villen gesäumt über den Rücken des Quirinals zog, und agreabel schwirrte es mir die ganze Zeit im Kopf herum, allein dieses Wort auch nur zu lesen... hatte verteufelt viele Erinnerungen geweckt, an den einzigen Menschen, den ich dieses Wort jemals so ganz natürlich, ganz selbstverständlich, ohne einen Hauch von Prätention, hatte gebrauchen hören. Und zu dem ich gerade auf dem Weg war... Agreabel...
    Die Castra hatte ich heute sehr früh verlassen, und nur in Begleitung meiner 'zivilen' Leibwächter (und Klienten), der Freigelassenen Akadios, Pelias und Styrkar. Und auch wenn ich den eitlen Impuls gehabt hatte, mich Manius in meiner schönsten Tribunenpracht zu präsentieren, so hatte ich dem doch widerstanden, und war in ziviler Kluft unterwegs, einer Equestunika mit passender Lacerna, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Obgleich ich mir sagte, dass es wirklich nicht nötig war, hier irgendwas zu verschleiern. Zwei 'alte Freunde' trafen sich zum Essen. So einfach war das, so normal und uninteressant. Ganz genau.


    Der blonde Sklave mit den toten Augen erwartete mich vor dem Gasthaus. Ich folgte ihm hinein, durch das noble Interieur mit den schicken Gästen. Unwirklich erschien mir das hier, wie eine Insel der Seligen, abgehoben von den Sorgen um Krieg und Frieden die Rom dieser Tage beutelten. Die Custodes blieben draussen zurück, als ich das Hinterzimmer betrat, ganz flau vor Unruhe. Zuallererst fiel mein Blick auf die imposanten Bilder auf der Wand gegenüber der Türe, die mir ein seltsames Gefühl von Déjà-vu einflössten, dann auf... ihn. Als wäre er gerade aus der Wand gesprungen.
    "...Salve Manius." brachte ich mit belegter Stimme heraus, dann ging ich auf ihn zu, um ihm, mit verkrampftem Lächeln, hölzern die nervös feuchte Hand zu reichen. Denn so begrüssten sich doch 'alte Freunde', die einen ganz natürlichen, harmlosen Umgang miteinander pflegten, sie gaben sich die Hand, oder etwa nicht?
    "Was.. ähm... für ein schönes Lokal." bemühte ich mich weiter darum, alles ganz normal erscheinen zu lassen. "Es... ist schön dich zu sehen."
    Das war es. Schön und magenzusammenkrampfend zwiespältig zugleich. Ich bemerkte, dass ich den Begrüssungshandschlag noch immer nicht gelöst hatte. Ich bemerkte, dass in der Tiefe seiner von... Sorgen und Leid umschatteten Augen noch immer der goldbraune Glanz lag.
    "Wie... wie geht es dir?"

    In dem divesken Redefluss, der nun über mich hinwegbrauste , da konnte ich nur noch die Ohren anlegen, mich festhalten und hoffen von dieser Urgewalt nicht hinweggespült zu werden.
    Dives meinte wohl, Angriff sei die beste Verteidigung, und ich kam gar nicht dazu zu erwähnen, dass ich weder auf ihn noch auf Torquata einen Angriff im Sinn hatte. Von einem Bruder bei den Stadtkohrten hatte ich nichts gewusst – taten wir dem Mädchen doch Unrecht? Wozu allerdings sollte eine junge Dame ihren Bruder heimlich nachts im Park treffen, anstatt ganz offen im Licht des Tages? Verwirrt sah ich zu Borkan, zuckte dann die Schultern, letztendlich ging es ja überhaupt nicht um das Mädchen, ob sie nun anständig war oder nicht spielte kaum eine Rolle, die Gerüchte, ob begründet oder nicht, hatten anscheinend Anlass zu der Intrige, zu dem Mord gegeben. Darum ging es.
    Ich hob mehr als indigniert die Augenbrauen, als Dives allen Ernstes von "meinen Differenzen mit dem Cornelius" sprach. Ich hatte es ihm doch alles schon längst ausführlich erklärt. Und ich hatte meine gesamte Existenz geopfert, um die Giftmorde, die Freveltaten, die Kriegsschuld des Cornelius publik zu machen. Doch der gute Dives verwehrte sich noch immer gegen das Offenkundige, wagte es nicht, die Verbrechen Cornelius' zu sehen, noch sie beim Namen zu nennen, sprach angesichts des gigantischen Blutbades von "persönlichen Differenzen." Er war so klug, und stellte sich doch so ungeheuer dumm.
    In diesem Augenblick, wie ich da so saß, auf den Kulissenwellen, und Dives so sah, mir erbittert seine irrationalen Verzerrungen entgegenschleudernd, seine geballte Abwehr gegen alle unangenehmen Wahrheiten – da ging mir jäh auf, wie hoffnungslos der Versuch "ihm die Augen zu öffnen" war. Wer so bravourös die Augen vor dem himmelschreienden Bürgerkriegsverbrechen verschloss – für den war es sicher die allerleichteste Übung, sie auch vor einer mordenden Ehegattin zu verschließen.
    Als er nun sogar die "syrischen Freiheitskämpfer" als Schuldige ins Feld führte, da lachte ich ungläubig auf. Diese Graffitti der "ultimativen Volksfront", über die sich halb Rom amüsiert hatte, die waren doch ganz klar eine Parodie, stammten von irgendeinem Scherzkeks.
    "Aha, der armenische Häkelverein war's also..." murmelte ich leise, kopfschüttelnd....


    Als mit einem Mal Quintilia Valentina ihren Auftritt hatte – und was für ein effektvoller Auftritt, wie ein Deus ex Machina trat sie in unsere Mitte!
    Was sagst du jetzt, Dulcis Dives?
    Ich erwiderte das mir zugeworfene Lächeln, und lehnte mich zurück, überlies erst einmal den anderen drei das Feld.



    "So bald du deine Vorbereitungen getroffen hast. Spätestens in zwei Tagen. Die Speculatores Mettius Testa und Pupius Vibulanus werden dich begleiten, sie kennen sich in der Provinz aus, und Pupius war früher mal bei der Legio II."
    Zudem hielt ich die beiden für mir gegenüber soweit loyal (soweit man das eben sagen konnte, nicht wahr?).
    "Zwei weitere Begleiter überlasse ich deiner Wahl. Du bekommst eine Anweisung an den Optio Quinctius im Magazin, der soll euch ausrüsten."
    Der Mann war ein leidenschaftlicher Bastler, und baute immer wieder alles mögliche an "spezieller Ausrüstung" für Spionageeinsätze, teilweise ganz verrückte Dinge, teilweise so kleine praktische Sachen wie Fibeln mit vergiftetem Dorn etc. und er freute sich immer, wenn seine Werke im Feldeinsatz erprobt wurden.
    "Und an den Stallmeister der Equites Singulares, dass er euch ordentliche Pferde gibt. Ausserdem eine Summe von 2000 Sesterzen für Spesen und Bestechungen..."
    Ich zückte den Beutel voll Aurei, Denaren und Sesterzen, und setzte ihn vor dem Centurio auf den Tisch.


    "Ob ihr dort gänzlich verdeckt agiert, oder teilweise offen, z.B. indem ihr die Truppen besucht unter dem Vorwand nach Frischfleisch für die Garde Ausschau zu halten... das überlasse ich dir, Centurio. Du kennst dich ja aus, und wirst es sicher am besten entscheiden können, sobald du dir dort einen ersten Eindruck verschafft hast.
    Der Befehl lautet erstens: Finde heraus wie die Lage der Truppen in Germanien ist, und ob der Statthalter und die Legaten Anstalten machen einen neuen Aufstand vom Zaun zu brechen. Zweitens: Finde heraus, was von unserem früheren Netzwerk von Informanten in Mogontiacum noch vorhanden ist, schau was du reaktivieren kannst und was du neu aufbauen mußt. Du hast freie Hand, dort neue Spitzel anzuwerben, die uns auch in Zukunft, wenn du wieder hier bist, mit Informationen versorgen."


    Und sonst... "Ich erwarte, dass du mich regelmäßig in chiffrierten Briefen auf dem laufenden hältst, und zwar nach der Theokleia-Methode, also polyalphabetisch substituiert. Mit dem Schlüsselwort:...."
    Ich schrieb das besagte Wort auf eine Wachstafel, ließ es ihn lesen, strich es dann wieder aus.


    "Klar? Fragen?"

    Die amtierenden Consulen. Amtsverlängerung. Ich biss die Zähne zusammen, um den unflätigen Fluch, der mir da auf der Zunge lag, am Entweichen zu hindern. Auch das noch.


    Mit angespannter Miene hörte ich die Instruktionen, nickte, bestätigte:
    "Ja. Verstanden. Ich sorge dafür. - Ausserdem werde ich sofort Speculatores in die militärisch relevanten Provinzen schicken. Damit wir rechtzeitig erfahren, wenn der nächste Usurpator in Cornelius Fußstapfen treten will." Ob wir es dann verhindern können würden, das stand auf einem anderne Blatt, dachte ich resigniert. "Und wenn du wichtige Depeschen hast, stehen natürlich die Equites singulares zur Verfügung."


    "Was deine Hoffnung auf die Consulen angeht. Ich will dir eine Geschichte erzählen, Vater. Eine wahre Geschichte. Von einem Tisch." fuhr ich fort, humorlos lächelnd. "Nein, ich bin nicht verrückt geworden, bitte schenke mir einfach nur dein Ohr, sie ist auch ganz kurz: Es war einmal..." begann ich, im Tonfall eines Märchenerzählers, "...ein junger Gardepräfekt, der, als er seine erste Besoldung erhielt, so überwältigt war von so unverschämt viel Geld, dass er beschloss, davon etwas ganz besonderes zu erwerben. So ging er zu einem Meistertischler, und ließ sich von dessen Meisterhand den wunderbarsten Schreibtisch den man sich nur vorstellen kann, anfertigen, ein exquisites Kunstwerk, ganz und gar aus nachtschwarzem Ebenholz aus dem fernen Meroe, von schlichter Schönheit und vollendeter Eleganz.
    Der stand fortan in seiner Amtsstube, und der Gardepräfekt arbeitete auf seiner blankpolierten Tischplatte, und freute sich an ihrem seidigen Glanz. Doch dann kam der Krieg, die Truppen des Kaisermörders erwiesen sich als unbesiegbar, der Gardepräfekt geriet in Gefangenschaft, und die Castra unter das Kommando eines senatorischen Tribunen, der sich, zielsicher wie eine Hyäne den größeren Raubtieren, dem Siegeszug des Kaisermörders angeschlossen hatte. Dieser hyänenhafte Tribun nun, nistete sich in der Amtsstube des Gardepräfekten ein, und herrschte von dort aus willkürlich, Bestechungsgelder einstreichend, und seine Macht über die, die in seiner Gewalt waren, sadistisch auskostend.
    Was aber geschah mit dem Tisch, dem besagten? - Der Tribun zückte seinen Pugio, und zerstach die polierte Ebenholzfläche. Ungelenk ritzte, schabte und kratzte er grobe Buchstaben in diesen Tisch, wie ein Schuljunge, bis er schließlich, in seiner barbarischen krakeligen Handschrift, folgende Worte in das Prunkstück römischen Kunsthandwerkes hineingeschnitten hatte: Vala war hier."


    Ich machte eine Pause nach meiner kleinen Parabel, holte Atem. "Und mit genau dem gleichen zerstörerischen Geltungsdrang wird der Duccier auch weiterhin 'seinen Namen überall rein zu schneiden versuchen'. Durch Mauschelei und Machenschaften hat er sich das Konsulat ergaunert. Er ist der schlechteste Konsul den Rom jetzt haben kann, er wird selbst den Thron an sich zu reissen zu versuchen, oder ihn an den Meistbietenden verschachern.
    Dieser Mann hat nicht das geringste Verständnis dafür was Rom ausmacht und was es heißt Rom zu dienen, es geht ihm einzig und allein um seinen persönlichen Machtzuwachs, sein persönliches sich Aufblähen. Als ich in seiner Hand war, als er mich für todgeweiht hielt, da hat er kein Blatt mehr vor den Mund genommen, und herzhaft gespottet über Ehre, Loyalität, sich damit gebrüstet, dass ihm Palmas Verbrechen, dass ihm die unzähligen Kriegsopfer vollkommen gleichgültig sind, solange er nur weiter aufsteigt dadurch. Dieser Mann hat mich gefoltert, er hat Seiana eingekerkert, sie erpresst und die Kinder deines Bruders Magnus unserer Familie entrissen, er hat dich auf das allerprimitivste beleidigt, er hat unsere Familie angegriffen, er ist ein Feind unserer Familie!!
    Und ich versuche ja zu verstehen, dass du ihn im Augenblick unterstützt, in gutem Glauben, um der Stabilität willen, doch ich sage dir, du täuschst dich - er ist einfach nur ein machtgeiles Schwein, vollkommen skrupellos, ohne einen Funken Ehre, und sobald es ihm auch nur den allergeringsten Nutzen bringt, wird er dir ohne mit der Wimper zu zucken den Dolch in den Rücken stoßen."

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/25.06.14/u2pm9kem65e8.jpg| Scybale


    Eine gazellenhafte Äthiopierin gab eine versiegelte Nachricht für die Dame des Hauses ab, und dazu einen üppigen Strauß Frühlingsblumen. Sie waren in einem der verglasten Gärten herangezogen worden, die einst Lucullus in Rom eingeführt hatte, (und einzig und allein nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt, nicht nach etwaigen verborgene Bedeutungen.)
    Weiße Anemonen und goldene Windröschen schmiegten sich zu einer duftigen Wolke zusammen, dahinein war locker das Himmelblau der Scillae getupft, und einige zartlila Lichtblumen. Ihre geschweiften Blütenblätter wippten vorwitzig hinaus, wie die Federn eines besonders modebewußten Gockelhahns.
    Ein hellblaues Seidenband hielt den Strauss, zur Schleife gebunden zusammen, es war mit einer Vielzahl schimmernder kleiner Süßwasserperlen bestickt*, welche die Worte des Segenswunsches bildeten: FORTUNA VALENTINAE FLOREAT



    Verehrte Quintilia Valentina



    Obgleich der Anlass so unschön war – es war mir eine große Freude, Dir wieder zu begegnen. Ich hoffe, dass der Schrecken, dem Du so beherzt ins Auge geblickt hast, verwunden ist, und dass es Dir und Deiner Familie wohl ergeht.


    Bei mir hat sich viel neues ergeben, wurde doch durch den Tod des Ulpiermörders Cornelius Palma meine Verbannung aus dem Exercitus Romanus endlich nichtig, und so darf ich Rom nun wieder als Tribun der Prätorianergarde dienen.
    Somit bin ich nun glücklicherweise wieder in der Lage, etwas bewirken zu können. Sollte ich Dir und Deinen Nichten mit meinem Wirken jemals einen Dienst erweisen können, so lass es mich wissen. Ich würde mich glücklich schätzen, Dir beistehen zu dürfen.


    Vale bene!


    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/30.11.14/jxpd48qkgpsg.png]






    *Wisim

    "Also..." echote ich, aus meiner Versunkenheit aufschreckend, "...ähm. Ja. Lass uns zur Sache kommen."
    Oh Faustus. Ich war wohl noch nicht so ganz wieder da. Und Dives sah höchst ungnädig aus. Wie gut, dass Borkans solidarische Präsenz mir den Rücken stärkte.
    "Wir können in einem der Nebenräume sprechen, in Ruhe." sagte ich, mich erhebend. Ich reckte meine Glieder, strich meine Lacerna zurecht, und unterdrückte ein sarkastisches Schmunzeln: "Keine Angst" versicherte ich Dives, "Ich will dich weder umbringen noch verführen."



    Durch den Strom der Gäste ging es zu einer Seitentüre, und ein bestochener Saaldiener ließ uns ein. Mit einem Mal waren wir hinter der Fassade, sahen die rohe Rückwand der pompösen Kapitolskulisse, und die Seile und Räder des Flaschenzuges, der den Göttern Flügel verlieh, sahen verschwitzte, erleichterte Choristen, abgelegte Masken, hölzerne Speere und "blutbefleckte" Schilde. Dann ging es durch einen dunklen Schlund von Gang in einen Lagerraum, in dessen langgestreckten Ausmassen unzählige Kulissen und Requisiten aufbewahrt wurden. Der Saaldiener verschwand, ich schickte auch die Custodes hinaus, und wir schienen endlich allein zu sein... mit den Versatzstücken unzähliger Bühnengeschichten, die hier in einem wilden Durcheinander um uns aufragten, im trüben, durch die kleinen Fenster hineinsickernden Winterlicht.


    Ich setzte mich auf einen Stapel blauweißschäumender Sturmwellen. Sah stirnrunzelnd zu einem mannsgroßen Kranich, der mit seinen Glasaugen lauernd zu mir her lugte, flankiert von einem zerklüfteten Vulkan – aus welchem Stück der wohl kam? - überragt von einer Hydra, aus deren mottenzerfressenem Leib die Sägespäne herausquollen...
    "Warum ich dich eigentlich hierher gebeten habe..." ließ ich die Katze mal die Nase aus dem Sack stecken, fasste Dives genau ins Auge dabei, "...ist wegen des Mordes an dem syrischen Händler auf dem Markt, vor einigen Tagen... der deiner Aufmerksamkeit als Tribun der Stadtkohorten wohl kaum entgangen sein sollte, da er sich vom alltäglichen Einerlei des Mordens hier in Rom auf so hochinteressante Weise abhebt. Ein Attentäter, der sich gleich darauf selbst den Garaus macht, wo hat man das schon mal gesehen (ausser bei judäischen Zeloten oder verschmähten Liebenden)? Dazu ein Opfer, das um die Eskapaden deines Töchterchens wußte und kein Geheimnis daraus machte. Das kann einen ja schon zum Nachdenken bringen, nicht wahr?"
    Bestimmt würde er mir gleich mit voller Überzeugung versichern, dass auch dies nur das Werk von "Ihnen" war, die auf diese niederträchtige Weise gegen ihn und seine Familie vorgehen wollten.



    Zum Treffen begleiten? Ich machte große Augen, bei diesem überraschenden Vorschlag. In meiner Vorstellung gehörte ein holdes Wesen wie Quintilia Valentina doch eher in einen 'hohen Turm' (oder ein hübsches Heim), umgeben von schönen Dingen, beschützt und behütet und vor allem weit weg von dem stinkenden Mord- und-Intrigensumpf der Stadt.
    Darum wäre ich nie auf die Idee gekommen, sie aufzufordern, mit uns in diesem Sumpf herumzuwaten... als sie es jedoch selbst vorschlug, musste ich mir eingestehen, dass die Idee nicht ohne war. Gerade da Dives mir gegenüber (mysteriöööserweise...) so voreingenommen war.
    "Hm... nun ja... ich muß zugeben... das ist ein Argument. Du hast recht. Und wir wären wohl auch ein gutes Stück überzeugender, zusammen mit dir. - Aber riskant ist es." Dass der Feind keine Skrupel kannte, das hatte er oder sie ja schon bewiesen.
    "Darum müssen wir es gut durchplanen. Eine geschlossene Sänfte auch für dich ist vonnöten, und genug Leibwächter. Aber dafür sorge ich." Tricostus würde kotzen, wenn ich ihn weiter anschnorrte, aber das war mir gleich, er hatte früher genug von meiner Position profitiert um sich jetzt nicht lumpen zu lassen.
    "Ich dachte daran, Dives 'rein zufällig' zu treffen zum Beispiel bei einem Theaterstück, um nicht das Aufsehen seiner mordlustigen Gattin auf uns zu ziehen. Es gibt da ein kleines Theater in Trans Tiberim wo ich einen der Schauspieler ganz gut kenne. Sie haben in ein paar Tagen eine Premiere, die Tarpeia spielen sie. Falls Dives einwilligt, könnten wir doch nach der Vorstellung alle drei mit ihm in einem der Räume des Theaters zusammentreffen..."
    So stellte ich den beiden meine Idee vor, und wir schmiedeten gemeinsam einen Plan. "Der mehr oder weniger perfekte Plan, um Marcus Iulius Dulcis Dives erstens auszuhorchen, ihm zweitens die Augen zu öffnen und ihn drittens den Klauen der Bestie zu entreissen". :] Oder so ähnlich. :hmm:
    Ich schrieb dem Süßen eine Nachricht, organisierte noch ein paar Dinge, dann kam der Tag der Premiere und alles nahm seinen Lauf...



    <<


    Senator Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia




    Salve Manius


    Danke für Deine Nachricht. Es ist so viel geschehen. Schon wieder hält das Reich den Atem an. Ich weiß nicht ob es die Ruhe vor dem Sturm ist. Doch ich würde gerne, bevor die nächste Woge des Chaos über uns hereinbricht, einmal in Ruhe mit Dir über das Vergangene sprechen.
    Wir hatten ja nie die Zeit, waren nie dazu in der Lage. Vielleicht ist es ein sinnloses Unterfangen, doch ich habe noch immer den Wunsch, mein Mosaik der vergangenen Ereignisse, der großen Geschehnisse, aber auch der privaten... weiter zusammenzufügen, um das, was von all dem Irrwitz überhaupt zu erklären möglich ist, besser verstehen zu können. Und um womöglich, vielleicht doch noch einen bescheidenen Funken von Gerechtigkeit entfachen zu können.
    Darum nehme ich Dich beim Wort, und bitte Dich bei diesem Vorhaben um Deine Hilfe. Und um ein Treffen. Sag mir nur, wann und wo es Dir zupass käme.




    Vale bene,
    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/24.02.15/d8v66jzthg6n.png]


    In der Nacht träumte ich, ich läge in seinen Armen. Ganz ruhig lagen wir da. Er hatte seine Arme von hinten um mich geschlungen. Ich spürte ihn, den leichten Druck seines Körpers an meinem Rücken. Ich wusste dass er da war. Bis mich... langsam... ein fragendes Gefühl beschlich... und der Zweifel zu nagen begann ob ich, wenn ich mich umdrehte, sein Gesicht sehen würde, oder... etwas anderes.
    Als ich erwachte, lag ich mit dem Rücken ganz eng an die Wand gesschmiegt, an der mein Bett stand. Es war die Haltung, die ich manchmal... während der Kerkerhaft... wenn die Isolation, die Verzweiflung, das Dunkel mich verschlangen... eingenommen hatte. Halbwahnsinnig hatte ich da auf der Pritsche gelegen, den Rücken gegen die Wand gedrückt, und mich vorgestellt, es wäre Manius, den ich da spürte, Manius der mich hielt.
    Nur langsam wurde mir das bewusst – dann zuckte ich jäh fort von dieser Wand, der mit bunten Fresken verschönten Wand meines Cubiculums, die da mit einem Mal ihre Maske hatte fallen lassen, und mich als Kerkerwand angestarrt hatte. Ich fuhr hoch. War ich wach? War ich erwacht?! Oder lag ich verrottend im Kerker und träumte nur ich sei entronnen??!


    Fahl sickerte der Morgen in mein Zimmer. Hastig stand ich auf, stürzte mich in den Tag, und in der Tätigkeit des Alltags verflog langsam der Schrecken. Dann regte sich natürlich auch das schlechte Gewissen. Ich sollte von Borkan träumen, mit dem ich mein Leben zu teilen entschlossen war, nicht von den Geistern der Vergangenheit. Borkan und ich, wir sollten jetzt endlich zusammenziehen, unbedingt schnell zusammenziehen, zum Hades mit dem Gerede, seine Gegenwart würde alle... Zweifel... und alle Lemuren vertreiben.


    Trotzdem schrieb ich an diesem Tag einen Brief an Manius. Ich sagte mir, dass ich ihn einfach nur sehen wollte. Einfach nur sehen, so wie er wirklich war, nicht als Nachtgespenst, sehen wie es ihm ging und ihm vielleicht erklären in wie fern ich seine Handlungen, manche davon, mittlerweile auch in einem anderen Licht sah. Und dann gab es da noch die Lücken in meinem Mosaik die er mir vielleicht helfen konnte zu füllen, und eine, sagen wir, Rechtsangelegenheit.
    Viele gute Gründe ihn zu treffen.
    Viele, vollkommen harmlose, Gründe.
    Das Treffen war praktisch eine Notwendigkeit.
    Und es würde sowieso vollkommen unverfänglich sein.
    Sozusagen ein Training, um ihm in Zukunft begegnen zu können, ohne gleich Herzattacken zu bekommen. Der erste Schritt zu einem 'normalen Umgang'.

    Der Personalersatz, tja.
    "Nach dem ungeheuren Blutzoll, den dieser verdammte Bürgerkrieg uns abverlangt hat, werden wir mit Sicherheit noch eine Weile brauchen, bis wir die Garde wieder in Bestform haben." antwortete ich dem Centurio, ihn unwillkürlich bereits als meinen Verbündeten bei diesem Ziel ansehend. "Aber jetzt, da Cornelius krepiert ist und dieses Unterfangen nicht mehr lähmt, da können wir es endlich voranbringen!"
    Ich war fest entschlossen alles dafür zu tun. Die Garde war mehr als eine Militäreinheit, sie war ein Kunstwerk, fleischgewordene Perfektion. Ein Mythos. Sie durfte nicht vor die Hunde gehen, sie musste wieder zu ihrem wahren Glanz finden.
    Wenn nur nicht gleich der nächste Krieg kam.


    Verulanus Rückkehr unterbrach den weiteren Bericht. Un-glaub-lich. Ich biss die Zähne zusammen um nicht loszuwettern. Hob die Hand und bedeutete ihm: Gleich. Eines nach dem anderen.


    "Gut." meinte ich wieder zum Centurio. "Trotzdem wird dein Optio dich in nächster Zeit vertreten müssen. Du hast hast früher schon als Speculator gute Arbeit geleistet. Und wir haben zur Zeit zwei Prioritäten: Ruhe in Rom, und Aufklärung in den Provinzen aus denen der nächste Aufstand kommen könnte. Ich brauche dich in Germanien, Centurio."

    ...flaches Ende, spitzes Ende...
    Eigentlich hatte ich es erwogen, den Namen der Quintilia Valentina ganz eigenmächtig gegen den der Sergia auszutauschen. Doch alles in allem konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen. Ein Beweismittel fälschen. Nein. Das ging gar nicht. Dafür war ich zu lange selbst bei den Stadtkohorten gewesen, hatte aus Schnipseln von Hinweisen die Tatsachen zu rekonstruieren versucht, so dass ich Indizien nun mal in hohen Ehren hielt. Trotzdem. Quintilias Name konnte nicht weiter daraufstehen, wenn wir die Tabula weiter herumzeigten, das war zu gefährlich für sie.
    "Nicht vernichten, nein. Aber deinen Namen streiche ich aus, Quintilia."
    Und das tat ich dann auch, trotz Bauchschmerzen – mit dem flaches Ende des Stylus. Zack, weg.


    Ob wir tatsächlich dem/der Übeltäter(in) das Handwerk legen würden, da war ich leider nicht so zuversichtlich wie Borkan. Auch dies lag wohl an meinen Jahren als Stadtsoldat, wo doch, trotz hitzigem Fleiß und redlichem Bemühen die meisten Verbrechen ungeklärt, die meisten Täter ungefasst geblieben waren. (Und einen Täter zu überführen hieß ja noch lange nicht, dass er seine Strafe auch erhalten würde. Siehe der Gift-Greis auf dem Palatin.)
    So mächtig erschien mir die Sergia nun auch wieder nicht. Aber skrupellos. Und ohne Zweifel mit dem Potential, viel Schaden anzurichten. Ich nickte bestätigend zu allem kritischen, was Quintilia über die Sergia sagte. Liebe pah! "Sie benutzt ihn doch nur, diese Harpie." kommentierte ich grollend dazu. Upps, da war mir schon wieder zu viel rausgerutscht.


    "Danke" antwortete ich auf ihr Angebot der Hilfe. "Ebenso. Ich werde zuerst ein Treffen mit Dives arrangieren. Und mal sehen was er dazu sagt. Danach sehen wir weiter. Ich gebe dir Bescheid wenn es etwas neues gibt."
    Ich hatte zwar so eine Ahnung, dass Dives es vehement ablehnen würde, mir Glauben zu schenken. Wie früher auch schon, wenn ihm etwas nicht ins Wunschbild passte. Doch ich wollte es zumindest versuchen. Und wer weiß was er mir vielleicht dazu sagen könnte.


    "Dann wollen wir dich auch nicht länger mit diesem unschönen Zeug behelligen, und uns so langsam wieder verabschieden." schloß ich, Quintilia zulächelnd. Ich war wirklich sehr angetan von unserer Gastgeberin, wie gefasst sie blieb angesicht der unverschämten Intrige, wie umsichtig sie an ihre Familie dachte, und was für eine sanfte Zurückhaltung sie an den Tag legte, wenn es darum ging, andere zu verurteilen. Eine wirkliche Dame, dachte ich so bei mir.



    Am ende... versprach er mir das was ich verlangte. Und er wirkte sehr, sehr aufgewühlt, und ehrlich dabei. Aber ich wartete vergeblich darauf, dass nun Erleichterung die Anspannung ablöste, oder dass ich gar die Wärme der alten Freundschaft wieder gespürt hätte. Nach allem was geschehen war... war da... leider... nur noch eines: Mißtrauen, krankes Mißtrauen, unendliches Mißtrauen.
    Zwar sah ich ganz deutlich, konnte ja nicht übersehen, wie schwer es Licinus gefallen war, hierherzukommen, und was für einen weiten Weg er zurückgelegt hatte, als er sich, und mir gegenüber, eingestand sich so sehr getäuscht zu haben.... und dass ihm wohl doch noch was an der Freundschaft, wohl doch noch was an mir liegen musste.


    Jedoch, ich konnte nicht mehr vertrauen. Ich vertraute Licinus einfach nicht mehr, aber auch nicht im geringsten, ich sah ihn schon vor mir wie er, sobald er den Raum verlassen hatte, sein Versprechen schon wieder in den Wind schoß, wie er beim geringsten Widerstand einknicken würde, wie er mich anderen gegenüber wieder verleugnen würde. Ich betrachtete ihn, den Kopf in die Hand gestützt, tippte mir vor nervöser Unruhe mit dem Finger immer wieder seitlich an die Nase.
    "Gut." sagte ich schließlich argwöhnisch. Ich stand auf, und hielt ihm meine zerschundene Hand hin, in der Erwartung dass er einschlug. "Abgemacht. Dann laß uns jetzt.. diese blöde Besenkammer endlich verlassen, und das verdammte Opfer bringen. - Ich..."
    Ich stockte. Meine Augen brannten, als ob ganze Tränenfluten da herausbrechen wollten, doch sie blieben trocken, und mit verzerrter Miene sah ich an ihm vorüber.
    "Ich hoffe..." murmelte ich nur, "...wir können irgendwann wieder Freunde sein."


    Irgendwann. Aber nicht jetzt. Wenn ich, falls ich, irgendwann sehen würde, dass seine Worte eben nicht leer waren, sondern dass ihnen Taten folgten. Dann würde vielleicht, würde hoffentlich auch dieses giftige Mißtrauen von mir weichen können. Aber nicht jetzt.



    Ein, nun ja, anderer Umgang mit dem Thema.
    "Du könntest Diplomat werden, Centurio..." kommentierte ich leidig. Wobei mir schon klar war, dass er seine Kollegen nicht denunzieren wollte, was ich wiederum im Grunde gut hieß.
    Doch diese Schlamperei - hier bei der Garde!! - war echt atemberaubend. Ich vertiefte mich nun wirklich in die Einzelheiten der Aufstellung und musste dem Centurio da soweit recht geben, dass seine Centurie soweit in Ordnung schien. Als einzige. Kein Wunder dass der Pilus Prior sich noch nicht hergetraut hatte.
    "Verulanus" rief ich meinem Beneficiarius draussen im Vorzimmer zu, "hol mir unverzüglich den Pilus Prior her.- " Dem würde ich jetzt mal richtig den Kopf waschen. (Falls er sich nicht auch in den Urlaub verkrümelt hatte.)


    Zuvor aber hatte ich noch einiges mit dem Centurio Iulius zu besprechen.
    "Jeglicher Urlaub ist gestrichen, solange bis wir einen neuen Kaiser haben und die Lage sich beruhigt hat." beschloss ich.
    Die Männer würden mich hassen. Aber was machte das schon?!
    Früher, da hatte ich mich stets darum bemüht, die Soldaten bei Laune zu halten, hatte sie mit Donativa verwöhnt, mit motivierenden Reden und mit Sonderrationen. Und was hatte mir das gebracht? – Gar nichts!
    Die Männer waren trotzdem im Handumdrehen übergelaufen, und nicht einer, nicht ein einziger, hatte mir in der Kerkerhaft irgendwie beigestanden, nicht ein einziger, nicht mal von jenen, denen ich wertvolle Beförderungen verschafft hatte, hatte sich nach meinem Fall jemals bei mir gemeldet, mir irgendeine Form von Unterstützung oder Loyalität entgegengebracht. Von daher konnte ich mir den ganzen Zirkus auch sparen, und in Zukunft nur noch ein harter Hund sein.
    Ruhig Blut, Faustus.
    "Wie ist, davon abgesehen, der Zustand deiner Rest-Centurie? Sonst Baustellen? Wie ist der Zustand eurer Artillerie?" fragte ich, um mir den weiteren Überblick zu verschaffen.

    Von mir! träumte er, und ich schmolz förmlich dahin, als er mir das so liebevoll, so ehrlich, so selbstverständlich sagte, ich versank in diesem Kuss, lachte mit ihm, legte ihm eng den Arm um die Schulter als wir zusammen weitergingen. "Du bist das allerallerbeste was mir je passiert ist!" hauchte ich ihm hingerissen ins Ohr, und begann gleich Pläne zu schmieden:
    "Abgemacht! Aber es muß dann schon unser gemeinsames Geschäft sein." Letztendlich würde es natürlich seines sein – allein schon weil ich als Angehöriger des Ordo Senatorius nur bäuerliche Waren verkaufen durfte – aber das würde ich ihm Schritt für Schritt beibringen, damit er... naja... nicht das Gefühl bekam ich wolle ihn sozusagen... kaufen.
    "Wenn wir zurück in der Stadt sind, lass uns gleich auf die Suche nach Geschäftsräumen gehen! Hm... die Trajansmärkte sind natürlich eine schöne Adresse, oder beim Porticus Liviae..." Das war noch nobler. "Flußspatkelche! Unbedingt! Und Elfenbeinschnitzereien, Pelzwerk, mauretanische Teppiche und ägyptische Lampen, Parfum, Silphion und Citrusholzmöbel..." schwärmte ich locker vor mich hin, während wir uns dem Haus näherten,
    "Weißt du was auch toll wäre: ein Laden, in dem jede exotische Provinz... mit einem eigenen Bereich vertreten ist, der dann auch stilistisch so aussieht, vielleicht noch mit Sklaven, denen man die Herkunft von dort ansieht, in ihren traditionellen Klamotten, die dann dort bedienen... "


    Unternehmungslustig, und für den Moment zum Glück auch abgelenkt von den Gedanken 'was wird die Verwandschaft sagen', spazierte ich zusammen mit Borkan in die Villa, mitten hinein in die Festgesellschaft, sah mich um und erblickte gleich Massa, der sich ordentlich in Schale geworfen hatte, und eine ganz vortreffliche Figur machte.
    "Ah, da ist mein Cousin Appius Massa." meinte ich zu Borkan, "Der aus Piräus, der mit dem ich in Ägypten gedient habe, und der jetzt Kapitän ist, weißt du. - Und da drüben, der gerade mit Großtante Drusilla spricht, sein kleiner Bruder Casca."
    Lächelnd ging ich auf Massa zu und begrüsste ihn freudig.
    "Salve Compagnero, ich freu mich dich zu sehen! Noch nicht fortgesegelt, gut! Wie geht es dir?" Ich umarmte ihn, und bemerkte dabei, dass er auch ganz vortrefflich roch. Ich selbst duftete heute nach Zimtöl, und trug eine todschicke lavendelfarbene Toga, silberdurchwirkt zur Feier des Tages (und schon wieder aus dem Faltenwurf geraten, diese Mode war einfach nicht für hispanisch geprägte Umgangsformen gemacht). Man hätte ja meinen können, dass ich nach der Zeit im Tempel keinen Sinn mehr für äusserliches Gepränge gehabt hätte, doch das Gegenteil war der Fall, nur zu gerne hatte ich die grobe, gleichmacherische Leinenkluft wieder gegen ein geschmackvolles Äusseres eingetauscht.
    Mit klopfendem Herzen griff ich nach Borkans Hand.
    "Und dies hier ist... hier lernst du nun endlich... meinen Freund Borkan kennen." stellte ich ihn Massa vor. Natürlich hatte ich ihm auch schon von Borkan vorgeschwärmt, aber zum Kennenlernen hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, und so war mein Lächeln mit einem Mal ein gutes Stück nervöser – hoffentlich waren sie sich sympathisch, hoffentlich würde mein Held von Tasheribat mir auch heute im Familienkreise bei dieser ganz anderen Art von Gefecht beistehen.