Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Er ließ einfach nicht locker. Und es war völlig verrückt, was diese Hand an meiner Wange mit mir anstellte. Ich setzte zu einem zaghaften Lächeln an.
    "Ach du..." murmelte ich... und dann war mir das Lächeln schon wieder restlos vergangen, denn was ich jetzt zu hören bekam, war eine Kostprobe genau der schlechten Lügen, die mich dazu gebracht hatten, hierher nach Trans Tiberim zu fliehen. Und jetzt verfolgte diese Pest mich sogar bis in meine Zuflucht! Mein Gesicht wurde hart, und seine Berührung fühlte sich mit einem mal gar nicht mehr so toll an.
    So ein schöner Mund und so häßliche Propaganda, die er da nachplapperte. Jaja, schlimm war das...der eine arme unschuldige Consular vom bösen Prätorianerpräfekten dahingemeuchelt, der andere arme unschuldige Consular vom bösen Onkel angeklagt und von den bösen Skythen des bösen Scheusals umgebracht.
    Dives war echt ein Paradebeispiel dafür, wie sich auch intelligente Menschen bereitwillig das Gehirn waschen ließen, wenn die Lügen von ganz oben kamen! Ich biss die Zähne zusammen, um jetzt nicht das auszusprechen was ich so in etwa dachte, denn das hätte ich bestimmt gleich darauf schon bereut. Und immerhin... doch das bemerkte ich erst einen Atemzug später... hatte Dives sich die Lügen zu einer Version zurechtgezimmert, mit der er mich rein von Schuld sprach...


    Iuppiter Serapis mich beschützt?! Ich lachte höhnisch auf. Er hatte ja keine Ahnung... - Es war zuviel gerade, alles deutlich zu viel für mich der Welt und der Gesellschaft anderer und der Konversation... und der Berührungen sowieso ... entwöhnten Eremiten. Kaum drang zu mir durch, dass sein Herz höher schlug – wegen mir.... und dass er mich anscheinend auch ohne Macht, Ruhm und schicken Streitwagen noch ganz gut leiden mochte...
    ... da sagte er schon wieder was anderes und reizte mich jetzt aber ganz entschieden zum Widerspruch.
    "Lass meinen Vater aus dem Spiel!" fauchte ich erbost. "Mein Vater war der einzige, der es gewagt hat, im Senat offen Kritik an Vescularius zu üben, als alle anderen Senatoren einen auf Zwerghasen gemacht haben! Mein Vater wurde deswegen ins politische Exil getrieben! Bona Dea, mein Vater ist gerade jemand, der sich nicht scheut, Verantwortung zu übernehmen, und - " Moment. Warum verteidigte ich Livianus hier eigentlich, trotz des Zerwürfnisses und alledem?! (Naja. Warum wohl. Weil er halt mein Vater war.)
    "Ich habe..." Ich seufzte trübsinnig. "Ich habe... ziemlich Ärger mit ihm... Aber zu behaupten, er hätte sich in der Vergangenheit der Verantwortung entzogen, das ist..." Mir lag schon wieder etwas böses auf der Zunge, aber Dives enorm blaue Augen hatten auf mich diesen... sagen wir, 'entwaffnenden Effekt', und es wurde nur ein zahmes: "...das stimmt einfach nicht."
    Und der Rest noch viel weniger. Ich presste die Lippen zusammen und fixierte ihn entschlossen.
    "Mhm. - Und zu deinen sonstigen Theorien kann ich nur sagen: Marcus Iulius Dulcis Dives, du hast keine Ahnung, wirklich keine Ahnung was wirklich geschehen ist. Aber ich schätze, du willst es gar nicht wissen."
    Und ich war es müde... so müde... immerzu gegen diesen reißenden Strom zu schwimmen. Ich machte eine wegwerfende Geste, dann fasste ich wieder nach Dives Hand und umschloß sie mit der meinen, streichelte ein wenig mit dem Daumen seitlich darüber. Nervös war ich, und kam mir schrecklich ungelenk dabei vor.
    "Komm..." sagte ich leise und machte Anstalten, ihn zum Rand des Daches zu führen, zu der Stelle wo man die wirklich fabulöseste Aussicht auf die Stadt hatte.

    Unglauben. Voll blankem Unglauben sah ich meinen Vater an. Hatte ich mich da gerade verhört...? Meine schwere Sorge war ja gewesen, dass er mir nicht glauben würde, aber nie hätte ich überhaupt nur in Betracht, gezogen dass er... - er! - angesichts solch abartiger Verbrechen einfach nur... die Hände in den Schoß legen würde!
    "Vater!" begehrte ich heftig auf. "Ja, und selbst wenn sie die Lügen zu Geschichte erklären, bleiben es schändliche Lügen! Und auch wenn sich die Mörder in Purpur kleiden, bleiben sie widerlicher Abschaum! - Warst du nicht Klient des Ulpius Iulianus?! Hast du nicht seinem Sohn Ulpius Valerianus als er Kaiser war die Treue geschworen? - Unser Kaiser und seine Familie sind durch Gift heimtückisch gemordet worden! Die Verschwörer haben den Bürgerkrieg entfacht, in dem wir Soldaten Roms dazu gezwungen wurden, uns gegenseitig abzuschlachten, TAUSENDE sind gefallen! Die Putschisten haben das Pomerium entweiht, das Blutbad bis hier in die Ewige Stadt getragen, ja bis hierher in dieses unser Haus und sie haben sich an deiner Familie vergriffen! Und alles was du tun willst ist.... nichts??!!"
    Nein, das weigerte ich mich zu glauben!
    "Bist du nicht der, der mich gelehrt hat, die Werte unserer Familie stets zu beherzigen, und danach zu handeln, gerade auch dann wenn es nicht leicht ist?! - Ich spreche doch nicht davon, morgen einen Umsturz anzuzetteln! Ja, wir haben keine militärische Schlagkraft – zur Zeit nicht! - darum müssen wir eben gewieft sein. - Wir haben durchaus eine Menge Möglichkeiten, du stehst an der Spitze der Politik, hast alte Freunde im Exercitus, Seiana ist vertraut mit den ganzen gesellschaftlichen Größen und der Welt der Gelehrten, und auch ich habe noch immer eine Menge wertvoller Kontakte! Wir können durchaus den Boden bereiten für das Ende dieses Giftmord-Regimes!"
    Wenn ich das so sagte... erschien es mir mit einem Mal gar nicht mehr sooo unmöglich... Meine Kehle war kratzig, ich hustete, aber sprach entschieden weiter, mit einem Mal wie neu belebt von diesem Gedanken, heiser, fiebrig, oder vielleicht redete ich hier auch um mein Leben - ich mußte, Bona Dea, ich MUSSTE meinen Vater einfach überzeugen, sonst könnte ich es vergessen, allein, da könnte ich es sowas von vergessen...!
    "Wir können die Wahrheit verbreiten, sie weitergeben an die, die trotz allem noch immer aufrecht sind – und glaubst du nicht, die Aelier haben ein Recht zu erfahren, wer ihre kaiserlichen Verwandten ermordet hat?! - Wir können gegen den erstickenden Dunst der Lügen vorgehen, die da vom Palatin herunterwabern... bevor sie den Römern ein für alle Mal das Hirn vernebelt haben! Wir können die Kräfte derer, die unter den Machenschaften dieser Schweine leiden mußten, bündeln, und Verbündete gewinnen gegen Palma und seine Hyänen... und wenn dann die Zeit reif ist, die Verschwörer für ihre Schandtaten zur Rechenschaft ziehen!! So dass dann endlich, endlich wieder ein guter Herrscher an die Spitze des Reiches treten kann...!"


    Wie hypnotisiert klebte mein Blick an seinen Lippen. Noch lächelte er. Noch. Ich war vollkommen damit beschäftigt, mich innerlich zu wappnen... oder es jedenfalls zu versuchen... gegen den unausweichlichen Umschwung zur Enttäuschung, der da kommen mußte – und fand mich mit einem Mal in seinen Armen wieder. Innig umarmt! Ich erstarrte, komplett überrumpelt, meine Schultern spannten sich fest an... dies hier war zu plötzlich, zu nah, und... - verdammt, war das ein Schluchzen, das da von ihm kam? - es war eine geballte Welle von wahrhaftigem Gefühl, die da von ihm aus gegen mich brandete und die dumpfe Barriere, die mir diese schützende 'Entfernung' zu dem ganzen Elend gab, zu unterspülen drohte, in ihren Grundfesten ins Wanken brachte... und sein Atem den ich spürte, und sein goldweiches Haar, warme Haut... und die Feuchtigkeit einer Träne... und die feste Kontur seiner Schulter, und sein guter Geruch, wie damals als das Glück mich höher und immer höher zu tragen schien, und seine Arme, von denen ich gehalten, umschlossen... gefangen war – Mir trat der Schweiß auf die Stirn, die Beklemmung schnürrte mir die Kehle zu – und zugleich war mir völlig klar, wie bescheuert das war, und das jetzt eindeutig der Moment gewesen wäre, meinerseits die Arme um ihn zu legen und ihm zu sagen wie schön es war ihn wiederzusehen, was für ein wunderbares Geschenk..... aber das zu wissen half mir einen Dreck.
    "Lass mich... bitte los." flüssterte ich gepresst, und befreite mich zittrig aus seinen Armen. Atmen. Tief. "... entschuldige..." Konfus fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht. Mein Blick hing an einer, in ihrem Schwung gebrochenen Togafalte auf seiner Schulter. Ihm in die Augen zu sehen, das ging gerade nicht. Ich suchte nach Worten, aber kein Genius war zur Stelle um mir welche einzugeben, die etwas hätten erklären können was ich selbst nicht verstand, und was mich selbst verstörte.
    "Du weißt schon..." sagte ich dann unsicher, um überhaupt irgendwas zu sagen, räusperte mich und setzte neu an, "...also, dir ist schon klar, dass ich sowas wie schlechter Umgang für dich bin, ja?"
    Für einen jungen aufstrebenden Politiker wahrscheinlich so ziemlich der schlechteste.

    Auch wenn ich gerade sehr konzentriert dabei war, mich zügig zu betrinken – es fiel mir schon auf, das das Mädchen auf Styrkars Schoß, für ein loses Frauenzimmer, ziemlich hin-und-her-gerissen aussah. Eine tugendhaftes Tavernenmädchen, das wäre ja mal kurios! Nein, viel wahrscheinlicher war es ihre Masche um den Preis hochzutreiben.
    Meinen blonden Hünen schien es jedenfalls nicht zu stören, er grinste um so breiter und erhob sich ebenfalls, die Pranke auf ihrer Hüfte. Caluconius sagte irgendwas zu ihm in diesem schrecklichen Barbarenkauderwelsch, den sie unter sich sprachen (wobei man es nicht verstehen mußte um herauszuhören worum es ging) und begutachtete das Mädchen mit seinen kalten Augen, als wäre sie ein Braten den er gleich vor aller Augen auf einer Cena tranchieren würde.


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    Es lief gut. Styrkar zwinkerte seinem Kollegen verschwörerisch zu und folgte der Frau wie ein Hündchen – bis zu dem Moment, als sie Anstalten machte, ihn nach draussen zu führen. 8o
    "He warte, hast du denn keine Kammer? Gibts denn kein Hinterzimmer? Draussen ist kalt!" beschwerte er sich. "Und stockfinster! Und überhaupt, ich will dich nämlich auch sehen, Süße, weil nämlich du bist viel zu hübsch um es im Dunkeln zu tun!"
    Nein nein, er hatte schon einen gewissen Anspruch! Sonst hätte Styrkar ja auch zu ner pockennarbigen 3-As-Hure unter der Brücke gehen können! Das wäre viel billiger! War ja nicht so als ob er das Geld mit beiden Händen zum Fenster herauswerfen könnte...



    Der Wein, ja der Wein, warm, honigsüß und würzig, schwappte in meinen leeren Magen und umnebelte mich prompt. Gut. Nur, dass es noch längst nicht ausreichte. Ich knallte den wieder leeren Becher unkoordiniert auf den Tisch.
    "Mehr davon! Nochn Krug! Ach, was sag ich, nen Krug pro Mann. Bringt mir das beste was die Kaschemme zu bieten hat!"
    Akadios und Pelias Köpfe wandten sich mir synchron zu. Pelias sah furchtbar mißbilligend aus. Immer diese Asketen, die in ihrem freudlosen Verzichtsdasein anderen den kleinsten Spaß schon mißgönnten.
    "Was guckt ihr so trübsinnig!" fuhr ich sie an. "Gefällt es euch nicht in Trans Tiberim? Euch sticht wohl der Pissegestank der Gerber in die feinen Nasen! Ich sag euch was: tausendmal lieber riech ich hier die Gerber und Tuchwalker als... als den Pesthauch der Lügen, die da drüben von oben verordnet werden!"
    "Herr," versuchte Akadios mit gedämpfter Stimme begütigend auf mich einzuwirken, "Das Thema ist vielleicht in einer kleineren Runde besser aufgehoben..."
    Jetzt wollten schon meine Sklaven mir den Mund verbieten!
    "Zum Hades mit dem Schlangensumpf! Ich trinke auf Trans Tiberim!" rief ich unbeirrbar, und hob den Becher, dann fiel mir auf, dass er noch immer leer war.
    "Wo bleibt der verdammte Wein?!"

    Der Inhalt des Liedes, die Geschichte zur Melodie, war die alte, immer neue, Leier: Der Hirte war schwerst verliebt. Die Nymphe, die er anbetete, wollte nichts von ihm wissen, sie floh ihn und verhöhnte seine Liebe. Drum klagte der Hirte, einsam und allein sein Leid nur den Wäldern, den Bergen, und dem Abendstern. Tja. Seine Problemchen wollte ich haben, dachte ich gallenbitter. Solange der Hirte noch nicht erlebt hatte, wie das war, wenn einen die "einzig wahre große Liebe" nach Strich und Faden belog, benutzte, verriet und im Kerker verschimmeln ließ... sollte der Hirte doch einfach den Schnabel halten...!


    Ich ließ die Panflöte sinken, denn das Spielen zog mich nur noch mehr runter. Ausserdem meinte ich, Schritte zu hören, von unten... die Stiegen knarrten, dann die Türe. Ich wandte mich dorthin, in der Erwartung, Icarion zu erblicken... vielleicht sogar mit einer Antwort für mich?! -
    Wie groß wurden meine Augen, als hinter dem Sklaven der schöne Iulier höchstpersönlich seinen Auftritt hatte. Die Flöte schlitterte unbeachtet zu Boden, als ich aufsprang – und mich dann schnell am nächsten Balken festhalten musste, weil mir schon wieder schwarz vor Augen wurde. Wenigstens ebbte es gleich wieder ab. Bleich löste ich mich von dem Halt, und ging unsicheren Schrittes auf den Iulier zu. Bona Dea, wenn ich gewusst hätte, dass er einfach gleich mitkommen würde, dann hätte ich... Was hättest du, Faustus? Einen Palast für seinen Empfang erbaut? Eine hübschere Tunika angezogen? Dir von Narcissus das Gesicht restaurieren lassen? ....Nein letztlich machte es auch keinen Unterschied. Die Spuren meines Falls waren in jeder Hinsicht zu tief um sie zu übertünchen. Wozu es also überhaupt versuchen.


    Icarion war diskret in den Hintergrund gerückt. Ich blieb vor Dives stehen, einen Schritt vor ihm, lächelte nervös und reichte ihm meine kalte magere Hand.
    "Marcus Dives... Das... ist ja eine Überraschung."
    Wie eine Erscheinung, die nicht ganz von dieser, oder jedenfalls nicht ganz von meiner Welt war, stand er vor mir. Jung, strahlend, lächelnd.
    Er war so schön, dass es weh tat...
    Bang wartete ich auf den Moment wenn sein ehrliches, freudiges Lächeln umschlagen würde in... etwas anderes. Denn das würde es. Das würde es ganz gewiss.

    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg| Icarion


    Uups... Hatte Icarion da mit seiner unbedachten Bemerkung etwa, ganz unabsichtlich, Zweifel gesät? So etwas durfte nicht passieren! Jetzt galt es, den Schnitzer auszubügeln. Nicht, dass der Iulier noch reißaus nahm. Und Icarion dafür dann lange Tage voll serapionischer Schwermut, heftiger Launen und gärendem Zorn abfedern müßte. Icarion war zwar, von sich aus, ein sonniges Gemüt und vertrug so einiges, aber irgendwann ging sowas doch jedem an die Nieren...
    "Mitnichten" versicherte er, mit warmer Stimme, dem forschenden Blick treuherzig standhaltend. "Mein Herr wird sich freuen, dass du es heute schon einrichten kannst, ihm einen Besuch abzustatten."
    Und um weitere Zweifel gleich im Keim zu ersticken, setzte er sich in Bewegung, und trat federnden Schrittes auf die Türe zu, um damit ganz selbstverständlich zu machen, dass sie beide diese nun durchschreiten, und sich auf das andere Ufer begeben würden....




    Icarion war fort, mit meiner Botschaft, eine ganze Weile schon....
    Ruhelos blickte ich über die Stadt, seine Wiederkehr... halb... mit rasender Ungedud erwartend... halb mich davor fürchtend. Denn sobald er mit dem Brief abgezogen war, war mir natürlich klargeworden, wie blödsinnig es von mir gewesen war, mich in diesen Zeilen so... zu offenbahren... dass es dermassen einsam und verzweifelt klang. Ganz toll, gut gemacht Faustus, genau darauf standen ja die jungen Schönen. Auf die kaputten Typen, auf die Verlierer......
    ".....so erbärmlich...." flüsterte ich in den Wind. Und sah wieder hinab in die Gasse, die von hier zur Via Portuensis führte, und durch die mein Bote zurückkehren müsste. Fröstelnd schlug ich den Mantel enger um mich. Unten streunte ein Köter vorbei. Dann ein Lastenträger, schwergebeugt unter einem Riesenbündel Feuerholz. Dann zwei Weiber mit Wasserkrügen.
    Das war ja nicht auszuhalten...! Unwirsch wandte ich mich ab, und ging zum Zelt. Es stand im Windschatten eines grob gezimmerten Stückes Wand, Teil begonnener doch nie beendeter Aufbauten für noch ein weiteres Stockwerk. Daneben lag mein Kram herum, Felle, Decken, Feuerschalen, und eine Amphore bester Massiker, die ich Ravdushara heute gleich hatte besorgen lassen, nur so für den Fall dass.....
    Ich seufzte schwer. Wahrscheinlich war es sowieso besser, wenn ich den Iulier nicht wiedersah. Das ersparrte es mir nämlich, die Enttäuschung in seinen Augen zu sehen, wenn er mich erblickte. Oder, noch schlimmer: das Mitleid. Ich hockte mich auf einen Balken, und versuchte mich mit meiner Syrinx abzulenken. Spielte ein melancholisches iberisches Hirtenlied... versuchte dann, die fremdartige Melodie dieses seltsamen ägyptischen Liedes zusammenzubekommen, das mir in letzter Zeit so oft im Kopf herumging... gefolgt von einer weiteren, mindestens ebenso trübsinnigen Hirtenklage...

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Dives



    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg| Icarion


    Der aufmerksame Sklave beobachtete natürlich ganz genau, welche Reaktion die Botschaft hervorrief. Und als ihm gar etwas zu trinken angeboten wurde – sogar eigenhändig eingeschenkt! - da dachte er so bei sich, hinter seinem ruhigen Dank und seinem höflichen Lächeln, dass der blonde Magistrat wohl ein aufmerksamer Leser der Ars amatoria war, und sich die Lehre des Ovid gut eingeprägt hatte, die besagte: 'gewinn zuerst die Dienerin für dich, und sie wird dir den Weg zum Herzen ihrer Herrin ebnen'. Wenn auch ein wenig abgewandelt, versteht sich.
    Über den Wein freute er sich natürlich trotzdem, und trank ihn mit kleinen Schlucken.


    Das Mienenspiel des Lesenden erschien Icarion wie ein offenes Buch. Ja, diese kurzen Momente genügten schon, dass er für sich entschied, dass der Iulier es, im Augenblick jedenfalls, wohl wirklich "erst meinte", und dass er sich prompt die Hoffnung erlaubte, dieser möge seinen Herrn aufheitern, seine Schwermut hinwegzaubern und ihn zur Vernunft bringen.... Damit sie alle endlich diese furchtbare, schmuddelige Absteige wieder verlassen dürften, und zurück in das schöne Haus der Decimer ziehen könnten... Das wäre was...


    Das Zuklappen der Tafel riss ihn aus diesen angenehmen Träumen. Und ganz überrascht von der plötzlichen Vehemenz des Iuliers, verlor auch er für einen Wimpernschlag seine schöne Gelassenheit, sah diesen mit großen Augen an und fragte verwirrt:
    "Äh...gleich?"
    Icarion hatte nämlich damit gerechnet, erst einmal noch viele amouröse Episteln hin und her zu tragen. Aber er fing sich, und wurde wieder ganz professioneller Geheimbote.
    "Ja natürlich Herr, wie du wünschst. Es ist drüben in Trans Tiberim."
    Er stellte den Becher zurück auf das Tischchen, und war bereit, den Iulier stante pede zur Zuflucht Serapios zu führen.



    Während das Mädchen unterwegs war, um unsere Getränke zu holen, zählte Styrkar sein Taschengeld. Mit hochkonzentrierter Miene, die Stirn in Falten gelegt, die Zungenspitze zwischen die Zähne geklemmt, schob er die Münzen auf seiner großen Pranke hin und her. Dann schien er zu einer Entscheidung zu kommen.
    "Dominus?" fragte er, sich über den Tisch zu mir herüber beugend, "Kannst du mich mal fürn kleinen Moment entbehren?"
    "Meinetwegen" murmelte ich geistesabwesend. Dann wurde es still an unserem Tisch. Meine Sklaven schwiegen, ein bisschen befangen, und ich starrte eben so vor mich hin, in meine Schwermut gehüllt... Dann verfing sich mein Blick, und auch meine Gedanken, an einem Mann, der sich, an dem Tisch wo es vorhin den Aufruhr gegeben hatte, gerade von einigen anderen verabschiedete. Er sah gut aus, aber das war es gar nicht mal, was mich so fesselte. Eher die... diese Ausstrahlung, die er hatte, so was ganz ruhiges, gelassenes, sicher in sich ruhendes. Ich sah ihn an, und der Gedanke schoß mir durch den Kopf was ich geben würde, um all den Mist, der mir widerfahren war, und die grausamen Albträume die mich bis ins Wachsein hinein verfolgten, und all die Verzweiflung und den Zorn die an mir nagten... um all das hinter mir lassen zu können, und ebenso ruhig und... ja, ich möchte sagen "unangreifbar" wie dieser Mann da drüben sein zu können. Wenn ich mit ihm tauschen könnte, jetzt, in diesem Augenblick, mein beschissenes Leben einfach hinter mir lassen könnte, und jemand ganz anderes sein könnte, jemand glückliches...


    Heißer Gewürzwein. Das Mädchen war zurück. Ich legte die Hände um den Becher, spürte die Hitze versengend in den Fingern. Bona Dea... wie tief war ich nur gesunken... Hatte ich, Faustus Decimus Serapio, gerade wirklich den Wunsch gehabt, mit irgendeinem dahergelaufenen Kneipengast, irgendeinem armen und bedeutungslosen Peregrinen oder so, mein Leben zu tauschen?
    Si quisquis bibit, cetera turba est* hatte jemand schief an die Mauer über unserem Tisch gekritzelt. Na dann. Ich setzte den Becher an und schlürfte den Wein, auch wenn ich mir dabei die Zunge verbrannte. Ohne so recht wahrzunehmen wie er schmeckte. Nur dass er in meinem leeren Magen eine angenehme Wärme verbreitete.


    "Danke schöne Frau!" charmierte Styrkar, prostete ihr zu und trank. "Komm, setz dich zu uns, trink mit mir!" Wenigstens einer am Tisch hatte gute Laune. Er fackelte nicht lange, griff das Mädchen um die Hüften und zog es auf seinen Schoß, bot ihr von seinem Bier an...
    "Schau mal, du hast doch jetzt Verstärkung bekommen" argumentierte er "listig" mit einem Blick auf die ältere Frau, die jetzt auch bediente, "Da kannst du dich doch auch mal hinsetzen!" Verheißungsvoll klimperte er mit seinen Münzen und schlug freundlich grinsend vor: "Oder mit mir mal kurz verschwinden, und dir was dazuverdienen, hm?"


    Mir war das egal was er da veranstaltete, schließlich waren Schankmädchen normalerweise lose Weiber. Es galt ja nicht mal als Ehebruch sich mit solchen einzulassen. Ich hatte meinen Becher gelehrt, griff nach einem zweiten, und trank ihn ebenso zügig aus...




    *"Wenn einer trinkt ist ihm alles andere wurscht"

    Ich biss die Zähne zusammen. Was erwartete er denn?! Natürlich gab es nicht den einen, knalligen Beweis, der ein für alle Mal Klarheit schaffte und jeden Zweifler flugs überzeugte. Die Wahrheit war kompliziert, verschlungen und schmutzig.
    "Entschuldige" sagte ich gepresst, "ich habe mich schon so lange mit diesen Ermittlungen herumgeschlagen... und es geht mir immerzu im Kopf herum was man da machen kann, ständig, die ganze Zeit... da vergesse ich vielleicht, dass andere nicht so tief da drin stecken. Ja, ich kann nichts anderes erwarten, als dass du mir... offen... zuhörst... Und ja... es ist erstmal unvorstellbar. Man will es nicht glauben, dass diese hochangesehenen Männer sich zu einer solchen Infamie zusammengerottet haben! Aber es ist eben geschehen. - Und auch wenn es schwer zu glauben ist, die Alternative wäre es, den Verschwörern ihre Lügengeschichte abzunehmen. Und die ist doch... lächerlich! - Kaiser Valerianus soll Cornelius, einen Mann, mit dem ihn augenscheinlich nichts besonderes verband, dem er niemals öffentlich seine Gunst bezeugte, als seinen Nachfolger im Falle seines und Maioranus' Todes eingesetzt haben? Anstelle des Freundes, dem er offenkundig vertraute, und dem er die Regierung ja faktisch bereits anvertraut hatte? Die konspirativen Versammlungen in der Villa Tiberia, Tiberius Durus' Reise nach Syrien, die Aktivitäten dort, sein Freitod, die flinke Flucht der anderen Verschwörer aus Rom, der schlagartig losbrechende Aufstand in Syrien, das alles soll reiner Zufall sein?! Das Geständnis des Vinicius Lucianus, das er bei seinem Prozess vor vielen verschiedenen Personen stolz und starrsinnig wiederholte – ihm eingeflüstert von finsteren Prätorianern?! Was für ein Schmarrn..."


    Hatte mein Vater gesagt "dass uns jemand diese Geschichte glaubt". Uns? Vertraute er mir doch so weit?
    "Ich weiß nicht so recht, ob es überhaupt etwas bringen würde, die Verbrecher vor dem Senat anzuprangern." widersprach ich ihm, nur vorsichtig, um nicht respektlos zu erscheinen, "Die allermeisten Senatoren haben sich doch ängstlich Vescularius unterworfen, als er an der Macht war, und nun haben sie sich ängstlich Cornelius unterworfen, und wüten um so rücksichtsloser gegen seine Gegner, um nicht selbst für ihre frühere Katzbuckelei zur Verantwortung gezogen zu werden... Für solche Duckmäuser zählen keine Fakten, nicht Recht und Unrecht, sondern nur die Frage der Macht... und sie würden auch den allerüberzeugendsten Beweisen gegenüber erst dann die Augen öffnen, wenn man sie, ähem, auch mit militärischen Argumenten, etwas nachdrücklicher dazu motiviert."


    Aber solche Überlegungen waren im Augenblick wohl noch ein klein bisschen verfrüht. Erst einmal holte ich noch viel weiter aus, und berichtete Livianus stundenlang ausführlich alles, was ich über den Ablauf des Attentats an jenem Saturnalientag herausgefunden hatte*, von den Todesqualen der kaiserlichen Familie, von den Aussagen der Leibärzte, die sie nicht hatten retten können, von dem was das Gesinde gesehen hatte, und wie der Küchensklave Berisades sich letztendlich verriet. Ich erzählte auch von der Jagd auf Ulpianus Venox, den kaiserlichen Freigelassenen, der während Cornelius' Statthalterschaft in Syrien dort in dessen Verwaltung gearbeitet hatte, und der dem Küchensklaven Auftrag und Gift übergeben hatte. Erzählte wie der Centurio Iunius Seneca den Freigelassenen schließlich in Sardinien aufspürte und nach Rom brachte, und wie die Verhöre dieses Schurken uns dann doch nur an ein totes Ende führten. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt an dem wir nach Norden ins Feld hatten ziehen müssen.


    "Und jetzt," schloß ich verbittert (und heiser), "sitzt einer dieser schändlichen Verbrecher, die die Ulpier hinterrücks ermordet haben und den blutigen Bürgerkrieg über uns hereinbrechen ließen, auf dem Thron... und mit einem Mal soll also Wahrheit zu Lüge geworden sein, und Ehre zu Unehre... und der widerlichste nur vorstellbare infame Frevel gegen Götter und Menschen eine große Heldentat."



    *Von mir geschrieben und abgesegnet von der SL ;)

    Sie war fort. Ich war allein. Ich lag auf dem Bett. Ich starrte an die Decke. Alles war... taub. Leere. Dumpfe Leere. Ich wollte sterben, und war zu müde auch nur einen Finger zu rühren. Es dauerte lange. Es wurde schon dunkel. Es dauerte sehr lange... bis es mir gelang, aufzustehen. Ganz langsam. Nicht zu schnell. Ich hielt mich fest, bis der Schwindel abklang. Dann nahm ich eine Öllampe. Suchte einen schweren Schlüssel hervor. Und ging zur Waffenkammer.


    >>

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Dives
    ....
    "Salve Icarion.", begrüßte er den nicht unbedingt wie einen Sklaven wirkenden ansehnlichen jungen Mann, der den eigenen Worten nach wohl aber eben solcher war. Dann wandte er sich mit einigen Wachstafeln seinem einzigen Mitarbeiter hier, seinem Sklaven Aglaopes, zu: "Sei so gut, bring diese Unterlagen hier zum Praetor Urbanus. Die Fälle sind soweit abgeschlossen." Der betagte Unfreie nickte stumm und machte sich auf den Weg. "Ach ja, und schließ die Tür von außen, bitte. - Danke." Denn wer Dives eine persönliche Botschaft überbringen lassen wollte, den wollte der Iulier in aller Regel auch nicht enttäuschen und war gerne gewillt auch die Möglichkeit für ein wirklich persönliches Überbringen der Nachricht zu schaffen. Das hieß natürlich, dass er auch als gewählter Decemvir nicht blindlings jedem ein Vieraugengespräch zusicherte, doch erweckte sein Gegenüber aktuell doch nicht unbedingt den Eindruck hier auf Übles aus zu sein.
    "Nun, so sag mir, wer schickt dich und mit welcher Botschaft?", erkundigte er sich, nachdem sie tatsächlich allein waren, bei seinem Gast.


    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg| Icarion


    Erfreut, dass der Wink des "persönlichen" gleich angekommen war, verfolgte Icarion, wie der Decemvir seinen Schreiber hinausschickte und die Türe sich schloß.
    "Mich schickt Faustus Decimus Serapio," antwortete er dann schlicht, und zauberte eine Wachstafel aus einer Falte seines Gewandes hervor. Sie war zusammengeklappt und versiegelt. Das Siegel zeigte den hispanischen Hengst des Decimerwappens. Icarion überreichte sie dem Iulier.
    "Er sendet dir dies."



    Faustus Decimus Serapio grüßt seinen Freund Marcus Iulius Dives.


    Eine halbe Ewigkeit allerdings... Ich habe oft an Dich gedacht, Dulcis Dives, und an die kostbaren Augenblicke unbeschwerter Freude, die wir vor langer Zeit teilten. Was Du mir da in Ostia zum Abschied geschrieben hattest... dass wir den nächsten Wein dann wirklich zusammen trinken würden... dieses ausstehende Treffen, dieser ungetrunkene Wein... das hat mich tatsächlich in diese dunkle Zeit begleitet, wie ein kleines "Memento vitae".
    Ich möchte Dich sehr gerne wiedersehen. Dem Haus meiner Familie habe ich den Rücken gekehrt, aber mein Icarion kann Dich zu meinem neuen Aufenthaltsort führen. Du bist mir jederzeit willkommen. Jedoch... ich bin nicht mehr der selbe, und wenn Du die Erinnerung an einen sonnenhellen Fors-Fortuna-Tag ungetrübt bewahren willst, dann solltest Du Dich lieber entscheiden mir fern zu bleiben. Ich würde es verstehen und Dir nicht grollen.


    Vale bene
    Faustus




    Lammbraten!" strahlte Styrkar, "Ganz kolossal! Das hört man gern. Den ess ich nämlich am liebsten!"
    Lammbraten und Bohneneintopf.
    Es war... so merkwürdig... hier zu sein... unter Menschen, ganz normalen Menschen. Unwirklich. Die Qualen der Gefangenschaft schienen, hier, wenn ich hier in dieser belebten, hellen, ganz alltäglichen kleinen Taverne saß, nur mehr wie ein böser Traum. Ich war frei. Endlich wieder frei, und konnte dorthin gehen wo ich wollte, und selbst entscheiden was ich tun wollte. Das war... unendlich kostbar. Oder nicht? Und seien es nur die ganz kleinen Dinge. Zu entscheiden was ich essen wollte. Lamm oder Eintopf. Zum Beispiel.... -
    Oder... war ich noch immer dort...? War nicht vielleicht das, was ich hier zu erleben glaubte, auch nur ein weiterer Traum, der für einen Augenblick gnädig meine Verzweiflung linderte... und wenn ich dann aufwachte... dann würde ich wieder dort sein, zwischen den kalten Mauern, in der Dunkelheit, dem Gestank, der Angst, der Vergessenheit... Ein kalter Schauer durchlief mich, ein Anflug von Schwindel...
    Ruhig Blut, Faustus... Ich drückte den Rücken gegen die Wand, krallte die Finger um die Bank auf der ich saß. Rauhe Steine. Festes Holz.


    Das Schankmädchen erzählte ganz locker und freundlich, was der Auflauf da an dem anderen Tisch gerade bedeutet hatte. Ich wischte mir eine Spur klamme Feuchtigkeit von der Stirn. Sah die Frau an wie einen Geist. Eine seltsame Traumgestalt. Eben noch hatte ich sie ja etwas gefragt, jetzt auf einmal schien es mir unheimlich schwierig, irgendwie... normale Sätze zu formen.
    "Mhm. Aha." Urbaner, die kontrollierten, wie viele Leute an einem Tisch sassen? Das klang etwas dünn. Die Irritation riss mich wieder ein Stück zurück in... die Wirklichkeit? Den Traum? Sagen wir, mal in die Gaststube.
    "Es gibt Dinge, die sind eben.... unverzeihlich." bemerkte ich bitter, obgleich ich natürlich überhaupt keine Ahnung hatte was zwischen Wirt und Wirtstochter vorgefallen war. Aber dafür wußte ich wie es war, wenn der eigene Vater einen vor dem Senat den Lügen der Kaisermörder zum Fraße vorwarf. Und das war ja noch bei weitem der allermildeste Verrat, unter all den Hammerschlägen, die mich getroffen und meine Existenz zertrümmert hatten.
    "Nein..." sagte ich düster, noch immer den Zorn und die Enttäuschung und das Wissen, dass mich nun wirklich alle im Stich gelassen hatten, in mir hin und her wälzend, "Zugezogen. Aber ist ja ganz nett hier."
    Meine Sklaven sahen hungrig und durstig aus, und auch mich verlangte nach Wein, darum wollte ich das Mädchen nicht länger aufhalten. Ich verstummte, zog den Mantel fest um meine Schultern und lehnte mich angespannt zurück.


    Der Wirt stand seinen Mann, und ich sah die Urbaner schon ausrasten. Doch statt dessen wandelte sich das, was gerade noch nach Eskalation gerochen hatte, in ein besonnenes Auseinandergehen. Zu meiner Zeit hätte es das.... - auch gegeben.
    Na endlich, da kam ja die Bedienung.
    "Eine Runde heißen Gewürzwein bitte" bestellte ich bei dem dürren Mädchen, "und... Oliven, Eier und Garum für uns alle und ähm..." Eigentlich hatte ich gar keinen Appetit.....


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    "Für mich ein Bier, schöne Frau! Und eine ordentliche Scheibe Braten! Ich hab Hunger wie ein Wolf!" verlangte fröhlich der blonde Styrkar, wobei er dem Mädchen ein germanisches Grinsen von rustikalem Charme schenkte.


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    "Fleisch... für mir... auch" bat Caluconius, der nicht so gut Latein sprach, und fläzte sich träge auf seinem Stuhl.


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    "Nur eine Schale Puls" verlangte Pelias genügsam. Er lies die Umgebung nicht aus den Augen.


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    "Ich nehme das, was der da drüben hat" bestellte Akadios, auf einen Schlemmer am Nachbartisch deutend.


    Auf die Dauer... war immer nur Opium vielleicht nicht das geschickteste. Wenn ich noch mehr vom Fleisch fiele, wäre ich bald transparent. Oder gleich ein Gerippe. Was würde meine Schwester dann sagen? Also schloß ich mich meinen Sklaven an und bestellte: "Das Tagesgericht für mich."
    Und, hier so losgelöst von meinem alten Leben, mit einem Mal neugierig auf das Leben der anderen, erkundigte ich mich, mit einer Kopfbewegung zu dem Tisch wo sich gerade das Drama abgespielt hatte: "Was war denn da gerade los?"

    [Blockierte Grafik: http://imageshack.us/a/img40/8946/icarion.jpg| Icarion


    Es war an einem Nachmittag, ein paar Tage nach der Einsetzung der neuen Magistrate - der Himmel wölbte sich in einem klaren Wasserblau über der Stadt, vom Westwind blank gefegt – da spazierte ein junger Mann mit zedernholzfarbenem Teint in die Basilica Ulpia. Er war gepflegt gekleidet, und seine Löckchen umrahmten fesch (andere hätten gesagt 'stutzerhaft') geölt die südlichen Züge.
    Icarion fand die Amtsstube des Decemvir Iulius Dives, vergewisserte sich dass es die richtige war, und wartete geduldig, zwischen all den Erben und denen die es werden wollten, bis er an der Reihe war. Gutgelaunt betrachtete er derweil das Kommen und Gehen in den hohen Hallen. Er war es zufrieden, heute mal wieder ausgiebig in der Stadt unterwegs zu sein, und fühlte sich mit diesem Auftrag ganz in seinem Element, geradezu befördert. Denn in der Vergangenheit hätte sein Herr eine so vertrauliche Angelegenheit wie diese bestimmt an sein Faktotum Ravdushara delegiert. Doch wie die Dinge jetzt so lagen, war dessen Gesicht zu bekannt... und Icarion bekam seine Chance, den launischen Nabatäer auch noch in dieser Hinsicht auszustechen.
    Als schließlich die Reihe an ihn kam, sein Anliegen vorzutragen, trat er vor den Decemvir, und senkte höflich den Kopf. Jeder Zoll seiner Haltung sprach von dem gebührenden Respekt vor dem Amtsträger, doch seine Augen lächelten, als er sprach:
    "Salve edler Decemvir Iulius Dives. Mein Name ist Icarion, und ich bringe dir eine persönliche Botschaft meines Herrn."



    "Dives Serapioni amico salutem plurimam dicit" las mein Gesellschafter, und verlieh mit seiner melodischen Stimme sogar dieser ganz gewöhnlichen Grußfloskel eine besondere Wärme.
    "Es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit, dass wir uns.. dass ich dich zuletzt gesehen habe."
    Das konnte man laut sagen. Es war in einem anderen Leben gewesen...
    "Viel ist seither passiert, Gutes wie Schlechtes."
    Mir fiel zwar nur Schlechtes ein, aber sein Dasein war ja jetzt anscheinend eitel Freude und Sonnenschein.
    "So habe ich unter anderem deine alte Wirkungsstätte kennenlernen dürfen und ich sage dir ganz ehrlich, ich vermisse sie nicht. Oder gab man mir nur den falschen Führer durch den Komplex, von dem ich in Summe nur wenige Räumlichkeiten, die dafür aber umso genauer "erkunden" durfte?"
    Erstaunt furchte ich die Stirn. Er war auch eingesperrt gewesen? Aber wieso denn das?! Dives hatte doch nie ein Hehl aus seiner Abneigung gegen Vescularius' Herrschaftsstil gemacht, und - anders als die ganze Duckmäuser, die nun von sich behaupteten, von der ersten Stunde an heimlich für die Aufständischen gearbeitet zu haben – anders als sie hatte Dives es sogar gewagt, seine Kritik, verpackt ins künstlerische Gewand des Theaters, offen zu formulieren.
    Oder verstand ich das falsch? Komisch.
    "Ich hörte, dass deine Reise in den Norden letztlich keine schönen Augenblicke zu bieten hatte."
    Gelinde ausgedrückt.
    "Schützten die Unsterblichen nicht deinen Weg?"
    Den Unsterblichen ging mein Weg am A... vorbei.
    "Dabei habe ich für dich gebetet und deinem Namenspatron sogar ein weißes, kein dunkelbraunes Opfer dargebracht!"
    Er hatte für mich gebetet. Das war.... süß. Nein. Es war viel mehr. Ein befremdliches Gefühl kroch in mir hoch und kratzte ganz zaghaft an der nebulösen Wand von Taubheit, die noch immer zwischen mir und der Welt stand. Ich schluckte... und konzentrierte mich schnell auf was anderes. Auf die seltsame Formulierung, mit dem weißen, nicht dunkelbraunen Opfer... damit wollte er mir wohl sagen, dass er Serapis in seinem Aspekt als Himmelsgott, nicht als chtonischen Herrn der Tiefe angerufen hatte. Oder?
    "Und dennoch sagt man, dass - nur um ein Haar - dein hispanisches Feuer erloschen wäre. Ich bin froh, dass dem nicht so ist!"
    Ich biss mir auf die Lippen, und sah an meinem Vorleser vorbei in die Weite des Himmels. Warum war es mir bei diesen Worten, als würde ich von irgendwo Musik hören...? Als würden die Dinge um mich herum, wie von einem Zauberwort erweckt, mit einem mal klingen und singen, und mir ein Lied trällern, vom Leben und was das doch für eine großartige Sache war. Blödsinn.
    "Du hingegen wirst vermutlich weniger froh sein über die Dinge, die man derzeit über mich erzählt und schreibt."
    Jap.
    "Vielleicht gibst du mir aber trotzdem wenigstens die Chance dazu, mich dir zu erklären."


    An der Stelle unterdrückte mein Vorleser ein Grinsen.
    "Warum lachst du?" fragte ich ihn, ziemlich streng weil ich nicht zeigen wollte, wie sehr mich die paar Zeilen da aufgewühlt hatten.
    "Verzeih mir Serapio" bat Icarion mit noch immer vor Heiterkeit funkelnden Augen, "aber sagt man nicht auch, 'sich jemandem erklären' dafür, jemandem einen Heiratsantrag zu machen?"
    Wider willen musste ich ein bisschen grinsen. (Mein Gesicht zersprang fast bei dieser völlig ungewohnten Mimik.) Vielleicht hatte der Schöne ja schon genug von seinem scharfen Frauchen und beschlossen, doch lieber einen aussätzigen Kriegsversehrten zu ehelichen. Die unendliche Absurdität dieses Gedankens lies das Grinsen noch ein bisschen breiter werden, und ich lachte, nur zum Teil bitter, auf.
    "Lies weiter Icarion."
    "Mögen Fortuna und Apoll ihren Weg zu dir zurück finden und dir die Möglichkeit geben, deinen Blick trotz allem der Zukunft zuzuwenden."
    Fortuna die Hure konnte mir sowas von gestohlen bleiben. Überhaupt gab ich keinen Pfifferling mehr auf die angebliche Macht der "Götter"... Und von 'Zukunft' konnte hier echt nur jemand sprechen, der die Augen ganz fest vor der beschissenen Realität zukniff.
    "Vale bene, Marcus Iulius Dives, Decemvir."


    Ich hatte tatsächlich den Atem angehalten. Jetzt stieß ich heftig die Luft aus.
    "Der schreibt mir doch nur noch aus Mitleid!" urteilte ich grob. "Was soll ich mit Erklärungen... ich kenn die Erklärungen... 'das Bild in der Öffentlichkeit zählt' wird er mir sagen, und 'was soll ich denn machen, ich muß auch an meine Familie denken', und 'es war nett mit uns aber nur eine Phase, die jetzt hinter mir liegt' wird er mir sagen..."
    Verrat... Unaufrichtigkeit... überall Verrat, im großen wie im kleinen... zornig funkelte ich meinen Sklaven an.
    "Da ist noch was" sagte er sanft.
    "Hm?!" schnaubte ich.
    Er kniete sich neben mich und legte mir die Wachstafel in die Hände.
    "Wenn du dir die Worte ansiehst, die ein bisschen anders geschrieben sind, hier und hier..."
    Er wies mit dem Finger darauf. Ich las halblaut. Und setzte zusammen.
    "...ich...vermisse...deine... schönen...Augen... dein... dunkelbraunes.... Haar... dein hispanisches Feuer..."
    Mir schoß die Röte ins Gesicht. "Bei Eros und Anteros!" flüsterte ich ungläubig. Sah Icarion ganz verstört mit großen Augen an. "Der... der meint es doch nicht etwa....... ernst...?"

    Immer konnte ich auch nicht da oben sitzen und den Wolken nachschauen. Ausserdem war das Essen im Salamander so unschlagbar mies... Darum wagte ich an jenem Abend einen ganz kleinen Ausflug in die Nachbarschaft. Natürlich nicht ohne Leibwächter, und nicht ohne Bewaffnung, versteht sich. Schließlich fürchtete ich noch immer, jemand könne sich an mir rächen wollen, oder mich mundtot machen wollen, oder sich durch meine Ermordung bei Cornelius einschleimen wollen. Akadios, Pelias, Styrkar und Caluconius trotteten also mit mir durch die Gassen von Trans Tiberim. Nicht erkannt zu werden, war natürlich der beste Schutz. In der Herberge hauste ich unter falschem Namen, meine Leibwächter benahmen sich eher wie Kumpels, und wir waren allesamt sehr gewöhnlich gekleidet. Nur auf meine schöne Paenula mochte ich nicht verzichten. Gegen die Kälte, die mich ständig so plagte. Sie war aussen aus blauer Ziegenwolle und innen mit Eichhörchenfell gefüttert (und durchtränkt vom süßen Duft nach Opium).


    Ein Becher warmer Würzwein wäre jetzt gut. Mit diesem Gedanken steuerte ich eine kleine Gaststätte an. Ich öffnete die Türe und trat in den Schankraum, gefolgt von meinen Custodes. Da drin war gerade eine Menge los, ja, es war, als wäre ich mit einem mal mitten auf die Bühne eines Theaters gestiegen – Drama lag in der Luft, eine junge Frau und ein älterer Mann standen sich gegenüber, und ihren leidenschaftlichen Worten war zu entnehmen, dass es sich um einen Vater und seine verstoßene Tochter handelte. Und noch dazu waren da Urbaner, einer von ihnen bedrohte gerade lautstark eine um einen Tisch herum versammelte Gesellschaft.
    Es war... naja, irgendwie seltsam... so ganz aus der Nähe andere Menschen zu sehen, wie sie lebten und litten und stritten. Ich war da so gar nicht mehr daran gewöhnt. Meine Wächter und ich setzten uns an einen freien Tisch neben dem Tresen. Ich mit dem Rücken zur Wand.
    "Bedienung!" rief ich, damit wir bei dem ganzen Trubel nicht vergessen wurden. Was die Tochter wohl ausgefressen hatt? Ob der Vater ihr wohl doch noch verzeihen würde? Ja... Väter konnten ganz schön schwierig sein....

    Ton für Ton versuchte ich, noch mehr der Lieder, die ich früher drauf gehabt hatte, wieder zu rekonstruieren. Es ging so la la... aber seltsamerweise bemerkte ich dabei kaum wie die Zeit verging. Ich war überrascht, als Icarion auf einmal schon zurück war. Er brachte mir, ausser dem Bündel mit den verlangten Sachen, auch eine Tabula aus der Casa mit.
    "Hier ist deine Post."
    "Vom wem?" fragte ich ungläubig. Die Welt hatte mich abgeschrieben, wer sollte denn bitte mir noch einen Brief schicken?
    "Marcus Iulius Dives." antwortete mein Icarion mit einem leisen Lächeln.
    "Oh."
    Das... hätte ich beileibe nicht erwartet. Nach allem was ich auf dem Rückweg aus den lucullischen Gärten erfahren hatte... war der schöne Iulier gerade erfolgreich in den Cursus Honorum eingestiegen und ausserdem hatte er sich wohl... verlobt. Und zwar, laut Ravdushara (!), mit einer echt scharfen Braut, und noch dazu vor aller Augen bei den Spielen. Und auf allen Wänden hatte es auch gestanden. Wie im Bilderbuch. Oder besser noch, im 'Handbuch für den erfolgreichen Politiker von heute'. Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, dann war er Senator, hatte sieben Kinder (und wurde fett, weil sein geliebtes Eheweib so gut kochte. Oder so.)


    Nicht, dass mich das noch irgendwas angegangen wäre. Ich konnte ja (leider) nicht erwarten, dass jeder, den ich mal aufgerissen hatte, sich für den Rest seines Lebens in unsterblicher, immerwährender, nimmerwankender Liebe zu mir verzehrte. Trotzdem war es echt mies, das zu hören... Dives war so umwerfend... es war so heiß gewesen, mit ihm... und diese Neuigkeiten waren ein häßlicher Fingerzeig darauf, wie ewig lange ich in Gefangenschaft gewesen war... wie grundlegend sich die Dinge in der Zeit geändert hatten... wie wunderbar die Welt auch ohne mich auskam... und nicht zuletzt weckte es unschöne Erinnerungen an gewisse andere Liebhaber in meiner Vergangenheit, die sich auch irgendwann in einem Anfall von Geschmacksverirrung von irgendwelchen dummen Weibern den Kopf hatten verdrehen lassen... und mich deshalb abserviert hatten.


    "Soll ich es vorlesen?" fragte unschuldig Icarion.
    "Mmh...ja..." murmelte ich skeptisch. Und versuchte mich innerlich zu wappnen gegen... was auch immer da an weiteren Tiefschlägen meiner harren mochte...

    Um ehrlich zu sein... waren es nicht komplett alle Brücken, die ich abgebrochen hatte. An jenem Tag zum Beispiel – der Himmel war von einem klaren Aquamarin, und der Wind wehte frisch von Westen her – da schickte ich Icarion los, um ins Haus meiner Familie zu gehen, und ein paar Sachen zu holen, die ich bei meinem abrupten Auszug dort vergessen hatte. Ausserdem sollte er meiner Schwester bescheid geben, dass ich noch immer unter den Lebenden weilte, und sie sich bitte keine Sorgen machen sollte.
    Während er fort war, saß ich, da oben auf dem Dach, im Schneidersitz auf einem Ziegenfell vor meinem Zelt, und versuchte ein bisschen zu lesen. Ich hatte eine Schriftrolle mit dem "Kriton" auf den Knien, aber die Worte gelangten immer nur bis zu meinen Augen, nicht in meinen Geist. Ich konnte mich partout nicht konzentrieren, die Unruhe, mein ständiger Begleiter, ließ es nicht zu. So rollte ich das Ding wieder zusammen, und drehte ein paar Runden auf dem Dach. Beobachtete eine Barke auf dem Tiber, die vom Frachthafen aus flußabwärts trieb... ein Rudel von Kindern, das lärmend durch die Strassen tief unter mir tollte... eine Frau, die in ihrem Hof bunte Tücher auf die Wäscheleine hängte, und wie diese sich tänzerisch im Wind wiegten...


    Darauf nahm ich mein Gladius, das schöne aus der Gardetribunen-Zeit zur Hand, und begann, es sorgsam mit einem Schleifstein zu schärfen. Eigentlich war es ja bereits so scharf wie es nur werden konnte... denn ich hatte es erst gestern geschliffen, und vorgestern auch, und auch zuvor viele Male... doch diese Tätigkeit hatte so was beruhigendes... sie hielt irgendwie... die Lemuren im Schach. Während ich den rauhen Stein über den kühlen Stahl zog, wieder und wieder, das schrille Schaben in den Ohren, den metallischen Geruch in der Nase... gab es nur noch dies hier. Erst als ich das Schwert zurück in die reichverzierte Scheide steckte, und es wieder an die Stange am Eingang des Zeltes hängte... trat die beschissene Welt wieder an mich heran und grinste mir höhnisch ins Gesicht. Na Faustus? Wieder mal zu feige gewesen die Sache zu Ende zu bringen?


    Ich beschloß, mir etwas Opium zu gönnen. Als ich in der Kiste nach den Utensilien kramte, fiel mir dann zufällig, in dem ganzen, vom Packen durcheinandergewürfelten, Zeug, meine alte Flötensammlung in die Hände. Ich zog die Hirtenschalmei hervor. Es war Jahre, wirklich viele Jahre her, dass ich zuletzt darauf gespielt hatte. In Parthien hatte ich häufig die Kameraden damit unterhalten. Und später auch mit meinem Centurio zusammen musiziert (der ja, was man bei so einem Haudegen gar nicht gedacht hätte, ein heimlicher Künstler auf der Kithara war.)
    Später dann, als ich selbst die höheren Ränge erklomm, und die Fassade immer wichtiger wurde, hatte ich es nicht mehr gewagt, diesem (leider als furchtbar unrömisch und unmännlich verschrienen) Vergnügen nachzugehen.
    Aber jetzt... jetzt war ja sowieso keine Würde mehr übrig, die ich hätte bewahren müssen, und so rieb ich die Flöte an meinem Ärmel blank, setzte sie an die Lippen, pustete sie durch, befeuchtete das Mundstück und spielte einen langgezogenen Ton. Das war... seltsam, ein bisschen als würde ich einem uralten, ewig nicht gesehenen, aber noch immer vertrauten Freund begegnen. Ich versuchte mich an einer kleinen Melodie, aber da machten mir leider meine Finger einen Strich durch die Rechnung. Nicht nur, dass ich völlig ausser Übung war, und ob des Messerschnittes noch immer einen schmalen Verband um die Handfläche trug, es war einfach allgemein das Problem mit meinem rechten Arm, der seit der Verwundung bei Tasheribat zwar wieder ziemlich gut, also deutlich besser als erwartet, geworden war, aber die alte Feinbeweglichkeit der Finger war, ebenso wie die alte Stärke, doch nur zum Teil wieder zurückgekehrt.
    Kurz, meine Finger haschten steif, hölzern und vergeblich nach den richtigen Positionen, und es klang schrecklich. Ich verzog das Gesicht, und legte die Schalmei zurück.
    Aber: da war auch meine alte Syrinx... das Instrument des Pan. Dafür brauchte man keine geschmeidigen Finger. Ich versuchte es mal mit ihr. Setzte sie an die Lippen, blies die Tonleiter, dann eine ganz einfache kleine iberische Weise, die ich tatsächlich noch im Kopf hatte. Naja. Klang gar nicht so schlecht.


    Das einzig gute an der Bude war die Aussicht. Ich hatte eben das erstbeste genommen, nachdem ich das Haus meiner Familie verlassen hatte, an dem Tag, als mein Vater sein Konsulat antrat. Jetzt lagen nicht nur unsere Differenzen sondern auch der Tiber zwischen uns. Trans Tiberim, das Viertel der Fremden, der Reisenden und der Aussenseiter hatte mich... wiederum... aufgenommen.


    Die Herberge war groß, die beiden unteren Stockwerke aus Stein, darauf noch zwei aus Holz aufgebaut. Das oberste hatte ich komplett gemietet, für mich und meine Sklaven. Es war alles ziemlich runtergekommen, die Konstruktion nicht gerade vertrauenserweckend, die Küche schlecht... aber ich war viel zu gleichgültig und zu kraftlos, um mir nochmal irgendwas neues zu suchen. Sowieso verbrachte ich kaum Zeit in den Räumen... ich hatte ein Problem mit Wänden, beziehungsweise damit, sie so beklemmend eng um mich herum zu haben... und hing statt dessen die meiste Zeit oben auf der dazu gehörenden Dachterasse herum. Es war zwar scheußlich kalt... trotz der Kohlebecken, die meine Sklaven ständig am Glimmen hielten... aber dafür war es... weit und hell und luftig und ich konnte in den Himmel hinaufsehen. Wie die Wolken dahintrieben. Wie Vogelschwärme sich im Aufwind wiegten. Wie morgens die Sonne aufging. Wie sie abends hinter dem Horizont versank.


    Ich hatte ein altes Zelt dort aufgeschlagen, und wohnte und schlief darin, dort oben auf dem Dach. Ohne Mauern um mich herum ging es sogar etwas besser mit dem Schlafen. Die Terasse war durch Bastmatten gegen Blicke von unten abgeschirmt. Manchmal saß ich stundenlang nur da, rauchte, in Decken gehüllt, ganz langsam eine Opiumpfeife und betrachtete den Himmel oben, und den träge dahinströmenden Tiber, und das Treiben unten in den belebten Strasse, auf den Plätzen und Höfen und niedrigeren Dächern. Von hier oben... war das genau der richtige Abstand. Manchmal spazierten Ringeltauben über die Dachtraufe und gurrten. Rrruuu... rrruu... Dann warf ich ihnen ein paar Krumen hin.
    Meine Custodes war natürlich Tag und Nacht wachsam. Aber es kam niemand um mich zu ermorden. Um genau zu sein, kam überhaupt niemand. Ich hatte ja alle Brücken abgebrochen. Und offenbar drehte die Welt sich auch ohne mich weiter.