Beiträge von Faustus Decimus Serapio


    "Ach Seiana... Seiana..." Ich mußte husten, biss die Zähne zusammen. Dann ließ ich mich langsam zurücksinken, auf das schmuddelige Lager. Ich war todmüde.... hohl und leer, ich hatte keine Kraft um ihren energischen Sätzen standzuhalten oder etwas entgegenzusetzen. Warum ließ sie mich nicht einfach in Frieden, warum verlangte sie Unmögliches von mir...
    "Lass es... lass es einfach sein, ich bitte dich... Was du da sagst, glaubst du doch auch nicht..."
    Es war schlimm, sie schon wieder so enttäuschen zu müssen. Aber ich... gehörte eigentlich gar nicht mehr hier hin und dies alles ging mich nur noch so halb an. Ich hatte mich eigentlich doch schon von allem verabschiedet, und dass sie jetzt hier war, und an mir zog und zerrte, drohte mich zurück in den vollkommen sinnlosen, grausigen Kampf zu reißen.
    "Du weißt doch, was meine Pflicht ist, nach dieser Schmach... - Es ist nur... es war, wie soll ich sagen, nicht so einfach..." versuchte ich schwach, mich zu rechtfertigen. Warum nur hatte ich Feigling so lange gezögert??! Mich zu Tode zu hungern konnte dauern... viel zu lange dauern...
    "Aber es ist sehr schön, dich noch einmal zu sehen." Ich lächelte sie dankbar an. Das Bild ihres lieben Gesichtes, so über mich geneigt, im Halbdunkel, prägte sich mir ganz tief ein.

    Na klar. Es war doch immer schon so gewesen... Seiana, die über meine desaströsen Unzulänglichkeiten hinwegsah, meine Versäumnisse ausglich, mich vor der harten Wirklichkeit zu beschützen versuchte, mir Trost spendete. Mir war ganz schlecht vor Scham... und ich glaubte ihr natürlich kein Wort. Ohne sie aus den Augen zu lassen – denn mir war als könne sie jeden Augenblick wieder spurlos verschwinden – streichelte ich schwach ihre Wange. Meine Schwester sollte nicht gezwungen sein, sich mit diesen ganzen Widerlichkeiten abzugeben. Sie war ein feiner Mensch, ein gütiger Mensch, sie sollte ein Leben in Sicherheit und Muße führen dürfen, sich ganz ihren höheren Interessen und einem harmonischen Familienleben widmen dürfen.
    "Sie haben mich alle im Stich gelassen." erklärte ich, unendlich bitter. "Elende Eidbrecher...."
    Ihre Hand drückte die meine, ihre Finger strichen durch mein Haar... es kam alles seltsam gedämpft, wie durch eine dicke Decke, bei mir an. Doch auch so machte es alles noch viel schwerer. Ich entzog ihr meine Hand und richtete mich auf den Ellbogen auf, starrte sie mit fiebriger Intensität an, drängte sie flüsternd:
    "Aber du... du mußt dich von mir lossagen. Ich will, dass du... sagst, dass ich dich gezwungen habe, es zu veröffentlichen." Es wäre nicht mal so fern der Wahrheit, denn ich hatte meine vorsichtige Schwester durchaus dazu gedrängt... Und ich war noch immer der Überzeugung, dass es vollkommen richtig gewesen war, allgemein bekannt zu machen wie tief der Cornelier in dem scheußlichen Giftmord mit drin hing.
    Aber dass es meine Schwester mit ins Verderben reißen würde, damit hatte ich nicht gerechnet.
    "...wie haben sie...was ist geschehen? - Wir müssen... müssen jetzt vernünftig sein. Ich bin sowieso geliefert, und sie werden sowieso die infamsten Lügen über mich verbreiten, also macht es gar keinen Unterschied, was und wieviel man mir vorwirft... Aber du... du darfst nicht mit mir untergehen!"

    Meine Schwester weinte... Ich spürte die Feuchtigkeit auf meinem Gesicht, und mußte mir eingestehen, dass dies für ein Traumbild ausgesprochen real war. Verwundert hob ich die Hand, berührte schwach ihren Arm, tastete vorsichtig nach ihrer Wange. Ich wollte ihren Namen sagen, aber die Stimme versagte mir, es klang mehr wie ein feuchtes Krächzen. Ich hustete, verhalten wegen der miesen Wunde, dann sagte ich leise: "Seiana?"
    Oh nein... Je mehr mir klar wurde, dass sie wirklich hier war, um so klarer wurde mir auch, dass sie nicht hier sein durfte. Sie sollte sich doch verstecken... In der Stadt. (War die Stadt eingenommen?!) Und sie weinte wegen mir. Meine arme Schwester... dachte ich, aber seltsam fern. Ich sollte ihr nicht solchen Kummer bereiten. Es wäre besser ich wäre nicht mehr, als dass sie mich so sehen mußte.
    "Es tut mir leid..." flüsterte ich, furchte die Stirn, versuchte dem Chaos irgendwie sinnvolle Worte abzutrotzen. "Es ist... " und zutiefst beschämt schlug ich die Augen nieder, "..mir nicht gelungen........" Nein.
    Ich hatte gemeint, meine elende Angst sei schon ganz abgestumpft, aber jetzt war sie auf einmal wieder da: um Seiana.
    "Du bist..... auch gefangen....." realisierte ich schaudernd. Gefangen weil ich sie dazu gedrängt hatte, die Wahrheit in der Acta bekannt zu machen.....

    Zitat

    Original von Gaius Flaminius Cilo


    Die Leere.
    Die Stimmen der Verräter waren verklungen, ihre Schritte verhallt.
    Das Dunkel. Ich war... nur noch ein Ding, das da auf dem Steinboden zusammengesunken lag.... Allein... Jetzt schmerzte die Wunde... die lächerlich flache Wunde auf meiner Brust brannte und stach bei jedem Husten. Ich hatte es nicht geschafft. Hätte ich doch nur entschlossen zugestoßen! Hätte ich doch nicht so lange gezögert, den Befehl zu geben! Wäre dies alles doch endlich vobei! Könnte ich doch die Augen schließen und... all dem entrinnen... einfach vergehen... Nicht mehr sein.
    Ich wußte, dass es meine Pflicht war, das zu beenden was ich so kläglich begonnen hatte. Der Flaminier irrte sich – mein Sterben war das einzige, was noch mir gehörte. Aber ich hatte keine Kraft mehr. Nicht die geringste Kraft mehr. Die Kälte der Steine sickerte in mich hinein... durchdrang mich ganz. Ich starrte in die Leere, mühsam nach den Fetzen meiner Gedanken tastend. Der Wasserkrug... ja, wenn ich den Wasserkrug zerschlüge... und eine Scherbe nähme..... ja, eine Scherbe... wenn sie scharf genug war... mit einer Scherbe könnte es klappen... Ganz gleich was die Leute über mich sagen würden... wenn ich es nur endlich... hinter mich gebracht hätte. Aber ich hatte die Kraft nicht mehr. Ich schloß die Augen. Meine Schulter berührte das Gestell der Schlafstatt, und ich drückte sie fester dagegen, und versuchte mir vorzustellen, dass diese Berührung von Manius stammte... dass er bei mir wäre, und sein Arm um meine Schultern läge... doch ich wußte genau, dass es nur ein jämmerliches Wunschbild war, dass ich allein war, und es schon immer gewesen war, dass ein jeder zu jeder Zeit ganz und gar allein ist, auch wenn wir uns beständig vorgaukeln wir wären es nicht.


    Die Zeit verging. Jeder Tag eine zermalmende Last. Ich hörte auf zu essen. Ich wünschte, ich hätte den Schlaf auch vermeiden können. Aber wenn ich dann doch eindämmerte, dann schlichen wie hungrige Raubtiere die Albträume heran und schlugen gierig ihre Fänge in meinen Geist. Wieder und immer wieder stand ich in dem schrecklichen Garten. War da die eiserne Luke. Der Gestank. Das Kratzen und Schaben von irgendwo... da unten.... Und wieder begann die Abdeckung langsam, quälend langsam, sich zu heben, und wieder waren meine Glieder wie Blei, und ich wußte, dass dort in der Tiefe etwas entsetzliches darauf lauerte, hervorzubrechen.


    Zitat

    Original von Decima Seiana


    Aber diesmal war es nur die Türe, die sich knarrend öffnete. Silhouetten, die sich vage gegen den etwas helleren Hintergrund abzeichneten. Ich wandte den Kopf ab, weil schon der schwache Schimmer mir schmerzhaft in die Augen schnitt. - Mit einem Mal berührte mich etwas, erschrocken zuckte ich zusammen und versuchte im ersten Augenblick, es von mir fernzuhalten, wegzuschlagen, beschirmte mein Gesicht mit dem Arm.
    Meinen Namen zu hören, ließ mich dann innehalten. Ungläubig starrte ich das blasse Trugbild meiner Schwester an, heftete die trüben Augen unverwandt darauf, als könne ich das liebe, vertraute Antlitz kraft meines Blickes davor bewahren, sich wieder in Dunkelheit und Nichts aufzulösen.

    "Age." hatte ich gesagt. Naja. Das zählte gewiss nicht zu den großartigsten letzten Worten aller Zeiten, zuckte es mir durch den Kopf... und doch verspürte ich in diesem Augenblick inmitten all der schwärzesten Verzweiflung einen Hauch von Erleichterung... denn ich hatte den Befehl gegeben, und nun würde das Ende seinen Lauf nehmen. Es würde einfach geschehen, und ich konnte und mußte gar nichts mehr tun: das Schwert würde herabfahren und mir die Erlösung bringen. Der ganze widerliche Scheiß würde mit einem Schlag hinter mir liegen. - Wenn es nur nicht zu sehr weh tat... Blödsinn, es würde natürlich sehr weh tun, aber hoffentlich nur ganz kurz...
    Ich biss die Zähne fest aufeinander und senkte den Kopf.
    Aber dieses befremdliche Losgelöstsein währte nur einen Wimpernschlag. Dann war da ein ohrenbetäubendes Gebrüll. Dann Gestammel. Verständnislos blickte ich auf, und erkannte, wie durch einen verschwommenen Schleier, nach und nach den Feldherrn der Verräter.
    Das grausige Lachen der Keren hallte mir in den Ohren.
    Es gab keinen Ausweg.
    Das Grauen schloß seine eisigen Krallen um mein Herz. Haltlos sackte ich gegen die Pritsche, starrte blicklos ins Leere. In die allumfassende schwarze, gierig verschlingende Leere.
    Es gab nur die Leere.
    Die Leere.

    Ein Schleifstein? Hatte ich gerade tatsächlich nach einem Schleifstein verlangt!? Bona Dea!! Da hatte ich endlich eine Chance, eine einzige Chance auf ein würdiges Ende gehabt und sie verpfuscht, dermaßen verpfuscht... Ja, ich sah sie genau vor mir, die markigen Gesichter meiner tapferen Ahnen, adlergleich und kühn - von den edlen iberischen Kriegern bis hin zu meinem Onkel dem Triumphator – wie sich sich in maßloser Enttäuschung verdüsterten...
    Ich senkte den Kopf, unendlich beschämt... starrte stumpf auf den Boden vor meinen Knien... sah wie das Blut – viel zu wenig Blut - in Dreck und Stroh versickerte. Ungefähr so, wie all die Anstregungen, die ich unternommen hatte, um meiner Gens Genüge zu tun und vor den glorreichen Ahnen zu bestehen, mit einem Mal null und nichtig waren... da hatte ich es bis zum Gardepräfekten gebracht, nur um, einer aberwitzigen Laune des Schicksals zu Folge, den Schergen der Kaisermörder zu unterliegen... und dann sogar beim Freitod zu versagen. Mein Elend, es spottete jeder Beschreibung... erfüllte jeden Winkel meines Körpers und meiner Seele mit unendlicher Bitterkeit, umhüllte mich mit seinem giftigen Fluidum, legte sich auf meine Schultern, so schwer wie das Atlasgebirge... -


    Schritte, dann Caligae neben mir, und das Schwert wurde mir aus den Händen gerissen. Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich die Spitze spürte, den kalten Druck in der Grube hinter dem Schlüsselbein. Wie bei einem Gladiator! Bei allen Göttern – die Tat wurde mir gerade aus der Hand genommen, ich wußte, ich sollte dankbar sein, aber... todeskalt lief es mir über den Rücken, ich schwitzte Bäche von kaltem Schweiß, und mein Atem stockte – da war ein Luftzug an meinem Ohr - ich biss mir fest auf die Lippen, um nicht zu schreien...
    Gleich vorbei, Faustus, gleich ist es endlich vorbei.
    Irrtum.
    Panisch schielte ich auf die Klinge, die da auf Befehl des Tribuns auf ihrem Weg verharrte, über meiner Schulter schwebend. Schwarze Schleier waberten vor meinen Augen. Ich atmete scharf ein, sah ungläubig auf zu dem Duccius. Der besah sich das ganze wie ein Schauspiel. Dein ist der Befehl dröhnte es in meinen Ohren, und ich wußte nicht, ob ich dem Lump die Furien auf den Hals fluchen sollte, für sein beschissenes Spielchen, oder ihm dankbar sein sollte, für diese zweite Chance. Letztendlich hatte ich für keines von beiden mehr Kraft.
    Ich war allein. Angesichts des grausigen Du mußt war ich vollkommen allein. Merkwürdig, wie mit einem Mal keiner mehr zählte! Meine Familie... weit fort... meine liebe Schwester... ich spürte ein vages Bedauern, auch sie alleine zu lassen... mein Geliebter... ein flüchtiges, lange verblasstes Glück... und der süße Adonis, dem ich nun eine Flasche Wein und ein Stelldichein schuldig bleiben mußte... auch nur ein Fremder. Selbst meine gestrengen Ahnen, und selbst die toten Kameraden, die schon so lange auf mich warteten – sie alle verblassten. Dieses elende Hin und Her schien mir eine Ewigkeit schon zu währen. Ich war todmüde. Und so unendlich ALLEIN mit meiner Furcht. Die Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich barg es in der Hand, wischte zittrig die Nässe weg. Dann hustete ich meine Kehle frei und sagte leise:
    "Age."


    Jetzt
    Ich hörte auf zu denken. Ich hörte auf zu fühlen. Ich sah mich, Schatten meiner selbst, dort in der schmuddeligen Kerkerzelle, wie ich, die Augen leer, den Oberkörper hoch aufrichtete, um mich dann mit einem Ruck vornüber in das Schwert zu stürzen.


    Ein Klirren... das war das nächste, was zu mir durchdrang. Ein Klirren, Scheppern... das Schwert war zu Boden gefallen, es lag zwischen Schmutz und Stroh vor mir auf dem Stein... der wankte... genauso wie die Wände... Mir war schwindelig, und entsetzlich flau im Magen. Das war das Sterben?! Banal... - Blut, ja, es rieselte warm über meine Brust... desorientiert fasste ich da hin, es tränkte die Tunika, tropfte zu Boden, es benetzte klebrig meine Hand, aber irgendwie...
    ...ich blinzelte verwirrt...
    ...irgendwas stimmte hier nicht...
    Müsste da nicht mehr Blut sein? Fahrig tastete ich über meine Brust hinweg... die Tunika war zerschnitten, und darunter erfühlte ich eine Schnittwunde, aber – sie war nicht tief... sie zog sich zur Seite hin, und sie war ganz oberflächlich... Ich fühlte noch immer nichts, auch keinen Schmerz, es war, als wäre ich aus Stein gehauen, bis zu diesem Moment, als mir klar wurde:
    Ich hatte es versaut.
    War zu schwach gewesen, zu zaghaft, hatte die Klinge abrutschen lassen... Nicht mal einen anständigen Freitod hatte ich hinbekommen. Nein.... Entsetzen und Scham brachen wie eine gewaltige Woge über mich herein, ich angelte panisch nach dem Schwert, das meinen feuchten Händen erneut entglitt, alles drehte sich rundum, ich musste wohl das Gleichgewicht verloren haben, denn ich fand mich selbst auf dem Boden, aber jetzt hatte ich auch das Gladius wieder erhascht, richtete mich mühsam wieder halb auf, krallte mich an der Pritsche fest... am ganzen Körper bebend.
    Feigling.


    "Die... diese Klinge ist... ja vollkommen stumpf" stammelte ich atemlos, mit mir selbst ganz fremder Stimme, fuhr mir hastig über die Stirn, suchte die Gestalt des Tribuns irgendwo im Gaukelspiel der Schatten auszumachen, "wie soll ich mich denn mit so einem stumpfen schartigen Metzger-Ding umbringen, die ist ja wohl seit Jahren nicht geschliffen worden, haben deine Leute denn keine Ahnung von Waffenpflege, ich... -" Scharf die Luft einziehend würgte ich ein haltloses Schluchzen herunter. "Ich brauche einen Schleifstein."

    "...lächerlich..." flüsterte ich erbittert, in hilflosem Zorn gegen diesen mich umfangenden absurden Albtraum.
    Lächerlich: Dass mit einem Mal Ehre zu Unehre und Unehre zu Ehre geworden sein sollte.
    Lächerlich: Meine wohlgewählten letzten Worte zu einem zu sprechen, der sie nicht einmal verstand.
    Aber was tat es..? sagte ich mir, und krallte meine bleichen Finger mit aller mir verbliebenen Kraft um den Griff des Gladius. Ich stand nur einen Schritt davon entfernt, all diesem zu entrinnen – nur ein Schritt, und alle Qual und all das Würdelose lägen hinter mir.
    Lächerlich war es da wohl eher, dass ich noch immer nicht in meinem Blute lag. Dass meine Hände so zitterten, und mir der kalte Schweiß über die Stirn lief. Mit starren Augen blickte ich ins Dunkel, ein schweres schwarzes Nichts, das mich wie mit Eisenbändern gefangen hielt.
    Jetzt. Einfach nur zustoßen. Das hatte ich doch oft genug getan. Das war doch nicht so schwer. Als junger Rekrut damals, da war ich überrascht gewesen, wie wenig Widerstand ein Körper dem Stahl bot. Es würde sogar unvergleichlich viel leichter sein, als einen Parther abzustechen. Denn ich wollte ja sterben. Es würde gleich vorbei sein.
    Also. Jetzt. Ich holte tief Luft – doch dann rasselte es in meiner Brust, mich schüttelte wieder der Husten, und die Klinge in meinen Händen bebte unkontrolliert. Nein... so ging das nicht. Mein Blick flackerte zu dem duccischen Hünen. So bedeutungslos der auch war... nur ein vorüberziehender Schatten am Wegesrand... ich wollte doch nicht, dass meine Furcht ihm offenbar wurde.
    Nein... der Winkel, wenn ich so auf der Pritsche kauerte, der war sowieso nicht gut für einen Stich ins Herz. Ich rutschte ein Stück vor, bis ich gebeugt auf dem Rand saß, spuckte einen Klumpen Schleim auf den Boden.
    Darauf setzte ich die Spitze der Klinge erneut an... über dem Herzen, und stützte den Griff mit beiden Händen auf den Knien ab. So sollte es gehen, sagte ich mir. Natürlich wäre es leichter gewesen, mir das Schwert in den Bauch zu rammen, aber ich hatte mehr als einmal mitbekommen, wie Männer mit Bauchwunden langsam und qualvoll krepierten. Schaurig... Und dazu kam, dass ich die Vorstellung, in einem Knäuel von aufgeschlitztem, stinkendem Gedärm liegend zu sterben, so extrem... unästhetisch fand! Nein, dann lieber ein entschlossener Stich ins Herz, viel Blut und Schluß.


    Aber wenn ich doch nur... ach Seiana...... Aber meine Schwester würde es verstehen. Sie würde um mich trauern, aber ihr würde klar sein, dass ich keine andere Wahl gehabt hatte. Und es wäre ja auch zum Besten der Gens. Mein Vater in seinem politischen Exil, meine lebenslustige Tante, mein wankelmütiger Cousin, meine kleine Nichte im Vestatempel und alle anderen... Ihnen allen war ich es schuldig, sie auf diese Weise von der fatalen Verbindung zu mir zu befreien.
    An Manius aber durfte ich nicht denken. Nein. Lügner, Verschwörer, Kaisermörder! Es gab ihn gar nicht, es gab nur die Leere, die er hinterlassen hatte, Manius-Aton war ein Traum gewesen, den ich vor Äonen geträumt hatte, ein Flammenrausch, ein Ideal, sehr, sehr weit weg, in einem anderen Leben... und auch all das andere Schöne, was hier wirr durch meinen Kopf wirbelte, auf dieser Schwelle..... ach, meine andere große Liebe, die selige Umarmung des roten Mohns... und das klare Blau des Meeres vor Tarraco... und die Freundschaften bei der Prima, damals... und meine Familie, endlich stolz auf mich... oder dahinzubrausen auf meinem Gespann, vor mir die weißen Rücken meiner Rösser, den Wind im Haar, und Augen blau wie Vergissmeinicht bewundernd auf mich gerichtet, und lockend süße Lippen hier und dort... und Sternenfunkeln über der endlosen Wüste, gestohlene Momente, heißer Atem an meinem Hals..."Aquila"... und Jubel in den Straßen, und öffentliche Ehren, ich mit meiner strahlenden Prunkrüstung und dem fabulösesten Paludamentum aller Zeiten, und in den Gesichtern Respekt oder gar Furcht, und die wehenden Feldzeichen, blitzenden Klingen, die perfekte Präzision, die tödliche Schlagkraft der Garde unter meinem Kommando... - ja, von wegen! Verraten hatten sie mich, vergangen war all dies, so restlos als hätte es niemals existiert. Und nun würde auch ich vergehen, und damit alles was ich je gedacht, und geträumt, und... -


    Genug. Egal.Tu es einfach, Faustus. Ein gepresster Atemzug. Ich schloß die Augen, und dachte an all die Großen, all die inspirierenden Persönlichkeiten, wahre Römer, die stoisch, ohne mit der Wimper zu zucken, diesen Weg gegangen waren. Cato, Scipio, Scaurus etc. Ich fragte mich, ob sie wirklich so ruhig gewesen waren... ob nicht auch sie in ihren letzten Momenten diese gräßliche Angst verspürt hatten? Oh zum Cerberus! Selbst der alte Konsular Tiberius, der feige Verschwörer, hatte es hingekriegt, sich die Mors voluntaria zu geben...! Und ich zauderte und zagte hier herum.
    Honor et Fortitudo. Alles suchte ich zu verbannen, bis auf diese Worte.
    "Honor et Fortitudo." murmelte ich, ließ die Worte in meinem Geist erklingen, bis sie das wilde Dröhnen in meinen Ohren übertönten, sich blank und ewig über das konfuse Chaos in meinem Inneren legten. Honor et Fortitudo. Die Welt war zusammengeschmolzen auf den Druck der Spitze des Gladius an meiner Brust, und den schweren kalten Griff in meinen schweißnassen Händen.
    Jetzt.

    Und was kam jetzt? Zorn? Hohn? Oder die Frage warum wir, wenn wir doch die waren, die nach göttlichem und menschlichem Recht gehandelt hatten... besiegt worden waren? (Gute Frage.) Oder war das Schwert nur der Köder, den er mir vorhielt, um mir irgendwelches Wissen zu entlocken?
    Nein. Da lag es in meiner Hand. Schwer. Sehr schwer fühlte es sich an. Gierig schloss ich die Finger um den schmucklosen Griff, der war ganz stumpf und glatt gerieben vom vielen benutzt werden. So ein schlichtes Gladius hatte ich früher auch gehabt, bevor ich die Höhen des Exercitus Romanum erklomm... Was wäre, schoß es mir durch den Kopf, wenn ich immer ein einfacher Soldat geblieben wäre? (Dann wäre ich schon seit Ägypten für den Kampf nicht mehr tauglich.) Oder was wäre, wenn ich zumindest nicht Praefectus Praetorio geworden wäre? (Aber wie hätte ich das ablehnen können?!) Oder was wäre, wenn ich mehr auf Livianus gehört hätte und..... - EGAL. Es war, wie es war: ich war hoch gestiegen, tief gefallen, alles war verloren und dies hier war das Ende. Basta.
    Mit stierem Blick sah ich zum dem Duccius hoch. Dankbar für die Waffe. Merkwürdig. Für einen Moment hatte ich geglaubt, er würde es doch verstehen... und meine Worte hätten sowas wie einen unter der Asche verborgenen Funken von Ehrgefühl und Scham angefacht. Jedoch, sagte ich mir, solche Dinge passierten halt nur in Geschichten, im wahren Leben konnte man lange suchen, nach einem Frevler, der sich läuterte, nur weil ihm wer, wie eifrig auch immer, ins Gewissen redete. - Aber... Dass er das Schwert rausgerückt hatte, passte nicht zur Hyäne. Vielleicht war da doch ein Funken, mutmaßte ich. Ein kleiner.
    “Wenn das so wäre, hättest du mir dann das Schwert gegeben?“ fragte ich seltsam rechthaberisch, und zugleich äusserst konfus. Denn, der Mann da, das wurde mir mit einem Mal klar, der würde der letzte sein, mit dem ich je ein Wort wechselte. Ein leises Grauen strich mir den Rücken hinauf, mein Verstand sträubte sich gegen diesen unerhörten Gedanken, und mit einem Mal gewann dieser verfluchte Rebell eine ungeheure Bedeutung. Durch ihn nur würde die Welt von meinem Tod erfahren.


    Ich schluckte. Mein Mund war knochentrocken. Ich sollte jetzt wirklich nicht länger säumen. Mich endlich erlösen von der Schande... Diese erbärmliche Existenz mit kühlem Lächeln von mir werfen, stoisch den Schritt gehen, der mir die Freiheit zurückgab, und die Würde, und der bestimmend sein würde, dafür wie man über mich reden würde, an mich zurückdenken würde, später...
    Faustus, wir sehen uns dann auf der anderen Seite Das hatte Lucullus mir noch zugerufen, bevor die Panzerreiter über uns hereinbrachen. Ob er recht behalten würde?
    Im Sitzen mühsam meinen Rücken straffend, gegen das weltenschwere Gewicht meiner Schmach, drehte ich das Gladius langsam... bis die Spitze der Klinge gegen mich wies. Und irgendwo in meinem Inneren bäumte sich ein Wesen namens Panik auf, und warf sich gegen die Mauern seines Gefängnisses, und tobte und brüllte, dass es mir in den Ohren dröhnte. Ich biss mir auf die Lippen, damit sie nicht so bebten. Meine Hände waren schweißig... und das schwache Zittern wurde immer heftiger. Wie sah denn das aus...?!!


    Schnell nahm ich die Linke, noch immer die kräftigere Hand, hinzu, um das Schwert einigermaßen ruhigzuhalten, und setzte mir die Spitze der Klinge auf die Brust. Durch die schmierige Tunika spürte ich meine vortretenden Rippen. Dazwischen. Ins Herz.
    Oh ihr Götter lasst es schnell vorbei sei! Bloß nicht daneben stechen und elendslange krepieren... Meine Kehle war wie zugeschnürt, alles ging durcheinander, wie in einem wirren Traum. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Zum Glück hatte ich ja zuvor lange Zeit gehabt, über meine letzten Worte nachzudenken und sie mir zurecht zu legen, und so zitierte ich nun, wenn auch äusserst brüchig:
    "Das ist das einzige, weswegen wir über das Leben nicht klagen können: niemanden hält es.“

    ".....Hyänen gab es schon immer. Aber jetzt, da das Chaos herrscht, kriecht ihr, gierig das Aas witternd, aus euren Löchern und zeigt euer wahres Gesicht." konstatierte ich gallenbitter. - 'Fliehen', pah! Banause. "Du hast wirklich keine Ahnung von Ehre, oder?"
    Nicht, dass ich da jetzt der große Experte gewesen wäre... ich hatte in meinem Leben doch zu sehr und zu oft nach dem Verbotenen, dem Vergnüglichen, Rauschhaften und Flüchtigen gehascht, um jemals als Ausbund römischer Virtutes gelten zu können. Aber manches verstand sich einfach von selbst, und ich konnte es nur auf die barbarische Herkunft dieser Gens zurückführen (wobei der Mann dafür ein ganz ordentliches Latein sprach, und sogar die Ilias zu zitieren wußte), dass ihm nicht deutlich war, warum es meine Pflicht war, den Weg der Mors Voluntaria zu gehen.... (das einzige Vorrecht, das wir Menschen gegenüber den Göttern hatten.) - Nicht aus Verzweiflung (na gut, ich war verzweifelt, aber das war nicht der Punkt! Nein, nein.), sondern aus noblen Beweggründen, in der Tradition großer Heerführer wie Cato, Scipio, oder Marcus Antonius, und großer Verteidiger der Wahrheit wie Scaurus, Cremutius Cordus, etc. Was war ein Leben, unerträglich durch die Schmach dieser vernichtenden Niederlage? Gefangen, unter dem Regime einer Mörderbande? Objektiv gesehen hatte ich mir nichts vorzuwerfen, hatte getan was zu tun war, und dass diese schäbigen Aufständischen obsiegt hatten, konnte ich mir nur mit einer ebenso merkwürdigen wie grausamen Laune der Götter erklären. Fakt aber war: Alles war verloren, und damit war stoisch gesehen die Sache klar. Ich hatte nicht mehr Wahlmöglichkeiten, als dazumal die arme Lucretia (die sich ja auch nichts vorzuwerfen gehabt hatte, was aber gar keine Rolle spielte), um meine Ehre wiederherzustellen... meine Freiheit wiederzuerlangen... meine Würde zu wahren.
    Honor et fortitudo.
    So und nicht anders stellte sich die Sache dar, und jeder wahre Römer würde mir recht geben. Es war der einzige Weg. Ganz stoisch-vernünftig betrachtet. Hier war edle Todesverachtung angesagt......und dann wird dieser grausige Nachtmahr endlich vorbei sein.


    Mein Prachtschwert mit seinen aparten Goldapplikationen lag wohl eher auf dem Grunde der duccischen Plündergut-Truhe, dachte ich gehässig. Aber ein schlichtes Gladius... dieses schlichte Gladius da... - mein Blick hing wie gebannt an dieser Klinge, im roten Glanz sah ich schon mein Blut, heftig wogte das Verlangen in mir auf, und zugleich ein übler körperlicher Widerwille.... - dieses einfache ehrliche Soldatenschwert würde es wohl auch tun.
    Ruhig Blut Faustus... mahnte eine leise Stimme, verloren in dem Sturm, der in meinem Inneren losbrach. Der spielte doch jetzt nicht bloß mit mir?! Oder doch?! Ich musste dieses verdammte Schwert haben!!
    “Das kann ich dir sagen, aber du wirst es nicht verstehen...“ erwiderte ich, mich unwillkürlich straffend, aus der Starrheit gerissen, überwach belebt von der Aussicht auf das erlösende Ende, meinen ausgezehrten Körper anspannend, als gälte es, dem Tribun im nächsten Augenblick das Gladius zu entreißen (träum weiter, Faustus). Ein Beben war in meiner Stimme, ich räusperte mich um es zu vertreiben, musste darauf husten, dann sprach ich langsam weiter: “...denn es gleicht dem Versuch, einem Blinden zu erklären, warum man Licht zum Sehen braucht. - ROM. Das ewige Rom, unsere Patria, ist stark und beständig nur solange wie seine Grundpfeiler, und das sind seine Soldaten, es schützen und bewahren. Dies zu tun, in Treue zum Kaiser, ist die heilige Pflicht von uns Soldaten... und eines jeden Angehörigen des Exercitus Romanus! Auch wenn er nur als senatorischer Tribun dort gastiert. Wer diese Pflicht vergisst, wer seinen Eid verrät, wer desertiert oder sich gar wie ihr es getan habt gegen den rechtmäßigen Kaiser wendet, der pervertiert auf das schändlichste seine Bestimmung, bringt Unheil über die Patria und hat nichts anderes verdient, als ans Kreuz geschlagen zu werden.“
    Ich erinnerte mich ... in Osroene... oder Mesopotamien?... hatte es damals zwei von der Sorte erwischt. Schwarze Rabengeier hatten ihre Leichen aufgefressen. Möge Pluto den Kaisermördern ein ebensolches Ende bescheren!
    “ROM ist soviel größer als wir. Die Patria ist es wert, jedes Opfer für sie zu bringen.“ schloss ich, am Ende geradezu leidenschaftlich. All dies machte mir wieder deutlich, dass es einen Grund für meine elende Lage gab – und dass ich durchaus stolz darauf sein konnte, bei der Verteidigung Roms alles in meiner Macht stehende getan zu haben, anders als all die Leisetreter und Wendehälse.
    Als ich die Hand fordernd nach dem Gladius ausstreckte, zitterte sie nicht.........naja, nicht sehr... (und dieses wirklich eher leichte fahrige Beben war sicherlich nur auf meine körperliche Schwäche zurückzuführen, und war gewiss kein Ausdruck mangelnder innerer Stärke... oder gar... Furcht...)

    Worte mehr nicht... Ich hätte nichts anders erwarten sollen, doch die monströse Gleichgültigkeit, mit der der Mann seine Verworfenheit offenbahrte, seine Barbarei, ließ mich resigniert den Kopf schütteln. Er versuchte ja nicht mal, seine allerniedrige Gesinnung zu verschleiern.
    "Was ist das...." sagte ich leise, "...das Zeitalter der Hyänen?..."
    Vor mir sah ich, jenseits der Mauern, das Feuer, den Scheiterhaufen, damals in Sura, in dem der Leib des letzten großen Princeps zu Asche geworden war... und hörte wieder das Donnergrollen, als abertausend Hände und Schwerter auf die Schilde schlugen... und erinnerte mich an das lange, lange Totengeleit, dass wir unserem toten Herrscher gegeben hatten, und wie wir zuletzt in Rom angelangt waren, und die Urne ins Pantheon getragen hatten. Wir, die Prima... damals, vor tausend Jahren.
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    Verraten und verkauft... Auch dies eigentlich keine Überraschung, es war ja nicht das erste Mal in der Geschichte der Garde... Warum hätte das unter meinem Kommado anders werden sollen?! - Weil es gegen die Ewige Stadt selbst ging! Weil allein der Gedanke, mit Waffen in der Hand unter einem Kaisermörder gegen die Ewige Stadt zu ziehen, einem jeden aufrechten Römer den Magen umdrehen mußte!! Meine Männer hatten ihren Eid verraten, Rom verraten, mich verraten. Nein, der Tribun hatte insofern recht: das waren längst nicht mehr meine Männer.
    Mit mahlenden Wangenknochen kämpfte ich gegen den hilflosen Zorn, der in mir aufwallte.... und sich dann schnell wieder in einem Meer schwarzer Verzweiflung verlor. Ich schloß die Augen, wollte dem nonchalanten Hohn des Siegers nurmehr mit kühler Verachtung begegnen, aber ich war so... leer.
    "Ich wünsche," formulierte ich, die brüchigen Worte mühsam der Leere entreißend, und fixierte wieder fiebrig den Tribun, "...wie es einem gefangenen Feldherrn zusteht...! Ich wünsche mein Gladius zurückzuerhalten."

    Schnell wie der Wind eilte die Sonnenbarke durch das unendliche Firmament. Atons vertraute Züge waren golden im Schein der Sonnenkrone, die sein Haupt umloderte, und ihn als Flammenschweif umwehte. Lebendig, zärtlich waren die Flammen, die ihn umtanzten, umrankten, umschmiegten, sich mit rotgleissenden Zungen um seine Glieder wanden... Er lächelte sein halbes rätselhaftes Augurenlächeln – die Augen waren dunkle Brunnen – und legte den Arm um meine Schultern.
    'Ich muß verbrennen' kam es mir in den Sinn, doch nur ganz leise, wie ein fernes Echo eines irgendwann einmal gedachten Gedankens... Und mit all der Weltenschwere meiner Trauer lehnte ich mich hinein, in seine Umarmung, und ließ mich halten von seiner nie wankenden Stärke (denn er war ja ein Gott), und spürte wie die Sonnenwärme erweckend in mich hineinströmte, Kälte und Taubheit vertrieb.
    Das tat so gut.
    Alles war gut. Aber dann dieses... Geräusch. Immer vernehmbarer, immer weniger zu ignorieren, drang es an mein Ohr. Nur widerstrebend gestand ich mir ein, dass das was da so knisterte, das Feuer war, das meine Beine erfasst hatte. Betrübt sah ich auf meine Füße, erst loderten sie hellauf, dann hatten sie sich auch schon in Rauch und Funken aufgelöst, und als wäre ich aus Papyrus gewesen, wirbelten rotglimmende Fetzen haltlos in die Nacht hinein.
    Ach...
    Das Feuer stieg bis zu den Knien, und auch an meinen Fingerspitzen züngelte nun das Feuer, wie Kerzenflammen zuerst, dann griff es gefräßig auf meine Hände und Arme über.
    Schnell wandte ich das Gesicht von diesem unschönen Anblick ab, lehnte mich tief, noch tiefer in Atons Umarmung hinein. Solange es noch währt, solange es noch währt... ich suchte seine Lippen, sie brannten auf den meinen. Solange es noch währte...
    "Ich verbrenne", sagte ich leise zu ihm, wenn auch mit einem kleinen Hauch von Vorwurf, aber ganz leise, eigentlich war es nur ein Flüstern, kaum hörbar, beinahe stumm, wie das Echo eines vor sehr, sehr langer Zeit einmal gedachten Gedankens...


    ...und erwachte in meinem Gefängnis. Es war dunkel, nur eine einzelne Öllampe brannte. Mir war fiebrig heiß, ich war vollkommen verschwitzt, stieß die Wolldecke von mir, und besah bang meine Hände. Zittrig nahm ich einen tiefen Schluck aus dem Wasserkrug.
    Aton. Es war so vollkommen... unangemessen..., von ihm zu träumen. Verschwörer, Lügner, schlangenzüngiger Feind! Ich wollte nicht mehr an ihn denken. Aber da war dieses hohle, wunde Ziehen in meiner Brust, und meine Schulter, da wo im Traum sein Arm gelegen hatte, spürte noch immer seine Berührung. Ich starrte mit brennenden Augen ins Leere. Ein Luftzug ging durch das Verlies und nun wiederum wurde mir sehr kalt. Die dicken Wände strahlten immerzu eine klamme Kühle aus... und manchmal war es mir, als würden sie unmerklich, Stück für Stück, immer weiter zusammenrücken... Dabei war diese hier eine der guten Zellen, geradezu komfortabel, jedenfalls im Vergleich mit dem was die Castra sonst noch zu bieten hatten. Aber kalt. Auch als ich die Decke wieder fest um mich schlang.
    So kalt...


    ...dass mein Atem zu Reif wurde. Ein weißer Hauch, der langsam ins Leere driftete, zerfaserte, sich auflöste. Dann sah ich sie aus dem Dunkel treten. Es waren... viele.
    So viele! Sie schwiegen... und immer schwerer lastete dieses Schweigen... Fahle Gesichter, und unter den blutigen Kleiderfetzen, Leiber, an denen die Keren sich schon satt gegessen hatten. Fahle tote Gesicher, von denen ich jedes einzelne kannte, jedes einzelne, da waren Lucullus, und Camerinus, und Verax, fremd und aschgrau, und all die anderen Kameraden, die nicht aus Parthien zurückgekommen waren, und sie drängten sich in meiner Zelle, die viel zu klein für sie alle war, aber da kamen ja noch viel mehr, Menas, der den Pfeil noch in der Kehle stecken hatte, und die anderen, die in meiner Kohorte gefallen waren, an einer anderen Grenze, in einer anderen Wüste. Es war ein entsetzliches Gedränge um mich, ein Meer maskenhafter Züge, die toten Seelen umringten mich, rückten dicht und immer dichter an mich heran... Und nun sah ich auch die Männer der Garde unter ihnen... der aus dem Fluß war ganz aufgedunsen... und er sah mich, wie sie alle, aus seinen leeren Augenhöhlen schweigend an.
    Erwartungsvoll. Ihr Schweigen dröhnte in meinen Ohren. Ihre Kälte lähmte mich bis ins Mark. Ich wußte ja worauf sie warteten, hatte es schon immer gewußt, und die Scham, sie noch immer warten zu lassen, sie alle, war umöglich zu ertragen.
    "Aber...", suchte ich mich kläglich zu rechtfertigen,
    "..... aber ich habe kein Schwert..."


    Von meinen eigenen Worten und dem darauf folgenden feuchten Husten erwacht, starrte ich panisch um mich. Wände. Nur die Wände. Und Schatten. Nichts als die Wände, und ganz gewöhnliche Schatten. Aber es war dunkler geworden, die Öllampe brannte nur noch mit kleiner Flamme. Ich fürchtete mich vor dem Augenblick, in dem sie erlöschen würde. Die Decke fröstelnd um mich gezogen, lag ich da und starrte das Mauerwerk an, dessen Steine, Muster und Fugen.
    Waren das nicht nur Ausflüchte? Eigentlich ging es doch auch ohne Schwert. Ich war ausgezehrt vom Fieber, ich mußte einfach nur überhaupt nichts mehr essen, dann würde es sich alles von selbst erledigen. Aber... das dauerte, und wie ich aus beruflicher Erfahrung sehr gut wußte, machte die Entkräftung die Hungernden schwach im Geiste und im Willen, so dass manch ein unbeugsam erscheinender Delinquent sich mit einem Mal zur Jammerfigur wandelte, alles gestand, oder alles und jeden verriet oder was eben sonst gerade verlangt wurde. Das durfte mir nicht passieren.
    .... Oder den Wasserkrug zerschlagen, und eine Scherbe nehmen. Es gab viele Möglichkeiten. Aber passender wäre doch das Schwert.
    Schritte näherten sich, ich erstarrte, als sie vor der Tür verharrten, als der Riegel zurückgeschoben wurde. Denn noch immer plagte mich, von meiner Todessehnsucht keineswegs beinträchtigt, die grausige Furcht sie könnten mich foltern.


    Zitat

    Original von Titus Duccius Vala


    Wer da eintrat, war der hünenhafte senatorische Tribun, der vor Vicetia den Flaminier begleitet hatte. Duccius Vala, Proskribierter. Ich wußte, dass der Mann mit Venusia verwandschaftliche Bande hatte, glücklicherweise waren sie entfernt genug, dass ich diesen Umstand dezent unter den Tisch hatte fallen lassen können, um Venusia nicht zu belästigen, in der Zeit als wir hier in der Stadt die Unterstützer der Verschwörer verfolgt hatten. Als ich noch der Herr dieser Castra gewesen war, und den Carcer nur für Verhöre betreten hatte. Vor ungefähr hundert Jahren.
    Ich blieb liegen ohne mich zu regen, verfolgte ihn, das Gesicht im Schatten, nur mit den Augen, und suchte mich zu wappnen gegen... was auch immer.


    Trotzdem, und obwohl es gelogen oder übertrieben sein mochte, war es ein tiefer Stich ins Herz, ausgesprochen zu hören, die Prätorianer seien nicht mehr. Die Garde. Die Blüte römischer Waffenkunst. Unter meinem Kommando geschlagen. Oder übergelaufen. Oder dem Kampf ausgewichen. Die Castra in der Hand des Feindes! (Der Prätorianerpräfekt in der Hand eines senatorischen Tribuns!) Im Grunde war es gleich, wie es dazu gekommen war, die Schande ließ nur einen Ausweg zu. -
    Und er sagte auch, sie stünden noch vor Rom. Wenn das wahr war... und wenn Marius den Cornelius in Achaia geschlagen hatte, und die Classis Ravennae seine Legionen übersetzte, sie sich mit der Classis Misenensis vereinen würden, und Rom bis zu ihrem Eintreffen standhalten würde... wenn, wenn, wenn...
    Heiser ergriff ich das Wort. Reingeraten. (Ja, hoppla, wie sind wir denn da reingeraten?) Bizarr in seiner Unschuld, dieser Ausdruck....
    "Heuchler." sagte ich mit schneidener Verachtung. "Du, und andere wie du, ihr habt euren Eid verraten und die Patria in ein Blutbad gestürzt, so sind wir 'da reingeraten'."
    Ich setzte mich auf, langsam, auf die Hände gestützt, die kalten Steine im Rücken, hustete und blickte den Aufständischen aus blutunterlaufenen Augen direkt an.
    Kaltblütige Contenance, Faustus. - Naja... Es widerstrebte mir ihn etwas zu fragen, aber ich tat es doch, mit tonloser Stimme, nicht gerade kaltblütig, aber das Unwissen war zu unerträglich.
    "Was ist mit meinen Männern?"

    <<
    Meine Welt war untergegangen. Ich lag im Fieber, und wenn ich mich nicht schon tot wähnte, dann verlangte ich nach meinem Gladius, um dem nachzuhelfen. Doch was geschah? So viele Männer hatten in dieser beschissenen Schlacht ihr Leben gelassen. Aber ich, ich überlebte. Wie in Parthien. Wie im Zwölfmeilenland. Ich wurde von Medici umschwärmt und überlebte. Jedenfalls noch. Langsam lockerte der Husten seinen Würgegriff, das Fieber seine hitzige Umklammerung; noch war ich so schwach als bestünden meine Glieder aus Blei, aber ich konnte wieder richtig atmen, und auch der Nebel in meinem Kopf begann sich zu lichten. So dass ich nach und nach, das Ausmaß der Katastrophe erkannte... und auch die bittere Ironie dieser vier Wände um mich!
    Ich lachte auf, und erschrak vor dem Schakal-artigen Laut, der da aus meiner Kehle drang. Der Widerhall verlor sich im Gewölbe... und mein Kopf sank zurück auf das Lager, und ich biss mir auf die Lippen um nicht haltlos zu schluchzen.
    Alles, alles war verloren.
    Edle Würde.
    Honor et Fortitudo.
    Wenn der Tod dich anlächelt, lächle zurück...
    etc.

    Es galt, die Niederlage mit kaltblütiger Contenance zu tragen, im Bewußtsein dessen, dass wir als Verteidiger Roms stets das Rechte getan hatten, mochte im Augenblick auch das niederträchtige Rebellenpack die Oberhand haben... Da waren doch noch immer Marius Turbo, und Octavius Dragonum, und... Im Augenblick? Ich war hier in meinem eigenen Carcer gefangen! Sie waren in Rom! Alles, alles war verloren.
    Und nichts anderes war da mehr, als das Bewußtsein dieser vernichtenden Niederlage. Ich starrte an das höchst solide Mauerwerk der Decke und fühlte mich...vernichtet.
    Sie hatten Rom. Seiana! Was war mit meiner Schwester? Wenn sie doch nur auf mich gehört hatte, und rechtzeitig untergetaucht war...
    Und wenn ich doch nur einmal, wenigstens noch ein einziges Mal, meinen geliebten Manius wiedersehen dürfte... Manius... Manius? Der seine patrizischen Finger mit in der Verschwörung hatte, die diese Katastrophe verursacht hatte? Der zu mir gekommen war, um mich zu überreden, den nächsten Kaisermord für ihn zu erledigen? Nein. Ich schloß die Augen und sehnte mich nur noch nach einer Klinge aus scharfem Stahl.

    Eiseskälte. Um mich – das lag an den Kleidern, die mir tropfnass am Leibe klebten – und in mir. Ich war in der Hand des Feindes... oh Fortuna, wie konntest du mich so hintergehen?!
    War ich denn nicht allezeit Dein ergebenster Verehrer, habe ich dir nicht erst neulich höchstpersönlich einen wunderhübschen Tempel gestiftet?!! Treulose Hure!
    Chaboras... ich stürzte... mein Pferd brach zusammen, getroffen, und ich stürzte...
    nein, nicht in den Chaboras. Dieser Feind kam aus den eigenen Reihen, und ich bin....
    Das Atmen fiel mir schwer, ich bekam nicht so richtig ausreichend Luft, spuckte noch mehr Schlammwasser aus und versuchte bang, mich aufzusetzen, und bemerkte, dass das weh tat, aber dann packte mich ein Hustenanfall, und schüttelte mich. Scheußlich. Wo war ich? Mein Blick irrte glasig umher. Ein Zeltgiebel... ein Zivilist, dessen Mund sich unentwegt bewegte... Soldaten. Wächter.
    Vicetia.
    Flach atmend... nur nicht husten... versuchte ich, mir zusammenzureimen, was los war.
    "... dass sich da draußen tausende massakieren..." sagte der der Mann, und noch viel mehr.
    Die Schlacht. Du bist gefangen, Faustus, aber die Garde, die steht noch im Feld. Natürlich, war ja auch die Garde. Aber.... welch unsägliche Schmach. Ich wollte sterben vor Scham. Nein – ich mußte sterben. Was sonst sollte ein gefangener Heerführer tun, als sich mannhaft das Gladius in den Bauch zu stoßen? Aber der Schwätzer wollte es nicht rausrücken. Statt dessen bot er mir Brot mit Käse an??! Irritiert machte ich eine abwehrende Bewegung.
    Unendliche Verzweiflung erfüllte mich. Meine Männer kämpften da draussen, und ich... lag hier. Welch grauenvolle Schmach. Erneut versuchte ich, mich aufzusetzen, stützte mich auf einen Ellbogen hoch. Meine Hände waren blutig aufgeschürft, ebenso meine Knie, und ich hatte einen Haufen blauer Flecken, aber mehr schien mir nicht zu fehlen... wenn ich nur ordentlich Luft bekommen hätte. Wieder der Husten, der schnürte mir grausam die Kehle zu. Erschöpft fuhr ich mir mit dem Handrücken über den Mund.
    Aber vielleicht war es ja doch etwas voreilig gewesen, nach dem Gladius zu verlangen. War nicht sogar mein Vater selbst einmal in die Hand der grausamen Parther geraten? Er wurde befreit, und soo schmachvoll war das nun auch nicht gewesen. Ja, sobald unsere kaisertreuen Truppen die Aufständischen geschlagen hatten, dann würde ich schon freikommen, sagte ich mir, und horchte angespannt auf die Geräusche von draussen, von der fernen Schlacht. Und auf die Geräusche aus meinem Brustkorb. Beides klang nicht gerade gut.


    Zu früh gehofft. Besoffenes Feiergegröhle riss mich aus meinem dumpfen Dahindämmern. Nein!Das war ein Albtraum...! Diese lumpigen Eidbrüchigen hatten gesiegt?! Die Götter mussten verrückt sein.
    Entsetzt dachte ich an meine Soldaten. Die Garde, die Blüte des Exercitus Romanus. Ich hatte sie in diese Schlacht geführt, in Eilmärschen, hatte ihnen Sieg und Beute versprochen. Wie viele von ihnen waren jetzt tot? Wie viele würden ihren Wunden in den kommenden Tagen erliegen? Wie viele ihr Leben als Krüppel beschließen? Und was stand jetzt noch zwischen Rom und diesen verdammten Aufständischen? (Die Classis misenensis...)


    Das Ausmaß der Katastrophe noch nicht fassend, klammerte ich mich an einen Gedanken: Haltung, Faustus. Diese Scheiß-Aufständischen, Verräter, Brudermörder, Patrizierknechte... die sollten wenigstens sehen, wie wir, die geschlagenen Verteidiger Roms die Niederlage mit edler Würde hinnahmen, stoisch, gefasst... Mein Gesicht war gefroren.
    Aber.... ein scheußlicher Gedanke bohrte sich in mein Inneres hinein... was wenn meine Männer gar nicht so tapfer gekämpft hatten, wie ich das annahm, was wenn sie nach meiner Gefangennahme einfach übergelaufen waren? Schließlich waren sie, so sehr ich sie auch hochschätzte, noch immer Prätorianer. Und es würde die Niederlage erklären. Und es gab da ein, zwei, drei Tribune, denen ich sowas durchaus zutraute.


    Das Schwert war der einzige Weg, der mir blieb! Ich verlangte erneut danach, immer wieder, aber ich bekam es nicht. Statt dessen bekam ich hohes Fieber. Glühend, und zugleich bis ins Mark durchfroren wälzte ich mich auf dem Lager... und fürchtete mich davor, dass sie mich foltern würden. Denn ich wußte viel zu viel... Truppen wie und wo, Verteidigungsanlagen, Schlachtpläne, Parolen....
    Husten. Schweißiges Leinen. Tage und Nächte verschwommen. Das Zelt wich einem Karren, der mich holpernd übers Land trug. Wohin? Husten. Jahrhundertverbrechen aufgeklärt Schweiß. Ich war doch schon tot. Wozu noch das Schwert... doch, das Schwert. Ich wollte, ich mußte ein Ende machen. Sie gaben es mir nicht. Edle Würde. Entsetzen und Schleim und Fieberträume... Blei in meinen Gliedern. Ein Nebel in meinem Kopf. Und wieder der Traum: Das Ding unter der eisernen Luke. Das Geräusch, wenn es daran schabte, kratzte, mit den verwesten Fingern. Und wie es langsam... ganz langsam... die Abdeckung hob. Ich sah es aber nie. Ich wachte immer zuvor auf. Entsetzen. Husten.

    Ran an den Feind! war das Credo meines alten Centurios Flavius Aristides gewesen, und nachdem ich all die Worte von Ehre, Treue, Pflicht, Besten der Besten und natürlich Donativum heute ein weiteres Mal zu meinen Soldaten gesprochen hatte, und wir kühn ins Feld gezogen waren, war es nunmehr, in der Hitze des Kampfes, nur das 'Ran an den Feind' was noch zählte. Der Fluss brachte unser Vorrücken zum Stocken, und die feindliche Feldartillerie führte zu empfindlichen Verlusten... wobei es nur eine Frage der Zeit war, bis wir dieses Hindernis überwunden hätten... aber Zeit, die blutig bezahlt werden mußte.
    Zu Beginn der Schlacht hielt ich mich noch weit hinten, auf einer Erhebung des Geländes, überblickte die gewaltigen Bewegungen der Heere vom Rücken meines Rappen (der keinen Namen hatte, ich hatte schon zu oft Pferde im Kampf verloren, um noch irgendeine Bindung zu ihnen haben zu wollen.)
    Es war ein unglaublicher Anblick, zugleich das schönste und schrecklichste was ich je gesehen hatte, wie die Armeen gegeneinander brandeten – keine Parther oder Blemmyer standen da auf der anderen Seite, sondern im Kampfe ebenbürtige Römer – die Feldzeichen wehten, die Loricae blitzten, und die Cornua erklangen auf beiden Seiten... Die Garde kämpfen zu sehen, erfüllte mein Herz mit Stolz. Nach allem was wir durchgemacht hatten wären andere Einheiten wahrscheinlich schon längst desertiert.


    Aber die Verzögerungen am Fluß, die machten mir zunehmend Bedenken. Meine Männer waren, bei all ihrer Exzellenz, erschöpft in diese Schlacht gegangen, und wenn es einmal nicht mehr Vorwärts ging, war es zum Rückwärts auch nicht mehr so weit. Und dann diese verfluchte Feldartillerie... Ich umfasste mit der Rechten die Amulette, die ich um den Hals trug – das alte abgegriffene Ancilium des Mars, und das Serapis-Amulett (Fortuna fehlte, was mich ganz kurz an Massa denken ließ, und ich war unpatriotischerweise froh, dass er nicht in diese Knochenmühle hier geraten war). Dann zog ich meinen Helmriemen fest, warf mein todschickes Paludamentum über die Schulter zurück, und gebot meinen prätorianischen Prätoriern mich zu begleiten – nach vorne. Um die Männer aufzustacheln, anzufeuern und zu inspirieren!
    Bei der XXII, im Dodekaschainon hatte das damals ja ganz ausgezeichnet funktioniert. So unterm Strich.


    Ich ritt mit wehendem Mantel durch die Reihen, hocherhobenen Hauptes, das Kinn tatkräftig gereckt. Ich war hier und jetzt ja eher ein Symbol als ich selbst. Und Angst hatte ich tatsächlich keine, seitdem wir von den "Verhandlungen"zurückgekommen waren, und es vollkommen klar war, dass wir losschlagen würden, stand ich eher wie ein Beobachter neben mir, und sah mich funktionieren. Und falls die Götter in ihrer Willkür uns wider Erwarten das Los der Niederlage zuteilen sollten – dann konnte ich mir eh gleich mein Schwert in den Bauch rammen. Von daher zögerte ich nicht, und ließ auch das Sterben und Krepieren und Verstümmelt werden was hier vor mir geschah nicht an mich heran, ich sprengte mitsamt Leibwachen zum Flussufer, dann dort entlang, und rief meinen Soldaten wiederholt in alle möglichen Varianten zu:
    "Militees! Ran an den Feind! Zerschmettert die Treulosen! Schickt die dreckige Verräterbrut in den Orkus wo sie hingehören! Voran, immer voran! Für Rom und für die Phalerae, die euch Tapferen winken!!"
    Gerade setzte ich an, um für den ersten, der sich das feindliche Ufer erkämpfte eine goldene Corona ...ripae (würde ich einführen müssen) zu versprechen.....


    ... als meine Welt zersprang.
    Das feuchte Röcheln meines Pferdes, vor meinen Augen wurde alles was ich sah hinweggerissen, ein schwerer Stoß, Funken sprühten in der Schwärze, ich fiel...... und Chaboras, ich bin dort gestorben, der Chaboras trägt mich fort....... und kämpfte gegen das Wasser, das eisig kalt in meine Lungen drang.... Todesstille, und verschwommen sah ich ein Wirrwar von Schemen vor einer bläulich gläsern irisierend schwankenden Oberfläche, die sich dann trübte, Schwaden von Rot waberten aus den Schemen, und einer sank und trieb an mir vorbei, ein verzerrtes Gesicht, starre Augen, der Helmbusch der Garde aufgefiedert und wogend wie eine seltsame Wasserpfanze... -


    Abwechselnd Flusswasser und Galle kotzend und um Luft ringend, kam ich wieder leidlich zu mir, mich irgendwo zwischen einer Menge caligaetragender Füße am Boden krümmend. Dass diese Füße dem Feind gehörten, realisierte ich so langsam, als ich sogleich gepackt wurde, und verschleppt wohin auch immer. Dass es sich eigentlich gehören würde, Widerstand zu leisten, fiel mir in meinem unbeschreiblichen Elend auch erst auf, als es längst zu spät war. Und auch, dass sich die Leute hier alle mächtig freuten, mich zu Gesicht zu bekommen, linderte meine Misere nicht. Die Prunkscheide meines Gladius baumelte leer an meiner Seite.
    "Gebt mir mein Schwert." war das erste was ich krächzend verlangte, als ich irgendwann wieder einen Gedanken zu fassen vermochte. Haltung, Faustus! Jetzt gab es schließlich nur noch eines was ich tun konnte. Was ich tun mußte.

    Ich melde mich für voraussichtlich zwei Monate ab, da fast die ganze Zeit ohne Internet.
    Simon hatte Serapio in der Vicetiaschlacht das Pech, in die Gefangenschaft der Rebellen zu geraten, und ist jetzt in Obhut von Duccius Vala. Vala - Vielen Dank fürs Schreiben! :)
    Bis dann! :D