Zitat
Original von Decima Seiana
Keine Wahl. Und was wenn Manius mir, seitdem er so unerwartet wieder aufgetaucht war, die ganze Zeit nur was vorgemacht hatte, erst um mich zu manipulieren, und dann damit ich ihn verbarg... Was, wenn er mich schon lange nicht mehr liebte... mich abgeschrieben hatte? Ich dachte an die Nacht oben auf dem Clivus Cinnae, als ich vergeblich auf ihn gewartet hatte... Als er dann versuchte, mich zum Verrat zu überreden, da hatte er mir mit vielen wundervollen süßen Worten versichert, meinen Brief viel zu spät erst erhalten zu haben... und ich hatte das geschluckt, weil ich mir natürlich wünschte dass es wirklich so gewesen wäre... Ich verzog das Gesicht, versuchte mich aus dieser scheußlichen Vorstellung herauszureissen.
"Keine Wahl. Er wird das nicht vergessen."
"Ja." antworte ich mühsam. Ich spürte ja, dass meine Schwester am Ende ihrer Kräfte war, und dass auch sie nicht länger für uns beide stark sein konnte. "Bestimmt."
Sacht drückte ich ihre Hand... wie ein Vergewissern, dass sie noch da war. Die nächste Frage, harmlos wie sie war, öffnete einen neuen Quell von Bitterkeit und Enttäuschung...
"Nein." schnappte ich. "Ich hatte einen Freund bei der Prima, einen richtig guten Freund... Waffenbruder damals in Parthien... und auch als ich zu den Stadtkohorten ging sind wir enge Freunde geblieben, und später hab ich ihn unterstützt damit er auch Ritter werden kann – naja, hat nicht geklappt, statt dessen wurde er dann Primus Pilus, aber das Land hat er immer noch – " Der Husten unterbrach mich, krümmte mich, ich biss die Zähne zusammen... "...Und ich hätte ihm echt blind vertraut und meine Hand für ihn ins Feuer gelegt... aber er hat sich zu der Verbrecherbande gesellt, und ist gegen Rom gezogen, obwohl er durch mich sehr genau wußte was Sache war." Soviel zu wahrer Freundschaft. Höhnisch stieß ich die Luft aus. "Nein, Licinus werd ich ganz sicher nicht um Hilfe anflehen! Der ist für mich gestorben!!"
Ob er überhaupt Vicentia überlebt hatte? Centurionen fielen doch ständig... Aber was kümmerte mich das... ob tot auf die eine oder tot auf die andere Weise... Mein Ausbruch war so schnell vorüber wie er gekommen war, der Zorn verflackert, darunter die tiefe Trauer um den Verlust des Freundes.
Immerzu sind wir allein. Freundschaft, Liebe, Treue... Eigentlich sind wir nur... Figuren, die in einer Landschaft eine Zeitlang nebeneinander stehen.
Wegwerfend schüttelte ich den Kopf.
"Entschuldige Seiana..." Das half ihr...uns... ja auch nicht. Ich dämpfte wieder die Stimme. "Ehrlich gesagt... glaube ich, es ist... weniger hoffnungslos... einen der Wächter zu bestechen, damit er im richtigen Augenblick woanders hinguckt..... als Fürsprecher in dieser Schlangengrube zu suchen... das sind doch alles Hyänen..."
Ich rieb mir die Stirn, raufte mir die schmierigen Haare, wiederholte flüsternd: "Hyänen... die hoffen, dass auch für sie ein bisschen Aas abfällt. - Und du, du gehörst einfach nicht hierher, ich will nicht dass du... du bist auch verwundet, und sie haben Blut geleckt, die Hyänen, die Keren... Und in den leeren Straßen geh ich frierend/ Es weht der Keren böses Heulen mit dem Wind -/ Des Krieges grause Töchter, nach dem Blute gierend/In dieser Schwärze, die kein Mond, kein Stern durchdringt. " deklamierte ich nervös. "... habe ich doch von Anfang an... einen Unterschied macht es aber nicht, darf es ja nicht machen... - Lass mir etwas da wenn du gehst, bitte, irgendwas... kleines, ja?" Fahrig zog ich die Decke um mich, fixierte Seiana, versuchte das andere auszublenden, füllte die lauernde Stille hastig wieder mit meiner Stimme. "Wie behandeln sie dich, Seiana? Wie ist es dir überhaupt gelungen, zu mir zu kommen? Ich war immer allein, bis auf die verfluchten Verräter, und selbst da weiß ich nicht ob... " Meine Hand irrte unwillkürlich zu der verkrusteten Wunde. Nein, es war nicht nur ein Albtraum gewesen. Es sei denn, ich war noch immer in demselben gefangen...