Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    In einem Augenblick hielt ich sie für eine raffinierte Elite-Spionin, im nächsten erschien sie mir als weltfremdes Mädchen, das sich einfach nur weit überschätzte. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass ich Beweise brauchte um sie festzunehmen?!
    "Hochverräter werden seit jeher zur Rechenschaft gezogen, und ebenso ihre Unterstützer." schnaubte ich. Ich könnte sie knebeln. Ja, das sollte ich, nicht dass sie unterwegs die Leute zusammenschrie... Und sie dann verschwinden lassen. Wenn sie erst mal im Carcer war, ging das sehr leicht... ein kleines Malheur beim Verhör und Adios Aurelia. Aber... ich wünschte doch, es gäbe einen anderen Weg, und ich wäre nicht dazu gezwungen, zu solch gräßlichen Mitteln zu greifen um Manius und mich zu retten.


    Briefe mit meiner Handschrift... Oh nein. Meine Briefe! Meine liebestrunkenen Sehnsuchtsergüsse, meine intimsten Geständnisse! Das konnte doch nicht wahr sein... Ich fühlte mich auf einmal so... nackt und bloß und scheußlich durchschaut, bei dem Gedanken, dass dieses Biest da meine innersten Regungen kannte. Wie konnte sie nur! Aber dann erkannte ich: immerhin, sie wußte gar nichts davon, dass ich Manius bei mir versteckt hielt, sie war anscheinend nur über die alten Briefe gestolpert. (Den letzten Brief hatte ich ihm vor der Abreise nach Syrien, also lange vor dem Kaisermord, geschrieben...) Das hieß, dass unser Leben gar nicht unmittelbar auf dem Spiel stand, "nur" mein Ruf. Und – den Göttern sei dank! - Ravdushara hatte mich nicht verraten.
    So seltsam es klingt, ich atmete erst mal auf... obgleich die Lage noch immer schlimm genug war. Nicht auszudenken wenn Teile der Briefe an die Öffentlichkeit kämen, ich wäre gesellschaftlich sowas von erledigt... Zwar würde es niemand wagen, offen über den Gardepräfekten herzuziehen, aber... das Problem mit diesen Briefen war, nicht nur dass sie an einen Proskribierten gerichtet waren, was mich anschwärzen könnte, sie sprachen ausserdem nur allzu deutlich von meiner Hingabe. Manius war älter, war Senator... man würde mich natürlich in der passiven Rolle sehen, und das war (ganz anders, als wenn ich mir selbst einen schönen blonden Jüngling entführte) für einen freien Römer wie mich zutiefst ehrenrührig. So bescheuert ich das auch fand, in der Hinsicht hatte Aurelia recht, ich wäre das Gespött der Stadt. Und wenn es eines gibt was ich hasse, dann ist es ausgelacht zu werden!


    "Warte." Wo wollte sie denn jetzt hin? Ich umfasste ihren Arm um sie zurückzuhalten, was ich zu sagen hatte war nicht für die Ohren anderer bestimmt, und versicherte: "Wir können uns sicher... irgendwie arrangieren! "
    Nur dass der Kaiser mir befohlen hatte, sie festzunehmen. Was nützte es mir, wenn ich meinen Ruf wahrte, und dafür beim Kaiser in Ungnade fiel?! Gehetzt jagten meine Gedanken, suchten verzweifelt nach einem Ausweg...
    "Aber wer sagt mir, dass diese... Briefe.... wirklich noch immer in deiner Hand sind, und du nicht bloß irgendwann mal einen Blick darauf geworfen hast? Ich will sie sehen! Erstmal will ich sie sehen, und wenn du mich diesmal nicht angelogen hast, Aurelia, werden wir diesen Weg den du da vorschlägst zusammen suchen..."
    Es ging mir gewaltig gegen den Strich mit dieser falschen Schlange irgendwie gemeinsame Sache zu machen... aber ich hatte wohl keine Wahl. Jedenfalls nicht im Moment.

    Bei allen gemischten Gefühlen was den Kampf anging, zu dem wir uns hier bereit machten - es war eine Erleichterung, die schwebende Erwartung endlich in konkretes Handeln münden zu lassen, und es war eine Freude meine gestählte Elitetruppe bei den Vorbereitungen zu sehen. (Wie edle Rennpferde, die ungestüm mit den Hufen scharren, in dem Augenblick bevor das Tuch den Circus-Sand berührt.) Alsbald meldete ich dem Kaiser unsere Marschbereitschaft.

    Bona Dea! Wozu ermittelten wir eigentlich unermüdlich, wenn der Kaiser die Schuld dann doch lieber jemand ganz neuem in die Schuhe schob! Ich bejahte mit zusammengebissenen Zähnen, gab aber zu bedenken.
    "Aelius Quarto ist bisher in keiner Weise verdächtig, sich an der Verschwörung beteiligt zu haben. Bei Tiberius und Cornelius hingegen sind die Indizien jetzt schon erdrückend, und Vinicius hat gestanden. Warum in der Acta nicht mit den gesicherten Erkenntnissen, will sagen mit der Entlarvung der überführten Mörder beginnen...?"

    Hohle Phrasen, stumpfes Pathos. Der Gefangene gefiel sich offenbar in der Rolle des Märtyrers. Nur dass er kein Märtyrer war, sondern ein Mörder, ein kleiner, nicht ganz unbedeutender Unterschied. Ihn richten? Sicher nicht solange er noch so viel verschwieg.
    "Du bist mir eine Antwort schuldig, Vinicius. - Was ist mit Maioranus und Ulpia Lucilla?!" wiederholte ich heftig. "Sind sie auch selbst daran schuld, dass ihr sie getötet habt?!"

    Am Meditrinalientag, sehr früh am Morgen, bevor ich in die Castra praetoria aufbrach, tappte ich, noch etwas verschlafen, zum Zimmer meines Geliebten. Lächelnd kniete ich mich hin und schob ihm still und leise ein kleines Briefchen unter der Türe hindurch.


    An Aton


    Dein Antlitz seh ich stets, und schließ ich auch die Lider,
    Dein golden warmes Licht umschmeichelt meine Glieder,
    Vertreibt die Kälte und durchglüht mich ganz.
    Du überragst sie alle – drum stehst Du allein,
    Und ich, verzehrt von Sehnsucht, will Dir Gefährte sein!
    Im Fieber folge ich dem Feuerglanz,


    Bis endlich Deine Hand sich um die meine schließt.
    Die Welt verstummt. So hitzig wogt mein Blut und kocht und fließt
    In meinen Adern wie der Lohe roter Brand.
    In Deinem Sonnenschiff durchfahren wir die Nacht.
    Ich pflücke der Gestirne hohe Pracht,
    Und setz sie Dir ins Haar, ein funkelnd Band.


    Wir wolln an heute nur, nicht an den Morgen denken.
    Lass Menschen-Freude hier und Menschen-Lust uns schenken!
    In Ewigkeit und Rausch verströmen und verglühn...
    Niemals kann diese Himmelsfahrt zu Ende sein.
    Ich gab mich Dir, ich fand mich, ich bin Dein!
    In Ewigkeit im Jetzt. Vergehen und Erblühn.



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    Abgelehnt. Verdammt. Ich konnte den Argumenten des Kaisers nicht wirklich was entgegensetzen... ausser dass es ein archaisches, hartes und grausames Gesetz war. Ich mühte mich um eine gleichgültige Miene, aber bei dem Gedanken daran, diese Sklaven (es waren 28, die noch am Leben waren), die nichts dafür konnten, dass einer von ihnen ein Mörder war, und die in unseren Verliesen doch schon genug gelitten hatten, in den Tod zu schicken... bis auf die, die noch "unbedingt gebraucht wurden", da drehte sich mir echt der Magen um. Manche hatten mich, bei den Verhören, so verzweifelt angefleht...
    Aber ich wollte nicht weich erscheinen. Als Gardepräfekt konnte ich mir das nicht leisten! Wahrscheinlich war es schon ein Fehler gewesen, überhaupt das Wort Begnadigung ins Spiel zu bringen. Nicht dass der Kaiser noch begann sich zu fragen, ob ich der richtige auf meinem Posten war, und ob er mich "unbedingt brauchte". Überhaupt gab es im Bürgerkrieg doch viel wichtigeres als das Schicksal von ein paar Bediensteten.
    "Jawohl. Das wäre von meiner Seite dann alles, Imperator."

    Wie abgeschmackt... Seine Worte troffen ja nur so von Standesdünkel und Verblendung. In diesem Augenblick hätte ich nicht glauben können, dass ich jemals auch nur eine Spur von Sympathie für den Senator gehabt hatte.
    "Was Du da tust, Vinicius, das machen viele Gefangene... Sie reden sich ihre Untaten, und seien sie noch so grausig, im Nachhinein schön. Um nicht den Verstand zu verlieren, hier in diesen Mauern. - Valerianus war also selbst daran schuld, dass ihr ihn ermordet habt, ja? Und was ist mit seinem Sohn Maioranus und seiner Frau, Ulpia Lucilla, sind die auch selbst daran schuld, dass ihr sie ermordet habt?"
    Seine Vorwürfe ließen mich kalt, er war nicht in der Position irgendetwas zu durchschauen.
    "Fakt ist, dass ihr diesen Bürgerkrieg losgetreten habt. Das Volk von Rom leidet, wegen euch. Sag den Leuten wenigstens die Wahrheit, du bist es ihnen schuldig...... - Wie hat das ganze überhaupt angefangen? Wie bist du da hineingeraten, Vinicius?"

    Ja, dieses Losreißen-Müssen war eine üble Sache. Ich dachte so bei mir, dass ich meinen Entführten doch ganz gerne behalten und in meinen (imaginären) Palast einsperren würde, wo ich ihn nur für mich hätte... Aber (Adler – Ganymedes – Sternbilder - Sternenhimmel betrachten) da kamen mir schon wieder die Massa-Gedanken in die Quere. Sowieso war der Mistkerl in dieser Biga noch immer viel zu präsent! Ich sollte sie verkaufen, ja, das sollte ich. Schließlich war sie inzwischen in die Jahre gekommen, und ich hatte ich mir bereits eine nagelneue zugelegt, mit allen technischen Innovationen ausgestattet, die der Amateur-Rennsport so zu bieten hatte. Die alte hier war heute bloß noch im Einsatz, weil Ravdushara damit die Gäste des Festes herumgefahren hatte. (Aber ich hing schon noch an ihr. Sollte ich die alte Biga nicht gerade deswegen behalten, als Zeichen dafür wie weit ich doch mittlerweile über Massa hinweg war? )
    Unversehens war ich wieder ins Grüben geraten, doch Dives' Bermerkung riss mich da sehr charmant wieder raus. Ich spähte über meine Schulter, konnte mir das Grinsen nicht verbeißen, und dann wurde er sogar rot. Wie süß! Ich lachte, auch wenn ich ihn nicht auslachen wollte, es hatte mich einfach gepackt, und dabei schwebte mir sehr angenehm das Bild vor Augen, dass er eben unbeabsichtig heraufbeschworen hatte. Ich holte tief Luft, setzte eine betont unschuldige Miene auf und schwärmte: "Ja, Reiten ist wirklich etwas wunderbares."
    Er war... hinreißend. Es wäre so einfach, alle Erfahrung in den Wind zu schlagen... - und so fatal!
    Entschlossen ließ ich die Zügel auf die Rücken der Pferde schnalzen, fuhr an. Wie durch einen Vorhang glitten wir zwischen den Zweigen der Trauerweide hindurch, wieder hinein in den hellen Sonnenschein. Zügig lenkte ich das Gespann zurück zum Fest, und plauderte auf dem Rückweg nur noch über vollkommen unverfängliches – wie sehr ich doch das Bigafahren liebte, blabla, wie sehr ich es bedauerte, nicht beim nächsten Equus october mitfahren zu können, blabla, wie spannend es damals gewesen war, als ich einmal daran teilgenommen hatte, und wie unsportlich der Veneta-Fahrer mich attackiert hatte, wie ich es ihm aber dann so richtig gezeigt hatte, blablabla....
    Am Rande des festlichen Treibens verabschiedete ich mich dann leichthin von dem schönen Iulier, wie von einem flüchtigen Freund.
    "Also dann vale, mach es gut!"
    Ein Blick über die Schulter, ein verstohlenes Lächeln, so trennten sich unsere Wege. Den Streitwagen überließ ich wieder meinem Leibsklaven. Hoffentlich war meine Abwesenheit nicht zu sehr aufgefallen. Ich straffte mich und begab mich beschwingt und dynamischen Schrittes wieder hinein ins bunte Treiben...

    Das Bellen eines zahnlosen Hundes, sagte ich mir, und ließ die Worte der Aurelia auf die bewährte Weise über mich hinwegrauschen. Sie war geschlagen, sollte sie doch zetern. Nur dass sie den Wein runterkippte, das machte mich schon etwas unruhig. Aber nun war es zu spät – und meiner ganz persönlichen Meinung nach war dieses Weib sowieso viel zu selbstverliebt, um sich ernsthaft etwas anzutun... Auf ihren plumpen Versuch mich zu beirren ging ich erst gar nicht ein. Ich hatte die Seite gewählt, die ich für die richtigere hielt, so war das nun mal, und meine Zweifel und Bedenken waren zwar immer noch präsent, und ausgesprochen lästig, aber ich war Soldat genug um sie beiseite zu schieben wenn Handeln gefragt war. Und – mein Mund zuckte spöttisch - selbst wenn meine Zweifel überhand nähmen, würde ich mich sicher nicht mit einer Harpie verbünden, die mich früher schon belogen hatte.


    So langsam verlor ich die Geduld, die Frau war allzu begriffstutzig, sie würde wohl kaum freiwillig mitkommen. Und ich mußte jetzt wirklich mal aus der Nähe dieser... Schale.... weg, die, obgleich sie jetzt zerdellt auf dem Boden lag, noch immer wie magisch meinen Blick an sich zu ziehen suchte. Eigentlich ja nicht die Schale, sondern der Inhalt, der sich über Mamorboden und Kissen verteilt hatte. Und in der Luft hing noch immer eine Spur dieses feinen Duftes... der meine Nase kitzelte und mit infamer Zärtlichkeit an meinen Nerven zupfte, wie ein begnadeter Künstler an den Saiten einer Kithara....... Ich sollte jetzt wirklich gehen!


    Natürlich war es weit unter meiner Würde, die Aurelia selbst in die Castra zu zerren. Ich wollte mir soeben ein paar Soldaten aus dem Atrium herbeirufen.... als..... Was bei allen Göttern hat sie da gerade gesagt?!
    Kreidebleich und ungläubig, vollkommen ungläubig starrte ich sie an. Das konnte doch nicht wahr sein!? Eros und Anteros, steht mir bei! Manius und ich, wir waren verloren wenn das rauskam. Dermaßen schockiert war ich, dass die Beleidigung so ziemlich an mir vorbei ging. Es war zwar lange her, dass jemand es gewagt hatte, mich so zu beschimpfen, aber es verblasste einfach angesichts der tödlichen Bedrohung. In der Zeit eines Wimpernschlages schossen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. - Wer hatte uns verraten? Einzig und allein Ravdushara wußte bescheid.... Mein Leibsklave, Vertrauter, Gespiele, jahrelanger Gefährte, das wollte ich nicht glauben! Oder hatte etwa ein anderes Mitglied der Hausgemeinschaft die richtigen Schlüsse gezogen... und mich an den Feind verraten? Das tat weh. Dagegen war es von absurder Komik, dass der willkürliche Vorwurf, die Aurelia sei eine Spionin, offenbar doch der Wahrheit entsprach. Ich hatte sie unterschätzt, sie war weitaus raffinierter als ich für möglich gehalten hatte, nicht mal bei der Beschattung waren ihre Aktivitäten aufgefallen...
    Unwillkürlich hatte ich nach irgendeinem festen Halt gegriffen, die Hand um eine Lehne gekrallt, hastig einen Blick über die Schulter geworfen, um mich zu vergewissern, dass niemand drittes diese fatalen Worte gehört hatte. Atmen, Faustus. Einfach weiteratmen. Um Gleichgültigkeit zu heucheln war es jetzt wohl ein bisschen zu spät.
    "Du, Aurelia, bist eine dem Untergang geweihte Kollaborateurin der Kaisermörder! Du kannst dir noch so boshafte Lügen ausdenken – keiner wird dir glauben!!" Ich mußte herausfinden, ob sonst noch wer Bescheid wußte. Und dann mußte ich diese Personen... allesamt beseitigen. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Angespannt bis in die letzte Faser meines Selbst stand ich der Frau gegenüber. Sie oder ich.
    "Und in der Tiefe unserer Verliese wird dich auch keiner hören."

    Na toll!! Ebensogut hätte ich versuchen können, eine Mamorstatue zu verführen. Gekränkt von so dermaßen eklatantem Desinteresse löste ich mich von ihm, setzte mich im Bett auf. Auf einen Arm gestützt, die Brauen zusammengezogen, antwortete ich schnippisch: "Nein, Caligulas!"
    Was war denn nur los?! Manius war ja wie verwandelt...
    "Was weiß denn ich. Es wurde im Senat geöffnet und verlesen. Aber was hast du denn auf einmal?!"
    Ich zog die Beine an den Leib, schlang die Arme darum und blickte meinen mit einem Mal so fernen Geliebten mit finsterem Vorwurf an. Wenn es eines gab, was ich auf der ganzen Welt noch mehr hasste als verspottet zu werden... dann war es, ignoriert zu werden!

    "Verstanden Imperator."
    Ein Beweis, naja, ich sah nur ein weiteres Steinchen, das gut ins Mosaik passen würde. Aber was unseren neuesten Gefangenen anging, da war ich auch sehr zuversichtlich.


    "Wir haben noch immer all die Sklaven aus Valerianus' Landvilla in Haft. Nach dem senatus consultum Silanianum gehören sie ja allesamt gefoltert und exekutiert, aber ich plädiere dafür, Imperator, sie, bis auf den mörderischen Küchensklaven natürlich, zu begnadigen. Als Zeichen der Großmut, der Milde gegenüber den Unschuldigen, während die Strafe gezielt und um so härter die wirklich Schuldigen trifft!"

    Auf diese Weise kam ich nicht weiter. Ich ließ von ihm ab, beschämt so die Fassung verloren zu haben. Das kam davon, wenn man das private und das dienstliche vermischte. Aber ich mußte einfach wissen, ob Manius mir die Wahrheit gesagt hatte, oder mich belogen hatte! Wenn er mich in dieser Sache belogen hätte, dann vielleicht auch in anderer Hinsicht, und – nein. Nein, so durfte ich nicht denken.
    Entnervt erhob ich mich, rieb mir mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, durchmaß die Zelle mit ein paar Schritten.
    "Ich respektiere das, Vinicius, dass du niemanden mit dir ins Unglück ziehen willst. Aber dafür ist es zu spät! Ihr habt, auch wenn ihr anderes vorhattet, schon sehr viele ins Unglück gestürzt, denn ihr habt durch euren Mord an Valerianus das Reich in diesen Bürgerkrieg gestürzt! Das Imperium zerfleischt sich, und Tausende werden sterben, wegen euch. - Ich selbst werde auch bald in diesen Krieg ziehen. Kämpfen, gegen meine Brüder unter dem Adler! Sie töten oder selbst sterben, verstehst du, Vinicius?! Und das ist eure Schuld, das ist mit deine Schuld!! Steh endlich dazu und hilf mir wenigstens, Licht in dieses Verbrechen zu bringen. "

    Zitat

    Original von Iunia Diademata


    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca


    Mit der Iunia ging es mir wie so oft mit dieser Art von Frauen: ich hatte absolut keine Ahnung was ich zu ihr sagen könnte, was sie interessieren oder amüsieren könnte. Insgeheim war ich sowieso der Ansicht, dass solche jungen hübschen Dinger nichts im Kopf hatten ausser Mode und Männern. (Nicht, dass ich mich nicht auch für diese Themen erwärmen konnte, aber nur im passenden Rahmen, versteht sich.)
    Zum Glück war sie nicht auf den Mund gefallen, und natürlich freute ich mich darüber, dass ihr das Fest so gut gefiel.
    "Danke" sagte ich mit einem bescheidenen Lächeln. " Wenn es Freude bereitet, dann habe ich mein Ziel erreicht."
    Die Cousine des Optios war sie also, und der schien im privaten ebenso pflichtbewußt zu sein wie im Dienst.
    "Ja sicher." Und da war er auch schon.
    "Salve Optio Iunius, ich bringe dir hier die Hand der Fortuna zurück." grüßte ich ihn und scherzte: "Ein schöner Sieg vorhin mit dem Strohsack übrigens – ob wir das in den Drill aufnehmen sollten?"
    Darauf verabschiedete ich mich gutgelaunt von der jungen Dame: "Werte Iunia, es war mir ein Vergnügen. Noch einmal vielen Dank für deine Hilfe, ich hätte mir keine fabulösere vorstellen können. Viel Spaß noch auf dem Fest! Vale!"


    Darauf bummelte ich noch ein wenig über das Fest. Der offizielle Teil war ja nun vorüber. Ich begrüßte den ein oder anderen Bekannten, schüttelte Hände, plauderte über dies und das. Dabei vermied ich es unbedingt, Massa nochmal über den Weg zu laufen – und ich vermied es auch, zu nahe an die große Wiese heranzukommen, da wurde jetzt nämlich getanzt. Ein griechischer Reigen war es, Gäste und Grazien wirbelten in einem großen Kreis herum. Es sah echt spaßig aus, aber sowas war natürlich mit meiner Würde nicht zu vereinbaren.
    Sehr zufrieden mit dem Verlauf des Festes (und noch viel zufriedener, leise in mich hineinlächelnd, wenn ich an das kleine Intermezzo mit dem schönen Dives dachte), und gestärkt durch den Segen der Fortuna, machte ich mich schließlich wieder auf den Weg zur Castra, zurück in die Welt des Alltags.

    Im ersten Augenblick hielt ich Dives für ernsthaft schockiert. Schließlich gab es auch Factioanhänger, die das ganze todernst nahmen. Dann lachte ich erleichtert mit - bis zu dem Moment wo er mich schon wieder überrumpelte. Bona Dea, warum sagte er mir das?! So gerade heraus! Der wollte doch was von mir! Sich bei mir einschmeicheln, meine Geheimnisse erfahren, irgendjemand hatte ihn auf mich angesetzt, genau so wie ich in Antiochia Endymion für meine Zwecke benutzt hatte! - Oder war er einfach nur... viel zu jung und offen und ehrlich? Ich mochte ihn ja auch sehr gern, sowenigweit wir uns halt kennengelernt hatten, aber das würde ich ihm doch niemals so direkt sagen! Das waren Erfahrungswerte! (Bei Cupido, er brachte es fertig, dass ich mir alt und zynisch vorkam.)
    "Mhm." machte ich, mit einem unbestimmten Lächeln. Aber kurz darauf, beim Gehen, kam schon die nächste Attacke. Erwartete er etwa, dass ich mit ihm Händchen hielt??!
    Ich nahm seine gebotene Hand, und zog ihn mit einem Ruck an mich heran.
    "Wie? Kannst du dich etwa nicht losreißen, von diesem exklusiven Separee? Na komm schon!"
    Ich gab ihm einen letzten, genüsslichen, heißen Eroberer-Kuss, dann ließ ich seine Hand los, und verließ, mich wieder durch die Sträucher schlagend, unser lauschiges Plätzchen. Bevor ich aus dem Gebüsch trat spähte ich erst mal vorsichtig – niemand in Sicht, gut. Und mein Gespann war auch noch da wo ich es gelassen hatte.
    "Also, jetzt wo ich dein dunkles Geheimnis kenne" scherzte ich, während ich die Stricke löste, meinen schönen Stuten den Hals klopfte, "jetzt frage ich mich doch, ob ich das verantworten kann, einen Veneta-Anhänger in meinen Wagen zu lassen! Mmmmh..... nun ja, weil du es bist."
    Ich stieg in die Kanzel und nahm die Zügel auf.
    "Fährst du eigentlich auch selbst?"

    Wie jetzt?! Was jetzt?! Der wußte ja nicht mal mehr, um wen es überhaupt ging!
    "Manius! Flavius! Gracchus! Senator und Pontifex! Verdammt!"
    Zornig und verzweifelt über solche Verwirrtheit in einer Frage, die für mich von Leben-und-Tod-Bedeutung war, und verzweifelt dagegen ankämpfend diese schlechte Neuigkeit zu glauben – nein ich würde sie erst glauben wenn er es eindeutig gesagt hatte... vielleicht - packte ich den Gefangenen unbeherrscht an den Schultern und schüttelte ihn.
    "WAR ER EINGEWEIHT??!"

    Aberwitzig war es schon.... dass ausgerechnet die großen Wirren, die unsere Ewige Stadt in ihren Grundfesten bedrohten, mir meinen Herzenswunsch erfüllt hatten: ich war mit Manius zusammen. Ich lebte mit Manius zusammen! Manchmal mußte ich kurz innehalten, und mir klarmachen, dass ich nicht träumte, dass der unerreichbare Geliebte, jahrelang aus der Ferne ersehnte, immer unmöglich zu habende, nun wirklich bei mir war, hier, bei mir, in meinem Haus und in meinem Bett... (Die Sklaven tuschelten wahrscheinlich schon, weil wir ständig die Nächte zusammen verbrachten, aber ehrlich gesagt war mir das egal. Seitdem mein Vater in Hispania war, und meine Schwester ausgezogen, war mir meine Fassade in der Hinsicht nicht mehr so wichtig.)
    Manius war da, ich spürte seine Hitze, seinen Körper neben mir, und ich lächelte zufrieden in mich hinein, das Verlangen fürs erste wunderbar gestillt, erfüllt von wohliger Ermattung. Die Hand auf seinen Rücken gelegt, streichelte ich langsam zwischen seinen Schulterblättern entlang, betrachtete ihn versonnen, und ich spürte so ein bittersüßes Aufwallen in meiner Brust, als mir... wieder mal... klar wurde wie sehr ich ihn liebte. Alles war gut...


    ...solange gewisse Themen nicht zur Sprache kamen. Ich verbannte sie von meiner Seite aus, jeden Tag aufs neue, mit aller Kraft – und es kostete mich sehr viel Kraft! - ich sagte mir, dass die Welt und was wir darin möglicherweise getan hatten und darstellten, nichts damit zu tun hatte, haben durfte, was zwischen uns war. Also verdrängte ich diese Gedanken, und das quälende Mißtrauen, das sich in ihrer Begleitung immer wieder einstellte, und ich fragte Manius nichts darüber, und erzählte selbst auch nichts davon. Ich hatte sogar meine Rüstung, die immer auf dem Rüstungsständer da drüben in der Ecke gehangen hatte, in ein extra "Ankleidecubiculum" verbannt, um sie nicht ständig vor Augen zu haben.
    Darum... verstimmte es mich... ein wenig... dass Manius diese stillschweigende Abmachung nicht einhielt.
    "Warum wundert dich das, das Testament war doch eindeutig." sagte ich kurzangebunden, bemühte mich dabei einigermaßen gelassen zu klingen. Hoffentlich war das damit jetzt abgehakt! Ich ließ meine Hand über seinen Rücken wandern, liebkoste den Schwung seiner Lendengrube, hauchte ihm einen heißen Kuss auf den Hals.
    "Manius" flüsterte ich ihm dann innig ins Ohr, "lass uns doch lieber... ganz bei uns bleiben. Ich liebe dich... ganz ungeheuer. Hast du Lust auf eine Massage? Oder.. hast du Hunger, soll ich uns was zu essen bringen lassen? Oder..." - und ich schmiegte mich enger und aufreizender an ihn, suchte sein Verlangen auf ein Neues zu entfachen - "...hast du noch Hunger auf mich?"

    Wie schön dich zu sehen.
    Na die hatte ja Nerven. Ich quittierte ihre artigen Worte mit einem höhnischen Auflachen. Von solchen Spielchen hatte ich ein für alle mal die Nase voll!
    Der Saal leerte sich, und nach dem ganzen Durcheinander von konfusen Sklaven und grimmigen Soldaten wirkte der Raum jetzt sehr still, wie ausgestorben. Auf dem Boden lag traurig eine Löwenmaske, in der Ecke eine auf der Strecke gebliebene Kithara... und durch das ganze prunkvolle bis lädierte Dekor schwebte die Aurelia wie eine Erscheinung auf mich zu.
    Es gibt nichts zu erklären, Aurelia." stellte ich kalt, humorlos, ganz und gar der Spielverderber, fest. "Ich gab dir eine Chance - eine letzte Chance! - dich gegen die hochverräterischen Machenschaften deiner verkommenen Gens zu stellen, und dein Schicksal zum Guten zu wenden. Aber du hast es versaut."
    Ich stemmte die Füße in den Boden, und behielt sie ständig im Auge, wachsam, mein Instinkt sagte mir dass die Frau gefährlich war – in die Enge getrieben wird ja auch die harmloseste Person noch irgendwie gefährlich, und diese Frau war von sich aus schon eine klauenbewehrte Sirene. Ich muß aber zugeben, dass mich die ganze Szenerie auch amüsierte! Die Aurelia hatte geglaubt mich ungestraft nach Strich und Faden belügen zu können – jetzt konnte sie feststellen, dass sie sich da fundamental und fatal geirrt hatte. Was sie jetzt wohl tun würde? Den Charme hatte sie ja schon herausgekramt. Spöttisch ließ ich meinen Blick über ihren Luxuskörper gleiten. Ich war gespannt!


    "Nein." schlug ich den Wein aus, fügte süffisant hinzu: "Willst du mich vergiften?" Und ebenso achtlos wollte ich auch die Schale links liegen lassen.... als mir der herrliche Duft kitzelnd in die Nase stieg, dieser betörende Duft der sogleich die wundervollsten Erinnerungen weckte... an Träume, die mich entrückten in Zeit und Ewigkeit, auf nächtlichen Schwingen weit fort trugen, hin zum wahren, zum unverfälschten Glück. Ich blinzelte, und vor meinem inneren Auge verwandelten sich die ausgestreuten Rosenblätter in die flammendroten Köpfe des Mohns, mein Herz schlug heftig, überwältigt von dieser verrückten Wiedersehensfreude, ich atmete... tief... und die zarten, feingeäderten Blüten umgaben mich, streiften schmeichelnd meine Wangen, luden mich ein, mich fallen zu lassen in die liebevolle Umarmung, Duft, Heimkehr, Mohnrot, Rausch...
    Erschrocken riss ich die Augen weit auf, grub den Nagel meines Zeigefingers brutal in die empfindliche Stelle wo der Daumennagel entspringt, ein Schmerz der gut war um mich wachzurütteln, und mit aller mir verbliebenen Kraft rief ich mir das widerliche Gegenbild vor Augen... und zwar wie ich da in Nikopolis gelegen hatte, heulend, zitternd, rotzend, gequält, einfach nur erbärmlich, wie ich Massa nur noch angefleht hatte... erbärmlich, erbärmlich! Und dazu wollte sie mich erneut verleiten, sie mit den glasigen Augen - ERBÄRMLICH...!! Wut, richtige Wut – da war keine Spur mehr von Kühle oder Ironie – stieg in mir auf, und ich holte aus, schlug der Aurelia die Schale mit ungezügeltem Zorn aus der Hand. Sie flog durch den Raum, es klirrte laut, ich beherrschte mich mit aller Macht um nicht hinzusehen...


    "Tu das NIE wieder!" grollte ich, zornbebend. "Du kommst jetzt mit Aurelia! Du bist verhaftet wegen... wegen Verdacht auf Spionage!" Von einer Kline nahm ich irgendein Palla-artiges Tuch und warf es ihr feindselig zu. "Zieh dir was an, oder willst du dass wir dich so durch die Straßen schleifen?!"