Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Der Sonne jag’ ich heimlich einen Funken / Des Feuers ab. Ihn birgt ein Zunderrohr. / Fortan wird er die Quelle jeder Kunst, / Entdeckt den Menschen nie betretne Bahnen; / Und das ist mein Vergehen
    Furios!! Und wieder schlugen mich die ewig schönen Worte in ihren Bann... Zugleich mußte ich an Aton denken. Ihm einen Funken abzujagen... mit diesem Funken ein Feuer zu entfachen.... - Aber Aton war nur Phantasie... nur ein Wunsch, der einmal Gestalt angenommen hatte, nur um dann wieder weggeschlossen zu werden, tief verschlossen... und derjenige, in dessen Inneren er ruhte, war nun verfemt und ebenso spurlos verschwunden wie sein Geschöpf... - Schluß! Ich schob diese Gedanken energisch in irgendeine staubige, unaufgeräumte Ecke meiner Seele, bevor sie mich noch ganz trübsinnig machten, und konzentrierte mich wieder mit aller Kraft auf das Stück! Zum Beispiel auf den schönen Prometheus. Und auf meine Umgebung! Zum Beispiel auf den den schönen Iulier, der gerade zurückkehrte. Von Zorn war da keine Spur mehr zu entdecken, und ich hoffte irgendwie, dass er mir das jetzt nicht zu übel nahm – wobei mir das eigentlich hätte egal sein sollen, denn als Prätorianer gehörte es halt dazu sich hin und wieder unbeliebt zu machen, und wenn ich erst mal Präfekt war würde das noch viel extremer sein.


    Er entschuldigte sich, ich nickte reserviert und antwortete leise: "Nein. Aber reden wir später darüber. Danke auf jeden Fall für... dein Eingreifen." Wobei ich andeutungsweise gen der Leere deutete, wo zuvor noch der Göttervater/Kaiser gestanden hatte. Ich würde schon noch herausfinden müssen, wem denn nun die Schuld gebührte, wer die Schauspieler zu dieser Propaganda angestiftet hatte. Oder womöglich hielten sie es einfach für besonders intellektuell, um jeden Preis die Herrschenden zu kritisieren...? Aber sich dafür dermaßen zu exponieren, das wäre für so rechtlose Künstler doch sehr unvorsichtig... oder vielleicht hatten sie durch die Proskriptionen einen großzügigen Mäzen verloren und grollten dem Kaiser aus diesem Grund?
    Grimmig zu bleiben wäre mir sicher leichter gefallen, wenn Dives, wie er so neben mir saß, dabei nicht so unverschämt gut ausgesehen hätte. Und das auch im Profil. Wider Willen hoben sich meine Mundwinkel zu einem halben Lächeln, und ihm nur ganz leise zuraunend, um die anderen nicht in ihrem Kunstgenuß zu beeinträchtigen meinte ich: "Abgesehen mal davon... der Prometheus ist brilliant! Unheimlich präsent."

    Ich schmunzelte ein wenig darüber wie freundlich sie über ihre Sklavin sprach. Es war doch wichtig dass sie jemanden hatte, eine ältere Frau die auf sie achtgab, und Seiana war natürlich viel zu beschäftigt um das auch noch zu übernehmen, Venusia hatte ihre eigenen Sorgen, und Helvetia hatte wohl auch mit ihrer eigenen Kinderschar genug zu tun.
    "Schreib Messalina doch einfach ein Briefchen, und lass es unseren Cursor bei ihr abliefern." schlug ich vor. Ich kannte mich ja nun auch nicht gerade mit dem Vestalinnenleben aus, aber ein bisschen harmloses Vergnügen war ihnen doch wohl gestattet.


    Wie sie so in die Luft boxte, brachte sie mich nun wirklich zum Lachen. Mein Cousinchen war echt angenehme Gesellschaft, ich hatte den Ärger über die veralteten Pteryges und die Sorge um die perfekte Parade gerade fast vergessen. Aber mir ging es schon immer so, dass ich mich mit meinen Cousinen meist wunderbar verstand, viel müheloser als mit meinen Cousins... (lassen wir das.)
    "Weißt du an wen du mich gerade erinnerst?! An meine Schwester als wir klein waren!" rief ich lachend aus. "Die hat sich auch nichts bieten lassen damals, von den frechen Fischerjungs von Tarraco..." Und ihren kleinen Bruder mehr als einmal schlagkräftig verteidigt.
    A propos Jungs. "Hm...." machte ich und legte nachdenklich die Hand ans Kinn, "sag mal Stellula, hat deine Familie in Achaia eigentlich schon eine Ehe für dich arrangiert?"

    Das klang erst einmal sehr gut! Ich setzte schon zu einem Lob an, da sagte der Optio was von keine Zunge und weggestorben, und da wurde mein Gesicht doch etwas länger. Wäre ja zu schön gewesen herauszufinden wer dahinter steckte.
    "Die gehen offenbar kein Risiko ein." War wohl nichts. "Irgendwelche Hinweise auf die Hintermänner?" erkundigte ich mich, mehr pro forma, wer so vorsichtig war steckte dem Parolenschmierer sicher keinen Auftragsbrief mit Unterschrift in die Tasche.
    Und "Ja, sprich." forderte ich den Optio auf, ihn aufmerksam anblickend.

    Dass er prompt erschien, gefiel mir, seine Haltung auch, doch seine Meldung fand ich arg lax.
    "Optio Iunius, ich erwarte eine korrekte Meldung." verlangte ich, wobei mein Tonfall ganz sachlich blieb – konnte ja mal passieren, dass man das vergass, aber es sollte nicht einreißen. Oder... ich überlegte... hatte ich womöglich Anlass dazu gegeben, die formelle Disziplin etwas lockerer zu nehmen? Wenn ja, dann mußte ich unbedingt besser achtgeben...

    Nach Zerknirschtheit hielt ich vergeblich Ausschau, statt dessen fand ich Zorn... aber sowas von loderndem Zorn, dass ich beinahe erschrak, darüber wie sehr sich dieses anfangs so arglos erscheinendende Antlitz mir gegenüber gewandelt hatte. Tja. Ich wäre wohl auch sauer wenn man mir in aller Öffentlichkeit in die große Vorführung hereinreden würde... aber dass er mich dermassen anfunkelte... mir wurde schon etwas ungemütlich dabei. War ihm denn nicht klar, dass er sich das selbst zuzuschreiben hatte? (Er selbst hatte sich das eingebrockt! Er hätte sich die Inszenierung lieber mal anschauen sollen bevor er sie auf das Publikum losließ! Natürlich war es nicht gerade die feine Art, als Gast so mit dem Gastgeber umzuspringen wie ich das gerade getan hatte, aber es war noch viel weniger die feine Art seine Gäste zu veralbern und den Kaiser zu verunglimpfen... ) All diese Dinge gingen mir durch den Kopf, als wir uns so anstarrten wie zwei preisgekrönte Gladiatoren vor dem Duell sine missione, und dann dachte ich noch : Und wenn er sich weigert? Oh hoffentlich nicht..."


    Aber er weigerte sich nicht. Stand auf und ging... In der Nähe wurde getuschelt, und ich meinte die Blicke glühendheiß in meinem Nacken spüren zu können. Ich gab mir alle Mühe locker und lässig zu wirken... Nicht umdrehen... Nur Seiana warf ich einen kurzen Blick zu, traf ihren fragenden. War denn nicht allen klar was hier lief? Hatte ich womöglich übertrieben reagiert? Nein! Noch eher milde. Ich mochte jetzt nichts erklären, zuckte nur ansatzweise mit der Schulter, lehnte mich zurück als täte ich nichts lieber als das Stück zu genießen. Und der Prometheus war auch wieder umwerfend, und sein Monolog war göttlich... O seht, was ich leide / Von Göttern, ein Gott!
    Es tat mir in der Seele weh, dass ich derjenige war, der die folgende Unterbrechung verschuldet hatte. Ich war nun wirklich "auf der anderen Seite" angelangt, und auch wenn ich nicht an der Notwendigkeit meiner Zensur zweifelte... es machte mich nicht gerade glücklich hier der Spielverderber zu sein. (Mich würde wahrscheinlich nie wieder wer ins Theater einladen.)


    Es dauerte. Es dauerte ziemlich lang. Ich hatte einen Knoten im Magen während ich ach so locker und lässig wartete, mochte kein Brot essen, und fragte mich, ob die ganze Theatermannschaft samt Gastgeber wohl gerade dabei war sich abzusetzen? Aber nein da ging es weiter. Ohne Iuppiter. Ein wenig erleichtert, doch noch immer nicht wirklich entspannt, versuchte ich mich wieder auf das Stück zu konzentrieren, dem großartigen Monolog die gebührende gebannte Aufmerksamkeit zu schenken.

    Einen interessanten Hinweis hatte ich da erhalten. Beziehungsweise nie erhalten. Es war doch praktisch eine so große, weitverteilte Familie mit vielen Ohren zu haben. Ich prägte mir den Inhalt der Wachstafel ein, dann strich ich die Worte aus, gemäß des Wunsches meines Vetters. Und überlegte kurz wen ich mit den Nachforschungen betrauen sollte.
    "Hol Optio Iunius Seneca." befahl ich meinem Beneficiarius. Mit dessen Centurio würde ich dann auch noch ein paar Worte wechseln wollen. Vielleicht konnte ich hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Aber eines nach dem anderen...

    Ich atmete tief ein, verbannte für den Augenblick alle Grübeleien, und vergegenwärtigte mir wieder was ich war und sein mußte, bevor ich die Wächter zu mir rief.
    "Sperrt ihn wieder ein. Aber nicht in das Drecksloch, da kratzt er ja gleich ab. Bringt ihn in eine der oberen Zellen. Agite!"
    Sie taten wie geheißen, und ich ging zu Optio Carceri, gab Anweisung dass der Gefangene ordentliches Essen, mehr Stroh, und Wasser auch zum Waschen bekommen sollte.
    "Aber Tribun" widersprach der Mann, "der Kaiser will aber doch...-"
    "Einen lebenden Gefangenen." unterbrach ich ihn barsch. "Keine Leiche. Oder hast du schon mal eine Leiche singen hören, Optio? Also sorg dafür dass der Kerl am Leben bleibt. Und verhört wird er ab jetzt von mir persönlich. Verstanden?"
    Schien so. Ich wandte mich ab, grummelte ein "alles muß man selber machen" in meinen Bart (der mich etwas älter aussehen lassen sollte), und verließ die dunklen Gewölbe.
    Zurück im Reich der Lebenden kehrte das Grübeln doppelt eindringlich zurück. Ich hatte was ich gewollt hatte, als ich da hinabgestiegen war – ich wußte nun: Vinicius war ein Verschwörer - und doch rasten die Gedanken wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf. Was sollte ich nur tun, was zum Hades sollte ich nur tun.... ich mußte Seiana fragen, mußte unbedingt Seiana fragen. Sie würde Rat wissen.

    Nach Mantua? "Ja, das wird besser für dich sein."
    Wobei ich sie ja am allerliebsten als Geisel hier behalten hätte, um durch sie den Legaten unter Druck zu setzen. Andererseits passte das nicht zu meiner Hoffnung, die Prima doch noch auf diplomatischen Wege zu gewinnen... Geiselnahmen waren jetzt nicht sooo diplomatisch. Eine hübsche Cousine, die ich – hoffentlich! - ein wenig zum Nachdenken gebracht hatte, war wahrscheinlich ein weniger spektakulärer aber geschickterer Ludus latrunculorum-Zug. Oder sollte ich besser sagen: Ludus thronorum? 8)
    Dafür mußte ich das Risiko, dass sie mich gerade anschwindelte (und sich draussen auf der Strasse vor Lachen ausschütten würde über den treudoofen Prätorianer der sie hatte laufen lassen), wohl oder übel in Kauf nehmen. Zwei Speculatoren würde ich aber auf jeden Fall auf sie ansetzen, die sie ein bisschen im Auge behalten sollten, und ausserdem musste ihre Korrespondenz abgefangen und mir vorgelegt werden.
    "Gut. Danke." Dass sie mir nicht das Blaue vom Himmel versprach, ließ mich eher geneigt sein, ihr zu glauben dass sie es einigermassen ernst meinte.


    "Ich bitte dich, Aurelia Prisca, tu dein Bestes. Wenn du ihn überzeugst, und er sich hinter den rechtmäßigen Kaiser stellt, verhindert ihr eine große... eine wirklich große Menge unnötiges Blutvergießen!" appellierte ich noch einmal in vollem Ernst an sie und ihren Patriotismus.
    Ich plante ja selbst einen Trupp nach Mantua zu schicken, und überlegte kurz, ob es sinnvoll wäre wenn sie die Frau gleich mitnähmen. Aber sie würde die Soldaten wahrscheinlich viel zu sehr aufhalten, darum verwarf ich die Idee wieder. - Um nicht nur auf patrizischen Patriotismus zu bauen, enthüllte ich dann noch einen weiteren, diesmal einen sehr handfesten, Anreiz.
    "Und was deine Familie angeht, so konnte ich vom Kaiser ein bedeutendes Zugeständnis bekommen: wenn Aurelius Ursus seine Treue schwört, dann wird euer gesamter Familienbesitz von der Proskription befreit sein. Eure Stadtvilla, die Sklaven und so weiter sind dann nicht mehr von der Enteignung bedroht.... Die Mitglieder deiner Gens können zurückkehren und ihr altes Leben wieder aufnehmen."
    Dass ich sogar eine eventuelle Amnestie rausgeschlagen hatte, das behielt ich aber für mich.... ich wollte nicht alle Pfeile auf einmal verschießen, und es passte gerade auch gar nicht in meine Linie.

    Die Frauenherzen konnten mir gestohlen bleiben, doch das Kompliment ließ ich mir gerne auf der Zunge zergehen. Ein junger Mars!
    "Laut und chaotisch..." pflichtete ich Stella bei. "Oh, alleine solltest du auch besser nicht hinausgehen. Nimm dir auf jeden Fall immer einen Leibwächter und eine ältere Sklavin mit. Schon alleine damit du dich nicht verläufst. Hmm... magst du nicht mal was mit Messalina zusammen unternehmen? Also wenn ihre kultischen Pflichten ihr Zeit lassen. Und die Thermen sind immer ein netter Ort um dem hektischen Treiben der Stadt für eine Weile zu entkommen, zu entspannen, Leute kennenzulernen..."
    Ich überlegte, was ein junges Mädchen wohl sonst noch interessieren könnte.
    "...ja, und die Märkte natürlich. Die Trajansmärkte – ein Traum! Aber wenn du da bummeln gehst, nimm dich in Acht vor den jungen Männern, manche lungern da den ganzen Tag herum und lauern nur darauf eine anständige junge Dame wie dich zu belästigen. Sie greifen teilweise zu den primitivsten Tricks, wie zum Beispiel "rein zufälliges" Anrempeln, oder sie behaupten du hättest etwas verloren, oder sie tun sich zu zweit zusammen, dann quatscht einer dich dumm an, und der andere kommt dann und gebärdet sich als Beschützer! Also sei vorsichtig, aber abgesehen davon, sind die Märkte ein furioser Zeitvertreib... ähm... sagt jedenfalls Lucilla immer, meine Tante Lucilla."

    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    So schrecklich wie alle immer behaupteten, fand Ravdushara den Genueser nicht. Aber vielleicht hatte der auch bloß gerade gute Laune.
    Der Nabatäer neigte nochmal höflich den Kopf, dann trollte er sich. Draussen las er zuerst einmal die Wachstafel. Es schien... um Dinge großer Tragweite zu gehen, die würde er Serapio gleich geben sobald der nach Hause kam.
    Ravdushara sah goldene Zeiten auf sich zukommen. Als Leib und Lieblingssklave, sozusagen als rechte Hand, des Prätorianerpräfekten - da würden ihm die Bestechungsgelder nur so zufliegen! In kürzester Zeit würde er zehnmal genug haben um sich freizukaufen, dazu noch genug um überhaupt nie wieder arbeiten zu müssen...




    Der Mann war zäh... Zäher als er aussah. Nachdem er gegessen hatte, beseitigte ich die Spuren, wischte Krümel und Knochen in ein Tuch und knüllte es in meine Tasche.
    "Vale Senator. Wir sehen uns bald wieder. Und... ich bitte dich zu niemandem ein Wort hierüber zu verlieren."
    War ja eigentlich klar, und mit wem sollte er schon plaudern in seiner Isolationshaft, trotzdem war es mir wohler dies nochmal zu betonen, bevor ich mich dann zur Tür wandte.

    Was für eine Dreistigkeit!! Ich nickte knapp auf Flavus' Flüstern hin, wandte die Augen vom Schauspiel zu den Betrachtern, suchte in den Mienen des Publikums zu lesen, in wieweit diese nicht gerade subtile Hetze auf fruchtbaren Boden fiel... Dann fasste ich schmallippig Iulius Dives ins Auge, der war für mich gerade innerhalb eines Augenblicks aus der Kategorie "potentielles Abenteuer" in die Kategorie "potentieller Kerkerinsasse" gewandert. Wobei... er sah schon arg betreten aus.
    Wie ein schwerer Sack Steine legte sich die Gewissheit über mich: ich mußte etwas tun. Ich konnte und wollte nicht tatenlos zusehen wie solch ein verunglimpfendes Stück gespielt wurde. Am Ende hieß es noch ich würde so was gutheißen!
    Die Bühne stürmen? Alle verhaften? Das wäre dann doch etwas... extrem. Und würde die fatale falsche Botschaft wahrscheinlich noch verstärken.
    Die Augen verschließen? So tun als wäre nichts? Nein... hier wurden ja praktisch die Kaisermörder mit dem Feuerbringer gleichgesetzt, ihr himmelschreiender Frevel als noble Opfertat verklärt – das durfte nicht sein.


    "Iulius Dives..." sprach ich mit leiser, eisiger Stimme zu meinem Nachbarn, "dieses Stück ist ja wirklich aussergewöhnlich. Ich denke ich muß mich später unbedingt noch ein wenig mit den Künstlern unterhalten. Und mit dem Verantwortlichen für diese.... kühne Inszenierung?"
    Die Frage war natürlich, inwieweit die Verantwortung dafür bei unserem hübschen Gastgeber lag, und so hielt ich aufmerksam nach Zeichen von Schreck und Schuldbewußtsein Ausschau. Wobei ich es eigentlich nicht glaubte, dass das sein Werk war... dann hätte er mich ja wohl kaum so herzlich willkommen geheißen. Es sei denn das ganze, schon bei den Blumen beginnend, war ein einziger großer "Scherz" auf unsere Kosten. Ich hasse es wenn man sich über mich lustig macht... (Aber für den Moment war es noch gar nicht so wichtig wer denn nun schuld war. Erst mal war es wichtig bei dieser Aufführung das schlimmste zu verhindern.)
    Absolut humorlos befahl ich ihm:
    "Du wirst jetzt folgendes tun, Iulius Dives: du wirst aufstehen und dich ganz beiläufig zu den Schauspielern in die Kulisse begeben. Und bevor der nächste Akt beginnt, wirst du sie davon überzeugt haben, dass es besser ist... viel besser für die Gesundheit aller Beteiligten... wenn sie ihr schönes Stück ohne all diese unschönen kleinen Seitenhiebe weiterspielen." So drohte ich ohne eine Miene zu verziehen. Wie praktisch dass ich durch die Eskorte meine Jungs gleich bei der Hand hatte.
    "Ob sie heil da raus kommen liegt also ganz bei ihnen. Mach ihnen das klar. Und die Statue hat verdammt noch mal von der Bühne zu verschwinden. - Auf!"

    Ein Blumenstrauss trat ein, dahinter das kleine Cousinchen.
    "Salve Stellula. Ja.... das ist gerade die Generalanprobe... also, die ohne Pferd..." Und in Richtung Ravdushara (stumpfe Pteryges zur Parade, man stelle sich das vor...) konnte ich mir einen Seitenhieb nicht verkneifen: "...oder sollte es sein, wenn ein gewisser Sklave nicht die Hälfte vergessen hätte!"
    Überrascht hielt ich auf einmal den Strauss in den Händen.
    "Oh, für mich? Danke!! Die sind wirklich fabulös..." Ich betrachtete die zartroséfarbenen Blüten, sog den Duft ein, der sich angenehm mit dem der Kräuter verband, und lächelte. "...und duften wunderbar!"
    Meinen Sklaven wies ich an: "Hol bitte eine Vase, aber eine die farblich passt."
    Dann bot ich Stella einen Platz auf der Fensterbank an, "Magst du dich kurz hinsetzen?", ließ mich auch selbst mit leisem Scheppern dorthinsinken.
    "Alle Decimer sind hier immer willkommen. Und... ausserdem bringst du Leben ins Haus! Erzähl mal, wie gefällt es dir hier, hast du dich schon eingelebt und, ähm, nette Freundinnen und so gefunden?"

    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    "Sehr wohl Dominus." antwortete der Sklave, nicht sonderlich glücklich über die ganze Arbeit die da auf ihn zukam.
    Ob sein Herr lügen wollte? "Nein, das nehme ich auch nicht an Dominus, aber ich werde ihn da gerne noch einmal fragen."
    Ravdushara machte ein treuherziges Gesicht. Er fühlte sich zwar in keinster Weise solidarisch mit den anderen Sklaven, die dem Varenus seine harte Hand nachtrugen, aber er mochte die verächtliche Art dieses Herrn auch nicht leiden. Früher wäre ihm das wohl gleich gewesen, doch mittlerweile hatte er sich an die recht nette Behandlung hier im Hause gewöhnt. Manche der Herrschaften kannten sogar seinen Namen und grüßten ihn.


    "Verstanden." Er nahm die Wachstafel und verkniff es sich, jetzt einen Blick darauf zu werfen. Später konnte er sie ja in Ruhe studieren. "Ist das dann alles, Herr?"





    Der Kampf wogte hin und her, es war haarscharf! Eben noch sah es so aus, als hätte mein Kelte den anderen schon fertiggemacht, dann wieder sog ich erschrocken die Luft ein, als Lupus so heftig am Rücken erwischt wurde. Er kämpfte zwar weiter, aber es mochte nur noch der Rausch des Kampfes sein, der ihn aufrecht hielt. Wie die Kameraden, die wenn die Schlacht geschlagen waren, auf einmal zusammenklappten und tot waren. Nun war ich wirklich in Sorge, so sehr dass ich nicht mal mehr brüllte sondern nur noch leise, doch inbrünstig flüsterte: "Mars und Bellona steht ihm bei!"
    Mein Nachbar war natürlich ganz ungerührt, aber es war ja auch nicht seine Investition.
    "Mhm." Machte ich, den Blick starr auf den Kampf gerichtet, und ich fand es merkwürdig, dass er so hochmütig über den "Pöbel" sprach, zu dem ich ihn dem ersten Eindruck nach auch mit gezählt hätte.
    "Ja... woll'n wir's hoffen... er war nicht leicht zu zähmen, ein Raubtier, und ich hab noch viel mit ihm vor... Mala leche!!! Ich fürchte er hat den Hoplomachus unterschätzt..."


    Zwei Meilen südlich der Stadt Ostia, in der Tiefebene zwischen dem Meer und den Hügeln im Hinterland liegt dieses Gut, das an die hundertfünfzig Morgen Land umfasst. Ein kleiner Wasserlauf durchzieht das eher sumpfige Gelände, und wurde schon vor langer Zeit zu einer Reihe von Teichen aufgestaut. Unmengen von Schilf und Riedgras, von kleinen Trampelpfaden durchzogen, säumen das Wasser, und gaben dem Anwesen seinen Namen. Das Hauptgebäude, ein altmodisches Bauernhaus, ist schlicht und einfach eingerichtet und bietet für verwöhnte Stadtrömer wenig Komfort, einzig das Herrenzimmer unter dem Giebel hat große Fenster und eine idyllische Aussicht. Ausserdem gibt es eine schöne Terasse Richtung Wasser, von kleinen runden Buchsbäumen umringt. Ein flacher Kahn liegt am Bootssteg. Das Wasser ist dunkel und leicht brackig, denn das Meer ist nicht weit. Bei Sturm kann man die Brandung hören.


    Ursprünglich war das Gut im Besitz einer alteingesessenen ostienser Familie. Doch sie verkauften es günstig an Decima Lucilla, nachdem sich dort eine große Tragödie ereignet hatte. Die junge Tochter der Familie, Myrtilla, war nämlich im Teich ertrunken. Durch einen Unfall sagen die einen, aus unerwiderter Liebe sagen andere, aus Schande weil sie unverheiratet schwanger war munkeln manche. Wie auch immer, es heißt sie fände keine Ruhe und manchmal, in dunklen Nächten, hat man schon ihr leises Weinen vernommen. Einmal soll ein Knecht sogar ihrem ruhelosen Schatten am Saum des Wasser begegnet sein, und kurz darauf selbst gestorben sein. Sagen jedenfalls die einen. Dummes Geschwätz sagen die anderen.


    Nach Lucillas Umzug nach Hispania kümmert sich ihr Neffe Serapio um das Gut. Wobei er nur selten nach dem Rechten sieht, und den Verwalter selbstständig wirtschaften lässt. Decimianus Atta ist der Name dieses schon betagten, kinderlosen Mannes, er lebt mit seiner Frau Telysa, auch sie eine freigelassene Sklavin der Gens, schon seit vielen Jahren dort, und übersieht mit Strenge die Arbeit der Feldsklaven und -sklavinnen.
    Auf den Feldern wächst, zwischen den Entwässerungsgräben, Weizen und Gerste, es gibt auch eine Obstwiese, etwas Vieh auf der Weide und viele Fische in den Teichen, doch dies dient mehr der Selbstversorgung. Der Schwerpunkt der Landwirtschaft liegt zum einen auf den großen Gemüseäckern, die in den etwas höheren Lagen des Geländes angelegt wurden und um deren Bewirtschaftung sich seit einiger Zeit Decimus Catus kümmert. Zum anderen auf der Geflügelzucht. Riesige Scharen von Hühner scharren in großen Gehegen, Gänse grasen auf den Feuchtwiesen, Enten paddeln in den Teichen, und auf Serapios Wunsch hin werden in den letzten Jahren auch exquisitere Vögel wie Wachteln, Perlhühner und Fasane gezüchtet.