Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Endlich da! Der Weg von Rom hierher zog sich ganz ordentlich. Aus Flavus' Vorschlag hatte sich ein echter Familienausflug entwickelt. Als versammelte Sippschaft fuhren wir auf zwei schicke Reisewägen verteilt, mit blankgestriegelten Kutschpferden und Wappen am Wagenschlag. Ich wäre ja lieber geritten, das war nicht so holprig und ausserdem abwechslungsreicher, aber ich mußte meiner Toga Tribut zollen... In Rüstung zu kommen wäre ja doch etwas ungehobelt gewesen.
    Messalina war nicht bei uns, sie würde wohl später eintreffen. Hinten auf den Wägen fuhren die Sklaven mit, ich hatte ausser meinem Leibsklaven noch Lupus dabei – wobei er mehr dekoratives Accessoire war, einen Leibwächter würde ich heute wohl kaum brauchen.
    Und wenn, dann waren da erst mal die vier Mann von der Garde, eine berittene Eskorte für Seiana und mich. Optio Iunius führte sie an. Ich hatte einen guten Eindruck von ihm gewonnen, und erinnerte mich daran, dass er schon während der Wirren nach dem Kaisermord für Seianas Schutz gesorgt hatte, darum hatte ich ihn damit beauftragt.


    So fuhren, beziehungsweise ritten, wir also stilvoll vor dem Amphitheater vor. Ich stieg aus dem Wagen, streckte mich, reichte meiner Schwester zum Aussteigen die Hand. Ravdushara war schon bei mir und ordnete die Falten meines Gewandes. Ich trug, über einer figurnah geschnittenen schimmernd lapislazulifarbenen Tunika, eine cremefarbene Toga, deren breite Borte mit ebenfalls lapislazuliblauen Seidenstickereien verziert waren, welche im hellenistischen Stil gehaltene Fabelwesen und Chimären darstellten. Ein schmaler Gürtel aus cremefarbenen Leder, beschlagen mit flächigen Silberornamenten und ebenso gestaltete Calcei rundeten das Ensemble ab.
    Ich wartete bis alle ausgestiegen und zurechtgezupft waren, dann bot ich meiner Schwester den Arm.
    "Na dann los, ich bin schon gespannt." Und voller Vorfreude... die sogar das schlechte Gewissen, dass ich nicht in der Castra war, übertönte. Aber ich hatte beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und später noch unsere Posten in Ostia zu inspizieren, damit hatte dann auch alles schön seine Berechtigung.

    "Ich glaub nicht, dass Terentius Sinn für's Theater hat." antwortete ich, und freute mich schon auf diese willkommene Abwechslung. Aber dann bekam ich ganz große Augen, und ehrlich schockiert richtete ich mich zu voller Größe auf, schüttelte entschieden den Kopf und rief, wild gestikulierend:
    "Per omnes deos! Ein Tiberier kommt hier ganz sicher nicht ins Haus! Flavus, wie kannst du nur mit so einem Umgang pflegen?! Denkst du denn nicht an die Familie, nicht an deine Karriere?! Alles was du tust fällt auch auf UNS zurück! Und was heißt hier Gerüchte?!"
    Ich hätte ihn am liebsten gepackt und durchgeschüttelt, so naiv konnte er doch gar nicht sein.
    "Pass verdammt noch mal auf was du sagst! Tiberius Durus war Verschwörer und Giftmörder am Kaiser, seine Familie wird gesucht, und du willst allen Ernstes irgendeinen dubiosen Verwandten von ihm zu uns einladen?! Nein, nein und nochmals nein. Du wirst keinen Kontakt mehr zu diesem Kerl haben, du wirst dich von ihm fernhalten, das das klar ist! BASTA!!"

    http://img854.imageshack.us/img854/8458/priapus2.jpg Der weitere Weg führte uns auf und ab durch die Hügel. Immer wieder ritten wir durch lichte Pinienwälder. Wir kamen an kleinen Dörfern oder Hirtenhütten vorbei, doch mit der Zeit wurden sie weniger. Gegen Mittag waren wir in einer ganz einsamen Gegend angekommen, nur der Pfad unter den Hufen der Pferd verriet, das hier schon mal jemand entlanggegangen war. Heiß war es geworden, und ich war mir mittlerweile auch nicht mehr so ganz sicher, ob wir hier wirklich richtig waren, oder ob uns nicht irgendein neckischer Waldsatyr zum Vergnügen in die Irre geschickt hatte.
    Doch dann tauchte tatsächlich zwischen den Bäumen, an den Fuß eines felsigen Hanges geduckt, ein kleiner Tempel auf.
    "Heureka!"
    Neugierig ritt ich dorthin, stieg ab und besah mir den Ort. Der Tempel war sehr einfach, grob gemauert mit einem Schindeldach, doch er schien häufiger besucht zu werden. Vor dem Kultbild des Gottes lagen einige Opfergaben, Früchte, Gemüse, ein paar abgegriffene Münzen. Der Gott selbst war ein ländlicher Priapus, aus Holz geschnitzt und bunt bemalt. In selbstgewisser Pose sah er uns entgegen, eine Hand auf die Hüfte gestützt, sein riesiger, rot bemalter Phallus ragte stolz gen Himmel. An der Spitze war er blank, abgerieben von den Berühungen unzähliger Hände. Die Wände wurden von verblichenen Fresken geziert: Priapus wie er eine Schafherde vor den Wölfen beschützt, Priapus wie er sich in einem Obstgarten über eine dralle Nymphe hermacht, Priapus wie er seinen Phallus wiegt.


    "Bereitet schon mal das Schwein vor!" befahl ich meinen Sklaven, "Und kümmert euch um die Pferde."
    Ravdushara hatte eine ganze Tasche voll mit "Kosmetik" für das Opfertier, deren Inhalt breitete er jetzt im Gras aus. Rotbraunes Pigment um Farbunregelmäßigkeiten zu beheben, goldene Farbe für schmückende Ornamente, Pinsel, Öl, Kopfschmuck, rote Wollbänder...


    Neben dem Tempel stand eine kleine Hütte, aus der tauchte eine Frau auf, eine zähe Erscheinung mit ledriger Haut und langem braungrauem Haar, das in viele zerzauste Zöpfe geflochten war.
    "Seid willkommen am heiligen Kultort des Priapus!" sprach sie pompös, "Ich bin Chrysis, bescheidene Dienerin des freudenspenden Gottes."
    "Salve....." grüßte ich, etwas verschämt, denn dass ich überhaupt hier war sprach ja schon deutlich von meinem Problem. Doch die Priesterin war es anscheinend gewohnt, dass die Besucher des Heiligtums etwas befangen waren, und sie begann sogleich mich zuzuquatschen, wie heilig der Ort war, was für Wunder der Gott hier schon gewirkt hatte, was für hoffnungsvolle Fälle hier schon kuriert worden waren, und hier, all die Inschriften von dankbaren Tempelbesuchern, und hier, die kostbare Schale gestiftet von der überglücklichen Gattin eines endlich geheilten Würdenträgers (drei stramme Söhne mittlerweile, der vier unterwegs), und hier, dieser Stein sei ein Weihestein, gesetzt von einer sehr bedeutenden Persönlichkeit......

    "Jawohl Imperator. Vale!"
    Ich führte zackig die Faust zur Brust und trat ab. Draussen vor dem Domus Flaviana dann, da trat ein breites Grinsen in mein Gesicht. "Ja!!" flüsterte ich, erfüllt von euphorischer Freude, und mein Gang war beinahe ein Schweben. Praefectus Praetorio. Das war der Wahnsinn...! Praefectus Praetorio!!
    Praefectus Praetorio!!!

    Ja, welcher war denn nun welcher. Seine Verwirrung war drollig, ich konnte mir das Lachen nur halb verbeißen und widersprach amüsiert:
    "Von wegen! Der Lupus, also der Traex, der ist alles andere als Abschaum! Ich sag dir, der kommt noch ganz groß raus. Sieh dir nur mal an wie der sich bewegt. Und der hat Kraft, der hat Feuer, jawohl, der hat das Herz eines Kämpfers! Ich sag dir Compagnero, der hat das Zeug dazu, der neue MACTATOR zu werden!!"
    Wobei ich auf den Arenagott anspielt, für den vor ein paar Jahren noch alle Welt geschwärmt hatte. Mactator, der große Mactator, ungeschlagener Held, Stern am Himmel unzähliger Verehrer (mich inclusive) – und mittlerweile schon wieder beinahe in Vergessenheit geraten.
    "Ähm..." Das mit der Hand, das war mir immer sehr unangenehm. Ich wollte halt keine Schwäche zeigen, das war hier in Rom ja auch nicht ratsam. Und ich empfand die Spuren der Verletzung immer noch als ein böses Gebrechen, die häßlichen Narben, die leichte Abweichung des Unterarmes, die Schwäche. Aber der Bursche neben mir, den würde ich eh nie wieder sehen, darum sagte ich unbefanger als sonst: "Nein, nein, ist auch hier nicht so üblich, hab bloß ne blöde Kriegsverletzung da rechts gehabt... ein Scheiß-Wüstenbarbar wollte mir den Arm abhacken, aber dafür bleichen jetzt seine elenden Knochen in der Scheiß-Wüste."
    Eigentlich konnte ich stolz auf meine Narben sein!
    "Und wo kommst du her? Du bist Seemann, oder?" Jedenfalls fluchte er wie einer.

    Dort zu übernachten, machte den Ausflug aber auch nicht kürzer. Ich verzog skeptisch das Gesicht.
    "Hmm.... wär schon nett da mit der ganzen Familie hin zu gehen. Wir müssten auch nicht in einer dreckigen Caupona schlafen. Tante Lucillas Gut ist gar nicht weit von der Stadt entfernt. Das wo sie diese Unmengen von Federvieh hält... also, mittlerweile kümmere ich mich ja drum, beziehungsweise der Verwalter. Das Anwesen ist nicht sonderlich schick, nur ein ganz rustikales Bauernhaus, aber übernachten kann man da schon. Muss nur ein paar Sklaven vorausschicken, die es für unseren Besuch vorbereiten."
    Ja, ich war von der Idee schon ziemlich gepackt. Es wäre so schön, mal wieder raus zu kommen.
    "Gut..." Wie kam er denn jetzt darauf der Decurio würde mir gefallen? Normalerweise war ich von Politikern nicht so angetan. "Prometheus in Fesseln. Oh ja, das will ich sehen! Dann sag ich noch Seiana und Catus Bescheid, in Ordnung?"

    Was war? "Bloß so viel auf einmal, zu bedenken und zu entscheiden." murmelte ich, denn das, woran ich wirklich gerade gedacht hatte, gehörte zu jenem kleinen Rest, der von "fast alles" nicht umfasst wurde.
    Die Art, wie ich die Sache mit Massa ansprach, schien etwas ungeschickt zu sein. Seiana sah geradezu erschrocken aus. Ich scholt mich dafür, dass ich nicht bedacht hatte, wie angespannt sie immer noch war, stets bereit schlechte Nachrichten zu befürchten.
    "Wegen Secundus und Sevilla, wegen der... Meinungsverschiedenheit, die ihr da wohl hattet..." Beschwichtigend hob ich die Hände, nicht dass sie jetzt glaubte Massa habe sich bei mir beschwert. "Massa wollte erst gar nichts sagen, ich hab nur gemerkt dass was nicht stimmt, und es ihm dann mühsam entlockt. In der Hinsicht ist er genau wie du, fällt mir übrigens gerade auf. - Ähm..." Ich rieb mir die Nase. "...was war denn da, also aus deiner Sicht, das wüsste ich einfach gerne?"

    “Glück war da allerdings eine Menge dabei.“ meinte ich schmunzelnd zu Catus. “Mein Glück nannte sich Massa, ohne ihn säße ich jetzt nicht hier.“
    Ich vergoss einen Schluck Wein: “Für Fortuna!“
    Und das erinnerte mich wieder daran, dass ich doch noch unbedingt mit Seiana sprechen wollte. So hielt ich mich nicht lange mit dem Nachtisch auf, und plauderte nur noch kurz mit den anderen, dann entschuldigte ich mich und ging mit meiner Schwester hinaus in den Garten.

    Seine ruhige Stimme, seine sanfte Berührung, sein vertrauter Geruch... sie begleiteten mich, als ich tiefer und tiefer in Somnos' Arme hinabsank. Meine Lider waren schwer... Ich vermeinte noch, das Schaukeln des Schiffes zu spüren, wunderte mich darüber, denn ich war doch gar nicht mehr auf dem Schiff... dann war ich weg.
    Ich glaube, dass ich von unserem Gespräch geträumt habe, und mich im Traum mit ihm über irgendetwas stritt... das war es jedenfalls, was mir in den Momenten des Erwachens noch in Erinnerung war, in diesem Grenz-Moment im Niemandsland, in dem sich Traum und Wachsein so merkwürdig verweben. Doch als ich die Augen öffnete, war die Erinnerung schon vergangen, und ich erinnerte mich nur noch daran, dass ich mich an solch eine Szene erinnert hatte, ohne das Bild selbst dabei fassen zu können.


    Es war noch sehr früh, der Tag dämmerte kaum. Ich roch die frische Meeresluft und blinzelte verschlafen in die blaugrauen Schatten, einen Wimpernschlag lang verwirrt, wo ich hier gelandet war, warum meine Koje auf einmal so breit war und wie der schöne Mann da neben mir darin gelandet war? Aber dann lächelte ich breit, gähnte, und streckte mich. Es gefiel mir, neben Massa aufzuwachen, es gefiel mir sogar sehr. Ich rieb mir die Augen, ein wenig Salz war noch an meiner Wange – ach herrje, was für eine Blamage gestern mal wieder....
    Aber an diesem frischen Morgen war ich nicht in der Stimmung, Vergangenem nachzusinnen. Hmm... sollte ich ihn nicht lieber noch etwas schlafen lassen? Ach... nein.
    Langsam verlagerte ich mein Gewicht ein wenig, so dass mein Körper leicht gegen den seinen drückte, und ich fuhr mit der Hand unter der Decke sacht über seine Brust, dann seinen Bauch und seine Lenden, streichelte hier, kraulte dort, ließ behutsam meine Finger spielen, suchte mich hineinzuschmeicheln in seinen Traum... oder ihm jedenfalls ein angenehmes Erwachen zu bescheren.

    Plump war hier offenbar noch bei weitem zu subtil. Und dann mißverstand er auch noch die gebotene Hand.
    "Reg dich ab Tonto!" schnauzte ich zurück. "Niemand will dich hier anschmieren, schon gar nicht für dein lumpiges prandium!"
    Also ob ich so was nötig hätte. Pah! Verärgert ballte ich die rechte Hand, es passierte mir zu oft dass ich die Dinge automatisch mit links machte, auch jetzt noch wo die rechte wieder einigermassen brauchbar war.
    Trotz der ungeklärten Wettsituation, mein Nachbar schien Feuer gefangen zu haben.
    "Pugnax ist der Hoplomachus." bemerkte ich bissig, dann feuerte ich wieder meinen Favoriten an, der zunehmend stärker wurde.
    "Heeee Jaaah Lupus!!! Dranbleiben, dranbleiben, immer feste drauf!!!"

    "Oh, Theater! Dafür bin ich eigentlich immer zu haben..." Die Theatermasken, die ich an den Wänden meines Cubiculums aufgehängt hatte, bezeugten diese Liebe. Ausserdem freute ich mich, dass Flavus mich fragte. "Aber ich hab so wenig Zeit, leider. Nach Ostia, Theater, dann zurück, da geht ja ein ganzer Tag drauf."
    Ach, immer die Pflicht. Aber ich war schon schwer in Versuchung.....
    "Wann ist es denn? Und was für ein Stück? Glaubst du es lohnt sich? Und wer ist überhaupt Iulius Dives?"

    Stille.
    Ich klopfte erneut, diesmal mit dem Knauf meines Pugio, so dass es schier ohrenbetäubend dröhnte.
    "Im Namen des Kaisers, öffnet die Türe!"
    Wenn sie jetzt nicht unverzüglich aufmachten, würden die Brechstangen zum Einsatz kommen. Nicht dass gerade in dem kurzen Moment, den wir hier an der Tür verbrachten, belastendes Material verbrannt wurde.



    Sim-Off:

    edit: Ich hoffe so ist klarer, das dies simoff nur ein Spielangebot ist.

    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als er so sprach, als wäre mein Vater tot. Ich warf einen nervösen Blick um mich, aber das Gewölbe war leer, die massive Türe verschlossen und wenn jemand oben an den Schlitzen in der Decke gelauscht hätte, dann hätte ich seinen Schatten bemerken müssen. Ausserdem waren sie zu weit entfernt. Keiner konnte mich hören, trotzdem war ich überaus angespannt.
    Ich beugte mich vor, näher an Vinicius heran – und einen Moment lang verschlugen die Ausdünstungen der langen Gefangenschaft mir den Atem. Dann stählte ich meine Nase und sagte mit ganz leiser, gedämpfter Stimme: "Mein Vater hat von Anfang an gewarnt, aber ihm wollte ja keiner glauben. Senator Vinicius, ich will dir helfen.... so gut ich kann. Zur Flucht vermag ich dir nicht zu verhelfen, aber... ich kann dir helfen dies hier zu überstehen."

    "Jawohl Imperator. Damit lässt sich gut arbeiten." Geld war doch immer ein schönes Argument. Aber ich war überrascht, dass er die größeren Zugeständnisse ohne Zögern versprach... und da kam mir erst der Gedanke dass, wenn es tatsächlich möglich war, jemanden wieder von der Todesliste zu nehmen... (und natürlich war es möglich, der Kaiser hatte die absolute Macht)... dass ich versuchen mußte, dies für Manius zu erreichen. Aber wie? Er hatte keine Armee, nichts das ihn für Vescularius wertvoll genug machte, er war einfach wie vom Erdboden verschluckt... - später, dies war etwas, um später darüber nachzudenken.
    Fragen hatte ich keine mehr, jedenfalls keine die ich gefahrlos hätte stellen können, und so erwartete ich aufmerksam weitere Befehle, oder die Erlaubnis wegzutreten.

    "Klingt köstlich! Solchen Leckereien kann ich nicht widerstehen!" flirtete ich, ziemlich plump (aber das lag ganz bestimmt an der nicht zur Raffinesse einladenden Umgebung), den Blick anzüglich auf meinem hübschen Sitznachbarn, nicht auf seinem Vesperpaket.
    "Top, die Wette gilt!" Ich hielt ihm die (linke) Hand zum Einschlagen hin, dann ruckte mein Kopf wieder Richtung Arena.
    "Lupus! Ja! Lupus!! " brüllte ich begeistert, als er dem Hoplomachus den Schild wegriss – oder es jedenfalls einen Wimpernschlag lang so aussah. "Jetzt hat er ihn an den Eiern!"

    Ich war gerade bei der Frühgymnastik, als Flavus auftauchte.
    "Morgen Flavus. Komm rein."
    Ravdushara öffnete ihm die Türe, dann ging er wieder zur Kleidertruhe und fuhr fort, die Sachen die ich am heutigen Tage anziehen sollte, herauszulegen.
    Ich schob die Gewichte beiseite – etwas verschämt, denn das Gewicht mit dem ich meinen rechten Arm wieder langsam (Betonung auf langsam) auftrainierte war geradezu lächerlich leicht.
    "Was gibt es?"

    Dass so ein großer Kerl so schüchtern sein konnte. Aber mir fiel wieder positiv auf, wie sehr sich seine Umgangsformen im Ludus verbessert hatten – nicht nur seinen Körper hatten sie geschliffen, auch Respekt schien er gelernt zu haben. Wenn es nur nicht so verflucht teuer wäre, würde ich gleich noch Sidonius und Argus dort hinschicken. Oder... ich wandte den Kopf zu Ravdushara und grinste ein klein wenig bösartig. "Wundervoll. Hmm...... vielleicht würden ein paar Monate im Ludus auch Ravdushara gut tun..." Mein Leibsklave bekam große Augen. "Was meint ihr dazu?"
    Das Lavendelzweiglein wanderte weiter, es glitt über Lupus' breite Schulter hinweg, es strich an der großen Narbe auf seinem Oberkörper entlang, es verfolgte die herrlich ausdefinierte Muskulatur seiner Brust. Doch dann ließ ich es einfach fallen. Frühling und Sonnenschein hatten mich eingelullt, aber zum Spielen war auch später noch Zeit.
    "Lasst uns weiterreiten, es ist noch ein gutes Stück Weges." Ich überlies den anderen das einpacken und schwang mich, auf einmal ganz ungeduldig auf mein Pferd. Ich konnte es kaum erwarten, endlich das Ziel dieses Ausfluges zu erreichen. Tertia, die ein sehr feinfühliges Tier war, bemerkte das, oder auf jeden Fall begann sie unruhig hin und her zu tänzeln.

    "Gut..." sagte ich langgezogen. Ich wollte Seiana ja nicht bedrängen, sie war nun mal verschlossener als ich... Was sicher auch oft von Vorteil war, wenn man sich unter Menschen bewegte, die einem nicht unbedingt wohlgesonnen waren. Aber ich fand, sie übertrieb.
    Dass sie mir versicherte, dass sie mir vertraute, brachte mich erst auf den Gedanken, sie würde es womöglich nicht tun. Wahrscheinlich vertraute sie meinem guten Willen, befürchtete aber, dass ich mich nicht angemessen verhalten und zu sehr "aufregen" könnte.
    "Ich sag dir warum" konterte ich halbherzig, "weil ich eh dahinter komme und mich dann noch viel mehr aufrege..."
    Scheidung. Ich hatte den Eindruck dass das Thema sie durchaus beschäftigte, auch wenn sie ganz vernünftig verneinte. "Das glaub ich nicht..." wiedersprach ich ihren Befürchtungen. "... jetzt gibt es genug reale Verschwörer. Aber... du hast schon recht, besser nicht darauf ankommen lassen."
    Ich schluckte als sie von Vinicius Hungaricus sprach. Dem verdankte ich immerhin die Fürsprache, ohne die ich nicht Eques geworden wäre. Und ich kannte den Carcer, und was er mit den Insassen anstellen konnte. Aber vielleicht gehörte Vinicius ja wirklich zu den Verschwörern...


    Kinder, ja, die waren allerdings ein Muß. Ich schloß Seiana erneut fest in die Arme.
    "Das wird schon" meinte ich zuversichtlich, rieb dabei liebevoll ihre Schultern, "mit der Fruchtbarkeit hatten wir Decimer doch noch nie Probleme. Schau mal, Mutter hat vier Kinder großgezogen, davon drei Söhne, und Großmutter Drusilla sogar vier Söhne. Die Kinder kommen schon noch, am Ende hast du mehr als dir lieb ist."
    Wobei mir wieder siedendheiß mein ganz persönliches Problem einfiel. Ich hob die Augen gen Himmel. Wenigstens mußte ich (noch) mit niemandem das Ehebett teilen. Aber in meinem Zustand konnte ich nun absolut nicht heiraten. Diesen Aspekt der Misere hatte ich noch gar nicht bedacht... ja, ein bisschen miserabler geht immer noch. "Puuuh..." Ich stieß wie ein Pferd die Luft aus. Dann gab ich Seiana einen brüderlichen Kuss auf den Scheitel.


    "Seiana? Hast du noch den Nerv was anderes zu besprechen?" Ich war fast kleinlaut, denn eigentlich hatte sie genug Sorgen. Aber ich war es Massa, meinem lieben Massa, mehr als schuldig. "Ich war ja bei Massa, hab ganz kurz nur bei ihm Halt gemacht, aber da war mir doch sehr deutlich wie traurig er ist wegen der Sache zwischen euch.... und in seiner Ehre verletzt."

    Halb erwartete ich, dass er jetzt in ein schallendes Lachen ausbrechen würde, sich kräftig auf die Schenkel klopfen würde und rufen: "Decimus, da hab ich dich schön reingelegt! Mal ehrlich, du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass du der neue Prätorianerpräfekt wirst!"
    Doch nichts dergleichen. Er kam zum Organisatorischen: die Amtseinführung... oh ja, eine schicke Parade! Ich erinnerte mich an die für Artorius Avitus noch als wäre es gestern gewesen. Ich hatte als neu ernannter Stadtkohortencenturio die Eskorte Vescularius' kommandieren dürfen, das war schon eine große Ehre für mich gewesen. Dass ich einmal Mittelpunkt dieser imposanten Zeremonie sein dürfte, das hätte ich nicht zu träumen gewagt!
    "Verstanden. Ich danke dir, Imperator, und werde dich nicht enttäuschen!" versicherte ich schneidig. Bei allen Göttern... Tante Lucilla würde vor Stolz platzen.


    Dann versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Da war doch noch was wichtiges... und ja, trotz Überwältigung fiel es mir wieder ein.
    "Wenn du erlaubst, möchte ich noch einmal auf das Thema der Prima zurückkommen. Ich werde dann einen Tribun als Abgesandten schicken, mit dem primären Ziel den Legaten zu überzeugen. Zu diesem Zweck brauche ich... etwas Spielraum für überzeugende Argumente, Imperator. Die Gens des Legaten ist ja von der Proskription betroffen – eine Zusicherung dass ihre Besitztümer verschont werden, im Gegenzug für das Bekenntnis zum rechtmäßigen Kaiser, wäre ihnen da doch sicher sehr willkommen. Kann ich ihm das anbieten? Oder würdest du vielleicht sogar eine Amnestie für den verfemten aurelischen Senator in Betracht ziehen, wenn die Legio Prima damit gewonnen werden kann? Ihre Kampfkraft und symbolische Bedeutung sind doch enorm. - Und als Argument für die Soldaten würde ich ihnen dann ein großzügiges Donativum in Aussicht stellen..."