"O Priapus," begann ich schließlich das Gebet, hocherhoben vor dem weihrauchumnebelten Kultbild stehend, "Priapus mit dem eisenharten Glied, König des Beischlafs, Spender unermesslicher Freuden, o du mächtiger Zeuger, höre mich an... mich, Faustus Decimus Serapio, der ich der unglücklichste unter allen Sterblichen bin. Denn du, o großer, o du größter von allen, du hast mir deine Gunst entzogen, und ich, o Priapus, ich kann mich nicht entsinnen dich je gefrevelt zu haben, nein, im Gegenteil, stets habe ich deine Gabe mit der größten Freude und Hingabe geehrt."
Es war zum verzweifeln! Die Hände gen Himmel gerichtet klagte ich dem Gott zornig mein Leid.
"Doch nun bin ich befallen von grauenvoller Schwäche. Wie Lähmung befällt es mich, trotz meiner jungen Jahre, und lässt noch die zarteste Regung des Fleisches wie tot darniedersinken, Hohn und Häme ernte ich anstelle von Lust, und niemals wird der Drang gestillt, immer währt das hoffnungslose Verlangen und sitzt mir alle Zeit wie ein spitzer Dorn in den Lenden... Warum nur strafst du mich so? Welcher Fluch lastet auf mir? Womit nur habe ich diese Qual verdient, die die des Tantalos noch übertrifft?!"
Ravdushara stand mit einer Platte voll Opfergaben bei mir, neben ihm an einem Strick der über und über geschmückte Eber.
"Sie her, o Freund der Manneskraft, sieh was für vortreffliche Gaben ich dir in dein Heiligtum gebracht habe." Eine nach der anderen legte ich auf den Altar. "Die schönsten Blumen, die süßeste Honigwabe, die größten Granatäpfel, alles zu deiner Freude o Priapus, und sieh vor allem diesen tadellosen Eber, stürmisch und stark, beglückt mit nie versagender Zeugungskraft, er hat schon drei dutzend gesunde Ferkel gezeugt und ist unersetzlich für die Zucht – jedoch: er soll dein sein o Priapus. Und dafür gib mir zurück was mir genommen wurde, löse den Fluch, segne mich mit stählerner Standhaftigkeit! Do ut des!"
Ich nahm dem Eber die Wollbinden ab, strich ihm mit dem Opfermesser den Rücken entlang. Das Tier stand ganz gelassen da, es schien nichts böses zu ahnen. Ich kraulte es ein bisschen am Kopf, senkte dabei das Messer, das ich in der linken Hand hielt, dann zog ich es in einer schnellen, harten Bewegung über die Kehle, schlitzte sie tief auf. Das Blut schoß hervor, ich trat rasch zurück, nicht ohne ein paar Schlieren abzubekommen, und der Eber brach zu Boden, verschied in einer roten Lache zu Füßen des Gottes.
In dem gestampften Lehmboden versickerte das Blut rasch. Die Priesterin Chrysis weidete derweil das Tier aus, wühlte in den dampfenden Eingeweiden und verkündete schließlich mir angespannt wartendem:
"Der große Priapus hat dein Opfer angenommen. Sei getrost! Fortan wird sein Segen wieder mit dir sein!"
Was für eine Erleichterung! Ich stieß die vor lauter Aufregung angehaltene Luft langsam aus. War der Albtraum endlich vorbei?! Huldigend rieb ich nochmal Priapus' Phallus, dann trat ich aus dem Tempel hinaus ins Sonnenlicht.