Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Was für eine Pracht...
    Ich ließ mich hinunter auf das Bett drücken und sah betört zu ihm auf. Seine Hände, seine gleitenden Berührungen, sein Adoniskörper über mich gebeugt, das vielsagende Lächeln... Ich schmolz dahin, erfüllt von unendlichem Genuß, und gab ein leises wohliges Seufzen von mir. Immer größer wurde das Verlangen, und es war eine bittersüße Qual, für den Moment zur Untätigkeit verdammt zu sein, so dass ich nicht hätte sagen könnten: wollte ich, dass diese Massage niemals endete, oder sollte sie auf der Stelle vorbei sein, auf dass wir unsere Glut ineinander löschen konnten.
    Er begann mir von seinem Liebhaber zu erzählen, was mich nicht weiter störte, und als ich erkannte, dass ich derjenige welcher war, begann ich zu lachen.
    "Ha, und das soll ich dir glauben!" scherzte ich, dann zog ich scharf die Luft ein, denn da unter seinen Händen begann sich etwas zu regen, dann machtvoll emporzustreben – war denn meine alte Spannkraft endlich zurückgekehrt...!?
    Bah, von dieser Freundin wollte ich nichts hören, ich verzog das Gesicht als hätte ich auf was saures gebissen. War das denn die Möglichkeit dass er dieser Wüstenschlampe noch immer nachträumte? Wäre besser er hätte sie gehabt und gemerkt dass sie auch nur ein hundsgewöhnliches Weib war, anstatt – oh, wie romantisch! – nur mit ihr rumzuknutschen, und eine dumme Barbarin, die nicht mal sprechen konnte, zu seiner Traumprinzessin zu machen. Und dieses stumme Tier nannte er im selben Atemzug wie mich...


    Genug. Ich schluckte meinen Groll runter und richtete mich auf, grinste breit und dreckig auf seine Aufforderung hin. Mit funkelnden Augen und bebenden Nasenflügeln packte ich seine Schultern und stemmte mich gegen ihn, fest entschlossen jetzt zur Abwechslung ihn in die Kissen zu werfen und ihm zu zeigen was er an mir hatte! Doch kaum war der Gedanke geformt, kaum war Körper an Körper, geschah – wieder – das unsägliche. Die Spannkraft verließ mich, ich war einmal mehr ein kampfbereiter Krieger ohne Waffen. Beschämt schlug ich die Hand vors Gesicht. Ich hätte es besser wissen sollen als wieder einmal der Versuchung zu erliegen, und wieder einmal diese Schmach zu erleben. Was hatte ich nur getan, dass die Götter mich so erbärmlich straften!?
    "Ja ich lechze nach dir! Wie Tantalos, wahnsinnig vor Hunger, sich nach den süßen Früchten verzehrt, so lechze ich nach Dir!" rief ich leidenschaftlich aus, erfüllt von hilflosem Zorn und ebenso hilfloser Lust. Dann, ohne ihn anzusehen, folgte ich abrupt seiner Aufforderung, ich streckte mich bäuchlings auf dem Bett aus und verbarg das Gesicht in der Armbeuge.

    Könnte man bei den WiSim-Produkten nicht das "Suppenhuhn" in "Geflügel" umbenennen? Kommt ja vom "Geflügelhof". Und immer nur Huhn ist doch langweilig. Ausserdem klingt Suppenhuhn irgendwie... unsexy. ;)

    Na also, er lebte noch.
    "Bleib sitzen." befahl ich. Nicht dass er gleich wieder umkippte. Ich drückte ihm das nasse Tuch in die Hand, und hielt nach den anderen Ausschau. Ravdushara lief gerade dem Packpferd nach, das sich, da nirgendwo angebunden, ebenfalls auf einen Spaziergang begeben hatte. Bona Dea, wenn man nicht alles selbst machte...
    "Wir rasten." beschloß ich, und um Lupus nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen indem ich etwa andeutete Rücksicht auf ihn zu nehmen, fügte ich hinzu:
    "Ich hab nämlich Hunger. Zeit fürs Ientaculum."
    Nachdem Theseus und Ravdushara erfolgreich zurückgekommen war, wurden die Pferde angebunden, und die Satteltaschen ausgepackt. Ich breitete eine Pferdedecke im Gras aus und mein Leibsklave arragierte darauf das Essen. Candace hatte es liebevoll für uns eingepackt. Da gab es Fladenbrot mit Nüssen, hartgekochte Eier, kaltes Huhn, Oliven, Schafskäse und Obst, dazu einen großen Ziegenhaut-Schlauch mit (verdünntem) würzigem Landwein. Eigentlich zu üppig für ein spätes Ientaculum, aber die frische Luft machte hungrig.
    "Greift zu." Ich fläzte mich ins weiche Gras, trank einen Schluck Wein und reichte den Schlauch an Lupus weiter. Dann belegte ich mir ein Brot vielen guten Sachen. Die Sonne schien mir warm ins Gesicht, und alles war erfüllt vom Duft der Wiesenkräuter und dem Summen der Bienen.

    Vorschlag abgelehnt. Zuerst war ich enttäuscht... sich um die Prima zu bemühen, war meiner Meinung nach mindestens ebenso wichtig, wie die aufständischen Legionen zu sabotieren, und ich fand mich dafür gut geeignet. Aber dann erfuhr ich den Grund für diese Entscheidung...
    Terentius zurückgetreten?! Warum das denn? Ob er mit dem Kaiser aneinandergeraten war, und der ihn geschasst hatte? Wie unglücklich, kaum hatte meine Schwester (endlich) einen mächtigen Mann ergattert, schon verlor er seinen Posten. - Ich sollte ihn vertreten?! Welche Ehre! Ich errötete vor Freude. Dabei dachte ich an 'ihn vertreten bis sein Nachfolger aus Provinz soundso eintrifft'.
    "...hatte ich an dich als Nachfolger gedacht." Der Satz dröhnte ich meinen Ohren, und mir wurde schwindelig, so als stünde ich auf einem schroffen Felsengrat und schaute tief, tief in die Abgründe rechts und links des schmalen Pfades.


    Ich?! Im Ernst?!


    Warum denn nicht, Faustus.


    Aber ich bin zu jung. Zu kurz erst bei der Garde...


    So jung auch nicht mehr. Und Artorius Avitus war auch nicht lange Tribun.


    Aber man wird mir nachsagen, ich sei einer seiner Speichellecker.


    Was kümmert dich dummes Geschwätz?


    Aber Prätorianerpräfekten haben die Angewohnheit, unter ungeklärten Umständen zu sterben, sie verschwinden spurlos oder ersaufen im Bad...


    Fortes Fortuna adiuvat! Pack sie am Schopfe bevor sie vorübergeeilt ist. Ist es nicht alles was du dir immer erträumt hast?


    Oh ja! Alles und noch viel mehr.



    ".....Das wäre mir die allergrößte Ehre, Imperator." stammelte ich, und brachte auf den letzten Befehl nur ein benommenes Nicken zustande, so überwältigt war ich.


    Ein unterirdisches Gewölbe, direkt neben dem Zellentrakt. Durch zwei schmale Schlitze ganz oben unter der Decke fällt nur wenig Tageslicht. Fackeln in schweren Eisenhaltern tauchen den Raum in düsterrotes Flackern. Im vorderen Bereich befinden sich Tisch und Stühle, im hinteren eine Streckbank, ein Stuhl mit Eisenschellen, ein Kohlebecken, Haken und Ketten die von der Decke herunterhängen, und ein Arsenal von Folterwerkzeugen, eines unappetitlicher als das andere.

    Als nächstes hatte ich mich mit dem Centurio unterhalten, der zu den Saturnalien die Palastwache in Misenum kommandiert hatte. Der war seitdem vom Dienst suspendiert und am Boden zerstört. Es tat mir echt leid zu sehen, wie so ein vierschrötiger Soldat nur noch ein Schatten seiner selbst war. Er konnte mir auch nichts weiter sagen, ausser: sie hatten Dienst getan wie immer. Trotz Saturnalien. Es war natürlich auch gefeiert worden, auf dem Landsitz, doch die wachhabenden Prätorianer hatten sich nicht von ihrer Pflicht ablenken lassen. Es hatte keine Besucher gegeben, niemand war von aussen in das Anwesen eingedrungen, und auf einmal war der Kaiser tot gewesen.
    Es mußte einer der Sklaven gewesen sein. Oder einer der Leibärzte. (Oder einer der Prätorianer.) Alle mittlerweile natürlich schon vielfach verhört.


    Falls es der Centurio, der da mit hängenden Schultern vor mir saß, gewesen sein sollte...... dann hatte er jedenfalls keinen Vorteil davon. Ich entließ ihn, und da ich ja eine vornehme Dame erwartete, räumte ich mein Officium auf, stellte anständigen Wein und eine Schale mit Obst bereit.
    Da klopfte es auch schon.
    "Herein!" Ich blickte dem Optio entgegen. "Danke Optio Iunius. Du kannst dich dann deinen übrigen Pflichten widmen. Milites, wegtreten."
    Ich würde sie - jedenfalls fürs erste - nicht brauchen.
    "Salve Aurelia." grüßte ich die Frau mit kühler Miene. Sie wirkte stolz und gefasst, bemerkenswert gefasst. "Ich danke dir für dein Kommen. Bitte nimm Platz." Ich rückte ihr den Stuhl vor meinem Schreibtisch zurecht. "Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?"

    Zum Glück waren wir uns auch darin einig, dass es nicht der Moment war, unsere doch sehr unterschiedlichen Ansichten zur besten Regierungsform auszudiskutieren. Ich erwiderte zaghaft ihr Lächeln und den Händedruck. Hauptsache wir hielten zusammen, dann würde es so schlimm schon nicht werden...
    '...sofern ich kann' sagte sie. Das ließ mich gleich wieder die Stirn furchen. Das konnte ja alles oder nichts bedeuten. Seiana war leider keine wirkliche Patriotin, wahrscheinlich würde sie ihre intellektuellen (ist gleich: aus Prinzip alles schlechtredenden, wird leicht zu: die öffentliche Meinung verdrehenden, wird schlimmstenfalls zu: den Staat zersetzenden) Freunde beschützen wollen.
    "Hm." machte ich mit langem Gesicht. Zwingen konnte ich sie nicht, und wollte es auch nicht, aber diese Einschränkung stieß mir übel auf. "Wie meinst du das? Deine erste Loyalität sollte bei mir liegen. Wichtige Dinge darfst du mir nicht verheimlichen."

    Nein, kein Geständnis. Ich schüttelte den Kopf und unterdrückte den Gedanken: vielleicht gestand er nichts, weil es nichts zu gestehen gab. "Wir werden weiter daran arbeiten, etwas aus ihn herauszubekommen." sagte ich, mein Unbehagen unterdrückend.
    Die Frau wohnte bei ihm, damit wir sie verhören konnten? Aha... Ich konnte mir da ganz andere Gründe vorstellen. "Verstanden Imperator."
    Nachdenklich fuhr ich fort: "Ein einflußreicher Angehöriger des Verschwörers Aurelius Lupus ist ja bisher noch nicht befragt worden. Der Legat Aurelius Ursus. Ich würde das gerne nachholen, und mich, mit deiner Erlaubnis Imperator, zu diesem Zweck auf eine Reise nach Mantua begeben." Angesichts der Tatsache, dass die Prima sich noch nicht deutlich für Vescularius augesprochen hatte, war das natürlich nicht ganz ungefährlich, aber ich war gewillt, das Risiko in Kauf zu nehmen. "Ausserdem kann ich dort darauf hinarbeiten, dass die Prima endlich klar für dich Stellung bezieht. Der Legat soll ein vernünftiger Mann sein. Vernünftigen Argumenten zugänglich. Der Primus Pilus schuldet mir noch was, und von den Soldaten kenne ich viele gut von früher, als ich selbst in der Prima diente."

    "Dahin." antwortete ich Theseus, auf den lauschigen Waldweg deutend. "Es gib da ein Heiligtum in den Hügeln, dort will ich... den unsterblichen Göttern ein Opfer bringen." Ich musterte den Eber, der zum Glück noch immer bedröhnt genug war um so transportiert zu werden. "Wie macht ihr das bei euch eigentlich, also im wilden Germanien. Hängt ihr wirklich Menschenopfer in die Bäume?"


    Doch Lupus' Fall unterbrach meine Nachforschungen in der Hinsicht.
    "Oh verdammt." Schnell ritt ich zu ihm hin, schwang mich aus dem Sattel, ließ die Zügel hängen, und kniete mich neben ihn auf den Boden. Tertia, gut erzogen, blieb neben mir stehen. Doch Lupus' Pferd, die Falbstute, trabte, sich ihrer Freiheit freuend, mit raumgreifenden Bewegungen gen Horizont.
    "Theseus, lass das Packpferd hier und fang die Falbe ein!" rief ich meinem Germanen zu. Ravdushara war in der Hinsicht nicht zu gebrauchen. Er würde wahrscheinlich auch runterfallen.
    "He, Lupus, alles noch dran?"
    Besorgt beugte ich mich über ihn. Schienen nur ein paar Kratzer zu sein... und eine Beule am Kopf. Ich ließ mir von Ravdushara ein nasses Tuch geben, drückte es in das schwarze Haar und kühlte die Stelle. Sollten nicht eigentlich meine Leibwächter auf mich aufpassen?!
    "Komm schon Lupus, ein angehender Held der Arena lässt sich doch von sowas nicht umhauen!"

    Ich hatte sie gekränkt. Das hatte ich nicht gewollt. Und natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil sie so lange alleine hier hatte sein müssen, ohne Beschützer. Aber irgendwie war sie daran auch selbst schuld, weil sie sich immer so unzuverlässige Typen zum Heiraten ausgesucht hatte, die dann kurz vor ernst doch noch das Weite suchten. Wie, was für ein Prozess?! Ich kam hier gerade gar nicht mehr mit....
    Cornelius? Den fand sie wirklich besser?! Das hatte ich nicht hören wollen, als ich sie um Rat fragte. Ich verschränkte ebenfalls die Arme, wie einen Wall vor der Brust, während sie die Mängel Vescularius' aufzählte. Wobei das mit Livianus mich am meisten bewegte.... hatte ich ja auch schon dran gedacht, als ich die Listen zum ersten Mal sah. Und schon schlug Seiana wieder einen Haken, und sprach sich nun doch für Vescularius aus. Ich seufzte. Schwer, aus der Tiefe meiner Brust.
    "Glaub ich auch. Ich glaub das waren Tiberius und Cornelius. - Seiana, ich... Den hinterhältigen Prozess gegen Livianus hab ich nicht vergessen. Aber wir wissen da nichts genaues. Und ja, er macht unfähige Speichellecker zu Senatoren. Aber das war früher auch kein Deut besser. Schau dir mal diesen 'Senator' Germanicus, Dings...Sedulus an zu Beispiel. Überhaupt! Wozu braucht das Reich überhaupt Senatoren? Die quatschen doch nur. Eine effiziente Regierung stützt sich auf den Ritterstand, nicht die ollen Senatoren.... Vescularius ist nun mal jetzt der Verteidiger Roms. Und Cornelius, der steckt in einem Giftmord drin!! Der öffnet unsre Grenzen für die Parther!! Nein, Seiana, ich verstehe das einfach nicht wie du...... Naja. Egal. Will mich nicht mit dir streiten."
    Letztendlich war eben selbst meine kluge, vielleicht zu kluge, Schwester eine Frau, und hatte für Mannestugenden nicht so recht Verständnis.
    "Hauptsache wir sind uns einig was wir tun. Und das sind wir ja, glaub ich...? - Aber auch wenn du dich weiter eher bedeckt hältst.... wenn du über deine Acta-Leute, oder deine gesellschaftlichen Kontakte, an Informationen kommst, die mir helfen können, dann gib sie bitte an mich weiter. In Ordnung?"

    Bei aller Liebe, manchmal ging mir meine Familie echt auf den Geist. Einer war schweigsamer und in sich gekehrter als der andere, es war schier unmöglich ein lebendiges Tischgespräch zu führen. Einzig Flavus hatte seine Zunge nicht verschluckt.
    “Da hast du ganz recht.“ stimmte ich ihm zu. Gut, vielleicht lag es mit an der angespannten Lage, die einige Themen unmöglich machte... aber es gab ja noch anderes als Politik in der Welt. Ich hielt mich an meinem Becher fest und warf Seiana einen leidenden Blick zu.
    “Die Kinder sehen...“ furchtbar gelangweilt “...müde aus. Sollen sie vielleicht jetzt schon ihren Nachtisch bekommen?“ schlug ich den Eltern freundlich vor, dann wandte ich mich wieder dem mittlerweile weniger verstaubten Catus zu. Der schien dem Essen nicht so recht trauen.
    “Catus, was führt dich denn eigentlich nach Rom?“

    "Jawohl Imperator." Eine Meuterei vorbereiten. Die Idee gefiel mir. Aber es war kompliziert, vor allem wenn die Truppen schon unterwegs waren, und es würde länger dauern. - Ich nickte, zufrieden mit dem Befehl die Tochter festzusetzen. Wenn auf diese Weise Blutvergießen (römisches Blut!) vermieden werden könnte, dann durfte man eben nicht zu zimperlich sein.
    "Leider nein Imperator. Was diese Nachforschungen angeht: ich hörte, dass du eine Flavia zu Gast hast. Erlaubst du, dass ich sie einem Verhör unterziehe? - Und da ist auch noch der gefangene Consular Vinicius Lucianus. Was soll mit ihm weiter geschehen?"

    Ich schnappte nach der Weinbeere und folgte ihm kauend, ohne den Blick auch nur einmal von ihm zu wenden. "Was für ein einladendes Bett!" bemerkte ich vergnügt, und ließ das Tuch, das er mir umgelegt hatte, von meinen Schultern gleiten. Hier drinnen war es angenehm warm.
    "Viel zu lange..." seufzte ich, und warf mich aufs Bett, wo ich mich genüßlich räkelte und Massa dabei eindeutige Blicke zuwarf.
    "Mhmm, du verwöhnst mich! Mach weiter!" Ich angelte mir eine Dattel und knabberte sie. Dabei genoß ich seine Zärtlichkeiten, schmiegte meinen Nacken in seine Hände, und sprach seinen Kosenamen ganz andächtig aus. "Mein Venustus.... Es ist schon ein bisschen wie in der Wüste, oder? Nur wir beide. Draussen zieht ein Sturm auf. Was der Morgen bringt: keine Ahnung!" Ich lachte leise und fuhr mit den Fingern aufreizend seine Schenkel hinauf, nestelte an dem Badetuch um seine Hüften. "Du warst so hinreißend... unschuldig in dieser Nacht" neckte ich ihn, und griff wieder nach einer Dattel, diesmal um sie ihm spielerisch in den Mund zu stecken. "Hast du eigentlich einen Liebhaber hier in Misenum, oder eine Freundin?"

    Tropfen für Tropfen fiel das Wasser, in der großen Wasseruhr im Atrium. Es war Mitternacht. Barfuß stand ich auf dem kühlen Marmor. Es war dunkel, bis auf die kleinen Flämmchen hinter den Ahnenmasken, und die glimmenden Kohlepfannen vor dem Hausaltar. Und es war ganz still, bis auf das Tropfen der Uhr. Das Plätschern vom Impluvium. Und meinen Atem.
    Heute Nacht war die Nacht der Totengeister. Ich konnte spüren dass sie da waren... jedenfalls, dass da etwas war. Etwas, dass uns nicht wohl wollte. Es war in der Schwärze der Schatten, und in der... verzerrten Erscheinung der Statuen im Atrium, es war in dem Zischen, als die Glut mit einem Mal aufflammte... es war etwas, was ich nur aus den Augenwinkeln wahr nahm. Richtete ich meinen Blick direkt darauf, schien alles wie immer. Doch kaum wanderte er weiter, erwachten die Dinge aus ihrem Schlaf und veränderten sich auf eine subtile Weise. Die Totenmaske meines Onkels Magnus schien ihre Züge zu einem abschätzigen Grinsen verzogen zu haben. Irgendwo klapperte ein Fensterladen. Ein Grauen überkam mich, eisig im Nacken, und hastig lief ich zum Hausaltar.
    Da stand alles schon bereit. Ich benetzte meine Hände in der Schale mit dem Quellwasser, und zog mir eine Ecke der Lacerna über den Kopf. Dann Weihrauch, eine große Handvoll streute ich auf das Gitter über der Glut. Der Rauch quoll herab, floß über den Rand der Feuerschale und verteilte sich wie Nebel auf dem Boden. Der schwere, stickige Dunst stieg mir in die Nase. Unruhig blickte ich über die Schulter - mir war als habe jemand mich angestarrt. Als stünde jemand hinter mir. Aber da war nichts.
    Ruhig Blut, Faustus.... Es lag an mir, dieses Übel aus unserem Hause zu vertreiben, ich mußte jetzt die Nerven behalten!


    “Geister der Ahnen... Schatten unserer Vorfahren.... Wandelnde......“ begann ich mit zittriger Stimme. “ihr seid heraufgestiegen, in diesen Nächten, und unter dieses Dach getreten. Und seht, ihr werdet bewirtet wie es euch gebührt.“
    Ich nahm den Krug mit der Milch, und leerte sie in feinem Strahl in die große Schale auf dem Altar. “Wir geben euch weiße Milch, wir geben euch goldenen Honig, wir geben euch reifes Korn.“ Den Honig goß ich ebenfalls in die Schale, die Ähren legte ich daneben, unter die kleinen Figuren der Ahnen, der Laren und Penaten, des Genius Romani, der Trias, ausserdem Fortuna, Isis und Serapis...
    “Labt euch an diesen Speisen, nehmt bis ihr satt seid. Und darauf: geht! Wenn die Mitternacht vorüber ist, verlasst dieses Haus! Und kehrt vor Jahresfrist nicht wieder.“
    Ich nahm die Schale mit den schwarzen Bohnen, erhob mich und warf die erste Handvoll hinter mich.
    “Diese opfere ich, mit diesen Gaben kaufe ich mich und die Meinen los.“
    Prasselnd wie Regen fielen die Bohnen auf den Boden. Die Lichter flackerten, und ich war mir sicher, dass es mit einem Mal viel kälter geworden war. Nicht umsehen!! Ich verknotete meine Finger, um das etwas von mir fern zu halten. Schaudernd ging ich vom Hausaltar seitlich fort, schritt durch die Gänge des Hauses, und überall warf ich die Bohnen hinter mich, und nie sah ich mich um.
    “Diese opfere ich, mit diesen Gaben kaufe ich mich und die Meinen los.“ sagte ich wieder und wieder, und dazu sprach ich auch die überlieferten Worte, die so alt sind, dass kein Mensch mehr weiß was sie eigentlich bedeuten. Auf diese Weise ging ich durch das ganze Haus, und gelangte endlich wieder am Hausaltar an. Noch einmal tauchte ich die Hände in das klare Wasser, dann holte ich tief Luft und drehte mich um.
    “Manes exite paterni!“
    Mein Ruf durchbrach die Stille, hallte im Atrium wieder. Dann nahm ich die alte kupferne Rassel, und schwang sie, machte einen Heidenlärm damit.
    “Manes exite paterni! MANES EXITE PATERNI!“
    Neunmal. Der Lärm verklang. Geschafft!


    Ich atmete auf. Nun waren die Dinge wieder, wie sie zu sein hatten. Ahnenmasken waren starr und aus Ton, Schatten waren einfach nur Schatten. Befreit schüttelte ich die Lacerna vom Kopf, legte die kultischen Geräte beiseite und begab mich in meinem Cubiculum zu Bett. Ich schlüpfte zu Ravdushara unter die warme Decke, und schloß die Augen, müde und unendlich erleichtert. Die Lemuren waren verjagt, und dieses Haus und diese Familie würden wieder ein ganzes Jahr lang vor ihnen sicher sein.

    Das Leben war schön! Wie der Blitz schoß meine Tertia über die Lavendelwiese, hoch stob das Gras, und der Wind peitschte mir ins Gesicht. Mit einem eleganten Sprung setzten wir über ein kleines Gesträuch hinweg, und dann waren wir auch schon am Waldrand, an der Herme. Ich zügelte meine Stute, ritt im Trab einen Bogen, und wandte mich zu den anderen um. Oh je, die waren keine Konkurrenz. Theseus führte natürlich das Packpferd, doch auch Ravdushara war weit zurückgeblieben, und Lupus sah so aus als würde er gleich runterfallen.
    Für einen Augenblich wünschte ich mir, mehr mit Ebenbürtigen zusammenzusein, mit denen man richtig um die Wette reiten und sich richtig unterhalten konnte. Das war nicht die Schuld der Sklaven, sie waren gute Sklaven, aber natürlich nicht ebenbürtig. Sonst wären sie ja auch keine Sklaven....
    Aber Hannibal war ebenbürtig. Überlegen sogar.
    Ich krauste die Nase. Verscheuchte diesen komischen Eindringling von Gedanken, und rief Lupus quer über die Wiese gutgemeinte Ratschläge zu:
    "Lehn dich zurück, immer schön zurücklehnen! Aufrecht sitzen und Gewicht nach hin-ten!"

    Und so machte ich mich wieder an die Vallum-Inspektion. Ein wenig sann ich dabei noch über das Gespräch nach. Ich hoffte, das Varenus erfolgreich sein würde. Und ich fand ihn noch recht undurchschaubar, meinen Vetter.... auf jeden Fall schien er ein kluger Kopf zu sein.
    Und ich mußte mich erst daran gewöhnen dass die Verwandten zu mir kamen, wenn sie was wollten, so wie ich früher zu Livianus oder Meridius gegangen war. Aber es gefiel mir, diese Position zu haben, den Respekt. Wieder schweifte mein Blick in Richtung Urbanerkerker, und als höbe sich der Vorhang der Zeit, meinte ich, dort zwei Gestalten herauskommen zu sehen: vorneweg ein stolzer Feldherr, stinksauer, und ihm hinterschlurfend sein schmutziger, sehr, sehr, sehr kleinlauter adoleszenter Neffe. Ich schüttelte den Kopf. Für meine Eskapaden fehlte mir mittlerweile jegliches Verständnis!
    Schnell ließ ich den imaginären Vorhang wieder fallen, streckte meinen Rücken, fühlte den kühlen Druck meiner Lorica. Mein Sagum über die Schulter zurückstreichend, marschierte ich, den Immunis hinter mir, dynamisch den Wehrgang entlang. Weiter den Stand der Verteidigungsanlagen inspizieren. Nur für den Fall dass. An der Mauer fanden wir nichts zu beanstanden, auch die Geschütze waren tiptop instandgehalten, Geschosse in großer Zahl vorrätig. Bei der Garde wurde eben nicht geschlampt.
    Nur was diese Vicus-Neubauten anging, die kamen mir von aussen zu nahe an die Mauer heran. Es waren grobe Bretterschuppen, und eine schmuddelige Garküche. Wildwuchs! Die mußten weg. Ich befahl dem Immunis sich ein paar Männer zu nehmen und drum zu kümmern. Und so rissen sie noch am selben Tag diese Bruchbuden ab. Ich entschädigte die Besitzer, aber sie verfluchten doch meinen Namen, jedenfalls hinter meinem Rücken.

    "Den Hübschen mein ich, den mit dem schwarzen Zopf, der immer so ein grimmiges Gesicht macht. Lupus heißt er. - Nein, tut mir echt leid Flavus, aber nur um sich das mal anzuschauen kann ich dich nicht mitnehmen."
    Es hatte schon seine Gründe, dass Zivilisten da normalerweise nicht rein kamen, es sei denn, sie waren auf dem Weg in den Carcer. Meistens jedenfalls. Ich lächelte entschuldigend. Vielleicht ergab sich ja mal was.


    "Du willst mich wohl auf den Arm nehmen!" lachte ich. "Du tust ja so als hättest du noch nie ein Rennen gesehen. - Gut, ich verrate es dir, das allerwichtigste überhaupt ist: immer für die Aurata brüllen. Gute Römer - na und besonders gute Decimer! - sind immer für die Aurata!"
    Ich zwinkerte ihm breit grinsend zu.
    "Die einzig wahre Factio! Aurata, Aurata! AURATA VICTRIX! Irgendwann schlagen wir sie alle."
    Vielleicht sogar die Veneta. So in hundert Jahren oder so. Den Schlachtgesang schräg vor mich hinpfeifend, ging ich hinaus. Rief Flavus aus dem Gang noch ein "Gute Nacht!" zu. Ach, was hatte ich auf einmal Lust meine Biga auszupacken, und mal wieder so richtig nachts durch die Strassen zu brettern!

    "Maioranus war noch nicht mal zum Caesar erklärt..." warf ich zwischendurch leise ein, aber das war das einzige Mal, dass ich meine Schwester unterbrach. So kannte ich sie, scharfsinnig, skeptisch, abwägend.
    Bitte was? Es spielte keine Rolle? Mir fiel fast der Unterkiefer runter. Mit großen Augen starrte ich meine Schwester an, und unwillkürlich nahm ich meine Hand zu mir, legte sie ungläubig ans Kinn. Ich war ganz und gar nicht einverstanden!
    "Aber Seiana!" Nein, nicht so laut. Ich zügelte mich, und sprach wieder in gedämpftem Ton, schnell und aufgeregt. "Wie kannst du so was sagen?! Das ist ja wohl das kaltschnäuzigste was ich seit langem gehört habe. Es spielt sehr wohl eine Rolle!"
    Warum es eine Rolle spielte, das war doch.... selbstverständlich!
    "Honor et Fortitudo." sagte ich leise, und beinahe trotzig. "Es spielt eine Rolle. Sollen wir uns denn zu den kleinen Kaninchen gesellen, die, was immer auch passiert, sich nur ducken und die Ohren anlegen?! Die nur aus ihren kleinen Kuhlen kommen, wenn es was zu Fressen gibt?! Ja, die sind flexibel. Aber auch feige Opportunisten. Und wenn alle – ach, es sind doch fast alle so... - weil fast alle so sind, und nie Farbe bekennen, und für nichts einstehen ausser für ihr Fressen..." An der Stelle ging mir etwas die Emphase verloren. Denn ich glaubte an das, was ich sagte, doch ich sah vor meinem inneren Auge auch das Bild, das Seiana mit ihren Worten heraufbeschworen hatte. Es war ein schauriges Bild. (Ausserdem waren meine Motive so ganz rein ja auch nicht. Ich liebte meinen Posten, meine Rüstung, den Respekt.)
    "...darum ist die Lage überhaupt erst so, wie sie jetzt ist."
    Ich sprang auf, ging ein paar Schritt hin, hob die Hände, ließ sie wieder fallen, ein paar Schritt her, blieb letztendlich vor Seiana stehen.
    "Seiana ich bin Soldat. Ich bin meinem Kommandanten treu, ich tu meine Pflicht. Aber was du sagst... ist ja auch nicht ganz vollkommen verkehrt, und... ich will doch nicht dass ihr... ich hab Angst dass ich eine falsche Entscheidung treffe, die uns alle ins Verderben stürzt." Gequält stieß ich die Luft aus. Alle Zweifel, die ich ja selbst auch reichlich hatte, und nach und nach beiseitegeschoben hatte, um tatkräftig meinen Dienst ausüben zu können, waren mit einem Mal wieder da... Ich sah meine große Schwester an, hilfesuchend, wie der kleine Bruder, der ich nun mal war, der sich keinen Rat mehr wußte.
    "Verdammt. Was sollen wir nur machen?"
    Ein Landgut weit weit hinter dem Ebro? Ach nein...