Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Gut." Ich hatte nur hören wollen, dass er nicht Klient dieses Centurios war. Aber natürlich galt es das noch zu überprüfen, und auch, ob die Centurie nicht doch irgendwelchen Mist gemacht hatte – Bona Dea, wie anstrengend war es immerzu so mißtrauisch zu sein.


    "Deine Centurie wird in nächster Zeit beim Wachdienst häufiger ohne dich auskommen müssen, Optio. Ich will, dass du dich nochmal ans Verhören machst. Und zwar konzentrieren wir uns diesmal auf die Sklaven. Deren Aussage ist zwar rechtlich unbedeutend, doch.... es könnte helfen die Details aufzuklären. Ein paar mehr Details wären doch schön. Die Sklavenschaft der Tiberier sitzt hier im Carcer, verhöre sie bitte noch einmal gründlich, falls notwendig auch schmerzhaft." (Arme Schweine, aber so war das nun mal.) Ich blickte auf meine Notizen von zuvor.
    "Und konzentriere dich dabei auf...Erstens. Der Privatsekretär des Consulars ist spurlos verschwunden. Finde bitte genaueres über seine Person heraus, such nach Anhaltspunkten wo er stecken könnte, wenn du welche hast versuch ihn zu finden. - Zweitens. Hat Cornelius Palma dort im Hause verkehrt, und welche Personen waren dabei noch anwesend. Hier ist ein Portrait des Usurpators..." Ich reichte ihm eine Kohlezeichnung, die hatte ich aus Syrien und fand sie ziemlich ähnlich. Vor allem der Bart. "...und besorg dir auch von den anderen Männern aus dem Kreis der Verdächtigen Bilder, prüfe mal welche davon die Sklaven wiedererkennen und welche nicht. Und natürlich wieder: haben die Sklaven was aufgeschnappt."
    Aber für solche großen neuen Erkenntnisse war es wahrscheinlich schon zu spät bei dieser Ermittlung. Ich überlegte, mit gefurchter Stirn. Hoffentlich handelte ich mir keinen Ärger ein, mit meiner Freude an Details.
    "Drittens, welche Besitzungen haben die Tiberier und ihre Verwandschaft. Wo könnte die Frau des Tiberius stecken, Aurelia Flora. Wo der Sohn, Ahala. Wie beim Privatsekretär, wenn du Anhaltspunkte hast, nimm dir Männer, such sie und verhafte sie."


    Als nächstes galt es dann, die Sklaven aus Misenum systematisch zu verhören, beziehungsweise ihre bisher gemachten Aussagen alle als kleine Steine ins Mosaik zu setzen. Aber darum würde ich mich erst mal selbst kümmern. Und vielleicht sollte ich auch bei der entfernteren Verwandschaft der Proskriptierten nachhaken... konnte ja nicht schaden.... Oder doch, es konnte mir sehr wohl schaden, schließlich waren das ausgesprochen elitäre Familien.
    Ich lehnte mich zurück. "Fragen?"

    "Salve Praefectus Terentius!" grüßte ich schneidig, trat ein und kam gleich zur Sache.
    "Mein Bericht zur Lage in Syrien." Ich übergab ihm die hochgeheimen Unterlagen, wo akkurat vermerkt war, was meine Speculatoren und ich in all der Zeit in Erfahrung gebracht hatten. Das war eine Menge, dabei viele Fakten die vielleicht relevant waren, vielleicht auch nicht, vielleicht im Zusammenspiel mit anderen, vielleicht auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, viele Zahlen, viel Pergament.
    "Wenn ich das mal zusammenfasse: Cornelius Palma hat dort gründlich die Macht ergriffen. Statthalter Veturius hat ihm dabei den Steigbügel gehalten. Erst eine Reise durch die Provinz zu den Standorten der Legionen. Von dort kamen sie mit Abordnungen von jeder der drei Legionen nach Antiochia zurück. Und nachdem die Pannonier dann Vescularius zum Kaiser ausgerufen haben, hat sich Cornelius von diesen Truppen selbst zum Kaiser proklamieren lassen. Er stellt sich als biederer Hüter der Tradition dar, behauptet das Erbe Valerians zu bewahren."
    Was ich angesichts der Tatsache, dass Cornelius wahrscheinlich Teil der Giftmord-Verschwörung war, echt widerlich fand.
    "Heute ist der Tag gekommen, an dem der Militärstiefel die Straße nach Rom betritt', das sagte er dabei."
    Ich hielt inne, versuchte in der Miene meines Kommandeurs zu lesen was er davon hielt.
    "Die Soldaten stehen voll hinter ihm. Nicht zuletzt dank großzügiger Donativa. Die Finanzen für die gesammte Unternehmung stammen zum Großteil von Veturius.... der ja schon seit einer Ewigkeit Statthalter dieser fetten Provinz ist. Das Geld wird ihnen also wohl nicht so bald ausgehen... - Cornelius hat jetzt die gesamte Legio XII Fulminata bei sich, dazu starke Kräfte von der XI Gallica, von der XXX Ulpia und der IV Scythica, ausserdem mehrere Cohortes. Er schreckt also nicht davor zurück, unsere Grenze zu den Parthern beträchtlich zu entblößen. "
    Die Grenze für die wir gekämpft hatten, für die so viele Kameraden gefallen waren, für die der vergöttlichte Iulianus gestorben war.
    "Die Classis Syriaca hat er auch. Aber die Schiffe der Flotte können seine Truppen nur teilweise fassen. Nach der Proklamation wurde es hektisch in den Werften, sie haben schnellstmöglich eine Reihe neuer Schiffe gezimmert. Zum Zeitpunkt meiner Abreise standen die kurz vor der Fertigstellung. Trotzdem wird er nicht alle Soldaten verschiffen können. Ich schätze... gut die Hälfte, wenn sie sich quetschen. Es sei denn, Ägypten käme ihm zur Hilfe. Aber bisher hat sich kein Schiff der alexandrinischen Classis in Seleukia gezeigt. - Ein Kontingent der Legionen ist schon von Antiochia aus über Land losmarschiert."

    "Salve Varenus." begrüßte ich meinen Vetter. Hier war er, als Zivilist, ein Fremdkörper, doch er schien ganz gelassen.
    "Sicher." bestätigte ich höflich, dass ich etwas Zeit hätte, obgleich es mir nicht so ganz passte, dass ein Verwandter mich hier aufsuchte. Denn ich war tatsächlich gut beschäftigt, und fand ja eigentlich, dass Zivilisten hier drin nichts verloren hatten. Aber mein Vetter würde schon seine Gründe haben.
    "Miles, abi." schickte ich den Torwächter weg, und dem Immunis befahl ich: "Sieh dir schon einmal das Gebälk dort drüben an."
    So waren wir für den Moment alleine auf dem Wehrturm. Ich lehnte mich rückling gegen die Brüstung und blickte Varenus aufmerksam ins Gesicht.
    "Was gibt es?"

    Ich spazierte ins Zimmer und setzte mich.
    "Ja, einen kleinen Schluck gerne... Wein." Ich schmunzelte darüber, dass er mir Posca anbot. "Bin kein so eingefleischter Poscatrinker." Wenn nicht gerade die Sonne heiß vom Himmel brannte. - Was ich über Varenus wußte? Ich stutzte, das hatte etwas von Verhör.
    "Ähm. Er kommt aus Genua, ist Geschäftsmann, hat eine gelungene Familie, schwarze Haare und dunkle Augen." antwortete ich in scherzhaftem Tonfall. Dann zuckte ich die Schultern."Ich kenn ihn nicht so gut. Seine Schwester Caia kannte ich besser, sie lebte eine Zeitlang bei uns in Tarraco, als wir noch Kinder waren... Ich hatte meine kleine Cousine sehr gemocht. Es war ein harter Schlag gewesen, dass sie so früh gestorben war. Aber das war schon lange her.
    "Wieso?"

    Einfach nur ruhig dasitzen, neben Seiana, ganz einträchtig. Vor uns der schweigende Garten, im Rücken das strömende Wasser. Ich drückte ihre Hand.
    "Du mir auch! Als ich gehört habe was passiert ist, da... ich kann dir sagen. Ich wußte ja nicht, was hier darauf folgt, was für Unruhen dann losbrechen. Ich bin so wahnsinnig erleichtert, dich heil wiederzusehen."
    Ich wandte den Kopf, betrachtete Seiana von der Seite, ihr Profil welches sich schwach gegen das Licht im Peristyl abzeichnete, und ich scheute mich fast weiterzureden. Es wäre doch schön, einfach nur zusammen hier zu sitzen, ohne an irgendwelche Dinge zu denken, die nicht jetzt und nicht hier waren. Ich schwieg ein Weilchen, bevor ich weitersprach.
    "Wie... kommst du zurecht? Mit deinem Mann und mit, ähm, der neuen Situation?"

    Zitat

    Original von Palatinus
    Es dauerte ein bisschen, bis der A libellis den Tribun hereinbat, denn er hatte wie üblich unglaublich viel zu tun. Und war obendrein nicht sehr begeistert von seinem neuen Herrn, was seine Motivation nicht gerade erhöhte.


    "Informationen welcher Art?"


    fragte er routinemäßig - er musste den Kaiser schließlich sagen, worum es ging! Und außerdem entscheiden, ob der Tribun in einer Generalaudienz oder persönlich empfangen werden sollte.


    Diese Palatinbürokraten hatten ihren Ruf wirklich zu recht!
    Oh, ich habe brandheiße Informationen über die allerangesagtesten Trends der Frühjahrsmode, der Imperator brennt darauf davon zu hören.
    "Militärisch." antwortete ich knapp (so knapp dass nicht mal ein Tiberius Vitamalacus es knapper hinbekommen hätte).
    "Nur für den Imperator bestimmt."

    Mit einem der Immunes zusammen lief ich den Wehrgang ab. Es war beinahe so wie früher, als ich noch Centurio gewesen war, drüben in der anderen Kastell-Hälfte. Nur dass ich jetzt ungleich bedeutsamer war, versteht sich, und die Gardisten auf Wachtposten viel formvollendeter salutierten. Der Immunis kannte sich mit Mauern aus. Ich wollte ja nichts beschwören, aber es konnte nicht schaden sich mal wieder zu vergewissern, dass das Bauwerk, das immerhin seit Tiberius stand, keine Schwachstellen aufwies. Wir stiegen gerade auf einen der Wachtürme, und ich fand, dass die Häuser des Vicus an dieser Stelle unstrategisch nahe an die Kastellmauer herangerückt waren. Abreissen?
    Da kam ein Miles vom Tor herbeimarschiert. Er eilte die Treppen zu uns hinauf, und berichtete mir, ein Decimus Varenus wolle mich sprechen. Er solle ihn herbringen, befahl ich, und fragte mich was das zu bedeuten hatte. Es war doch hoffentlich nichts passiert.

    Ganz geheimnisvoll hatte Flavus mir zugeraunt, dass er unter vier Augen mit mir sprechen wollte. Als mir das wieder einfiel war es schon spät, doch ich klopfte trotzdem an seiner Türe, streckte dann den Kopf ins Zimmer.
    "Flavus? Du wolltest doch noch was mit mir besprechen."
    Was könnte es sein, dass er vor den anderen nicht aussprechen wollte? Hoffentlich wollte er nicht meinen Rat in irgendeiner Liebesangelegenheit.

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    ...wollte ich hier im Garten aufstellen. Aber nicht irgendwo, es sollte schon ein der großen Göttin gefälliger Platz sein.
    "Hier vielleicht." meinte ich, mit großen Schritten über den Kiesplatz marschierend. Es war abends, nach der Cena, und der Garten wurde nur von ein paar Windlichtern, die im Peristyl aufgestellt waren, spärlich erhellt. "Oder hier, aber dann muß das weg." Mit einer rabiaten Handbewegung fällte ich im Geiste den großen, akurat beschnittenen Buchsbaumbusch. Den fand ich sowieso nicht so furios. "Und es sollte schon Platz für Blumen aussenrum sein...."


    Aber was mich im Augenblick noch viel mehr interessierte: endlich konnte ich mich in Ruhe mit meiner Schwester unterhalten. Ich wandte mich zu ihr und lächelte. Es gab so viel zu sagen, wo beginnen? Und dann gab es da ja leider auch die unschöne Sache, die ich klären wollte.... musste... sollte... Mein Lächeln wurde unsicher. Ich witterte jetzt schon den Streit, einen Streit dem ich für mein Leben gerne ausgewichen wäre.
    "Seiana? Setzen wir uns dahin und reden ein bisschen?"
    Ich ging zum Brunnen, setzte mich auf den Rand. Die Fontäne plätscherte lustig vor sich hin, das war sehr hübsch, und vor allem würde es unsere Worte übertönen. Ich wollte nicht von neugierigen (oder von Feinden gekauften) Sklaven belauscht werden.

    Eine Weile lang führte ich die kleine Gruppe die Via Latina entlang. Die frühe Stunde und das gleichmäßige Heben und Senken des Pferderückens versetzten mich in einen angenehmen Zustand zwischen Wachen und Schlafen, ich träumte vor mich hin und hätte fast die Abzweigung verpasst.
    Rechts ging die breite Strasse nach Tusculum weiter, wir bogen links ab, ritten durch ein kleines Dorf. Ein Hirte kam uns mit seinen Ziegen entgegen. Die Herde teilte sich, die braun- und weiß- und schwarz- und rot- und gefleckt befellten Rücken, gekrönt von den vorwitzigen Hörnern, begleitet von ihrem scharfen Stallgeruch, strömten rechts und links an uns vorüber. Wir waren auf dem Lande angekommen. Frauen holten Wasser vom Brunnen, Sklavenarbeiter gingen in langen Reihen, Harken und Säcke geschultert, aufs Feld.
    Hinter dem Dorf stieg das Gelände an. Der Weg schlängelte sich durch Weinberge. Die frische Luft wehte mir herrlich um die Nase, und die Morgensonne stieg in den weiten, klaren Himmel hinauf. Überall war das frische Grün üppig hervorgebrochen, und Blumen, wie mit leichter Hand verteilt, schmückten Feld und Flur.

    Es war eine heikle Frage, und ich erhielt eine heikle Antwort. Der Öffentlichkeit schnell ein paar Schuldige zu präsentieren, das war natürlich wichtig zur Wiederherstellung der Ruhe, da konnte man nicht zu zimperlich sein. Aber so ganz ohne Geständnis... Etwas in mir sträubte sich dagegen, und ich konnte nicht anders als mich zu fragen: Was wenn mein Vater noch in Rom gewesen wäre, wäre mit ihm dann etwa ebenso umgesprungen worden?
    Ich nickte knapp, machte dabei ein unbeteiligtes Gesicht – ich wußte ja nicht, ob der Optio, so ehrlich er auch wirkte, nicht vielleicht später über mich bei Vescularius Bericht erstatten würde. (Mir hatte der schließlich den Auftrag erteilt, meinen Präfekten kritisch auf seine Loyalität hin zu betrachten, da war der Gedanke dass ich selbst bespitzelt wurde auch nicht so abwegig. Oder, selbst wenn es diesen Auftrag nicht gab, vielleicht kam jemand von alleine auf die Idee mich zu verleumden, um sich selbst interessanter zu machen.)
    Aber was sich hier auch zeigte: die Verdächtigen waren mit Rücksicht auf ihren Status verhört worden. Bei gnadenloser Folter gestand irgendwann jeder alles.
    Ich fragte mich, ob die Befehlshaber eigentlich bisher wirklich darauf aus gewesen waren, die Wahrheit aufzudecken. Wohl nur so lange wie sie die vorverkündete Version untermauerte.


    "Verstehe." meinte ich, auf die Erklärung hin warum sie denn abkommandiert waren. Das klang plausibel. Aber es schien mir Verschwendung.
    "Und wessen Klient bist du, Optio Iunius?" fragte ich ohne besondere Betonung.

    Stank ich? Gelinde beunruhigt atmete ich mit gesenkter Nase etwas tiefer ein. Sicher hatte ich unter der Rüstung ein bisschen geschwitzt, aber heute Mittag erst hatte ich mich gewaschen und frische Sachen angezogen. Oder was war der Grund, dass Seiana sich lieber in den Korbstuhl setzte? Wir waren unter uns, da musste sie doch nicht so altmodisch tugendhaft tun... Vielleicht war es wegen Helvetia. Oder sie wollte den Kindern ein gutes Vorbild sein.
    “Weiter vorne wäre natürlich noch besser,“ plauderte ich, noch immer etwas irritiert, “aber dann müssen wohl ein paar von den Buchsbäumen dran glauben.“
    Catus? Ach ja, der Achaier. Mein erster Eindruck war: weltfremd. Er hätte einer der Bibliothekare im Museion sein können, wie er da stand, mit seinen Schriftrollen.
    Seiana machte uns gewandt bekannt, so selbstverständlich, dass ich mir wieder sagte: sie hatte gewiss keine Vorbehalte gegen die griechische Linie. Der Streit mit Massa musste andere Gründe haben.
    “Salve Catus.“ Ich wischte mir die Hände der Serviette ab, erhob mich von der Kline und ging zu ihm, um ihm (mit links) kräftig die Hand zu drücken. “Es freut mich dich kennenzulernen!“ Und ich pflichtete Flavus bei: “Ja, bitte, gesell dich zu uns. - Betreibst du Studien, hier in Rom?“
    Die Sklaven trugen flink noch ein weiteres Gedeck auf, und der kleine Silas schenkte auch Catus den Becher voll.

    Und wie gut das passte!
    "Ja, dann denk mal was er am Ende hatte von seinem Zorn..." schmollte ich. Der nahm mich doch nicht ernst, gerade – ich merkte das wohl.
    Aber wenigstens erklärte er mir jetzt worum es wirklich ging. Um Magnus' Kinder...
    "Hmhm.... naja, ist ja auch arg riskant so eine Reise in den hohen Norden..." gab ich dezent zu bedenken. Da hatte Seiana doch irgendwie recht. Ich überlegte, ob ich, wenn ich denn Kinder hätte, diese nach Hispania verschiffen würde, um meine Heimat kennenzulernen. Nein. Jede Reise war ein gewaltiges Risiko. - Und da war schon wieder dieses unangenehme Wort gefallen. Heiraten.
    "Was hat das denn jetzt damit zu tun..." wehrte ich ab, und schnippte etwas Wasser zurück. "Heirate du sie doch!"
    Tante Venusia war eine aussergewöhnliche Frau und ich mochte sie sehr, aber sie war erstens Tante Venusia, zweitens eine Frau, drittens... war sie mir zu dominant. Bei ihr hatte ich immer das Gefühl, dass, so höflich und freundlich sie sich auch gab, am Ende alles nach ihrem Willen ging. Oh nein, in solche Fesseln würde ich mich gewiss nicht hinein begeben, und.... - was hatte er da gerade gesagt?


    "Bitte was?!" Jetzt war ich wirklich wütend, in dem Punkt verstand ich nicht den geringsten Spaß. "Was Seiana tut oder nicht tut, das steht dir, Massa, nicht zu zu beurteilen!!! KEINER, und auch nicht DU spricht so über meine Schwester!! - Beim Geifer des Cerberus, meine Schwester reißt sich den Arsch auf für unsere Gens! Jahrelang hat sie es auf sich genommen, uns zu repräsentieren und alles zusammenzuhalten, mutterseelenallein in der Hauptstadt während wir alle irgendwo sub aquila in der Welt unterwegs waren! Und sie hat sich nie beklagt, und jetzt hat sie sogar den Terentius geheiratet, obwohl sie ebensowenig wie ich scharf aufs Heiraten war, und wenn sie sagt Secundus gehört nach Rom, verdammt noch mal, Magnus' einziger Sohn, dann hat sie verdammt noch mal Recht damit!"
    Zornig erhob ich mich, stieg aus dem Becken. Das überforderte mich vollkommen, solche Familienwirren! Warum nur mußten diese beiden... geliebten Menschen.... aneinandergeraten.
    "Und das hat gar nichts mit Griechen und Hispaniern zu tun." fügte ich ärgerlich hinzu, und griff abrupt nach einem Badetuch. Mit finsterer Miene wickelte ich mich hinein.

    "Geht es dir denn jetzt wieder gut?" erkundigte ich mich bei meinem Germanen, halb mitfühlend, halb in Sorge um meine Investition. Mit den Augen folgte ich seinem Verweis auf den Kelten und korrigierte: "Lupus ist sein Name."
    Das war mir wichtig, gar nicht so sehr des Wohlklanges wegen, mehr weil es ein Symbol war für die Macht, die ich über diesen (nicht einfach zu handhabenden) Sklaven hatte. Wenn ich es wollte, könnte ich ihn "Adonis" nennen, oder auch "Wurm", und das wäre dann sein Name. Aber ich war ja kein Unmensch.
    "Salve Lupus."
    Eindeutig hatte er Fortschritte bei den Manieren gemacht, aber das war es nicht, warum ich ihn so gebannt musterte. Es war einfach eine Freude, dieses herrliche Wesen anzusehen, das mit dem gelassenen Tritt eines Raubtieres nahte, sich zu verlieren in der Betrachtung seines gestählten Körpers, des Spiels seiner wohlkonturierten Muskeln unter der sonnengebräunten Haut... und eine wieviel größere Freude wäre es, dies alles nicht nur mit den Augen zu erforschen.... Später vielleicht...? - Wenn er nur nicht immer so finster dreinblicken würde. Wich er meinem Blick aus? Schien so. Ich gab mir einen Ruck.
    "Wir haben einen längeren Ritt vor uns. Also los. Hier, du reitest sie..." Ich reichte Lupus die Zügel der falben Stute, dann schwang ich mich auf den Rücken meiner Tertia. Ravdushara kletterte auch auf sein Pferd – ein ganz gutmütiges, doch es war meinem Leibsklaven deutlich anzusehen, dass er sich gar nicht wohl in seiner Haut fühlte. "Und Theseus, nimm ausserdem das Packpferd. Und hab ein Auge drauf, dass der Eber keinen Blödsinn macht, den brauche ich noch."
    Ich lies Tertia voraus schreiten – wobei ich ihren weichen Gang genoß – in Richtung der Via Latina.
    "Falls irgendwas sein sollte, nehmt die Kampfstäbe... " Eisenbeschlagene Eichenstäbe, schräg vor den Sätteln befestigt. "...nur im Notfall die Spathae. Die sind in den Decken eingeschlagen. Aber wirklich nur im Notfall."
    Eigentlich rechnete ich nicht mit irgendwelche Gefahren, so nahe an Rom, aber es waren unruhige Zeiten und es konnte sicher nicht schaden, bewaffnete Leibwächter bei sich zu haben.

    Ernst lauschte ich dem Optio, manchmal machte ich mir kleine krakelige Notizen auf einer Wachstafel. Während meiner Mission hatten sich die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Vinicius Hungaricus, Ex-Gardekommandant, verbannt. Sic transit.
    Als es um die Flavier ging, schlug mein Herz schneller, ich fürchtete stets, schlechte Nachrichten über Manius zu hören. Aber der schien wie vom Erdboden verschluckt, und auch der Optio erwähnte ihn nicht. Keine Nachrichten waren gute Nachrichten, sagte ich mir. - Der Selbstmord des Tiberius ein Indiz? Ich kniff die Augen zusammen, überrascht dass er sich so zurückhaltend ausdrückte. Ein Schuldeingeständnis wohl eher... Als der Name meiner Schwester fiel merkte ich auf, es war gut zu hören dass Terentius sich wirklich um ihre Sicherheit kümmerte.
    Ich nickte nachdenklich als der Optio geendet hatte, dankbar für diesen Überblick, den ich als ein weiteres Steinchen in mein noch viel zu lückenhaftes Mosaik einfügen konnte.
    "Bei den Verhören." fragte ich schließlich nach. "Gab es da Geständnisse oder nicht?"
    Offiziell hatten ja sowohl Vinicius Hungaricus als auch Flavius Furianus eines abgelegt, und es interessierte mich durchaus, ob dies nur eine Scharade für die Öffentlichkeit war.
    Und eine weitere Frage drängte sich auf – ich hatte mich schon darüber gewundert, dass anscheinend der Vescularius persönlich diese Centurie zum Wachdienst verdonnert hatte. Irgendwas mußten sie gründlich verbockt haben.
    "Deine Centurie wurde abkommandiert. Warum?"

    'Auf die Familie!' tönte es von allen Seiten.
    “Und darauf, dass wir... in stürmischen Zeiten fest zusammenhalten.“ fügte ich etwas leiser hinzu. Ich drückte nochmal Seianas Schulter, dann prostete ich allen zu, ließ einen Schluck für Bacchus aus dem Kelch schwappen, trank und genoss es über die Maßen, endlich wieder guten Wein und vorzügliches Essen vorgesetzt zu bekommen. Meine Rüstung legte ich jetzt auch ab, es war doch etwas unpassend und vor allem unbequem beim Abendessen. Ich löste die Schnallen und legte die Einzelteile neben der Kline ab, dann das Subarmalium. Darunter trug ich eine gewöhnliche Equestunika.
    Nach den Vorspeisen trugen Melitta und Olivia große gegrillte Makrelenfilets auf, über die ich mich begeistert hermachte.
    “Mir geht es prächtig.“ antwortete ich Seiana, zwischen den Bissen, und löffelte noch mehr Garum auf den Fisch. “Und, erzähl mal, wie lebt es sich denn jetzt so als erste Matrone der Stadt? - Du, außerdem, ich habe beschlossen, für Fortuna einen Schrein zu errichten, im Garten. Für ihre ständige Hilfe, und damit sie uns auch in Zukunft gewogen bleibt. Ich schulde ihr wirklich was. Das passt doch noch vom Platz, so ein Stück hinter der Dianalaube, oder, was meinst du? Schaust du dir das nachher mal zusammen mit mir an?“
    Dann würden wir auch in Ruhe die ernsten Dinge bereden können. Ich wollte dass die Familie auf einer Linie war, aber bevor ich irgendeine verkündete, brauchte ich Seianas klugen Rat.

    Es schien, als wolle er seinen Groll tatsächlich begraben, und ich atmete bereits auf, als er es dann doch wieder einschränkte. Seine "Konsequenzen" "standen fest", das klang so als habe er schon viel und grimmig darüber nachgedacht. Ich seufzte, löste meine Hand von seiner und strich mir leidig über das Gesicht, dann die feuchten Haare zurück, als könne ich den ganzen Ärger auch so leicht von mir abstreifen. War es nicht genug, dass das Imperium im Kampf gegen sich selbst lag, mußte jetzt auch noch ein Riss durch unsere Gens gehen?! (Was würde Livianus jetzt, an meiner Stelle tun?) Massa hakte das Thema ab, aber ich war noch längst nicht so weit.
    "Ja. Abwarten ist am besten." antwortete ich kurzangebunden. "Fortuna dreht das Rad zu schnell zur Zeit. Und einen Patron brauchst du doch sowieso erst für den Sprung vom Centurionat in die Militia Equestris."
    Das es mir immer noch nicht gelungen war, ihn zur Garde zu holen, das wurmte mich. Da hatten wir die besten Beziehungen zu Terentius und es nützte rein gar nichts. Ich würde weiter darauf drängen, wenn ich wieder in Rom war, und Seiana auch darauf ansetzen, dass... - Seiana.
    "Jolín! Es war doch nicht etwa Seiana, die das gesagt hat!" Aber wer sonst... bei irgendeiner entfernten Base würde Massa die Sache ja wohl kaum so tragisch nehmen. Nur, warum sollte sie so was sagen?
    "Was war überhaupt los? - Appius, ich bin überzeugt davon, dass dem ein Mißverständnis zugrunde liegt. Mein Vater hat immer die Linie vertreten, dass der hispanische und der griechische Zweig unserer Gens eng zusammengehören, und Meridius hat da auch nie irgendeinen Unterschied gemacht! Du kannst doch nicht wegen... wegen eines einzigen Zwists gleich der gesamten Familie den Rücken kehren!"
    Das brachte mich echt auf. Wild gestikulierend redete ich auf ihn ein, erhob mich halb, richtete die Hände in verzweifelter Geste mit den Handflächen gen Himmel.
    "Mala leche! Sei doch nicht so! Sei kein so verdammter ACHILLES!!"

    "Guten Morgen Theseus." grüßte ich, mit noch etwas verschlafener Stimme. Es war ein schönes Bild, wie die beiden durch den Morgendunst auf mich zukamen. Zwei Krieger, kraftstrotzend und barbarisch, durch den Zaum, den Rom ihnen angelegt hatte, auf den Weg geleitet, der ihre Fähigkeiten verfeinern und zu voller Blüte bringen würde. Ich freute mich schon wie ein kleiner Junge auf den Tag, an dem sie soweit sein würden um in der Arena aufzutreten.
    "War ganz interessant." Ich verbiss mir ein Schmunzeln bei seiner Frage, und um in den Augen dieses treuen, einfachen Mannes nicht wie ein Weichling zu wirken, antwortete ich lässig: "Den ein oder anderen. - Ich hoffe nur du hast in der Zwischenzeit niemanden erschlagen, nein?"
    Darauf nahm ich Ravdushara die Zügel eines großen Braunen aus der Hand und gab sie an Theseus weiter. Das Pferd, ein stämmiger Wallach, würde sein Gewicht verkraften. Auf Tertia hätte ich den Germanen nicht aufsitzen lassen.

    Das war das Schöne am Dienst bei der Garde: ich mußte mich nicht mehr mit schludrigen Meldungen, faulen Rekruten oder rostfleckigen Rüstungen herumärgern... die Deiotariana hatte mir in der Hinsicht viel abverlangt. Hier dagegen war alles tiptop. Wie dieser Optio.
    Ich musterte ihn einen Atemzug lang – er erinnerte mich, vom scharfen Schnitt seines Gesichtes her, ein bisschen an Lucullus.... meinen iunischen Kameraden, der damals vor Edessa gefallen war. Aber vielleicht bildete ich mir das auch bloß ein, aufgrund des Nomen gentile.
    "Setz dich, Optio." forderte ich ihn, mit einer kurzen Handbewegung zu dem Stuhl vor meinem Schreibtisch, auf.
    "Zunächst einmal, erstatte mir bitte Bericht über die Verhöre und Durchsuchungen, die du seit dem Tode Kaiser Valerians durchgeführt hast. Zu welchen Erkenntnissen bist du dadurch gekommen?"
    Natürlich gab es Berichte, aber gegenüber staubtrockenen Worten auf Papyrus bevorzugte ich die direkte Schilderung bei weitem.