Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Seine Stimme war jetzt ruhiger. Ich spürte seine Finger an meinen Schläfen, und blinzelte zu ihm hoch. Mein Unmut verflog unter der sachten Massage - er hatte es sicher nicht so gemeint, ich war nur zu empfindlich – doch meine Unruhe blieb. Ich nickte leicht. Er begann zu erzählen. Deine Familie, meine Familie... ich furchte die Stirn. Das war doch Blödsinn!
    Dann kam er auch ins Wasser. Ich zog die Beine an, um ihm Platz zu machen, und lauschte, zunehmend ungläubig seiner Erklärung.
    "Wer hat das behauptet?! Lucilla?! Aber... das muß ein Mißverständnis sein!" Tante Lucilla trug das Herz auf der Zunge und war bisweilen etwas bissig, da konnte man schon mal was falsch verstehen. "Appius, das ist doch Unsinn! Ich meine, entschuldige, ich verstehe dass du wütend und... mehr als wütend bist. Ich meine: Es ist Unsinn so was zu behaupten. Deine Familie, meine Familie! Es ist UNSERE Familie. Du gehörst zu uns! Du bist nicht 'nur ein Freund'! So ein Schwachsinn!!" Jetzt verstand ich den Zusammenhang. Empört darüber, dass jemand so etwas behaupten könnte, funkelte ich ihn an und erklärte: "Und du gehörst zu MIR!" Ich fing seine Hand und hielt sie in der meinen, verschränkte meine Finger mit den seinen.
    "Und überhaupt. Es ist nur ein paar Jahre her, da war ich auch Optio. Das hat doch nichts zu bedeuten."
    Dass es nicht mehr wie in der Wüste sein würde... ja, da hatte er leider recht. Zwar war es für mich schon seit meiner Verwundung und der darauf folgenden Schwäche nicht mehr wie früher... Aber ja, wir würden nie mehr so losgelöst sein vom Rest der Welt. Doch die Vertrautheit, die zwischen uns gewachsen war, die wollte ich um keinen Preis hergeben!

    ...verließ ich Rom durch die Porta Caelimontana. Am Zügel führte ich Tertia, Ravdushara folgte mir mit den anderen Pferden. Der Eber... das arme Schwein... lag berauscht und an Vorder- und Hinterläufen gefesselt quer über dem Packpferd verschnürt. Ich trug Zivil, Reitkleidung, hatte aber mein Gladius am Sattel und den Dolch am Gürtel. Es war noch kühl und dämmrig, leichte Nebelschleier hingen über den Wiesen. Die Karren, die des Nachts durch die Strassen rumpelten, fuhren jetzt aus der Stadt hinaus, oft mußten wir beiseite treten um sie passieren zu lassen.
    Es ging am Rande der Maecenasgärten entlang. In der Nähe des Turmes, da wo meine Leibwächter aus dem Ludus zu uns stoßen sollten, da warteten wir. Ich ließ Tertia neben der Strasse grasen. An den Stamm einer Steineiche gelehnt sah ich zum Himmel hoch, der sich langsam vom östlichen Rand her heller färbte.

    "Ich... verstehe nicht." sagte ich leise zu seinem Rücken. Die Bitterkeit seiner Worte hatte mich erschreckt. Was meinte er denn bloß – war es das zwischen uns? Das nie geklärte hin und her mäandern zwischen fröhlicher Kameradschaft, romantischen Mondscheinküssen und heißer Leidenschaft.... Und da war ja noch viel mehr. Litt er darunter, dass das so ungeklärt war? Er war mir so vertraut wie sonst kein anderer, aber im Augenblick verstand ich nicht was los war. Nur, dass er verletzt war. Und mich offensichtlich im Augenblick nicht um sich haben wollte. Geh ins Balneum. Aber was hatte ich ihm denn getan!?
    "Also, wenn du mir mal sagen würdest, worum es überhaupt geht..." begann ich, aber dann brach ich ab, es kränkte mich, mich mit seinem Rücken unterhalten zu müssen. Ich winkte ab, stieß schnaubend die Luft aus und machte kehrt, stapfte unleidlich ins Bad.
    Dort pfefferte ich meinen Überwurf auf den Boden, die Kleider und Schuhe dazu, nur meine Ledertasche und den Gürtel mit dem Dolch legte ich an den Beckenrand, so dass ich sie im Fall des Falles schnell greifen könnte. Das Wasser platschte als ich hineinstieg. Es war sehr angenehm, schön warm, klares Süßwasser, aber ich war zu angespannt, um das so richtig würdigen zu können. Mit einem großen Schwamm schrubbte ich mich, dann tauchte ich unter, rieb mir das verkrustete Salz aus den Haaren. Und schließlich streckte ich mich im Wasser aus, legte den Kopf gegen den Beckenrand zurück und schloß die Augen, wendete seine Worte in meinem Geist hin und her. - Wo blieb er denn? Was war nur los? Was lief hier schief?!

    Flavus' Begrüßung machte mich verlegen. “Übertreib mal nicht.“ wehrte ich lächelnd ab, und auch bei der Frage meiner Reise begnügte ich mich mit einem rätselhaften Lächeln.
    “Gut! Ich bin heilfroh wieder hier zu sein.“ Es war ein Jammer, dass ich nichts erzählen konnte! Anders als früher, wo ich meine exotischen Erlebnisse wie ein Wasserfall immer gleich allen mitgeteilt hatte. Dass er flüsterte, wunderte mich. “Ja natürlich, später dann.“ antwortete ich ganz normal.


    Varenus und seine Familie waren ausgesprochen höflich. Ich wollte schon entgegnen, dass es gar nicht mein Haus war, doch da ich nach Livianus' Rückzug ja nun der Hausherr war, konnte man wohl doch sagen, dass es meines war.
    “Mein Haus ist euer Haus.“
    Helvetia war sehr still, aber die Kinder um so lebhafter.Ich beugte mich zu dem vorwitzigen Kleinen und raunte ihm zu: “Viele, viele.... grimmige Barbaren, die gerne Roms Schätze rauben wollten. Mit solchen Bärten.“ Ich zog eine Grimasse für die räuberischen Barbaren, zeigte mit der Hand wie lang deren Bärte gewesen waren, und zwinkerte dem Kleinen zu.
    Das konnte ich mir denken, dass die Eltern der jungen Vestalin vor Stolz fast platzen mussten, sie hatten auch allen Grund dazu.
    “Ich freue mich schon darauf. Sie hat ja nun sicher sehr viel zu tun, zu lernen, und muss sich in der fremden Umgebung eingewöhnen.“
    Hoffentlich waren die älteren Vestalinnen nicht zu streng mit dem Mädchen, sie war doch noch so klein!


    Und da, wie eine Königin trat meine Schwester in den Raum. Ich wollte sie sogleich umarmen, und war etwas irritiert, dass sie zuerst alle anderen begrüßte – warum so förmlich, stimmte irgendwas nicht?
    “Selbstverständlich, fangt an.“ ermunterte ich Varenus, und ging auf Seiana zu.
    Da war ein Augenblick, wo wir uns einfach nur gegenüber standen. Ich strahlte sie an, und diese Hand auf meiner Wange, es war als würde sie die ganze Mühsal und Sorge einfach von mir abfallen lassen. Warum machte ich mir so viel Gedanken? Ich musste mich nicht alleine durchschlagen, und ich musste nicht alleine all diese schwierigen Entscheidungen treffen. Meine große Schwester war ja da.
    “Schwesterchen!“ Ohne Umstände zog ich sie in meine Arme, drückte sie liebevoll an mein Herz (aber nicht zu fest, ich trug ja noch den Harnisch). So hielt ich sie, mit den Armen umfangen, und wie jedes mal wenn wir uns so lange nicht gesehen hatten, fiel es mir anfangs wieder seltsam auf wie zierlich sie war.
    “Ich komm immer zurück.“ murmelte ich, dann küsste ich sie herzlich auf die Wange. “Du siehst fabelhaft aus. Wie geht es dir?!“
    Doch kaum hatte ich das gefragt, war mir bewusst, dass ich hier vor allen anderen wahrscheinlich keine ehrliche Antwort bekommen konnte, und so ging ich über meine eigene Frage hinweg.
    “Komm, setze dich erst mal...“ Ich strich ihr das Kissen zurecht und zog sie neben mich auf die Kline. Wohlgemerkt hatte ich mich auf dem Platz des Hausherrn niedergelassen. Ich legte Seiana die besten Leckerbissen auf den Teller, dann nahm ich sie, während wir da sassen, wieder geschwisterlich in den Arm.
    Silas stand schon bereit zum Einschenken. Niedlich wie ein Erot umrundete der kleine Sklave die Klinengruppe und füllte uns allen die Kelche mit einem guten Massiker.
    “Auf die Familie!“

    Den eigenen Weg gehen? Ich starrte nachdenklich vor mich hin. Ich hatte immer Livianus nachgeeifert, jedenfalls nach den Irrwegen meiner Adoleszenz, und jedenfalls so weit es mir möglich war. Ich wollte sein wie er.... erfolgreich, respektiert, großzügig, von allen geliebt. Und so war es ja auch der Brauch, dass die Söhne das Vermächtnis der Väter weitertrugen. Dies hier war das erste Mal, dass ich ihm nicht folgen wollte.
    Der Wandel in Massas Tonfall ließ mich aufsehen. Ich traf seinen Blick, in seinem Gesicht stand es wie mit großen Lettern geschrieben, dass ihn etwas quälte. Irritiert über den festen Griff um meine Schultern zog ich die Brauen zusammen. Es fühlte sich so an als wolle er mich damit auf Abstand halten, selbst wenn er dabei lächelnd vom Baden sprach.
    "Nichts lieber als das." sagte ich leise, während ich die Hand hob, sie langsam in seinem langen Haar vergrub. Liebkosend fuhr ich mit den Fingern hindurch, dann mit dem Handrücken über seine Wange. "Aber sag mir erst was los ist..."
    Ganz sachte strich mein Daumen über seine Lippen. Dieses angestrengte Lächeln, ich mochte es nicht, wollte es hinwegstreichen, ich wollte es verschwinden lassen, was auch immer darunter lag.

    Mein Versuch zu rekonstruieren, was eigentlich genau in Rom und Misenum geschehen war, während ich in Syrien dem Verrat nachgeschnüffelt hatte, schien aussichtslos. Schon seit dem frühen Morgen sprach ich mit verschiedenen Speculatoren, mit den anderen Tribunen, mit Centurionen, Carcerwärtern und Folterern... und obgleich alle mir ihre Version der Geschehnisse schilderten, obgleich alle der Wahrheit auf der Spur waren, obgleich das Verbrechen im Herzen unseres Reiches, im bestbewachten Raum überhaupt geschehen war, obgleich die Verließe überquollen von mehr oder weniger Schuldigen.... Ich blickte einfach nicht durch.
    Am Nachmittag, als mein Magen anfing zu knurren, ließ ich mir von meinem Burschen ein Fladenbrot mit Ziegenkäse und einen Becher Wein bringen, und stärkte mich, während ich weiter die Berichte auf meinem Tisch studierte. Irgendwann brannten meine Augen und ich verspürte einen gelinden Kopfschmerz. Leise seufzend stützte ich den Kopf in die Hände, massierte mir die Schläfen. Dann stand ich auf, ging zum Fenster, und blickte hinaus, auf Rom, da lag es, friedlich beschienen von den schrägen Strahlen der tiefstehenden Sonne. Eine Idylle, ein Schlangennest, ein Becken blutgieriger Muränen.
    Ziellos ging ich in meinem Officium herum, suchte das Wirrwarr meiner Gedanken zu bündeln und in eine Ordnung zu bringen. Ja, es hatte eine Verschwörung gegeben.... aber was war der Kern der Sache? Und, was mich schier wahnsinnig machte: konnte es wirklich und wahrhaftig sein, dass Aton, mein Aton (beziehungsweise ehemals mein Aton), seine patrizischen Finger in so einem Dreckhaufen drin hatte?!


    Vor einem Regal blieb ich stehen, darin stand noch alles mögliche Zeug meiner Vorgänger, und um mich einen Augenblick abzulenken begann ich auszusortieren. Altes Schreibzeug, eingetrocknete Tinte, staubiges Siegelwachs – weg damit. Ein flaches Holzkästchen mit verschiedenen Styli darin, nichts besonderes, ich wollte es schon wegtun als ich die an der Seite eingeritzten Buchstaben sah.
    LAA
    Ungläubig las ich sie erneut, dann lächelte ich, leise in mich hinein.
    Was ist das Geheimnis? hatte ich ihn gefragt, irgendwo auf dem Weg nach Dura in der Einöde von Staub und Sand. Gibt es ein Geheimnis? Und mir war als würde ich wieder seine ruhige Stimme hören, seine spröde Antwort: Ich selbst denke da eigentlich gar nicht so viel drüber nach. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen. Nur das zählt.
    Und auch, wie der Sand über den Boden geweht war, jede Spur ausgelöscht hatte, auch das stand mir wieder klar vor Augen.


    Ich wischte den Staub von dem Kästchen, kehrte zurück zum Schreibtisch und stellte es neben mich. Wie einen Talisman. Dann rief ich meinen Beneficiarius aus dem Vorzimmer zu mir.
    "Schick mir den nächsten. Den..." Ich blickte auf eine Wachstafel. "Optio Aulus Iunius Seneca."
    Die Tür blieb offen, und ich nahm mir wieder einen der Verhörberichte zur Hand, studierte ihn während ich auf den Optio wartete.

    “Flavus!“ rief ich freudig aus, ging auf ihn zu und schüttelte ihm, wenn auch mit links, kräftig die Hand, klopfte ihm auf die Schulter. Schick war er. Doch vom modischen Standpunkt aus hätte ich an seiner Stelle den Bart stehen lassen.... wobei ich ja leider modisch kaum noch auf dem neusten Stand war. Und nun da Valerianus tot war, waren Bärte vielleicht schon wieder aus der Mode gekommen, und man orientierte sich jetzt an seinem Nachfolger. Ob es bald zum guten Ton gehören würde, sich das Haupthaar zu scheren? Hoffentlich nicht.
    “Ganz ohne Bart? Wie geht es dir, bist du Roms noch nicht überdrüssig?“
    So viele unserer jungen Verwandten kamen voll Elan nach Rom, und verschwanden, kaum dass sie merkten, dass Gold und Ehren hier nicht auf der Straße lagen, sogleich wieder in der Provinz. Aber Flavus war wohl aus anderem Holz geschnitzt.


    Als nächstes begrüßte ich Varenus und seinen Clan.
    “Salvete! Varenus, ich freue mich sehr dass wir uns endlich mal wieder sehen!“ Breit lächelnd reichte ich meinem Vetter die Hand, auch bei ihm die Linke, mein rechter Arm war für einen kräftigen Händedruck noch immer nicht zu gebrauchen. Bisher kannte ich ihn eigentlich nur flüchtig, wie man sich eben auf Familienfeiern alle Jubeljahre mal kennenlernt, aber für meine Familie war ich grundsätzlich voll überschäumender Sympathie (vom anderen Flavus mal abgesehen), und sicher würden wir prächtig miteinander auskommen.
    “Helvetia, sei herzlich willkommen hier! Dein Glanz erhellt dieses Haus.“ Da hatte mein Vetter wirklich eine sehr dekorative und wohlgeborene Frau an seiner Seite. Sie schien allerdings alles andere als guter Stimmung zu sein. “Und eure Kinder... Bona Dea, sind die groß geworden!“ würdigte ich die ganze Rasselbande, auch wenn ich nicht mehr so sicher wußte wer denn nun wer war. Schön wieder mehr Kinder im Haus zu haben, als nur die beiden Sprößlinge von Magnus und Venusia (und die Sklavenkinder natürlich). “Habt ihr schon Sevillus und Secunda kennengelernt?“ wandte ich mich an die Kleinen. “Na, die werden sich über neue Spielgefährten freuen.“
    Und wieder zu den stolzen Eltern: “Ich habe ja große Dinge von Messalina gehört. Was für eine Ehre für unsere Gens!“
    Die Familie meines Vetters war ihm ganz fabelhaft geraten. Schön, zum einen, zum anderen fühlte ich mich mit meinem Jungesellenleben dadurch ein bisschen... verqueer.

    Das 'Versagen der Prätorianer', das klang in meinen Ohren unangenehm nach. Wenn selbst Massa das mir gegenüber so unbefangen äusserte, was sagte dann wohl der Mann von der Strasse? Aber es war ja auch nicht gerade glorreich. Schon beim Tode Iulianus hatten wir (von der Prima) über die Garde hergezogen, die ihn nicht vor dem Speer hatte beschirmen können. Und jetzt hatten sie (beziehungsweise wir) Valerianus nicht vor dem Gift beschützen können. Auf eine klammheimliche Weise war ich froh, zu der Zeit in Syrien gewesen zu sein – ich konnte meine Hände in Unschuld waschen.
    So versunken in unsere Überlegungen war ich, dass ich den Wein in großen Schlucken trank, ohne wirklich hinzuschmecken. Das war eigentlich gar nicht meine Art. Massa fasste die Lage zusammen. Ich nickte leicht. Dann war da sein Arm um meine Schultern. Ach... Ich lehnte mich ein bisschen an ihn, legte den Kopf zurück, so dass ich seinen Arm fest in meinem Nacken spüren konnte.
    Was wenn dann?
    "Du mußt Octavius auf die richtige Seite bringen. Er ist doch ein aufrechter Mann, und er hält große Stücke auf uns. Versuch ihn zu überzeugen.... Dass er sich wenigstens nicht dem Cornelier anschließt." Ich schnaubte empört. "Weißt du was der macht?! Der zieht Legionen von der Ostgrenze ab, um sich den Kaiserthron zu schnappen. Die Parther werden sich freuen! ..."
    Und was wenn Massas Befürchtungen wahr werden?
    "Aber... falls es wirklich dazu kommen sollte.... die unsterblichen Götter mögen es verhindern! Also falls.... Wir sind Soldaten, und wir müssen eben tun was der Kommandant sagt."
    Dass es galt zu gehorchen, wie sehr auch immer einem das gegen den Strich, gegen das Gewissen, gegen das eigene Urteil gehen mochte, wie sehr es einem auch den Magen umdrehen mochte, das hatte ich in Parthien gelernt. Als die verwundeten Feinde abgestochen wurden, zum Beispiel. Oder beim "Requirieren". Oder wenn wir Vergeltung dafür übten, dass man sich uns wiedersetzte. Wie in Circesium. Diese Lehren würde ich nie vergessen.


    Ich wollte mich tiefer in Massas Arm hineinlehnen, mich zurückziehen vor der nackten Grausamkeit der Welt. Aber sein Arm war schon wieder verschwunden, und er blickte traurig aufs Meer. Nur ein Freund. Meinte er uns?
    "Was hast du?"
    Ich stellte meinen Becher neben den seinen und blickte ihn mit schräggelegtem Kopf an. Wie er sich weit weg von allem Ärger wünschte.
    "Das wäre schön." Ich hätte ihn aber doch am liebsten in Rom.
    "Mir geht's gut. Hab gerade eine scheußliche Erkältung überstanden und jetzt.. ja, jetzt geht's mir wieder ganz gut. Ich mach mir halt Gedanken. Ich frag mich immer was mein Vater wohl tun würde. Aber er ist so weit weg, hat sich aus Protest aus dem öffentlichen Leben ganz zurückgezogen. Wahrscheinlich hat er recht. Sicher hat er recht. Für sich. Aber das ist doch keine Option für uns! Oder?"
    Ich zuckte die Schultern und lachte abwehrend, blickte Massa hilfesuchend an.
    "Ich meine, wir sind Römer."

    Ein langer Parcours, ein höfliches Klopfen, dann betrat ich die Amtsstube.
    "Salve. Gardetribun Decimus Serapio, hier um dem Imperator Bericht zu erstatten."
    Eine ganze Menge Gestalten antechambrierten hier, und manche sahen so aus als würden sie schon Moos ansetzen, darum fügte ich mit wichtiger Miene hinzu:
    "Ich habe bedeutsame Informationen und bitte dringend um Audienz."

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    Flankiert von den Mannen meiner Eskorte, gerüstet in schwarz, umgeben von dem Nimbus militärischer Gewalt marschierte ich durch die Stadt und genoß es nach den Monaten des Incognito, des Um-keinen-Preis-auffallens, endlich wieder wer zu sein.
    Die Gardisten am Tor ließen mich ein, doch dann gab es noch die ein oder andere Hürde zu überwinden. Der neue Imperator legte offenbar viel Wert auf Sicherheit.
    Kein Wunder.
    In den Geschichten, da kamen die Prätorianer immer durch irgenwelche geheimen Gänge und Freskentüren direkt zum Kaiser. Pustekuchen. Ich landete erst einmal beim Procurator a libellis.

    "Du bist ein Schlitzohr!" lachte ich, auf seine Erklärung hin. "Das hier ist einfach furiós, das perfekte Refugium!"
    So hatte Massa wenigstens doch noch etwas von seinem seltsamen Onkel, der uns ansonsten vor allem Schande gemacht hatte. Aber bei der Wahl dieses Grundstückes, da hatte Verus Geschmack bewiesen, das mußte man ihm lassen.
    Und ein Schiff - wie nobel! "Nimmst du mich mal mit?" scherzte ich beeindruckt.
    Den Weinbecher in der Hand, aber noch nicht trinkend, betrachtete ich ein Gemälde von Diskuswerfern, deren nackte muskulöse Gestalten sehr... ausdrucksstark dargestellt waren. Es vermochte mich jedoch nicht von der realen muskulösen Gestalt in meiner Nähe abzulenken, derer ich mir, auch wenn ich ganz woanders hinsah, mit extremer Intensität bewußt war.


    Ein kühler Luftzug ging durch den Raum, und ein leichtes Frösteln durchlief mich, ob deshalb, oder weil Massa nun von dem Thema sprach, das wie ein Damoklesschwert über allem hing.
    "Ich kann dir sagen wo ich stehe." Alle Leichtigkeit war verschwunden. Ich hielt nichts von denen die abwarteten, die es feige vermieden Stellung zu beziehen, und ich hätte nicht gedacht dass Octavius so einer war.
    "Vescularius ist der rechtmäßige Kaiser. Valerianus hat ihn zu seinem Nachfolger bestimmt, der Senat hat ihn anerkannt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wer sich gegen ihn stellt ist ein Verräter." Die Worte klangen harsch, und ein bisschen so als ob ich mich selbst überzeugen wolle. Ich schluckte. "Mag sein, dass... also diese Listen, die Proskription... das da möglicherweise ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen wird... und nicht alle darauf wirklich schuldig sind, aber..."
    Wieder dicht an Massa herantretend, sprach ich unwillkürlich etwas leiser. "...aber es gab diese Verschwörung. Der Consular Tiberius hatte eine dubiose Verbindung zum syrischen Statthalter, soviel weiß ich sicher. Der Kaiser wird ermordet, der Consular richtet sich selbst, und in Syrien bricht der Aufstand los."
    Das war doch kein Zufall!
    "Wisst ihr hier in Misenum denn mehr über die ruchlose Tat?"

    Ohne eine Miene zu verziehen sackte der Soldat das Geld ein.
    "Ist sauber." deklarierte er den Besucher, und ließ ihn durch das Tor treten. "Soll zu Plennius."
    Ein anderer Prätorianer übernahm es, Varenus durch die Palastanlagen bis zu den Amtsstuben der kaiserlichen Finanzabteilung zu geleiten. Dort lieferte er ihn im Vorzimmer des Procurator a rationibus ab, und wartete draussen, um ihn später auch wieder hinaus zu begleiten.






    Sim-Off:

    Auf das Konto der Cohortes Praetoriae bitte. :D

    Am Abend des Tages, an dem ich von meiner Syrien-Mission zurückgekehrt war, gab ich eine kleine Cena für die Familie. Die Sklaven hatten allen Bescheid gesagt (hoffte ich jedenfalls), und Candace hatte in kürzester Zeit mal wieder etwas gezaubert. Ich war den ganzen Tag unterwegs gewesen, und kam nun direkt von der Castra nach Hause. Müde war ich, aber voll Vorfreude darauf alle wiederzusehen, ganz besonders Seiana! Ob sie schon da war? Ich hoffte ja so sehr, dass sie mit ihrer Ehe glücklich... naja, sagen wir zufrieden war.
    Ohne mir die Zeit zu nehmen, meine Rüstung loszuwerden, trat ich, ein breites Lächeln auf den Lippen, ins Triclinium. Es war von Bienenwachskerzen in großen Candelabern behaglich erleuchtet, und große Frühlingsblumensträuße schmückten die Tische. Die Vorspeisen standen schon bereit, auf blanken Silberplatten, und von der Küche her zog ein wunderbarer Duft nach gegrilltem Fisch.

    In schönster Garderüstung trat ich in das Vorzimmer und grüßte den Scriba.
    “Salve. Gardetribun Decimus Serapio, hier um dem Prä... -“ Verdammt. “Hier, um dem Imperator Bericht zu erstatten.“
    Dem Imperator Vescularius Salinator. Dass ich gemischte Gefühle hatte – wenn wundert's. Die Dinge hatten sich rasant verändert. Aber die gemischten Gefühle eines Soldaten waren nun mal nicht von Belang. Seine Pflicht zu tun, das zählte.

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    Massas Gelassenheit vertrieb meine argwöhnischen Spekulationen fürs erste. Ich folgte ihm in die aparte Casa, und sogleich umfing mich eine Atmosphäre von ausgewogener Harmonie. Es war ungeheuer wohltuend, ganz besonders, da ich die letzten zwei Wochen auf der Pelagia in alles anderer als stilvoller Umgebung verbracht hatte. Massa benahm sich wie zu Hause – was mich gründlich verwirrte, bis ich begriff: er war zu Hause.
    “BONA DEA!“ Begeistert folgte ich ihm an die Türe zum Hortus, blickte auf das dämmerblaue Meer, den letzten Schimmer am Horizont, die schwarzen Silhouetten der Schiffe. Fühlte die Meeresbrise im Gesicht.
    “Massa, das ist ja...“ Ich war sprachlos. Und ein warmes Bad, das war nun wirklich der Gipfel des Luxus für mich. “... das ist ein Traum!“
    Ungläubig lächelnd fand ich mich in seiner Umarmung wieder. Ich legte die Arme um ihn und drückte ihn an mich. “Appius.“ murmelte ich überwältigt. “Ach du. Ich hab dich schrecklich vermisst.“
    Meine Wange an seiner, die bärtiger war als beim letzten Mal, seine schönen Locken vor meinem Gesicht. Ich atmete tief ein, rieb meine Wange an seiner, streifte sie mit den Lippen. Wünsche wurden wach, doch zugleich... zugleich kamen auch die Bedenken wieder. Was zwischen uns gelaufen war, konnte ich bei nüchterner Betrachtung nicht gut heißen. Bei. Nüchterner. Betrachtung.
    Langsam löste ich mich von ihm, lächelte ein wenig verlegen, dann ging ich herum und besah mir wieder die Aussicht, den Garten, und die Gemälde, eines nach dem anderen.
    “Wie bist du an dieses fabulöse Anwesen gekommen?!“

    Das Klimpern der Münzen war die Sprache die der Miles verstand. Und da er hier am Tor des Kaiserpalastes stand, konnte es ruhig etwas mehr sein. Er guckte weiterhin kritisch, erst bei 40 gab er durch ein leichtes Nicken zu verstehen dass man sich einig sei. Einen einträglichen Posten hatte er, oh ja.
    “Ich werde mal sehen was sich da machen lässt. Zuerst muß ich dich natürlich durchsuchen.“
    Er bedeutete dem Decimus näher zu treten, und vergewisserte sich in aller Seelenruhe, dass er keine Waffen bei sich trug. Wobei er ihm Gelegenheit gab, das Schmiergeld unauffällig weiterzureichen. Der Miles hätte es nämlich ungern mit seinem Optio geteilt.



    “Ach,“ meinte ich amüsiert, die Schultern zuckend, “ich bin ein genügsamer Mensch, Optio, ich nehme was ich kriegen kann.“ Und bei den letzten Worten brach das Grinsen sich dann doch Bahn.
    Aber dass der Präfekt nicht zu sprechen war... und dass Massa mich gleich wieder aus dem Stützpunkt herausführte.... das machte mich misstrauisch. Nach den letzten Monaten neigte ich eben dazu.
    Erklärung eins: Es war wahr, Octavius war gerade unabkömmlich.
    Erklärung zwei: Er nahm es mir noch immer übel, dass ich Massa gegen das Patronat geraten hatte, und wollte mich deshalb nicht empfangen.
    Erklärung drei: Er hatte sich der Rebellion angeschlossen, und wollte keinen Spion im Lager... und aus Rücksicht auf unsere Verbundenheit setzte er mich diskret vor die Türe, anstatt mich in seinen Carcer zu werfen.
    Erklärung vier: Octavius wollte mich trotz der alten Zeiten festsetzen, und Massa versuchte gerade, mich außer Gefahr zu bringen.
    Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, hierher zu kommen.


    Erklärung fünf: Octavius hatte wirklich keine Zeit, und: Massa wollte mit mir alleine sein.
    Die gefiel mir am besten. Aber da war doch eine gewisse Anspannung, auch wenn ich weiter federnd neben Massa einherschritt.
    “Dann gebe ich mich vertrauensvoll in deine Hände, Optio.“ scherzte ich nicht wirklich locker, und vergewisserte mich mit einem beiläufigen Rundblick, dass uns keiner gefolgt war. “Was für eine herrliche Aussicht. Wo gehen wir hin?“

    Zitat

    Original von Titus Decimus Varenus
    Anscheinend hatte die Wache keine Lust auf Titus zu reagieren. Daher dachte er sich, dass er sich doch in Rom befinde, und eines war ganz sicher, Sesterzen waren auch hier, ein Weg sich Türen öffnen zu lassen. Somit griff er zu seinem Geldbeutel, nahm ihn in die rechte Hand, dann mit dem Daumen und dem Zeigefinger umgriff er die Schlaufen und schaukelte den Beutel hin und her. Als würde er dem Prätorianer einige Sesterzen anbieten wollen, um dann hereingelassen zu werden.


    Er räusperte sich. *hust*


    “Hast du einen Termin?“ erwiderte der Angesprochene, dem Besucher eher widerwillig seine Aufmerksamkeit schenkend. Die Geste zum Geldbeutel allerdings, die schien ihn doch ein wenig zu beleben. “Ohne Termin wird das schwierig.“ stellte er fest, die Augen auf Varenus' Börse. “Zur Zeit sind sie ja alle so beschäftigt in der Finanzabteilung.“