Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zitat

    Original von Cnaeus Fabius Torquatus
    Wenige Tage nach dem Gespräch mit Purgitius Macer, machte sich Cnaeus in Richtung Palatium Augusti auf, um bei der kaiserlichen Administration vorstellig zu werden und eine Anstellung als Primicerius zu erbitten. Eigentlich hatte sich der Fabier darauf eingestellt, Fuß als Offizier im Militär zu fassen. Die aktuelle Situation, sein fehlendes Ansehen und seine bescheidene Liquidität machten dieser Planung allerdings einen Strich durch die Rechnung. Da Cnaeus sich nichts schlimmeres vorstellen konnte, als weiterhin auf der Stelle zu treten, sah er keinen anderen Ausweg als einige Etagen tiefer einzusteigen. Entschlossen heute den ersten Schritt in die richtige Richtung zu tun, positionierte sich der Fabier vor den Palastwachen. "Salve, Miles. Ich bin Cnaeus Fabius Torquatus und möchte gerne bei einem der Procuratoren vorstellig werden, um eine Anstellung zu ersuchen."


    Es dauerte lange Zeit, bis die Wächter sich dem Fabier zuwandten, doch schließlich wurde das Ausharren belohnt. Zuerst mit der obligatorischen Durchsuchung, dann führte einer der Gardisten ihn in die Räume der kaiserlichen Kanzlei und meldete ihn im Vorzimmer des Procurator a libellis an.


    Damit der Besucher sich nicht 'verlief', würde der Prätorianer ihn von dort aus später auch wieder hinaus eskortieren.


    Was so ein kleines Metallding doch ausmachen konnte. Hoch erhobenen Hauptes sah ich dem davon eilenden Miles nach. Und alsbald nahte eine vertraute Gestalt. Ich schwang mich vom Pferd und blickte ihm entgegen, mit ziemlich beherrschter Miene aber einem nicht zu beherrschenden Leuchten in den Augen. Seine Überraschung bereitete mir Vergnügen, seine unter der Korrektheit durchschimmernde Freude spiegelte sich in der meinen.
    “Ich danke dir, Optio.“ erwiderte ich ebenso förmlich. Die Zügel meines ausgeliehenen Pferdes drückte ich dem nächstbesten Miles in die Hand, und folgte Massa ins Innere des Kastells. Dabei musste ich an mich halten, ihn nicht unziemlich anzustarren. Es war so schön ihn wiederzusehen! Sonnengebräunt, das Haar noch etwas länger, und erfüllt von so einer... mühelosen Selbstsicherheit. Er sah ganz furios aus!
    “Ich bin auf der Durchreise“ begann ich, während wir nebeneinander die Lagerstraße entlang schritten. Noch immer förmlich, es waren ja jede Menge Soldaten unterwegs. “Und bitte um Obdach für heute Nacht.“ Wobei ich mir schon wieder ein Grinsen verbeißen musste.

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    Nach meiner Rückkehr aus Syrien nahm ich mir nur die Zeit, den struppigen Reisenden wieder in einen ordentlichen Tribun zu verwandeln, dann begab ich mich stante pede zu Terentius. Ich erstattete ihm Bericht über meine Mission, wobei ich mich ganz auf die Fakten, die ich da zusammengetragen hatte, konzentrierte. Dass es am Ende in Antiochia ziemlich drunter und drüber gegangen war... das tat ja nichts zur Sache.

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    Nachdem ich mich rasch im Balneum frischgemacht hatte, und meine grobe Tunika gegen eine standesgemäße Equestunika aus herrlich weichem Linnen gewechselt hatte, fand ich mich in der Culina ein. Ich begrüßte Candace und ihre Küchenmannschaft, und ließ mich auf der Eckbank nahe am Herdfeuer nieder. Meine Ledertasche hatte ich die ganze Zeit bei mir. Endymion, ebenfalls frischgewaschen und sauber gekleidet, setzte sich dazu. Ich mußte mich nun wirklich entscheiden, was ich mit ihm anstellen sollte...
    Die Köchin servierte Brot und Käse, schwarze Knoblaucholiven und geräucherten Fisch mit Kräutertunke. Dazu tranken wir einen bodenständigen Sagunter.
    “Candace,“ wandte ich mich an sie, “für heute abend möchte ich eine schöne Cena familiaris. Ich weiß es ist ein bisschen kurzfristig, aber... kriegst du das hin?“
    “Natürlich!“ schnaubte sie. Ich unterdrückte ein Schmunzeln und schob mir schnell ein Stück Käse in den Mund.


    [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/4826/endymion.jpg]Endymion


    “Was ist denn nun mit meinem Geld? Als du gesagt hast 'komm mit', da dachte ich nicht, dass du mich gleich mit nach Rom verschleppst!“
    “Du hättest in Zypern schon aussteigen können, Dulcis“, maulte ich zurück. “Keine Bange, du bekommst es, und dann kannst du machen was immer du willst.“
    “Wann?“
    “In den nächsten Tagen. Solange, genieße die Annehmlichkeiten dieses Domus, und bleib ein Philosoph dabei.“


    Ich hätte mich ja gerne noch ein wenig ausgeruht, aber die Pflicht rief. Ohne zu säumen leerte ich meinen Becher, vertraute den Syrer Candaces Obhut an und begab mich in Tablinum, rief Rhea und Orosius zu mir. Von ihnen ließ ich mich über die momentane Lage im Haus und in der Stadt in Kenntnis setzen. Darauf sandte ich eine Botschaft an meine Schwester, und bat Rhea alle Familienmitglieder zur Cena zu laden.
    Dann warf ich mich in meine schwarze Rüstung (mit Sidonius' Hilfe, Ravdushara war ja nicht da, und ich muß sagen, ich vermisste meinen vielseitigen Nabatäer), schnürte meine Calcei, ließ mir ein Pferd satteln und machte mich auf den Weg zur Castra.

    Ein weiter, weiter Weg lag hinter mir. Nach meiner überstürzten Abreise aus Syrien hatte die Pelagia mich quer durch das Imperium getragen. Es war keine Zeit zu verlieren. Auch in Misenum hatte ich nur eine Nacht lang verweilt. Und so war ich in Gedanken gar nicht so sehr beim Heimkommen, sondern schon bei meinen nächsten Schritten, als ich auf die vertraute Türschwelle trat und klopfte. Ich war in staubiger Reisekleidung, hatte nur eine Ledertasche bei mir... und natürlich Endymion. Meinen Gläubiger.
    Ephialtes öffnete. Er machte eine gute Figur an der Porta, und ich dachte bei mir, dass die Entscheidung Marcus in den Ruhestand zu schicken richtig gewesen war.
    “Dominus! Salve! Willkommen zurück.“
    “Salve Ephialtes.“ Ich trat ein und reichte ihm meine Lacerna. “Was gibt es neues?“
    “Es geht allen gut Herr. Dominus Decimus Varenus ist vor kurzem mit seiner Familie aus Genua zu uns gekommen. Und der junge Herr Decimus Catus aus Achaia lebt jetzt ebenfalls hier.“
    “Und... meine Schwester?“
    Jedesmal wenn ich nach so langer Zeit nach Hause kam, fürchtete ich, ich würde sie nicht mehr vorfinden... dass sie verschwunden sein könnte, so wie der Rest unserer engen Familie, die uns einer nach dem anderen verlassen hatten.
    “Sie kommt regelmäßig vorbei und sieht nach dem Rechten. Aber im Moment ist sie nicht da.“
    Ich nickte erleichtert und lächelte Ephialtes zu. “Danke. Das hier ist Endymion, er wird...“
    Ich zögerte. Am liebsten wäre ich ihn gleich wieder los geworden. Endymion hob fragend die Augenbrauen.
    “...für kurze Zeit mein Gast sein.“ schloß ich. “Ephialtes, sag bitte in der Küche bescheid, dass sie uns schnell was zu Essen machen, ich hab einen Bärenhunger und muß gleich wieder los.“
    Mit diesen Worten trat ich, gefolgt von Endymion, in die Fauces.
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    Als die Sonne rot im Meer versank, erreichte ich das Haupttor. Ich war zum ersten Mal hier, und staunte beim Anblick des Kriegshafens. Schon aus der Ferne sehr imposant. Und, was mir an ihm ganz besonders gefiel: groß. Viel größer als der von Seleukia.
    “Salvete Milites. Gardetribun Decimus Serapio. Meldet bitte meine Ankunft dem Praefectus Classis. Und ausserdem seinem Adjutanten, dem Optio Decimus Massa.“
    Nach der langen Reise war ich ein wenig verwildert, zudem trug ich schlichtes Zivil und hatte auch keinerlei Eskorte. Ich dachte mir, dass das die Torwächter bestimmt verwirrte, darum, und um Verzögerungen zu vermeiden, zeigte ich ihnen meine Tessera militare vor.
    Mal ganz abgesehen davon, dass die Zeiten schlecht waren und der Bürgerkrieg vor der Tür stand - die Aussicht, Massa hoffentlich gleich wiederzusehen beflügelte mich. Ich ertappte mich dabei wie ich leise in mich hineinlächelte, und mir dachte, dass ich mir eigentlich doch lieber die Zeit hätte nehmen sollen, eine Therme und einen Tonsor aufzusuchen, und mir eine elegantere Tunika als diese hier zuzulegen.

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    Endlich erreichten wir Italia. Dank der kräftigen Ruderer hatte die Überfahrt der Pelagia zwar nicht all zulange gedauert, doch ich war des Reisens, des Meeres und der Gesellschaft mehr als überdrüssig. Durch meinen Sturz in den Orontes hatte ich mir einen scheußlichen Schnupfen und Husten zugezogen. In den ersten Tagen verließ ich kaum meine Koje. Und dazu kamen dann die schlechten Träume... meistens der von dem Garten. Immer wieder! Immer dieser bescheuerte Albtraum, der mich schon seit so vielen Jahren heimsuchte. Der Garten, in den ich mich geflüchtet hatte, dieser vollkommen verdorrte Garten, die flirrende Hitze, und dann der dunkle Schacht, und das etwas was dort unten war. Es ängstigte mich zu Tode. Immer wieder dieser Traum.
    Als meine Gesundheit sich gebessert hatte, versuchte ich mich mit Endymion ein wenig abzulenken und zu zerstreuen, nur um feststellen zu müssen, dass das leidige alte Problem in keinster Weise besser geworden war. Und der Sklave, der seinen Charme anscheinend in Antiochia zurückgelassen hatte, reagierte nicht gerade zartfühlend. Es war alles ausgesprochen frustrierend.
    In jedem Hafen den wir anliefen, hingen die Proskriptionslisten mit Atons Namen darauf. Ich konnte das nicht glauben, dass er wirklich..... Aber was wusste ich schon?
    ...Doch du hieltest ihm nur vor / Einen Spiegel: blanke Räume,
    Leer. Die hat er angefüllt / Mit der Wünsche Irrlichtbild.
    Wie soll ich dich nennen? / Lieben heißt nicht kennen.

    Wahrscheinlich lief es wieder mal darauf hinaus.


    Aber jetzt: Misenum. Die Pelagia legte im äußeren Hafen an, um dort geschützt die Nacht über zu bleiben. Ich ging unter falschem Namen an Land, und begab mich zum örtlichen Gardestützpunkt. Bei den verworrenen und schnell wandelbaren Verhältnissen, die zur Zeit herrschten, brauchte ich erst einmal ein paar grundlegende Informationen. Es war gut zu hören, dass noch immer Octavius Flottenkommandant über die Classis war. Auf schnellstem Wege begab ich mich zur Classis Misenensis.

    Hastig folgte ich Endymion tiefer in den Schatten der Decksaufbauten. In einer Nische zwischen einem Haufen Segeltuch und einer Topfpalme verharrten wir geduckt.
    "Bist du verletzt?" flüsterte er.
    Ich schüttelte den Kopf. "Und du?"
    Grimmig bejahte er, zeigte mir seine Wade. Ein ganz dünnes Rinnsal von Blut tropfte von der Streifwunde auf die Planken. Er band sich einen Fetzen Stoff darum. "Diese Schweine wollten mich umbringen!"
    Ich glaubte zwar eher, dass er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, doch es lag mir fern ihm zu widersprechen.
    "Da siehst du mal wie furios wertvoll du diesen Leuten bist! Aber du wirst es überleben."
    "Die haben mich gezwungen... Ich hab sogar noch versucht dich zu warnen."
    "Mhm."
    Jetzt, da die allerunmittelbarste Gefahr vorüber war, fühlte ich mich mit einem Mal ungeheuer zittrig. Ich fror bis auf die Knochen, und ich hoffte, dass der Frumentarius, der doch auch nur ein Soldat war der seine Pflicht tat, nicht schwer verletzt war.
    "Wenn ich wieder zu Hause bin," sagte ich leise zu mir selbst, "dann errichte ich Fortuna einen wunderschönen Schrein."
    "Und... was ist jetzt mit meinem Geld?"
    "Bekommst du. Aber du musst erst mal mitkommen." Sarkastisch blickte ich an mir runter. "Hab gerade nicht so viel bei mir."
    Zwar waren in meinem Gürtel noch ein paar Aurei eingenäht, aber die waren für die Heimreise, und sowieso hätten sie für Endymion nicht gereicht. (Soviel Schulden wie heute Nacht hatte ich noch nie gemacht. Glücksspiel ist nichts dagegen.)
    "Mitkommen wohin?"
    "Komm einfach mit."
    Ich schlang die Arme um mich, lehnte mich zurück, und lauschte zerstreut den Stimmen der Schauspieler.


    Alter Herr: "Sie, die Hexe, die Giftmischerin!"
    Sklave: "Wie allerliebst, elegant und nach allerneuster Mode war sie gekleidet. Herausgeputzt und goldgeschmückt!"
    Alter Herr: "Was hatte sie an? Ein Königskleid? Ein Bettelkleid?"
    Sklave: "Ein Regenwasserbeckenkleid – solche Namen geben die den Kleidern."
    Alter Herr: "Was? Wie kann man ein Wasserbecken anziehen?"
    Sklave: Was ist da verwunderlich? Viele laufen ja durch die Straßen, mit ganzen Ländereien geschmückt. Wenn aber eine Steuer auferlegt ist, heißt's, man kann nicht zahlen; denen aber, denen man die weitaus größeren Steuer zahlt, denen kann man zahlen. Ah, das Pack, das sich für die Kleider Jahr für Jahr neue Namen ausdenkt: Glattschurkleid, Flaumwollkleid, Glanzleinenkleid, Unterröckchenkleid, Goldbortenkleid, Ringelblumen- oder Krokuskleid. Da gibt's ein Mini- oder Maxi-Unterkleid, ein Kopftuchkleid, ein Prachtkleid, Exotikkleid, Meerblaukleid, Federflaumkleid, Nußbraunkleid, ein Wachsgelbkleid – was das für Possen sind! Sogar dem Hund stehlen sie noch den Namen.
    Alter Herr: "Wie das?"
    Sklave: "Sie nennen's Windhundkleid."


    Ein Krokuskleid... was für eine aparte Idee. Das Stück nahm seinen Lauf, ging gut aus, und das Schiff legte bald darauf an einem Bootssteg vor einer schicken Landvilla an. Wir warteten bis die Gäste, lachend und manche auch schon schwankend, von Bord gegangen waren, dann schlichen mein "treuer Gefährte" und ich an Land.
    Der Rest der Nacht war ein Gewaltakt. Wir schlugen uns durch die Felder in Richtung der Strasse nach Seleukia durch. Endymion jammerte immerzu über seine ach so schwere Verwundung, bis ich ihm unwirsch über den Mund fuhr. In eisigem Schweigen erreichten wir schließlich eine Herberge, wo ich dem Wirt für einem völlig überzogenen Preis zwei Gäule abkaufte. Wir ritten die Nacht durch, ich hatte eine stinkende Pferdedecke eng um mich gezogen und glaubte bei jedem Laut meine Verfolger zu hören.
    Im Morgengrauen, kurz vor Seleukia, bogen wir von der Strasse ab, stießen wieder auf die Küstenlinie, und folgten einem Ziegenpfad, der sich von Zistrosen und Macchia umwuchert an der zerklüfteten Küste entlangschlängelte. Endlich erreichten wir die kleine Bucht, in der die Pelagia auf mich warten sollte. Erschöpft und überwach zugleich hielt ich Ausschau nach dem Schiff, und wie unendlich erleichtert war ich, als ich die Liburne wirklich dort vor Anker liegen sah. Sie ließen ein Boot zu Wasser und holten uns rüber (die Gäule ließen wir ohne Zaum zurück), und nachdem ich dem Kapitän klargemacht hatte dass keine Zeit zu verlieren war, ging es los. Die Ruder hoben und senkten sich, tauchten synchron in das azurblaugrüne Wasser, und die Pelagia stach in See, machte sich auf die weite Reise über das Mare Nostrum nach Italia. Als die Sonne im Zenit stand, lag die syrische Küste schon weit achtern.

    Wo war oben, wo war unten... Um mich herum war alles schwarz, und eine starke Strömung ergriff mich, zog mich mit sich. Benommen schlug ich gegen den weichen Widerstand des Wassers um mich, berührte schlammigen Grund, stiess mich ab, und war mit einem Mal wieder an der Oberfläche. Prustend und spuckend trat ich Wasser, und versuchte mich verworren zu orientieren, nun da es wieder ein oben und ein unten gab... oben die Sterne: Orion auf der Jagd, mit dem großen und dem kleinen Hund an seiner Seite... unten das Wasser. Kalt war es. Meine Tunika waberte um mich herum, aber da sie ja glücklicherweise aus Seide war wurde sie auch vollgesogen kaum schwerer. Am Ufer die Häuser, die roten Lampen des Rosengarten schon ziemlich weit weg... und davor die Umrisse von Soldaten, mit Blendlaternen liefen sie am Ufer entlang... die suchten nach mir.
    Zurück ans Ufer? Wohl kaum.... Auf die andere Seite? Es war weit... zu weit für mich Invaliden. Alles was ich tun konnte war, mich inmitten des breiten Stroms an der Oberfläche zu halten, während der Sog mich kraftvoll mitriss. Der Orontes hieß nicht ohne Grund "der Unbezähmbare", aus zwei Gebirgen speisten ihn die Flüsse, und zur Zeit führte er Hochwasser. Warum nur mußte ich jetzt an die traurige Hibernierin denken, ich dazumal aus dem Tiber gefischt hatte... halbtot war sie schon gewesen. Und warum erinnerte ich mich gerade so allzudeutlich an einen gewissen Jüngling, der sich in adoleszentem Weltschmerz um ein Haar von der Pons Cestius gestürzt hätte.... Es wäre zu dumm, hier zu ertrinken, ich hatte noch so viel vor, und was würde Seiana tun ohne mich, meine liebe Schwester, die so ungemein stark war und mich doch trotzdem genauso sehr brauchte wie ich sie... Und Aton! Ihn nie mehr wiederzusehen, das könnte ich nicht ertragen! Und sei es nur, um ihm ein für alle mal zu sagen, dass er ein niederträchtiger Schuft war, den ich nie mehr wiedersehen wollte.
    Eine Welle drückte mich unter Wasser, energisch kämpfte mich wieder hoch. Und wieder geschah es, und wieder, und meine Kräfte schwanden.


    "Epidicus!" vernahm ich da eine Stimme ganz in meiner Nähe. Und eine andere antwortete klar und deutlich:
    "Wer ruft hier nach Epidicus?"
    Bona Dea, wer sprach da?
    "Ich bin es, ich, Periphanes."
    Es war ein Schiff! Eine große Luxusbarke. Mit Girlanden und Laternen behängt glitt sie behände stromabwärts. Von dort erklangen die Stimmen, volltönend trugen sie über das Wasser. Mit letzter Kraft paddelte ich darauf zu. Mein lädierter Arm schmerzte wie verrückt, und die Bugwellen warfen mich zurück. Der große Rumpf glitt viel zu schnell an mir vorbei, ich streckte mich, suchte verzweifelt mit der Linken die rettenden Planken zu erhaschen... als eine Hand sich fest um die meine schloss. Jemand zog mich heran, und half mir, mich über die niedrige Bordwand zu hieven. Erschöpft sank ich auf das Deck, und mußte feststellen: mein Helfer in der Not war genauso triefnass wie ich. Es war kein anderer als Endymion. Er hob den Finger an die Lippen: "Pssst...!"


    "Mir ist schlecht. Ich muß erst Atem holen."
    So ging es mir auch. Wer da deklamierte war ein Mime, der mit der Maske des komischen Sklaven angetan auf einer Platform vor dem Mast, hin und her stolzierte.
    "Nur gemächlich, ruh dich aus!" sprach sein Gegenüber, die Maske des alten Herrn.
    Die Zuschauer, eine illustre Festgesellschaft, umlagerten auf weichen Klinen die Bühne, labten sich an Wein und Speisen, erfreuten sich an der Komödie und hatten uns anscheinend noch gar nicht bemerkt.
    Sklave: "Hört: Von Theben sind alle aus dem Heeresdienst nach Haus entlassen worden."
    Alter Herr: "Wer behauptet das?"
    Sklave: "Ich selber, es ist so."

    Zwischen Himmel und Erde balancierte ich auf einem – allerhöchstens handbreiten! - Sims, den Oberkörper gegen die Backsteine gequetscht, die Fingerspitzen in die Rillen gekrallt, meine Wange schabte über den Lehm.... und hoffte inständig, inständig nicht den Halt zu verlieren. Befremdet vernahm ich, wie ein leises Kichern über meine Lippen kam – hatte ich nicht gerade eben noch gedacht, mein Leben sei nicht aufregend genug?! - ein leises, hysterisches Kichern, das mir der Wind sogleich von den Lippen riss. Der Wind fuhr auch in meinen Umhang und verwirbelte ihn, zog daran, ließ ihn mir von den Schultern rutschen und in der Nacht verschwinden. Ich presste die Augen zusammen und kämpfte um mein Gleichgewicht. Aber Endymion holte auf. Mit zusammengebissenen Zähnen schob ich mich weiter. Ich war zu alt für sowas. (Schon erschreckend nahe an den 30.)
    Dann erreichte ich eine Hausecke, und da, nicht weit unter mir, grenzte ein etwas niedrigeres Haus an. Ein Satz und ich war drüben, landete auf dem schrägen Dach. Einige Ziegel lösten sich und glitten in die Tiefe, aber ich krabbelte schnell auf allen Vieren zum Dachfirst und klammerte mich daran fest.
    "Dort! Da oben ist er!" Von der Strasse tief unter mir hallte der Tritt von Caligae. Verdammt... der Frumentarius hatte nicht zu viel versprochen. Und Endymion setzte mir nach, sprang wie ein Panther auf das Dach, meinen Dolch in der Hand. Abscheulich was manche Menschen für Geld zu tun bereit sind!
    Vollkommen fertig mit den Nerven krabbelte ich weiter den Dachfirst entlang – bis zu seinem Ende. Unter mir lag das Ufer des Orontes, fauliger Schlamm und schnellfliessendes schwarzes Wasser, von dem es kühl zu mir hinaufwehte. Endymion kam näher. Ich atmete tief durch und richtete mich auf, meinem Verfolger zugewandt. Hätte ich doch meine Waffe noch! Hätte ich doch noch zwei gesunde starke Arme. Ich war so ein Scheiß-Invalide!


    "Endymion!" rief ich ihm entgegen, "Pass mal auf. Fünfhundert sind ein Witz! Dafür willst du dich auf einen Kampf einlassen? Ich habe mehr Parther zerschlitzt als du Schwänze gelutscht hast, also lass den Quatsch, und... und nimm das Messer da weg bevor du dich noch selbst dran verletzt!"
    Das überzeugte ihn offenbar nicht, er kam weiter auf mich zu.
    "Ich verdopple den Preis! Ich geb dir tausend! Tausend Sesterzen." Jetzt hatte ich endlich sein Interesse geweckt. Er hielt inne und begann zu schachern:
    "Dreitausend. Nicht unter dreitausend."
    "Du spinnst. Tausendfünfhundert."
    "Zweitausendfünfhundert."
    "Zweitausend!"
    Er liess den Dolch etwas sinken. "Wer sagt dass du mich nicht verarschst?"
    "Du bist hier der Verräter!" Es kränkte mich. Ich hatte ihn gemocht. Naja... ihn begehrt jedenfalls. "Bei meiner Ehre, du bekommst dein Geld, hilf mir nur von hier wegzukommen, und ich schwöre, bei Iuppiters Stein, du wirst die Zweitausend bekommen..."


    "Tollite Iaculi!" brüllte jemand irgendwo unter uns, und sofort, ohne nachzudenken, duckte ich mich, warf ich mich flach auf das Dach. Die gewölbten Ziegel waren noch warm vom Tag.
    Endymions fragendes "Was.....?" wurde von dem darauffolgenden "MITTITE!!" erstickt, und dann flogen auch schon die Wurfspeere. Einer sauste ganz nah an mir vorbei, einer prallte aufs Dach und schoß wie eine Schlange noch ein Stück weiter darüber hinweg, und einer... Tja. Einer traf Endymion, eigentlich streifte er nur seine Wade, aber mein verräterischer Informant japste erschrocken und verlor das Gleichgewicht. Mit den Armen rudernd, hin und her schwankend versuchte er sich zu halten, doch vergeblich. Endymion kippte, Endymion fiel, und zu allem Unglück riss er mich dabei mit sich. Wir rutschten ab. Seine zappelnden rosenöligen Gliedmasssen waren überall, ich fand keinen Halt mehr, und es ging rasant abwärts, in einer Lawine von Ziegeln, erst schlitterten wir über das schräge Dach, und dann war da nichts mehr.
    Freier Fall.
    Ich kann nicht beschwören, dass ich nicht geschrien habe.
    Kaltes Flusswasser schlug über mir zusammen.

    Und ausserdem bitte die Betriebe Grossbäckerei Decima und Metallum Ferrum Gentis Decima an Titus Decimus Varenus überschreiben,
    und die Betriebe terra viridis und terra supra viridis an Marcus Decimus Catus.
    Vielen Dank! :)

    "Und was dich sicher interessieren wird..." Verschwörerisch beugte der Gespiele sich zu mir, hielt mich mit seinem kohlschwarzen Blick um- und zugleich gefangen. "Sie sind davon überzeugt, dass jemand sie ausspioniert." Die melodiöse Stimme klang gepresst. Als würde sie im nächsten Augenblick brechen. Das Klacken der Münzen hatte aufgehört. "Und sie sind diesem Mann auf der Spur."
    Ein Muskel in seinem Augenwinkel zuckte, und die schönen Augen flackerten, nur einen Wimpernschlag lang, auf irgendetwas hinter mir.
    Das warnte mich, und als mit lautem Krachen die Türe gegen die Wand schmetterte, Waffen draussen im Gang klirrten, der Titan von Türhüter aufbrüllte und der grauhaarige Gast, der vorhin noch so wählerisch die Kurtisanen begutachtet hatte, hereinstürmte, das Gladius in der Hand – da war ich schon auf die Füße gesprungen, hatte den Dolch gezückt und bewegte mich Richtung des Fensters. Es war ein großes orientalisches Glaskunstwerk, aus dem hinaus Circe einen wunderbaren Blick auf den Orontes geniessen konnte. Die Vorhänge flatterten im plötzlichen Luftzug, als der Eindringling mir den Weg verwehrte. Er führte einen sauberen geraden Stoß gegen mich. Mein Magen verkrampfte sich zu einem harten Knoten. Ich warf mich zur Seite und der Stoß ging in die Holzvertäfelung hinter mir, tief hinein, Splitter flogen. Das Blut pochte mir in den Ohren. Er trug Zivil, doch seine Waffenführung zeigte: er hatte sub aquila kämpfen gelernt. Wie von weither hörte ich Circe schimpfen: "Waffen weg! Ich verbitte mir das! Dies ist ein Ort der Freude! Raus! Alle raus!"
    Ich warf mich gegen den Mann, wollte ihn zu Fall bringen bevor er erneut zum Stoß ausholen konnte, doch er stand wie eine syrische Zeder, umklammerte das Handgelenk meiner Dolchhand, und rang mich gegen die Wand. Das Gladius hatte er dabei zwar verloren, doch das nützte mir nichts, denn ich konnte mich nicht mehr rühren.


    "Ergib dich!" forderte er barsch. Er war kaum ausser Atem.
    "Wem... sollte ich mich ergeben?" Ich versuchte Zeit zu gewinnen. Der Mann machte mir Angst. Ein Soldat, professionell und gut, der keinen Augenblick zögern würde mich abzustechen. Römische Soldaten sollten nicht gegen römische Soldaten kämpfen.
    "Optio Nonius, Frumentarius in der Legio IV. Ergib dich, meine Männer haben alle Zugänge besetzt."
    Frumentarier. Kein Wunder dass der hier so reinpolterte. Kein Sinn für Diskretion...
    "Ja" murmelte ich niedergeschlagen, "ja, in Ordnung."
    Er presste mein Handgelenk zusammen und ich ließ brav meinen Dolch fallen. Ein wenig, ein ganz klein wenig, entspannte sich der Soldat. Er vergewissert sich dass ich keine Waffen am Gürtel hatte, dann griff er nach einem Strick. Gefangennahme in einem Bordell, welche Schmach... Aber ich war noch nicht erledigt. In dem Moment als er sich vorbeugte um meine Hände zu greifen, riss ich die schwere Schlangen-Fibel von meiner Schulter los und rammte sie ihm von oben hinters Schlüsselbein. Das Schwanzende war messerscharf geschliffen. Er schrie auf, starrte auf das Ding, das da tief in seiner Schulter steckte, wankte zurück.
    Sofort war ich am Fenster, riss es auf, und sprang auf das Fensterbrett. Ein hastiger Blick zurück: Circe zeterte, der Frumentarier hielt sich kreidebleich an der Wandvertäfelung fest, deutete zittrig auf mich. "Denk dran: 500 Sesterzen..." keuchte er in Richtung Endymion, und der Schöne, der Verräter, der Trottel, hob doch tatsächlich meinen Dolch auf und kam auf mich zu!


    Ich bedachte Circe mit einem zerknirschten Heben der Hände - schade dass es so enden mußte - und machte dass ich rauskam. Glücklicherweise hatte ich mir das Gebäude schon vor längerem mal genau angeschaut. Aufklärung ist alles (wusste ich spätestens seit dem Chaboras). Vor dem Fenster gab es einen Sims, der führte an der Fassade entlang. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mich da entlangschob, gegen die Mauer gespresst, mit den Fusspitzen tastend. Ich hörte, wie Endymion mir nachfolgte.
    "Fortuna, oh Fortuna steh mir bei... bitte..."
    Putz bröckelte von der Wand, rieselte in die Tiefe. Nur nicht nach unten sehen...

    Der Moschusduft verschlug mir fast den Atem, als ich, an dem titanenhaften Türwächter vorbei, ins Boudoir der Hausherrin trat. Circe empfing mich auf einem Berg von Kissen thronend. Hauchzarte safranfarbene Seidenschichten umwallten kunstvoll drapiert die überquellenden Speckwülste ihres Körpers. Raffinierte Kosmetik mühte sich redlich, die Verheerungen der Zeit zu verbergen.... Angeblich war sie früher die begehrteste Hetäre der Stadt gewesen, jetzt war sie ein Memento an die Vergänglichkeit. Ihre kleine fette Hand ging fortwährend von einer Kristallschale mit kandierten Kirschen zu ihrem roten Mund. Auch mir bot sie die Schale an, ich nahm mir so ein süßklebriges Ding und ließ mich nieder.
    Nachdem Circe und ich ein wenig geplaudert hatten – unter dem abstossenden Äusseren steckte eine beunruhigend scharfsinnige Person – kamen wir zum Geschäftlichen.
    "Was hast du heute für mich?"
    "Geheimnisse über Geheimnisse." Sie reichte mir die neuen Berichte, ich überflog sie rasch, grinste an einer pikanten Stelle, und revanchierte mich mit einem prallgefüllten Geldbeutel. Das meiste war natürlich belangloses Kissengeflüster, aber es gab auch interessantes, und an einer Stelle hob ich erstaunt die Augenbrauen. Ach tatsächlich....?


    Dann berichtete Endymion. Dekorativ auf den Kissen ausgestreckt, auf einen Ellbogen aufgestützt. Sein bestickter Lederschuh baumelte spielerisch von den Zehen. Hin und her, hin und her...
    "Ich war wieder bei Firmus" begann er verheißungsvoll. Ich spitzte die Ohren. Der Mann stand der Schreibstube der Scythica vor. "Die Stimmung ist noch ebenso enthusiastisch wie zu Beginn. Sie sind heiß darauf sich einzuschiffen. Zur Zeit bereiten sie alles vor. Lagern Salzfisch ein, und sonstigen Soldatenfrass... Firmus sagt es gibt ein Problem mit dem Salzfisch, eine große Ladung war verdorben, sie suchen jetzt einen anderen Lieferanten, und Firmus kann keinen Salzfisch mehr sehen..."
    Hin und her wippte der Schuh. Salzfisch... Dass meine Arbeit immer auf so Kleinigkeiten hinauslaufen mußte. Ich hatte mir das Prätorianerleben irgendwie glorreicher vorgestellt, oder auf jeden Fall aufregender. Aber es war mehr als wäre ich ein Mosaikleger, Steinchen um Steinchen wurde mühsam herbeigetragen und zusammengesetzt. Setzte man die Provianteinkäufe in Verbindung mit der Truppenstärke, der Anzahl der Schiffe der Seleukia-Classis, bedachte man wie lange die Schiffe in der Militärwerft noch bis zu ihrer Fertigstellung brauchen würden, rechnete man Jahreszeit und Wetter mit ein... dann konnte man über den Daumen peilen, wann er wohl losschlagen würde, der Usurpator.
    Circe knabberte Kirschen und zählte das Geld. Leise klackten die Münzen. Endymion strich sich über den Nacken. Hin und her ging der Schuh. Mit einem Mal beschlich mich ein Hauch von Unbehagen. War Endymion.... nervös?

    Antiochia, die Stadt der Lichter. Es war zwei Stunden nach Sonnenuntergang und ich blickte von der Dachterasse des "Rosengarten" auf ein Meer funkelnder Lichtpunkte, Laternen, die entlang der Plätze und Boulevards die syrische Nacht erhellten.
    "Palmwein. Mit Muskat." orderte ich bei der nymphenhaften Bedienung. Rosenduft lag schwer und süß in der Luft, Rosen wucherten allenthalben, bedeckten die Mauern und quollen aus unzähligen, mit erotischen Szenen verschnörkelten Terakotta-Vasen. Ich trug eine locker gegürtete, rubinrote Tunika, dazu eine Lacerna mit keck hervorblitzendem smaragdgrünem Seidenfutter, die von einer schweren schlangenförmigen Fibel auf meiner Schulter zusammengehalten wurde. Im Rosengarten verkehrten Antiochias Reiche und Genießer, und auch unter Offizieren war es ein angesagter Ort der Erholung. Die Kurtisanen und Gespielen waren allesamt hochklassig. Exquisite Körper räkelten sich einladend im Halblicht. Ein stadtbekannter Reeder mit prachtvoll gekräuseltem Bart machte sich gerade, ein Mädchen rechts, ein Mädchen links, auf den Weg zu den Separées. Ein anderer Gast, grauhaarig und verkniffen, musterte prüfend die Belegschaft, er schien sich noch nicht so recht entscheiden zu können. Leise Musik von Zimbeln und Flöten, Stimmengemurmel und wohlige Laute erfüllten diesen Ort.


    An das Geländer gelehnt nippte ich an meinem Wein. Jenseits der Lichter der Stadt, jenseits der Mauern, da wo ich vor vielen Jahren einmal als Rekrut in der Prima gelagert hatte, dort glommen nun die Lagerfeuer der syrischen Legionen. Cornelius Palmas Streitmacht. Antiochia, die Stadt des Verrats.
    Mein Auftrag, mein eigentlicher Auftrag, war von den Ereignissen überrollt worden. An der Schuld des Veturius Cicurinus bestand natürlich kein Zweifel mehr. Daran, dass der Cornelier gegen Rom ziehen wollte auch nicht. Jetzt ging es um die Stärke der Truppen, die dieser Gegenkaiser um sich gescharrt hatte, um den Schlachtplan, und um die Schwächen der beteiligten Kommandeure. Meine Speculatoren hatten gute Arbeit geleistet, und ich hatte eine ergiebige weitere Informationsquelle aufgetan, als ich die Besitzerin des Rosengarten, von den Vorteilen für mich zu arbeiten überzeugte. (Ein raffgieriges Weib!)
    Darum war ich heute abend hier. Rein dienstlich. Ein letzter Austausch, eine letzte Abrechnung, und dann würde ich mich ohne Verzug auf die Rückreise nach Rom machen. Die Speculatoren würden hierbleiben und die Quellen in Zukunft weiter abschöpfen. Der Cornelier zog schon die Flotte im Hafen Seleukia zusammen, ich musste raus aus Syrien bevor er die seetüchtigen Schiffe allesamt für sich requirierte. In einer verschwiegenen Bucht wartete bereits eine flinke kleine Liburne auf mich.


    Ein melodisches Klingen, und die mit Glöckchen besetzten Vorhangschnüre eines der Durchgänge schwangen zur Seite. Endymion betrat die Terasse. Nein... er schwebte hinein. "Rein dienstlich" wankte. Endymion! Wer seinen statuenschönen Leib erblickt, wer seinen brennenden Blick auf sich gespürt, wer seine honigsüßen Lippen geschmeckt hätte, der würde es mir nachsehen.
    "Willkommen." Er lächelte mit dem Mund.
    Ich trat an ihn heran und schlang den Arm um seine Mitte. (Den linken... der rechte war zwar mittlerweile wieder zusammengewachsen, aber steif im Ellbogen und schwach geblieben, dazu scheußlich vernarbt. Scheiß Blemmyer! Möge der heulende Sandsturm diese elenden Hunde allesamt in Fetzen reissen, möge der Treibsand ihre erbärmlichen Überreste für alle Ewigkeit verschlingen.)
    "Sie erwartet dich."
    An der Seite des Sklaven, die Hand auf seinem perfekt gewölbten Gesäß ruhend, verließ ich die Terasse. Mit den Gedanken halb bei dem bevorstehenden geschäftlichen Treffen, halb bei der Frage: ich könnte ihn mir doch kaufen, den Endymion. Ihn dem Rosengarten abkaufen. Ein syrisches Souvenir... Sicher wäre er sündhaft teuer, aber gewiss auch jede Sesterze wert. Dumm war nur, dass er hier als Sammler von Informationen noch viel wertvoller war, als er es in meinem Bett jemals sein könnte. Verdammtes Dilemma.

    Kaum war ich hier, am Ort meiner kühnsten Träume, angelangt, sollte es schon wieder los gehen. Mit einem geheimen Auftrag! Viel Zeit war nicht, kurz nach der Hochzeit wollte ich aufbrechen. Aber ich nutzte die Zeit, um mir zwei erfahrene Speculatoren als Begleiter an Land zu ziehen, und eine Menge Informationen aus den wirklich sehr umfangreichen Archiven. Und einer der Optiones aus dem Magazin, der war ein leidenschaftlicher Bastler, und hatte eine Menge Sachen gebaut, "Spezial-Ausrüstung", teilweise ganz verrückte Dinge, die er unbedingt im Feldeinsatz erprobt haben wollte.
    Das Kommando über die zweite Kohorte würde ich natürlich erst nach meiner Rückkehr antreten. Den wahren Grund meiner Reise, den offenbarte ich teilweise meinen beiden Mitstreitern, für alle anderen begab mich mich auf eine Inspektionsreise. Auch meine Familie speiste ich damit ab, als ich mich von ihnen verabschiedete. Obgleich es mir schwerfiel - besonders bei Seiana! - aber so war nun mal das Prätorianerleben. Der Tag meiner Abreise rückte rasant näher, dann war es soweit. Ich verschloss mein Officium, meldete mich beim Praefectus Praetorio ab, und verließ die Castra mit meinen zwei Getreuen, um mich auf eine lange und gefahrvolle Mission zu begeben.
    8)

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    Bei genauerer Betrachtung wirkten die Türhüter gar nicht so aussergewöhnlich. Es war wohl der Nimbus der Gladiatorenwelt, der alles hier für mich in einen ganz besonderen Glanz hüllte. Ich folgte dem Jungen, und betrachtete von der Tribüne aus andächtig die Trainierenden. Herrliche Geschöpfe! Und bald würde ich meine eigenen Gladiatoren haben... da wurde ein Kindertraum wahr. Aber ach... - mit verkniffener Miene rieb ich mir die Nasenwurzel - wenn hier doch nur nicht alles so laut... und so hell... wäre... Der Director ließ uns nicht warten.
    "Salve, die Freude ist ganz meinerseits. Prächtige Burschen hast du da unten."
    Ich bezeichnete meine beiden Krieger mit einer lässigen Handbewegung.
    "Das sind sie. Der Germane ist treu... aber der Hibernier noch sehr ungeschliffen, der braucht eine harte Hand. Ich muß leider gleich weiter, hier noch das Geld."
    Ravdushara trug den Beutel mit den Trainingsgebühren für die ersten Monate unter seiner Tunika, kramte ihn jetzt hervor und übergab ihn.
    "Also dann. Ich bin gespannt was du aus ihnen machst! Vale Iuventius."
    Und meine zukünftigen Gladiatoren bedachte ich mit einem strengen Blick und den Worten "Macht mir keine Schande." Dann verließ ich mit Ravdushara das Ludus, nicht etwa um meinen Kater auszukurieren, sondern um mich pflichtbewußt in die Castra praetoria zu begeben.