Zitat
Original von Decima Lucilla
Die Tatsache, dass sich von Hinten jemand zum Brautpaar drängt, stört Lucilla wenig. So ist das nun einmal bei Hochzeiten und sie hat die beiden ja nun auch wirklich lange genug in Beschlag genommen. Also macht sie Platz und geht, weg von Cyprianus, auf Seianas andere Seite zu Serapio.
"Mein lieber Faustus, schön dass es dir wieder gut geht!" Natürlich ist Lucilla über alles unterrichtet, angefangen von der Verwundung durch die Wüstenbarbaren bis zu Serapios Qualen während des Entzugs. Die gute alte Pontia war schließlich nicht umsonst mit in Alexandria! Lucilla muss sich ein bisschen auf die Zehenspitzen stellen, um ihrem Lieblingsneffen ein Küssen auf jede Wange zu drücken, aber natürlich kann auch er dem nicht entkommen.
"Und ich bin so stolz auf dich, eine Hasta Pura!" Sie strahlt über das ganze Gesicht. "Erst eine Hasta, dann ein Triumph, du wirst schon sehen! Und nun auch noch wieder in Rom, wirklich Faustus, das ist großartig!" Dann jedoch wird sie etwas ernster. "Allerdings hatte ich erwartet, dass ich zuerst einmal auf deiner Hochzeit tanzen werde. Aber das werde ich zu meinen Lebzeiten wohl nicht mehr erleben!" Sie blickt nun missbilligend und ihre Stimme klingt etwas pikiert. "Doch was soll ich mich darüber aufregen, du solltest alt genug sein, um zu wissen, was sich schickt. Und letzten Endes hat die Familie wohl noch niemanden davor bewahren können, sie in dieser Hinsicht zu blamieren." Natürlich weiß Lucilla, dass dies scharfe Worte sind. Natürlich weiß sie, dass es harte Worte sind. Aber sie hat lange genug auf anderem Weg versucht, Serapio zu einer Ehe zu bewegen. Er würde natürlich auch immer ihr Lieblingsneffe bleiben, aber ihre Anstrengungen legt sie zukünftig doch lieber auf eine Generation, bei der noch etwas zu bewegen ist, die eigenen Kinder und irgendwann Großneffen und Enkel. Auch wenn sie über Großneffen und Enkel noch gar nicht nachdenken will. Denn eine Frau mit Großneffen oder Enkeln ist eindeutig eine Großmutter. Und Großmütter sind alt und verschrumpelt.
Als Lucilla bemerkt, dass ihre Gedankengänge sie vom Regen in die Traufe führen, lächelt sie abrupt und strafft die Schultern. "Aber davon sollten wir uns nicht irritieren lassen, schließlich geht es heute um Seiana! Sie sieht wirklich entzückend aus in der Brauttracht!"
Das Atrium war wohl noch nie so voll gewesen wie heute. Aber es war eine steife Gesellschaft, man merkte, dass viele der Gäste eingeladen waren, weil sie wichtig waren, nicht aus Sympathiegründen. Ich selbst stand auch eher gravitätisch herum, denn meine Toga erlaubte mir nicht viel Bewegungsfreiheit, es war schon mühsam genug mit der linken ein Glas Wein zu meistern und zugleich auch mit links die Toga in Form zu halten. Bei jedem neu Eintretenden mußte ich mich beherrschen nicht nervös zum Vestibulum zu blicken... und jedesmal wenn ich sah, dass es nicht Aton war, verspürte ich eine komische Mischung von Aufatmen und Enttäuschung.
Eine Augenweide waren auf jeden Fall die Männer der Garde, hier konnte ich mich gleich davon überzeugen dass sie, diese Soldaten jedenfalls, dem Ruf in Erscheinung und Disziplin alle Ehre machten.
Dann fegte ein Wirbelwind hier herein, der sich nicht von Gravitas bremsen ließ: Lucilla! Verblüfft sah ich sie herannahen und lächelte breit, als sie Seiana mit überschäumender Herzlichkeit begrüßte. Ich hatte sie in Hispania gewähnt und freute mich unglaublich über ihr Kommen. Seiana konnte Beistand gut gebrauchen, und unsere fesche Tante war dafür genau die richtige.
Kaum weniger verblüfft war ich beim Auftritt des Stadtpräfekten. Dieser Pomp war... geschmacklos, geradezu trimalchiesk. Aber ich konnte mir nicht helfen, ich fand seine zwanglose Art irgendwie immer noch einnehmend. Gerade wenn ich im Vergleich die steifen Vertreter der Senatsaristokratie mit ihrer professionellen Höflichkeit betrachtete... wie zum Beispiel den Consular Tiberius – eben jenen, der in unserem Visier stand.
Irgendwo erblickte ich auch die skandalöse Iunia. Seiana war einfach zu gutmütig! Diese Frau einzuladen, nach allem was sie ihr angetan hatte. Aber ich mußte mir eingestehen... das Kleid, das sie trug, in diesem herrlichen Grün, war von exquisiter Schönheit... nein, korrigierte ich meinen Gedankengang, es wäre von exquisiter Schönheit gewesen, wenn der Ausschnitt dezenter gewesen wäre.
Nachdem Lucilla das Brautpaar begrüßt hatte, kam ich an die Reihe.
"Tante Lucilla, das ist ja eine riesige Überraschung! Wie geht's dir, und wie geht's deinen Kindern?" Ich strahlte sie an und nahm die Küsschen mit Fassung entgegen. Oho, und sie, die strenge Schiedsrichterin des Erfolges, schien zufrieden mit dem was ich in den letzten Jahren so erreicht hatte – lächelnd gestattete ich auch mir einen Moment des Stolzes. Schnell genug war es wieder vorbei. Eine Hasta pura genügte natürlich nicht, die Dame Schwester des Triumphators verlangte nach einem Triumph. Mein Lächeln wurde immer verkniffener, und schwer drückte die Last der gewichtigen Ahnen in meinem Nacken. Aber es wurde noch schlimmer! Ich würde die Familie blamieren, das waren ihre Worte!
Blamieren.
Mit großen Augen sah ich sie an, wie ein getretener kleiner Hundewelpe, und sagte erst mal gar nichts. Aber dann verteidigte ich mich, mit gedämpfter Stimme denn das Thema war mir peinlich.
"Aber Tante, das kann nicht dein Ernst sein! Seiana ist älter als ich und eine Frau, sie muß vor mir heiraten. Und ich, ich bin gerade erst eben wieder aus Ägypten zurückgekommen. Hätte ich denn dort eine Wüstenbarbarin heiraten sollen, wäre das eher nach deinem Geschmack?-"
Ich brach ab, denn frech zu Lucilla zu sein, das war natürlich auch nicht die Lösung. Besser klein bei geben. "Entschuldige Tante. Du hast ja recht. Ich werde mich, sobald ich etwas Zeit dafür finde, um eine Braut bemühen. Das habe ich auch Livianus versprochen..."
Puuh! Mir brach hier echt der Schweiß aus! Ich sah hilfesuchend um mich, und da:
Zitat
Original von Appius Decimus Massa
" Da braucht jemand meine Unterstützung, wir sehen uns später." Ein freundschaftlicher Schlag auf die Schulter Flavus und schon war ich auf dem Weg zu Serapio.
Mein Held!
"Aber Tante. Du möchtest doch sicher den Mann kennenlernen, der mir im Zwölfmeilenland Kopf und Kragen gerettet hat. Darf ich vorstellen: Appius Decimus Massa, aus Piraeus."
Mich zu Massa wendend, verdrehte ich heimlich ganz kurz die Augen gen Himmel, dann lächelte ich wieder lieblich und stellte vor:
"Massa, dies ist Decima Lucilla, meine Tante und Patrona, von der ich dir schon so viel erzählt habe."