Die Prahlerei überhörte ich gekonnt, denn ich wollte mich nicht auf einem Nebenschauplatz in ein Scharmützel verstricken lassen.
“Dann wirst du die Fuhrpferde beschlagen, sobald sie neue Eisen brauchen. Und wenn du das gut machst, dann in Zukunft auch Tertia und Quarta, meine Bigapferde. Sprich dich mit Theseus ab, wegen der Nutzung der Werkstatt.“
Mehr als eine Handvoll Pferde hatten wir hier ja nicht, dazu gab es zu wenig Auslauf, auf dem nahem Landgut waren sie besser dran... Neugierig beobachtete ich das Mienenspiel meines Sklaven, und fragte mich tatsächlich was er wohl gerade dachte. Meine Frage jedenfalls riss ihn weiter aus der Reserve, er sah äußerst verwirrt aus. Aber war er wirklich so unschuldig, dass er den Hintersinn meiner Frage nicht verstand? Oder gab er sich nur so?
“Ich spreche natürlich von der griechischen Liebe.“ erklärte ich ihn ebenso unschuldig, als wär's ein Rätselraten, und legte mit einem heiteren Lächeln das Metall beiseite. Ob er den Begriff überhaupt kannte?
Ich erhob mich, auch um aus seiner unmittelbaren Reichweite zu kommen, falls er mir jetzt empört an die Kehle springen wollte, denn leider, wie es schon im Symposion heißt „überall dort wo die Barbaren herrschen, gilt es als schimpflich“. Aber, rein von meiner Intuition her (vielleicht war's aber auch Wunschdenken), fand ich, dass er so wirkte, als könne er dafür empfänglich sein, und dass er zugab, nie in eine Frau verliebt gewesen zu sein, das klang schon mal gut.
“Die Leidenschaft meine ich, die einst die größten Helden zu ihren Taten beseelt hat, und die einen mit wilder Sehnsucht erfüllt, nach der Verkörperung von Kraft und edler Schönheit.... Und die den Dichtern die herrlichsten Verse schenkt!“
Ich säuberte meine Hände und nahm eine Schriftrolle aus dem Regal. Da es schon spät war, ein wenig dämmrig, und ich noch keine Lampen entzündet hatte, trat ich damit an Fenster. Ich entrollte sie, etwas ungelenk da nur mit einer Hand, und ließ meinen Barbaren an den wunderschönen alten Versen des Asklepiades (in lateinischer Übersetzung) teilhaben.
“Süß ist in Sommersglut ein Trank von Schnee,
den ausgedörrten Gaumen zu erquicken,
süß ist's dem Schiffer nach des Sturmes Weh
das Blühn der Heimatküste zu erblicken.
Doch süßer noch als alles dieses scheint
es mir zu sein, wenn zum verspielten Bunde
zwei Liebende die Decke heimlich eint
und Kypris' Lob erklingt aus beider Munde.“