Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Mein Germane sah sehr glücklich aus. Ich zog mein Schwert. “Diese Klinge sollst du zur Lanze umschmieden. Es darf aber kein Metall dazukommen und keines weggenommen werden. Das ist wichtig. Und sie muss bis zum Vorabend der Hochzeit fertig sein. Bekommst du das hin, Theseus?“
    Die gutgepflegte Klinge glänzte matt im Sonnenschein. Jetzt, wo es ernst wurde, war mir doch etwas melancholisch zumute. Ich hatte diese Waffe quer durch Parthien getragen, und wieder zurück, hatte damit am Chaboras gekämpft, und in Circesium, danach hatte ich eine Scharte drin gehabt - und hier, da sah man noch die Spur des Ausschleifens - und dann hatte ich sie in Rom bei den Stadtkohorten gehabt, und dann in Alexandria, wo ich den Knauf mit Blattgold hatte verzieren lassen, und dann im Zwölfmeilenland, und ich hatte damit, im Laufe der Zeit, doch einige Kämpfe bestanden.
    Ich hielt das Schwert in der Linken, was ungewohnt war, schwang es einmal herum... schluckte und übergab es dann dem Schmied. Und seltsamerweise verflog der Trennungsschmerz beinahe im gleichen Augenblick.
    Ein leichter Wind ging durch den Hof, und von irgendwoher tauchte aus der Tiefe meiner Erinnerung ein Fetzen von einem Traum auf, in dem ich mein Schwert in hohem Bogen von einem Berg hinabwarf... und dann war da irgendwas mit Denkmälern gewesen, die vollkommen von Pflanzen überwuchert gewesen waren, die irgendwie lebendig gewesen waren... und ich war geflogen.

    “Zu lange...“ seufzte ich. “Zeit, dass wir uns wiederfinden...
    Genießerisch lehnte ich den Kopf gegen seine massierenden Finger, und eine prickelnde Gänsehaut überlief mich zugleich mit seiner Berührung. Ich räkelte den Rücken wie ein Katze, erwiderte seinen forschenden Blick unverwandt, und ich meinte so ein Knistern in der feuchtwarmen Luft zwischen uns zu verspüren.
    Mit einem vielsagenden Lächeln streifte ich das Subligaculum ab, ließ es achtlos zu der Tunika fallen, und löste mich von Massa, trat zum Becken. Über die Schulter warf ich ihm einen Blick voll iberischer Glut zu, komm, folge mir! dann ging ich langsam die flachen Stufen hinab. Das warme Wasser umschmeichelte meine Beine. Mit einem wohligen Seufzen ließ ich mich ganz hinein sinken – beziehungsweise ganz bis auf den rechten Arm, den ich auf dem Beckenrand im Trockenen liegen ließ. Herrlich!
    “Venustus, welchen von beiden möchtest du?“ erkundigte ich mich zuvorkommend, mit Blick auf die beiden Sklaven, Ravdushara eine makellose Erscheinung, Theseus aufregend urtümlich, wenngleich irritiert, so verfeinerte Sitten schien er nicht zu kennen. Nun, vielleicht würde er ja auch noch auf den Geschmack kommen. “Du darfst aussuchen, ganz wie's Deinem Ego beliebt..“
    Ich grinste unbeschwert, weil ich an sein Schmollen zurückdenken musste, und weil das gerade alles so herrlich angenehm war.



    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    “Ja.“ raunte der Nabatäer dem Germanen leise zu, denn was er ihm eigentlich hätte sagen wollen: “ob die Herrschaften normal sind oder nicht, das ist für uns ohne Belang, solange sie die Herrschaften sind“, das wollte er vor den Ohren eben jener Herrschaften dann doch lieber nicht aussprechen. Seinen Herrn fand Ravdushara jedenfalls nicht abnormaler als andere, etwas sprunghaft eben, aber arglos mit dem Geld und sparsam mit den Züchtigungen, da hatte er schon wesentlich schlimmeren gedient. Und Decimus Massa, den er bei sich noch immer den „Irren vom Hügel der Toten“ nannte, war gar nicht so übel, grüßte ihn immer mit Namen und brachte im Notfall den Herrn wieder zur Vernunft....


    “Tu einfach was ich auch tue.“ meinte Ravdushara noch leise, und beinahe ermutigend, zu Garulf. Die Arroganz, die er, als Lieblingssklave, zu Beginn gegenüber dem Neuen an den Tag gelegt hatte, die hatte er seit dem Überfall, als der Germane ihm so entschlossen zu Hilfe geeilt war, fast vollständig abgelegt.
    Auf Serapios Aufforderung an Massa hin, trat Ravdushara etwas nach vorne, in den Schein der Kerzen, und verharrte, ähnlich einer Stand-Schreitfigur, in anmutiger Pose.

    Als ich am Ort des Geschehens eintraf, waren meine Sklaven schon dabei, kurzen Prozess zu machen. Das Germanenopfer taumelte, aus einer Kopfwunde blutend wie ein Schwein, benommen von dannen, der andere wurde von Ravdushara zu Boden gedrückt und brutal zusammengeschlagen. So kannte ich meinen anschmiegsamen Nabatäer überhaupt nicht!
    Schnell hob ich das andere Messer vom Boden auf und blickte in alle Richtungen, ob da nicht noch mehr lauerten. Auf den ersten Blick schienen die Gassen leer, aber ich fühlte mich beobachtet, aus unzähligen Fensterhöhlen und Nischen. Besser wir säumten nicht zu lange, die Banden hier waren wie Haifische wenn Blut ins Wasser floß.
    “Ravdushara, hör auf!“ befahl ich ihm streng.
    “Seid ihr verletzt?“

    “Es ist mir eine Ehre, wieder unter dir zu dienen, Präfekt.“ beteuerte ich, hocherfreut über das Lob, und kurz dachte ich zurück an die dunkle Nacht, die damit begonnen hatte, dass wir vor Circesium im Schlamm herum gewatet waren, und an deren Ende jede Menge Ruhm und Ehre auf uns herabgeregnet war.
    “Welche Aufgaben hat die zweite Kohorte zur Zeit?“
    Und 'mit die Aufsicht über die Speculatores', das faszinierte mich natürlich besonders. Ich nickte dienstbeflissen, “Ja?“ und lauschte mit gebannter Aufmerksamkeit.

    Nachdem ich ausgejubelt hatte, setzte ich mich wieder, und zwar neben Massa, und da wunderbarerweise der Platz knapp war, hatte ich gar keine andere Wahl, als sehr dicht neben ihm zu sitzen. Die Hispanierin war zum Glück nicht beleidigt über meinen Fauxpas, aber ich sagte mir doch, dass ich in Zukunft besser etwas vorsichtiger sein sollte, etwas stoischer in der Öffentlichkeit.
    Eine weniger mitleidige Natur, das ließ ich mir ganz gerne nachsagen, das passte zu dem Bild, das ich abgeben wollte, und so zuckte ich nur lässig mit den Schultern. Mit schlechten Gladiatoren hatte ich in der Tat wenig Mitleid. Aber ansonsten leider eher zuviel... wobei meine Weichherzigkeit sub aquila doch schon deutlich besser geworden war, notgedrungen, sonst wäre ich wahrscheinlich längst wahnsinnig.


    Axilla, so hatte sie sich vorgestellt, hatte wohl noch nicht genug vom Wetten! Aber schon sprang Massa in die Bresche. Und er stellte sich auch ganz korrekt vor, und brachte damit die Manieren zurück in unsere Runde.
    “Oh, dann scheint es, du musst dir den Verlust von meinem Vetter zurückholen, werte Axilla.“ ließ ich den beiden den Vortritt. “Aber pass nur auf, er ist von Fortuna gesegnet, ein wahres Glückskind.“ Wobei ich Massa gutgelaunt und wie in geheimem Einverständnis zugrinste, bevor mir wieder einfiel: etwas stoischer bitte, Faustus.
    “Und verzeih, ich habe ja tatsächlich versäumt, mich vorzustellen, mein Name ist Faustus Decimus Serapio.“
    Alles wartete nun auf die Entscheidung des Stadtpräfekten, und auf den nächsten Kampf. Sollte nicht ein Retiarius kommen? Ich sah Retiarier unheimlich gerne kämpfen.

    Am Himmel kreisten die Schwalben. Ich band Tertia an einem niedrigen Ast fest, so dass sie am Gras knuspern konnte. Die Sonne war warm, es roch nach Harz und Holz und trockenem Gras. Ich spähte in alle Richtungen, genoss die herrliche Aussicht. Von hier oben erschienen mir auch die Bedenken, die ich da unten gehegt hatte, kleiner... kleinlicher... weniger bedeutsam.
    Wie er mich im Tempel angesehen hatte... das war alles andere als gleichgültig gewesen! Und das mit dem Prozess... ich hatte mir die Akten dazu angesehen, und ich hatte meine Schwester so intensiv befragt, dass ich am ende schon fürchtete, sie habe Verdacht geschöpft. Der Prozess war ohne Zweifel eine niederträchtige Ungerechtigkeit gewesen... aber Manius war doch nur eine Randfigur darin gewesen, hatte die Motive dahinter nicht erahnen können... ich war im Grunde meines Herzen nicht vollkommen abgeneigt ihm zu verzeihen. Er könnte mir ja vielleicht im Gegenzug meine harschen Vorwürfe verzeihen. Und dass ich ihn im Tempel einfach hatte stehen lassen.
    In Gedanken pflückte ich einen Halm, und kaute versonnen darauf herum. Dann streckte ich mich im hohen Gras aus. Es umgab mich wie ein goldenes Meer. Ich blinzelte in die Sonne, fühlte mich wohl, spürte die Wärme des schwindenden Sommers, die mich ganz durchdrang. Träge wie eine Eidechse sah ich den Wolken nach, die langsam durch das endlose Blau zogen, und träumte vor mich hin. Es waren bald wieder Meditrinalien... ob Suavis wieder ein Gastmahl veranstaltete...? Ich sollte mich um eine Einladung kümmern... ich würde gerne mit Manius zusammen dort hin gehen...
    Die Schatten wurden länger.

    Wie schreckhaft sie war. Ich streichelte ihre Schulter brüderlich, und nickte, setzte mich dann zu ihr auf den Boden. Das Spielzeug, das alte, brachte Erinnerungen zurück. Unser Peristylgarten in Tarraco, viel bescheidener als der, den wir hier hatten, der staubige Boden, in den dieser Kreisel taumelnde Linien gezogen hatte. Ich lächelte wehmütig, als ich an uns als Kinder zurückdachte, mich streifte der Hauch der Vergänglichkeit.
    Wir sind es, und wir sind es nicht.
    “Übermorgen hast du den ganzen Trubel hinter dir. Dann bist du die meistbeneidete Matrona von Rom. - Bona Dea, ich kann mir gar nicht vorstellen dass du nicht mehr hier wohnen wirst. Die Sklaven werden uns alle auf der Nase rumtanzen...“

    Dem Weihrauchduft folgend, trat ich auf leisen Sohlen zum Hausaltar. Meine Schwester kniete davor, mit geschlossenen Augen. Morgen war ihr großer Tag, und die Riten dafür begannen schon heute abend. Aber sie sah nicht so aus als würde sie still beten... sie sah gequält aus. Ich streckte die Hand aus und berührte ihre schmale Schulter.
    “Alles in Ordnung, Seiana?“
    Eine dumme Frage eigentlich, ich sah ihr ja an, dass es ihr nicht gut ging. Und ich machte mir Vorwürfe, dass ich sie in den letzten Tagen nicht mehr unterstützt hatte bei den organisatorischen Sachen, aber... naja, sie konnte sowas einfach viel besser! Außerdem war ich mit meinem furiosen neuen Posten ganz und gar beschäftigt gewesen...
    “Ach, ist das nicht der Kreisel, der noch von Großtante Drusilla stammt?“

    - Der Hof der Casa Decima mit Schuppen und Wirtschaftsgebäuden -



    Das Geheimnis des Stahls


    In einem Schuppen, der an den Hof angrenzte, hatte ich für meinen Germanen eine einfache Schmiedewerkstatt einrichten lassen. Es war ein Raum mit grob gemauerten Wänden, nach vorne hin offen. Früher hatten wir hier mal Schweine gehalten, aber das letzte war schon langer Zeit geschlachtet worden, dann war es eine Abstellkammer gewesen. Nachdem das Gerümpel rausgeräumt, die Spinnweben entfernt und alles gründlich saubergemacht war, sah es schon wieder ganz passabel aus. Eine Esse, Hammer und Amboss, Werkbank, Kübel und alle möglichen Zangen waren bereit, benutzt zu werden.
    Der Anlass für meinen Aktionismus, war eigentlich nur eine einfache Schmiedearbeit, die ich gerne im Haus erledigt haben wollte. Meine Schwester wünschte sich nämlich für ihre Hochzeit eine Hasta caelibaris von mir, also, eine Waffe, die ich selbst geführt hatte, und weil ich keine Hasta zu bieten hatte, würde ich kurzentschlossen mein Gladius zu einer umschmieden lassen. Ich dachte mir aber, dass es sowieso ganz nützlich wäre, wenn Theseus hier seinem Handwerk nachgehen könnte, es fiel ja immer wieder mal was an.


    Ein paar Tage waren noch bis zur Hochzeit, als ich mich morgens früh mit meinem Gladius dorthin begab. Ich hatte Theseus Bescheid geben lassen, dass ich ihn dort treffen wollte, und wartete, das Gladius in seiner reichverzierten Scheide in der Hand, an einer Ecke lehnend auf ihn. Die Tauben gurrten friedlich in den Pinien neben dem Hofeingang, und zwei Sklaven waren geschäftig dabei, die Mauern neu zu weißen.

    Nach meiner Rückkehr aus Ägypten hatte ich eines der schönen Cubicula bezogen, die im Obergeschoß des Hauses lagen, zum Peristylgarten hin. Mit Schnitzereien verzierte Fensterläden umrahmten den Blick auf die Pergola unter meinem Fenster, und Weinreben kletterten, durch ein Gerüst gestützt, bis zu mir hoch. Um diese Jahreszeit trugen sie kleine violette Trauben.
    An der Rückwand des Zimmers stand mein breites Bett, daneben die Kleiderkiste, und die alte Truhe, die ich schon seit Jahren mit mir rumschleppte, in der sich alles mögliche persönliche angesammelt hatte, und die ich immer verschlossen hielt.
    Die Seitenwände des Zimmers hatte ich mit moderner Malerei gestalten lassen, es waren täuschend echte trompe l'oeuil-Darstellungen einer arkadischen Landschaft. Ein kleines Wabenregal für die Schriftrollen, die ich lieber bei mir als in der Bibliothek haben wollte, stand in der Ecke, und seitlich des Fensters hatte ich eine Reihe von Theatermasken aufgehängt. Die Fensterbank war breit, dort lagen ein paar Sitzkissen, und daneben ein Tischchen aus Zitrusholz mit feinen Einlegearbeiten, und zwei Stühlen im selben Stil.
    Neu hinzugekommen war jetzt vor einigen Tagen der Rüstungsständer, auf dem mein nagelneuer Harnisch, schwarz wie die Nacht, seinen Platz gefunden hatte, gekrönt von dem Helm mit dem schwarzen Federbusch.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    "Tribun willkommen bei uns. Es scheint wir würden wohl mal wieder in der gleichen Einheit sein. Setz dich, kann ich dir was anbieten?"


    Da war ich, im sagenumwobenen Innersten der Castra Praetoria, in dem Raum, von dem aus der Gardepräfekt bekanntlicherweise sein Netz von Spionen, das sich über das gesamte Imperium erstreckte, kontrollierte... Ein erhebendes Gefühl! Nur hoffte ich, dass keiner seiner Spione nebenan beim Stadtpräfekten gelauscht hatte, als ich dort vorgesprochen hatte.
    “Danke, Präfekt! Ich nehme gerne einen Schluck.“ erwiderte ich lächelnd auf die freundliche Begrüßung und setzte mich, wobei die Riemen meiner Rüstung, die ja ganz neu war, ein wenig knarzten. Wie gut, wieder einen Harnisch zu tragen, und wie aufregend hier Dienst tun zu dürfen. Ich war furchtbar neugierig welche Aufgaben mich erwarteten, und musste mich wirklich beherrschen, um nicht wie ein kleiner Junge mit großen Augen alles anzustarren. Aber ich machte ein professionelles Gesicht und gab mich abgeklärt, meine Neugier würde schon noch gestillt werden.

    Ich war noch dabei, meinen Gürtel zu lösen, als Massa schon alle Hüllen zu Boden fallen ließ, und vor mir stand wie ein junger Mars.
    “Gern.“ antwortete ich, auf einmal ganz leise, das Lächeln erwidernd. Ich war überwältigt und fühlte mich einen Augenblick lang.... schüchtern, angesichts der Leichtigkeit, der... Natürlichkeit mit der er sich mir präsentierte. Er war so schön, und ich war versehrt...
    Es war mir immer wichtig gewesen, ein angenehmes Äußeres zu haben. Es beflügelte mich, Blicke zu spüren, die angetan, begehrlich, oder auch nur interessiert auf mir ruhten. Aber mit meinem zerbrochenen Arm war das passé. Er behinderte meine Bewegungen, machte mich ungelenk. Der Verband am Unterarm verbarg die noch immer offene Stelle hinter blütenweißem Leinen, aber ich wusste wie hässlich sie aussah. Und mein verletzter Arm war dünn geworden, grotesk im Vergleich zum anderen, ein kraftloses Anhängsel. Und gut in Form war ich auch nicht, denn ich hatte seitdem kaum trainiert, bis auf ein bisschen Laufen und ein bisschen Reiten, aber das mehr zum Vergnügen.
    Nein, ich hatte es nicht so eilig, mich vor meinem schönen Gefährten auszuziehen. Aber das Zaudern machte es nur noch alberner. Ich wusste doch: er kannte mich in noch viel schlimmerem Zustand, und er fand mich trotzdem gut. Ich gab mir einen Ruck, und überwand mit zwei Schritten den Raum zwischen Massa und mir, hob die Linke und legte sie auf seine Brust. Wie gemeißelt. Langsam fuhr ich die Konturen nach. Dabei präsentierte ich ihm meine Schultern, auf denen die Tunika nur von Fibeln zusammengehalten wurde.
    Mir fiel auf, dass wir zum ersten Mal so wirklich bei Licht zusammen waren, die gestohlenen Momente der Zweisamkeit in Ägypten, die waren doch alle eher schummrig gewesen.
    “Ich habe dich vermisst... mein Venustus.“ murmelte ich, und küsste seinen Hals, küsste ihn wie ein Durstiger, der nach langem Darben wieder einen Schluck Wasser trinkt.


    Als ich den Kopf wieder hob, stand Theseus im Eingang.
    “Komm herein und schließe die Türe.“ sprach ich zu ihm. Dass er uns zusammen sah war mir gleich, denn er war ein Sklave und konnte – oder jedenfalls glaubte ich dass er das konnte – schweigen. Ravdushara ging auf ihn zu und reichte ihm eine von den Phiolen mit Duftöl.
    “Öl dich ein.“ raunte er ihm zu. “Die Herren möchten, dass wir sie massieren.“

    “Schon in Ordnung.“ meinte ich mit einem leisen Schmunzeln. Diese beiden Sklaven waren in ihrem Auftreten so dermaßen unterschiedlich, als hätte ein Dichter das ungleiche Paar ersonnen. Ich hoffte, dass etwas vom germanischen Frohsinn auf den keltischen Verdruss abfärben würde!
    “Dies hier ist Lupus.“ stellte ich meinem Germanen den Neuankömmling vor. “Er kommt aus dem fernen Hibernien, ich habe ihn eben gekauft. Lupus, dies ist Theseus aus Germanien, mein treuer Leibwächter.“
    Und wieder zu Theseus: “Kümmere dich um ihn, zeig ihm alles, erklär ihm wie es hier im Haus so läuft, und mach ihn mit den anderen Sklaven bekannt. Waschen und neu einkleiden ist auch angesagt. Raus darf er vorerst nicht, aber er soll sich in Haus und Hof nützlich machen.“
    Was genau jetzt für Arbeiten anlagen, da hatte ich nicht so den Überblick, aber Theseus würde das schon wissen.
    “Und heute Abend“ meinte ich mit undurchdringlicher Miene zu Lupus, “meldest du dich dann in meinem Cubiculum.“
    Mit diesen Worten verließ ich die Sklavenunterkunft und begab mich zurück in den herrschaftlichen Teil des Hauses.

    “Ach, willst du's dir doch nochmal überlegen?“ neckte ich Flavus, wobei ich das natürlich nicht ernsthaft glaubte. “Kommt drauf an schätze ich... also, ich hatte keinen, aber einen sehr anständigen Centurio, der mich gefördert hat.“ Ich zuckte die Schulten. “Für die Erhebung zum Ritter dann, da war es wichtig, dass meine Patrona die richtigen Strippen gezogen hat... Und bei dir wird es die Erhebung in den Ordo Senatorius sein, wo du einen guten Patron dafür brauchst.“
    Aber das war ja noch eine Weile hin. Ich lächelte Flavus zu und verabschiedete mich: “Also dann, bis später!“

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus nickte. Ein wenig mehr Ehrlichkeit und weniger Schleimerei hatte er doch erwartet! Aber naja, vielleicht war Cyprianus ja wirklich ein guter Mann! "Das klingt ja ganz gut! Falls du irgendetwas anderweitiges hörst, würde ich mich sehr freuen, wenn du mir das mitteilen würdest!" bemerkte er dann.


    Einen Moment überlegte er, ob er weitere Aufträge hatte. Da dem aber nicht so war (Cyprianus würde ihm schon seine konkreten Aufgaben zuteilen!), beschloss er, die Audienz zu beenden. "Das wäre dann alles. Die Hasta Pura wird dir zur Ernennung verliehen. Man sieht sich! Vale!"


    Hatte da gerade der Stadtpräfekt von mir verlangt, den Prätorianerpräfekten zu bespitzeln? Ja, sah ganz so aus. Mir sträubten sich die Nackenhaare, dies alles erschien mir plötzlich ein paar Nummern zu groß, unüberschaubar und, sagen wir es ruhig, gefährlich. Aber Prätorianertribun wollte ich schon sein. Dann musste ich mich wohl an dieses Klima gewöhnen.
    “Jawohl Präfekt“ versprach ich mit trockener Kehle. (Was war verwerflich daran, ein Auge auf die Kaisertreue eines der allerhöchsten Hüter des Reiches zu haben? Nichts! Was war verwerflich daran, als Soldat einem vom Stellvertreter des Kaisers gegebenen Befehl getreulich zu gehorchen? Nichts.)
    “Ich danke dir Präfekt. Vale.“
    Ich salutierte und trat ab. Überwältigt von den Neuigkeiten, froh dass ich nicht in Sippenhaft im Carcer gelandet war, und doch mit einem irgendwie... unsauberen Gefühl.

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    Vom Sklavenmarkt hatte ich mich mit meinem neuen Barbaren direkt nach Hause begeben. Ich führte ihn ins Domus, stellte ihn dem Ianitor vor, und ging dann mit ihm direkt in den Teil des Hauses, in dem die Dienerschaft lebte. Da es mitten am Tag war, und wohl alle ihren Pflichten nachgingen, war der große, langgestreckte Schlafsaal menschenleer. Er war sauber und hell, die Wände weiß gekalkt. Rechts und links an den Wänden befanden die einfachen Schlafstätten. Die Kleidung und anderen Habseligkeiten wurden in Korbtruhen aufbewahrt, oder hingen an Haken an den Wänden.
    “Hier schläfst du“ meinte ich zu Lupus, deutete dabei auf ein freies Schlaflager. “Essen wirst du mit den anderen Sklaven zusammen in der Küche. Waschen kannst du dich da im Nebenraum, und die Latrine ist da nach hinten raus zum Hof.“
    Ich ging herum und spähte nach jemandem aus, der dem Neuen am Anfang etwas zur Seite stehen konnte... und ihm vielleicht auch demonstrieren konnte, dass das Leben hier durchaus erträglich war.
    “Theseus!“ rief ich über den Hof, und dann in den Peristylgarten hinein. “Theseus, bist du da?!“

    “Ägypten scheint an vielen Stellen auch eher dem Mythos entsprungen, als der Wirklichkeit... Man kommt um eine Ecke, und sieht sich plötzlich irgendwelchen uralten Monumenten gegenüber, und dann die Bauwerke, bei denen man sich gar nicht vorstellen kann, dass Menschen sie geschaffen haben! In grauer Vorzeit, als hier auf den sieben Hügeln nur ein paar Schafhirten lebten, oder so. Leider hatte ich nicht viel Zeit, all diese Wunder zu bestaunen. Ich habe mal, zusammen mit meiner Scriba, einen ganzen Tag lang Alexandria besichtigt, vom Pharos über unzählige Tempel bis hin zum Theater... am Ende wußten wir gar nicht mehr wo uns der Kopf stand. Das Museion und die Bibliothek sind aber, glaube ich, das größte Wunder. Alles Wissen der Welt ist dort zusammengetragen. Und sie geben es freigiebig weiter...“
    Schwärmerisch lächelnd erinnerte ich mich an den wunderschönen Park, die vielen Schüler aus allen Provinzen des Reiches, die weihevolle Atmosphäre des Lernens und Lehrens, und ich gestand meinem Vetter:
    “Früher war ja mein Traum, einige Zeit an einer der großen athenischen Schulen verbringen zu dürfen... aber wenn ich jetzt die Wahl hätte... also, wenn ich nicht schon Militärtribun und überhaupt zu alt wäre... dann würde ich Akroates am Museion sein wollen...“
    Mit schiefem Grinsen legte ich den Finger auf die Lippen. “Aber nicht weitersagen!“


    “Die Ägypter, die kämpfen gar nicht mehr, abgesehen davon, dass sie sich gerne in den Straßen zum Mob zusammenrotten und randalieren. So glorreich ihr Volk einst war, heutzutage sind sie völlig heruntergekommen. Ich habe aber mal so ganz alte Wandbilder gesehen, mit Streitwagenkämpfern. Die Barbaren im Süden, mit denen wir es zu tun hatten, die reiten auf Kamelen.“
    Meine exotischen Reiseerlebnisse waren ja alle im Rahmen von Feldzügen gesammelt. Flavus konnte nichts dafür, aber mit einem mal hatte ich keine Lust mehr, locker darüber zu plaudern. Scheiß Kamelreiter, scheiß Verwundung. Ich erhob mich.
    “Ich muss dann mal wieder. Sehen wir uns bei der Cena? - Von Purgitius kannst du sicher viel lernen, allein durch sein Vorbild.“ Hieß es nicht irgendwie, man solle sich mit Guten umgeben, um selber exzellente Wesenszüge zu erlangen? Irgendwie so.

    Das verfehlte seine Wirkung nicht! Endlich hörte er auf zu grinsen... Ich löste meinen Griff und trat von ihm zurück, dabei hoffte ich sehr, dass er wirklich verstanden hatte, und ich diese Drohung nicht irgendwann wahr machen musste.
    “Dein Name geht nicht, Hibernier, den kann ich nicht aussprechen. Du bekommst einen neuen...“ Ich musste nicht lange überlegen, was da passte: “Lupus. Dein neuer Name ist Lupus. Komm mit.“
    Ich winkte ihm und Ravdushara mir zu folgen, und verließ den Sklavenmarkt, schlug den Weg nach Hause ein, vorbei an verschiedenen Kaiserforen und dem Amphitheatrum Flavium, am Fuße des Palatin entlang und dann den Hang des Mons Caelius hinauf. Ich marschierte schweigend, und überlegte dabei, was ich mit dem Sklaven anstellen sollte. Jedenfalls hatte ich den Eindruck dass ich vor ihm, als wäre er tatsächlich ein wildes Tier, keine Furcht zeigen durfte. Ein wenig Verstand schien er ja zu haben, darum rechnete ich nicht damit, dass er mich mitten in der Stadt angreifen würde. Und wenn er sich erst einmal eingelebt hatte, und die Casa Decima war auch für Sklaven kein schlechtes Heim, dann würde er bestimmt umgänglicher werden... Sonst blieb noch immer die Arena.


    >>

    “Purgitius ist bestimmt eine gute Wahl. Ich habe ihn bei meinem letzten Militärexamen erlebt, er ist ein ruhiger Mann, der mit wenigen klar gesetzten Worten viel auszudrücken versteht. Ein volksnaher Senator, nicht so abgehoben und schwafelnd wie die meisten. Und er hat den Ruf, gegenüber seinen Klienten sehr gewissenhaft zu sein.“


    Flavus wollte von meinen Reisen hören, und in seiner Frage vermeinte ich, meine eigene Stimme von früher zu vernehmen, 'Onkel Mattiacus, erzähl mir, wie war das im wilden Germanien?'. Lächelnd setzte ich mich auf die Fensterbank und begann zu erzählen.
    “Im Osten... im äußersten Osten des Reiches glänzt Circesium, wie ein Leuchtfeuer in der Nacht. Und entlang des Euphrats findest du viele weitere Grenzfestungen. Jenseits davon liegt das Reich der Parther, die Provinzen Osroëne und Mesopotamien, in die wir unter dem vergöttlichten Kaiser Iulianus einmarschiert sind... Grenznah ist es ein karges Hügelland, mit schroffen Schluchten, in denen gefleckte Leoparden leben, und riesige schwarze Geier. Irgendwann kommt man dann in die Wüsteneinöde, marschiert tagelang unter sengender Sonne, ohne dass sich die Landschaft irgendwie verändert... Die Parther leben unter der Tyrannei von dekadenten Königen, die Satrapen genannt werden, und ganz oben steht der König der Könige. Ihre Priester beten das Feuer an, und bringen Menschenopfer, die sie bei lebendigem Leibe verbrennen.
    Es ist wahr, dass die Parther phantastische Reiter und Schützen sind, und auch ziemlich tapfer... unserer guten Infanterie sind sie aber dennoch nicht gewachsen, und nehmen daher oft Zuflucht zu grausamen Kriegslisten...“

    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    Rettung nahte. Ravdushara duckte sich, als die Tonscherben flogen und zauderte nicht – sobald der Mann vor ihm abgelenkt war, sich halb zu dem großen Germanen wandte, schossen Ravdusharas Hände vor. Er umklammerte das Handgelenk des Halunken und schlug dessen Waffenhand mit Wucht gegen die Hausecke. Einmal, zweimal. Auf dem Mörtel blieben blutige Schlieren zurück, und das Messer fiel klirrend zu Boden.
    Vergeltung für die ausgestandene Angst, das war es was Ravdushara wollte, als er sich auf den Angreifer stürzte – nicht blindwütig, eher zielstrebig. Er riss den mageren Kerl zu Boden, traktierte ihn mit einem Hagel von kräftigen Fausthieben.