Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Appius."
    Wie ertappt schaute ich von dem noch immer zusammengerollten Brief zu ihm auf, schob das Papyrus beiläufig mit dem Handrücken zur Seite, als wäre es irgendwas vollkommen unwichtiges... dann kam mir das albern vor, und ich schloß wieder fest die Hand darum und steckte es ein. Ich würde es später lesen... Zu einem anderen Zeitpunkt. Wenn ich den Kopf dafür frei hatte...
    Massa blieb lässig an eine Säule gelehnt stehen, ich lächelte verlegen. Er hatte so unglaublich viel für mich getan, ein ums andere Mal, und jetzt wieder, so dass ich nicht wußte wohin mit meiner Dankbarkeit, zugleich war es mir unangenehm so tief in seiner Schuld zu stehen.
    "Ohne dich hätte es ganz anders ausgesehen." murmelte ich, und beschäftigte mich damit, mir noch ein Stück Ziegenkäse abzuschneiden, zupfte ein wenig Rosmarin ab und garnierte es damit. "Magst du auch?" Es war mir ganz recht, dass Massa über die letzten Tage so taktvoll hinwegging, ich hatte nicht das Bedürfnis darüber zu plaudern, wollte sie einfach nur vergessen. Nie wieder.


    "Misenum..." Das war ein großer Schritt für unseren Präfekten... ich hätte mich noch mehr für ihn gefreut, wenn dieser Posten nicht durch den Tod meines Onkels frei gewürden wäre. "Hier im Haus? Jolín! Hat er... was mitbekommen?" Hoffentlich nicht!
    "Ja, ich habe diesen Brief da von der kaiserlichen Kanzlei erhalten. Sie zitieren mich nach Rom, aber auf welchen Posten sie mich versetzen wollen, darüber hüllen sie sich in geheimnisvolles Schweigen." Ich verzog das Gesicht, halbscherzhaft. "Hoffentlich nicht zu den Vigilen!"
    Ob überhaupt ein Militärposten für mich drin war, solange ich noch so halbinvalide war? Ich sollte wohl meine Zunge zügeln, die Vigilen waren immer noch besser als irgendwelche todlangweiligen Finanz- oder Archiv-Aufgaben.
    Unsere Wege trennen sich. Ja... Ich wurde ganz wehmütig, und es versetzte mir einen kleinen Stich, dass Massa so leichthin vom Abschied sprach. So abgeklärt.
    "Ohne uns? – Aber du... oh!" Der Sesterz fiel. "Du gehst auch nach Misenum? Zur Classis, das ist ja... ist..." Eigentlich war ich nicht so begeistert von der Classis, echte Römer gehörten schließlich zur Legion, nicht in eine Peregrinentruppe. "Ähm. Adjutant, das ist toll! Eine große Chance. Das macht die Einheit mehr als wett, denke ich. Er will dich offenbar nicht hergeben." Was mich nicht wunderte.
    "Und Misenum ist nicht aus der Welt..." fügte ich hinzu, streifte ihn mit einem intensiven, gedankenvollen Blick... aber nach allem was vorgefallen war, beließ ich es beim Blicken. "Freust du dich? Darauf unter die Seefahrer zu gehen?"

    Zitat

    Original von Appius Decimus Massa
    „ Sie bewacht sie sehr gut, gewisse besondere Umstände zwangen sie dazu Platz zu machen.“ Das sollte genügen. In seiner Lage war es zwecklos weiter darauf einzugehen. Er hatte den Willen aufgebracht sich von der Sucht zu befreien, dafür sollte er jede Unterstützung und Hilfe bekommen, die ich geben konnte. Dem Widersprach es, ihm Opium zu verschaffen, auch wenn er darum bettelte und flehte. Ich hatte ihn an den Handgelenken, versuchte meine Tunika aus seinem Griff zu lösen. „ Ich helfe dir und du wirst es so schaffen, ohne ein scrupulum Opium. Keiner wird dir Opium bringen. Ich werde es Ravdushara und deiner resolute Dame von der Tür verbieten.“ So sicher auf den Tag die Nacht folgte, so sicher war ich mir, dass keiner der Beiden Opium besorgte. Endlich hatte ich seine Hände gelöst. Er lag wieder auf seinem Bett. Den Becher in der Hand, die andere unter seinen Kopf, beugte ich mich zu ihm. „ Du wirst das hier trinken und wenn ich es dir einflössen muss.“ Der Becher wanderte an seine Lippen, den Kopf gestützt blieb ihm nichts anderes übrig als zu trinken. Nebenbei sagte ich ihm , was ich mit Ravdusharas Hilfe vor hatte. " Ravdushara wird dich waschen. Du ziehst eine frische Tunika an, bekommst frisches Bettzeug. Dann isst du Obst. ich füttere dich, wenn du nicht alleine willst. Du wirst viel trinken. Dir wird es schlecht gehen, sehr schlecht, aber es wird besser. So geht es jetzt jeden Tag, bis du ohne das Zeug auskommst und wieder klar bei Verstand bist." Ich wischte sanft über sein Gesicht. Rutschte näher an ihn heran.



    Ein feuchtes Tuch musste zum Nase putzen herhalten. Ich kam mir vor wie der große Bruder, der seinem kleinen Bruder nach einem Sturz aufhalf. „ Du schaffst das Faustus. Du bist stark. Du hast 5000 Männern gezeigt was in dir steckt. Du hast sie zum Sieg geführt. Kämpfe, kämpfe für dich. Kämpfe, um dir selber wieder in die Augen sehen zu können. Denk an deinen Vater Livianus, an deine Schwester Seiana. Ich helfe dir dabei.“ Er musste da durch. Wie wollte er sonst in Rom bestehen, die Familie unterstützen. Was für eine Aufgabe dort wartete war egal. Nur mit ganzem Einsatz seinerseits war sie zu bewältigen. Ich vertraute ihm, dass er es schaffte. Ich war für ihn da, wollte bleiben so lange es ging. Die nächsten Tage gab es nach Dienst nur einen Weg für mich.


    Mein Flehen stieß auf taube Ohren. Wie konnte er so grausam sein? Worte gab er mir, nur Worte, doch Worte konnten mir nicht helfen, mir konnte nur eines helfen, Opium, herrliches Opium, meine einzige Rettung, meine Erlösung.
    "Du hast... keine Ahnung... du weißt nicht wie das ist..." schluchzte ich verzweifelt, "...so hilf mir doch, bitte..."
    Doch ich war gefangen in diesem Albtraum, es gab kein Entkommen, ich hatte keine Kraft mehr mich zur Wehr zu setzen, machtlos ließ ich es geschehen dass er mir zu Trinken gab, mich bevormundete, alle Entscheidungsgewalt an sich riss. Ich brauchte kein Bad, kein Obst, ich brauchte nur eines: Opium. Ich solle mir wieder in die Augen sehen können sagte er, doch er sprach da zu jemand anderem, einem anderen Faustus, nicht zu mir, ich war jenseits solcher Dinge wie Scham oder Stolz.
    "Du weißt nichts!!" heulte die Gier in mir böse auf, "Du läßt mich im Stich!!", voll Haß auf diesen Mann, der mir die Erlösung von meinen Qualen verwehrte, der es zuließ, dass ich mich so vor ihm erniedrigte. Ich wollte aufstehen, mir selbst etwas besorgen – im Valetudinarium hatten sie Opium... ich würde einfach... ins Valetudinarium gehen und denen dort befehlen mir etwas zu geben, und dann wäre all dieser Horror mit einem Schlag vorbei... - aber mir war zu schwindlig, und mein Körper bestand nur noch aus Schmerz und Krämpfen. Ich bat, ich befahl, ich wütete, wimmerte, jammerte und flehte, doch sie gaben mir kein Opium, weder Massa noch die Sklaven, die taten alles, wie er es angeordnet hatte.
    Aber lassen wir das. Ich erinnere mich ungern daran, und was ich durchmachte, lässt sich mit Worten nur sehr ungenügend wiedergeben. Massa kam erstaunlicherweise wieder, kümmerte sich trotz allem um mich, und wie das so ist – irgendwann wurde es besser, und ein paar Tage später dachte ich mit Befremden an das erbärmliche Bündel zuckender Mensch zurück, dass ich in der Zeit gewesen war.


    Auf staksigen Beinen verließ ich mein Cubiculum, blinzelte im Peristyl in die helle Sonne. Die Luft war heiß, trug eine angenehm salzige Note. Ich atmete tief durch, ließ mich auf die Bank unter dem Jasmin sinken und war es für den Moment zufrieden, einfach nur da zu sitzen. Ein Nebel hatte sich gelichtet, meine Gedanken waren klar wie schon seit langem nicht mehr. Natürlich war es mir unangenehm, vor kurzen noch ein so jämmerliches Bild geboten zu haben, doch stärker wog meine Erleichterung. Ich hatte es durchgestanden, wenn auch nur mit einer Menge Hilfe, aber egal, es war vorbei. Nie wieder.
    Ein Grummeln in meinem Magen - ich verspürte doch tatsächlich Hunger. Pontia brachte mir ein Tablett mit Käse, frischem Brot und Oliven, pflückte mir Gewürzkräuter aus dem Garten, trug einen leichten Massiker dazu auf, und machte sich dann gleich daran, mir etwas "richtiges" zuzubereiten. Es schmeckte wunderbar, und es rührte mich zu sehen, dass diese schroffe Sklavin Anteil nahm, auch wenn sie es nicht in Worten ausdrückte.
    Beim Essen fragte ich Ravdushara darüber aus, was denn in der Zwischenzeit so passiert war, danach gab er mir die Briefe, die während meiner Unpässlichkeit angekommen waren. Eine Schneiderrechnung, ein paar Abschriften aus der Museionsbibliothek, ein Bericht meines Verwalters aus Ostia... und ein Brief mit dem imposanten kaiserlichen Siegel. Aufgeregt öffnete ich ihn und las:


    Salve Tribunus Decimus,
    hiermit informiere ich dich über deine Abberufung als Tribunus Angusticlavius. Du erhältst hiermit außerdem den Marschbefehl dich umgehend in Roma zu melden, wo dir die kaiserliche Kanzlei einen neuen Posten zuweisen wird.


    Es war also soweit.
    "Wir reisen ab." sagte ich zu Ravdushara. "Nach Rom."
    Dass die Kanzlei das so spannend machen mußte! Ich hätte doch zu gerne gewußt welcher neue Posten mir denn nun winkte!
    Aber da war noch ein Brief, er lag zuunterst in dem Stapel, und es verschlug mir den Atem, als ich die Schrift erkannte. Von Manius? Ich hätte es nicht erwartet, noch einmal von ihm zu hören... Ungläubig hielt ich das Schreiben in der Hand, verharrte ... bang bei dem Gedanken an meine harten Worte, auf die nun unweigerlich das harte Echo folgen mußte, wagte ich es nicht, das Papyrus auch nur um einen Fingerbreit weiter zu entrollen.

    Zitat

    Original von Tiberius Octavius Dragonum
    Dragonum runzelte die Stirn als Serapio plötzlich doch noch ein Anliegen hatte ... als er jedoch gehöhrt hatte worum es ging kräuselte seine Stirn sich gleich noch mehr. Massa nach Italien schicken zu den Stadtkohorten? Nicht nur das er einen fähigen Mann verlieren würde ... er würde ihn auch noch an den PU verlieren und das behagte dem Octavier nun ganz und garnicht zumal er diesem ja ohnehin noch einen Gefallen schuldig war ....


    "Ich denke nicht das das möglich sein wird, Salinator kommandiert die Stadtkohorten und ich würde ihn nur ungern um einen Gefallen bitten wegen der Versetzung eines Optios, zumal ich mir auch nicht sicher bin ob das dem Praefecten zusagen würde wenn zuviele Männer aus meinem Kommando nun nach Rom wechseln ... das er vorsichtig und umsichtig ist brauche ich dir ja nicht zu sagen! Außerdem denke ich das er bei mir ganz gut aufgehoben ist, woanders wird er sicher nicht so gute Aufstiegschancen haben wie unter meinem Kommando!"


    Dragonum mochte beide Decimer, immerhin waren sie fleißige und fähige Soldaten, aber der Aufwand einen Optio zu versetzen war einfach zu groß als das es sich lohnen würde ...


    Die Miene des Präfekten versprach von Anfang an nichts gutes, und es kam nicht überraschend, dass er die Bitte ablehnte. Es traf mich trotzdem... die Vorstellung abzureisen, ohne Massa, ihn womöglich jahrelang nicht zu sehen..... Wie zerstörerisch die Entfernung sein konnte, hatte ich ja eben erst drastisch vor Augen geführt bekommen. Octavius Begründungen waren zwar nicht von der Hand zu weisen, und natürlich ging die Pflicht vor persönlichen Erwägungen, und es wäre wahrscheinlich deutlich unkomplizierter, wenn Massa gar nicht mehr in meiner Nähe wäre, und der Mondscheinausflug war ein fataler Mißerfolg gewesen... aber trotzdem... aber doch... nein, kein aber.
    "Ich verstehe, Präfekt." Geknickt verabschiedete ich mich, die erhoffte Rückkehr nach Rom erschien mir mit einem Mal gar nicht mehr so erstrebenswert, wenn dadurch Massa aus meinem Leben verschwinden würde.

    Hallo Thyrsus,


    ich denke, dass Du bei einer anderen Gens besser aufgehoben wärst. Die aktiven Decimer haben einen eher Rollenspiel-/Charakterspiel-orientierten Schreibstil, mit längeren Texten und wenig Gewicht auf einer schnellen Karriere der ID. Die Posts Deiner vorigen ID erwecken bei mir den Eindruck, dass wir da unterschiedliche Vorstellungen haben.


    Es tut mir wirklich leid, dass Du umsonst so geduldig gewartet hast. Aber es gibt ja noch einen Haufen anderer Gentes, bestimmt findest Du darunter eine die gut passt.


    Gruß, Serapio

    Doch als Ravdushara wiederkam, brachte der treulose Sklave mir nicht die ersehnte Erlösung. Sondern Massa. Ich wollte das nicht... niemand durfte mich so sehen... aber er kam, ohne zurückzuschrecken an mein Bett, setzte sich zu mir mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit.
    "Lass mich... geh weg." Ich schloß die Augen, als er mir mit dem Tuch über das Gesicht fuhr, so führsorglich. Ich wollte das nicht.... aber auf mich hörte niemand mehr, nicht mal meine Sklaven. "Offenbar... bewacht sie sie nicht gut genug... "
    Ein Zittern durchlief mich, ich biss meine Zähne aufeinander, alles drehte sich um mich, der Raum wirbelte im Kreis und mir war so elend, so unerträglich elend, als müßte ich sterben, Tränen liefen mir über das Gesicht, Rotz aus der Nase, verzweifelt krallte ich meine Hand in Massas Tunika hinein, zog ihn mit aller mir noch verbliebenen Kraft halb zu mir herunter, halb stemmte ich mich zu ihm herauf und flehte: "Nein... bleib, bitte, du mußt mir helfen... Appius bitte, du mußt mir etwas besorgen... ich habe es... furchtbar unterschätzt, ich dachte es geht so, aber ich halte das nicht mehr aus, es bringt mich um.... nur ein bisschen Opium und... und es hört auf... - Hilf mir, Appius, bitte, ich flehe dich an, wenn dir nur irgendwas an mir liegt... hilf mir...!!"

    "Danke Präfekt, das wünsche ich Dir ebenso!" erwiderte ich von Herzen, trank meinen Becher aus, erhob mich und grüßte zurück, wenn auch mit links, aber als ich mich eben beschwingt zum Gehen wenden wollte, fiel mir siedendheiß ein, dass ich da noch was vergessen hatte. Wo hatte ich nur meinen Kopf... das ging mir zur Zeit ständig so..... meine Gedanken waren so flüchtig, verwehten immerzu in alle Richtungen...
    "Ähm, Verzeihung, ich würde gerne noch etwas mit dir besprechen." ergriff ich wieder das Wort. "Ich habe ein Anliegen..." das jetzt, nachdem ich ihm versprochen hatte, fähige Soldaten in seine Richtung zu schicken, denkbar unpassend war... und er hatte schon so viel für mich getan... darum sah ich eher zerknirscht drein. Wenn er zustimmte, stünde ich viele Klafter tief in seiner Schuld.
    "Es geht um meinen Vetter Decimus Massa. Da unsere Gens gerade so schwere Zeiten durchmacht, würde ich ihn sehr gerne in Rom haben. Und das ist auch sein Wunsch. Er sagte mir, dass du ihn zur Zeit mit einer Aufgabe betraut hast" – mit was für einer eigentlich? Ich war zu unaufmerksam gewesen um mich genauer danach zu erkundigen – "und pflichtbewußt wie er ist, hat das für ihn natürlich Vorrang. Aber meine Bitte wäre trotzdem, ob Du ihn wohl nach Rom zu den Stadtkohorten versetzen könntest?"

    "Bestimmt. Das werde ich." versicherte ich ihm. So unglücklich das alles heute auch gelaufen war... ich war froh dass er es sich nicht vor lauter Enttäuschung anders überlegt hatte! Ich brauchte ihn. Das war vielleicht selbstsüchtig, aber wahr.
    Die kahle Landschaft glitt an uns vorbei, wie in einem blassen Traum, und meine Gedanken schweiften, ich weiß nicht warum, zu den letzten Saturnalien, und dem ganzen Unsinn, den wir da gemacht hatten... und wie schön er gesungen hatte... vor einer EWIGKEIT. Ich wandte den Kopf und betrachtete ihn von der Seite, die nachdenkliche Miene, wie konzentriert er das Gespann lenkte. Er machte das gut. Und ich, ich mußte unbedingt die Zügel meines Lebens wieder zu fassen bekommen.. und das hieß wohl zuallererst... die Sache mit dem Opium... Aber das würde ich morgen anpacken. Oder... übermorgen. Auf jeden Fall... bald.
    Ich gähnte, zu erschöpft um meinem Gedankenwirrwar weiter nachzuhängen, und überließ es vertrauensvoll Massa, uns von diesem romantischen Mondscheinausflug sicher zurückzubringen - jedenfalls bis zu unserem Treffpunkt, denn zusammen ins Kastell einzufahren kam leider nicht in Frage.

    An der Porta:
    [Blockierte Grafik: http://img203.imageshack.us/img203/5231/pontia.jpg| Pontia
    "Ich komme ja schon!" Die alte Haushälterin öffnete die Türe, musterte den Besucher reserviert.
    "Salve junger Mann. Warum so eilig? Der Tribun empfängt heute nicht."
    Die sonst so strenge Dame wirkte an diesem Tag ein wenig mitgenommen. Das Haar war nur flüchtig hochgesteckt, und während sie den Besucher im Schach hielt, schien sie mit der Aufmerksamkeit doch eher woanders zu sein... und mit einem Ohr ins Innere des Hauses zu lauschen.



    Im Cubiculum
    Ich hielt es nicht mehr aus. Es war zu schlimm!
    "Besorg mir was!" befahl ich Radushara, er aber weigerte sich.
    "Du hast es mir verboten, Serapio, ausdrücklich verboten." sagte er starrsinnig. Mit einem kühlen Tuch wischte er mir den Schweiß von der Stirn, dann reichte er mir einen Becher mit lauwarmem Kräutersud – den ich nicht wollte, ich wollte, ich brauchte, ich verzehrte mich nach der Messerspitze voll Opium, die mich aus dem Tartaros erlösen konnte.
    "Das... das gilt jetzt nicht mehr... Siehst du denn nicht was mit mir ist?" stammelte ich – wie konnte er so erbarmungslos sein, mich so quälen, er, den ich immer gut behandelt hatte.
    "Ich brauche etwas, ich... habe mich getäuscht, es war falsch vollkommen darauf zu verzichten, irrsinnig und falsch, ich werde es stattdessen... langsam reduzieren... also bitte, geh jetzt und besorg mir was!"
    "Nein, du hast es mir verboten."
    Gab es etwas jämmerlicheres, als seinen eigenen Sklaven anzuflehen? Ich bog mich zusammen, als ein Krampf sich in meine Eingeweide hineinwühlte, dann keuchte ich bis zum Äußersten erbost:
    "Du grober fühlloser Klotz, ich befehle es dir, ich werde dich auspeitschen lassen wenn du mir nicht gehorchst! Geh jetzt! Tu was ich dir sage!"
    Endlich spurte er, floh aus dem Zimmer wie von den Furien gehetzt.



    An der Porta
    Durch das Vestibulum drang undeutlich der Schall einer Stimme, dann Türenschlagen, Schritte, dann erschien Ravdushara. Er sah ausgesprochen verstört aus, wechselte einen besorgten Blick mit der Haushälterin, erblickte dann Massa, und zum ersten Mal in der Geschichte der Bekanntschaft dieser beiden, schien er positiv überrascht ihn zu sehen.


    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara
    "Edler Herr Decimus Massa, bitte komm doch herein!" Er komplimentierte ihn an Pontia vorbei ins Haus, in das Atrium, in dem einige Reisekisten standen, und die Statue eines athletischen Speerwerfers, der zur Hälfte in dicken Strohbündeln verpackt war.
    "Mein Dominus hat ganz den Verstand verloren!" vertraute Ravdushara Massa mit gedämpfter Stimme an, "bitte, er hört doch auf dich, kannst du ihn wieder zur Vernunft bringen bevor noch ein Unglück geschieht!?"

    Was war denn jetzt schon wieder verkehrt?! Kaum hörte ich auf, mich zu zieren, war willig mich ganz und gar erobern zu lassen – da wollte er auf einmal nicht mehr? So verschmäht zu werden machte mich nicht gerade glücklich... und gerade als ich mich fragte, ob es wohl daran lag, dass er mich in meinem lädierten Zustand nicht mehr attraktiv fand - oder doch eher daran dass er meine Zungenfertigkeit so sehr zu schätzen wußte - erfasste ihn schon die Ekstase, trug ihn hoch hinaus, während ich einsam auf dem Boden der Tatsachen zurückblieb. Fliegen war heute nicht drin. Ich war es leid... Unenthusiastisch richtete ich mich auf, streckte meinen Rücken, verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln, als er mir so betreten über die Wange strich. Jetzt konnte ich perfekt nachfühlen, wie es ihm vorhin gegangen war! Ich spuckte aus, im hohen Bogen in den Sand, stand auf, zog meine Tunika zurecht, legte meinen Mantel um.


    "Lass uns zurückfahren, hm? Ich bin müde. Die Lotosblüten und all das zeige ich dir ein anderes Mal..." meinte ich, wobei ich still bei mir dachte, dass dieser Ausflug nicht wirklich zu einer Wiederholung animierte. Ich ging zu den Pferden, um sie loszubinden, schämte mich ein bisschen dass ich sie, die vom Rennen erhitzt gewesen waren, einfach ohne Decken hatte stehen lassen, weil ich so mit mir selbst und mit dem unergiebigen Liebesspiel beschäftigt gewesen war.
    Der Knoten ging nicht auf! Eine Kleinigkeit nur, doch eine die mich aufregte! Verbissen zerrte ich einhändig dran herum, nur um es schließlich doch Massa überlassen zu müssen, den Knoten zu lösen. Ich überließ ihm auch die Zügel, mit ein paar kurzen Anweisungen. Eine Weile lang stand ich dann still neben ihm auf der Biga. Aber eine Frage war da noch... schwebte eigentlich schon die ganze Zeit im Raum.
    "Massa..." fragte ich zögernd, "bist du trotzdem noch..... ich meine, wenn es klappt, dass ich nach Rom versetzt werde... bist du noch entschlossen mitzukommen?"

    Mein Elan trug mich schwungvoll in die Höhe und über alle Widrigkeiten hinweg - eineinhalb Tage lang. Dann wurde die Gier immer stärker. Wie ein alter Vertrauter gesellte sie sich zu mir, begleitete mich tagsüber, wenn ich in meinem Officum war und wenn ich durch die Castra ging, stand hinter mir, wenn ich mit anderen sprach, saß abends mit am Tisch, wachte des Nachts auf meiner Bettkante, war mir auf den Fersen, wohin auch immer ich ging. Ohne Unterlass wisperte sie zu mir, von Wärme und Freude, vom Träumen und Seligsein... Ich verschloß meine Ohren, doch die Gier flüsterte in meinen Gedanken... immer lauter, eine eindringliche Stimme: Nur ein bisschen, nur eine Messerspitze voll, und es ginge dir auf der Stelle viel besser.... warum quälst du dich so? Es ist unnötig dich so zu quälen! Nur ein bisschen... es wird dir nicht schaden.
    Ich biss die Zähne zusammen, und stürzte mich wie ein Besessener in die Arbeit – aber ich brachte nichts zustande, verrechnete mich, verwechselte die Namen der Soldaten, konnte mich auf nichts konzentrieren, denn meine Gedanken kreisten immer nur um eines. Opium. Opium. Glückseligkeit. Opium.


    Dann kamen das Zittern, das Schwitzen und die Krämpfe. Ich hatte vergessen wie schlimm das war und wie demütigend. Da war kein Gedanke daran, in diesem erbärmlichen Zustand vor die Türe zu gehen, ich sagte ich sei krank und ließ meine Sklaven jeden Besucher abweisen. Mein Körper widerte mich an, so schwach und jämmerlich. Ich lag in meinem abgedunkelten Cubiculum, zitternd, nass von kaltem Schweiß, wälzte mich auf dem Bett auf der Suche nach einer irgendwie erträglicheren Lage, krümmte mich wie ein Wurm.... Ich war ein Wurm geworden, ein leidendes Ding, kein Mensch mehr.
    Nur ein bisschen kreischte die Gier in meinem Inneren, nur eine Messerspitze voll, und du bist wieder ein Mensch...!

    "Ab heute ist Schluß damit!!"
    Mit fiebrigem Eifer durchwühlte ich die Truhe in meinem Cubiculum, zog den Beutel mit den Opiumvorräten hervor und warf ihn auf den Boden, wo schon meine tönerne Opiumpfeife lag. "Es reicht... es reicht endgültig..."
    Nicht nur, dass es mein Denken vernebelte, und meine Verdauung lahmlegte, nun war auch noch meine Manneskraft in Mitleidenschaft gezogen. Das heißersehnte Rendezvous mit Massa war mehr als blamabel gewesen! Das brachte das Fass zum Überlaufen.
    "Ab heute ist Schluss. Nie wieder, NIE wieder..."
    Ravdushara stand daneben, er schwieg, doch ich sah ihm an der Nasenspitze an: er glaubte mir nicht.


    "Du wirst schon sehen!" Ab heute begann mein neues Leben. Ich hob den Fuß und trat mit Wucht auf die Tonpfeife, sie zerbrach unter meinem Calceus. "Tu das weg, dieses ganze Zeug! Ich will es nicht mehr sehen. Wirf es fort, auf der Stelle!"
    Ravdushara kniete sich hin und sammelte die Scherben ein, nahm den Beutel an sich und ging. Ich folgte ihm mit den Augen... und spürte, wie mein Mund auf einmal so trocken war, der Boden unter meinen Füßen so vage... Als stünde ich in schwindelerregender Höhe... schwankend, und der einzige feste Punkt, der mir Halt geboten hätte, an dem ich mich festklammern wollte, der war soeben entschwunden...
    Bona Dea... Ich hielt mich an der Wand fest, schloß die Augen und stieß heftig die Luft aus. Reiß dich zusammen Faustus. Du hast es schon mal geschafft.
    Ja. Nie wieder das falsche Traumzeug. Wenn mein Arm schmerzte, dann würde ich eben die Zähne zusammenbeißen wie ein echter Römer, wenn ich schlecht drauf war, dann würde ich... mich eben zusammenreißen wie ein echter Römer.


    Entschlossen stieß ich mich von der Wand ab und stürzte mich in hektische Aktivität: erst einmal meine Arbeit ordnen, damit, wenn es denn hoffentlich mit der Versetzung klappte, ein Nachfolger diese reibungslos übernehmen konnte, dann meine Sachen hier im Haus sichten und aussortieren, was weg konnte und was ich mitnehmen wollte, meinen Sklaven Anweisungen geben, packen, dann umdisponieren, wieder auspacken und neu packen... Ablenkung war jetzt das wichtigste.

    "Das werde ich!" beteuerte ich eifrig, "Hmm... falls es..." Ich sah mich um, die Türe zum Vorzimmer war geschlossen, auch draußen vor dem Fenster war keine Menschenseele. Trotzdem dämpfte ich die Stimme, als ich verschwörerisch fortfuhr. "Falls es, mögen die Götter bewahren, Dinge sein sollten, die man zur Zeit besser nicht offen sagt... dann werde ich sie mit Zwiebelsaft auf den Rand des Briefes schreiben, so dass sie erst über einer Flamme wieder sichtbar werden. Und eine Verschlüsselung benutzen, und zwar den Theokleia-Code." Konnte keiner behaupten, wir Soldaten wären nicht lernfähig. "Mit dem Schlüssel..." Ich überlegte, erinnerte mich dann an den denkwürdigen Tag, als ich Octavius kennengelernt hatte, als es so entsetzlich gewittert hatte und den Tiberiern die halbe Bude abgebrannt war. "...Summanus. In Ordnung?"

    Manchmal war Massas Scharfsinn unglaublich lästig!
    "Unsinn! Ich will NIE wieder etwas mit ihm zu tun haben!" beteuerte ich laut, "VERRATEN hat er mich, ich HASSE ihn!!
    Aber während ich es noch aussprach, oder genauer gesagt, in die Nacht rief, wußte ich schon, dass das bestenfalls die halbe Wahrheit war...
    Genug der Halbheiten. Ich erlaubte es dieser Nacht nicht, eine reine Enttäuschung zu sein - und war doch überwältigt, wie Massa, auf diesen einen Funken hin, so heftig aufflammte!


    Oh! Meine Augen wurden groß, ein wenig benommen ließ ich mich auf das Spiel der Zungen ein. Ich muß gestehen, dass ich, was die Hingabe anging, ziemlich außer Übung war (trotz meiner Behauptung eben). Und das ging ja alles so schnell! Er war mir mindestens drei Schritte voraus. Und es war alles so verboten – dass er, jünger, im Rang unter mir, hier auf einmal den Ton angab, wenn irgendjemand das erführe, würde mich Spott und Hohn den Rest meines Lebens verfolgen, oder was wenn er mich danach geringschätzen würde, und – Oh! seine Hände – und – OH! dieser hungrige Blick, er ging mir durch und durch..... Ich biss mir auf die Lippen, senkte die Lider... Aufregend war es natürlich, der Kitzel des Verruchten durchrieselte mich heiß, verdrängte die Mattigkeit. Außerdem hatte er mich HERAUSGEFORDERT. Ich streckte mich langsam, schenkte ihm meinen schönsten Augenaufschlag und vertraute ihm ebenso herausfordernd an:
    "Ich gehöre GANZ dir!"
    Ihn mit schmachtendem Blick umfangen haltend, beugte ich mich zu ihm, bis ich wieder die Wärme seines Körpers spüren konnte, öffnete die Schnalle seines Gürtels. Der rutschte mit einem leisen Klirren beiseite. Ich lächelte Massa zu, leckte mir flüchtig über die Lippen, spannte ihn ein wenig auf die Folter, während ich seinen Mannesstolz aus den Falten der Tunika befreite – um mich ihm dann ganz besonders HINGEBUNGSVOLL und kunstfertig zu widmen.... erfüllt von einer hitzigen Sehnsucht nach dem Rausch. Ich wollte mit ihm brennen, in seinem Feuer, ich war kein Adler, hatte keine Schwingen, ich ließ mich fallen, in dem Begehren zu fliegen...

    Decima Seiana - Casa Decima Mercator - Rom



    Meine liebe Seiana!


    Wie geht es Dir?? Kommst Du zurecht? Hat sich der Sturm nun wieder gelegt oder ist die Situation noch immer so angespannt? Wie sehr ich mir doch wünsche, endlich wieder von Angesicht zu Angesicht mit Dir zu sprechen, diese Briefe sind nur ein notdürftiger Behelf, besonders in so unruhigen Zeiten. Aber wenn die Götter mit uns sind, dann wird das schon bald möglich sein, denn mein Präfekt – er ist wirklich eine Seele von Mensch!! - hat sich für meine Versetzung nach Rom starkgemacht und nun sitze ich hier in Nikopolis wie auf glühenden Kohlen, während ich die Entscheidung erwarte, inständig hoffend, dass sie zu meinen Gunsten ausfällt.


    Von Onkel Magnus' Tod zu hören hat mich sehr betrübt. Ich habe ihn bewundert, auch wenn ich seine einsilbige Art nie so richtig einschätzen konnte. Er war ein Decimer alten Schlages... es ist ein großer Verlust für unsere Gens. Die arme Venusia, und die armen Kleinen!
    Kaltschnäuzig mag es dagegen klingen, wenn ich sage, dass ich Verus keine Träne nachweine. Sein unwürdiges Ende passt ganz hervorragend zu dem rückgratlosen Leben, das er geführt hat. Ich gebe zu, ich bin froh, dass er uns weder Ärger noch Schande mehr bereiten kann.


    Was meine Gesundheit angeht, schlage ich mich so durch. Was in der Acta stand war übertrieben, aber es ist halt eine längere Geschichte mit der Genesung, und wie Du weißt, bin ich nicht unbedingt der allergeduldigste Mensch unter der Sonne. Ziemlich bitter ist auch, dass meine Meditrinalienangelegenheit, von der ich mir ja doch so einiges erhofft hatte, auch wenn ich eigentlich es aus Erfahrung hätte besser wissen müssen, in einem vollendeten Desaster zerschellt ist. Der Dramen und Hirngespinste überdrüssig beschloß ich dann, womöglich etwas überstürzt, mein Herz einem absolut umwerfenden Mann zu schenken, den ich hier in Ägypten kennengelernt habe – was aber auch nicht gutging, so dass ich nun mal wieder an dem Punkt angekommen bin, wo ich gerne ein stoischer Philosoph wäre, der von seinem schneebedeckten Gipfel aus ungerührt auf das Irren und Wirren der Menschen herabblickt...


    Dein Auserkorener hat mir übrigens geschrieben, einen sehr artigen Brief. Ich habe ihm noch nicht darauf geantwortet, obwohl ich, wie Du weißt, im Prinzip nichts dagegen habe, aber er ist ja noch immer in Germanien und so ganz kann ich doch noch nicht von dem Gedanken lassen, dass Du eine sehr viel vorteilhaftere Partie machen könntest. Terentius Cyprianus ist frisch zum neuen Prätorianerpräfekten ernannt worden, und noch immer nicht neu vermählt! Denk nur was so eine Verbindung für unsere Gens bedeuten könnte.
    Was die Brautschau für mich angeht... danke für Deine Vorschläge. Eine Hispanierin fände ich gut. Venusia in Betracht zu ziehen, käme mir irgendwie seltsam vor, weil ich sie als Tante kennengelernt habe. Und, sicher, sie hat bewiesen, dass sie fruchtbar ist, aber die Duccier sind ja alles andere als gesellschaftlich bedeutend. Ich meine, wenn ich schon in den sauren Apfel beiße, soll es sich auch lohnen. Eine Helvetia oder gar Aelia wäre da deutlich interessanter. Kennst Du diese Frauen, die Du genannt hast, persönlich? Wie sind sie so?


    Übrigens ist mir aufgefallen, dass ich im Bezug auf die skandalöse Iunia aus Versehen Unsinn erzählt habe. Ich bin neulich nochmal den Fall durchgegangen (weil wir ihn ungelöst zu den Akten legen müssen, was mich echt aufregt, denn zwischenzeitlich gab es Durchbrüche, und ich dachte auch mal, ganz nahe an der Aufklärung zu sein, aber dann ist uns leider unser Hauptverdächtiger weggestorben und sowieso ist es Schnee von gestern, die Alexandriner haben längst neue Gründe auf die Barrikaden zu gehen), jedenfalls ist sie gar nicht die Nichte der Ermordeten, sondern deutlich entfernter verwandt, ich kam lediglich darauf weil sie die Urgulania als Mentorin bezeichnet hatte – also, nur um das zu korrigieren.
    Die Maßstäbe hier sind einfach andere, das fällt mir immer wieder auf. Vor kurzem war ich bei der Cena eines Prytanen, des Gymnasiarchos, also ein wirklich hoher Würdenträger - der vollkommen selbstverständlich zugleich Gastwirt ist. Erst hier merke ich, wie streng römisch ich in mancher Hinsicht dann doch geprägt bin, trotz meiner großen Sympathie für die hellenische Kultur.


    Liebe Schwester, ich hoffe Dich bald wiederzusehen!





    Sim-Off:

    bezahlt, danke

    Enttäuschung war wohl das Motto dieses Abends. Schweigend, grübelnd, nur schulterzuckend hörte ich zu, während meine Finger geistesabwesend mit dem Serapis-Amulett spielten.
    "Ich auch." sagte ich schließlich düster, nahm den Wein von Massa entgegen und trank. Ich war verwirrt, wußte nicht, was ich glauben sollte, wußte nur, was ich NICHT glauben wollte: "Ein Zeichen? NIE im Leben. Ich hatte nur zu wenig getrunken, und bin halt noch nicht ganz vollständig wieder gesund und... ich finde es UNSINNIG, da, hier, also, deswegen jetzt alles mögliche hineinzuinterpretieren, aber - ... ach ich bin verwirrt!"
    Frustriert stieß ich die Luft aus. Ein Wiederfinden, ein Begraben der Irrtümer... hallte es in mir wieder. Das wäre schön gewesen... Zögerlich lehnte ich mich ein klein wenig zurück, gegen Massa und erzählte, den Blick in das Dunkel zwischen den Palmen gerichtet:
    "Das Amulett habe ich schon lange. Meine Schwester hat es mir aus Alexandria mitgebracht, als sie... unter anderem am Museion war, während ich noch in Rom diente, und nur davon träumen konnte, diese unglaubliche Provinz hier mal mit eigenen Augen zu sehen. Aber ich trage es jetzt konsequent, denn... Also, ich war im Serapeion um ein Opfer zu bringen. Um wieder gesund zu werden und überhaupt. Erst hab ich eine Führung mitgemacht und bei einer der Tempelzeremonien zugeschaut, das war sehr beeindruckend... hat mich richtig gepackt. Ähm, ja und dann das Opfer, ich hatte einen famosen weißen Ochsen angeschleppt und alles beachtet, ging auch gut, aber danach habe ich mich zum Tempelschlaf hingelegt, aber anstatt dass Serapis mir einen heilenden Traum geschickt hätte, hatte ich bloß wieder... so einen ganz SELTSAMEN Albtraum. Der sucht mich schon seit JAHREN heim! War also nichts neues, sozusagen, aber als ich es dem Priester erzählt habe, der dort die Träume deutet, sagte er, etwas stünde zwischen mir und der Heilung, etwas übles... Und ich hatte echt den Eindruck, dass der Mann, es war ein ehrwürdiger Greis, sich sehr gut auf das Träumedeuten verstand, nur... ich habe keine Ahnung was es sein könnte."
    Ich war ganz schön ins Reden gekommen, aber ehrlich gesagt tat es mir gut. Mit einer wegwerfenden Geste fügte ich hinzu: "Ich mach mir halt Gedanken, deswegen... Darum bin ich zur Zeit vielleicht etwas geneigter Lemuren zu sehen... und hab mir vorhin eingebildet da wäre irgendwas. - Und dazu kommt noch..."


    Ich stockte, legte den Kopf zurück, leicht gegen Massas Schulter – über uns die Sterne, "wer hat die Gestalten der Sterne geschaffen" hatten die Priester gesungen - aber nur kurz, dann setzte mich wieder gerade auf und blickte ihn an.
    "...ich habe mich mit einem Freund in Rom entzweit. Mit einem Liebhaber."
    Das klang so harmlos... aber das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich es aussprach, den Geschehnissen auf diese Weise Wirklichkeit zugestand, Substanz gab... Ich furchte die Stirn und sprach, wie gegen einen Widerstand, erstaunlich mühsam, wie gegen eine starke Strömung anschwimmend: "Und es ist wohl... Nein, es IST endgültig. Es muß endgültig sein." Ja, mußte es!
    "Und..." fuhr ich schnell fort, "ich habe mich gesehnt, nach DIR, nach der Leichtigkeit und der Leidenschaft, die in der Wüste zwischen uns geherrscht haben... Wir haben SO viel zusammen durchgestanden! Du hast mich von der Schwelle des Hades zurückgerufen!... Auch ich habe gehofft, dich wiederzufinden, und vielleicht sogar.......... - "
    Bona Dea, ich redete viel zu viel!! Um Kopf und Kragen... Mehr Wein! Ich zuckte hilflos die Schultern, schenkte uns beiden ein, ertränkte die törichten Worte in einem tiefen Zug, schenkte nach... bis der pralle Weinschlauch in meiner Hand auf eine Art und Weise erschlaffte, die mich unangenehm an mein Versagen erinnerte... und das beschwor, nach diesem Übermaß an Verzweiflung, mit einem Mal meinen Trotz herauf... gegen alle Arten von nebulösem Verhängnis und zum Scheitern verurteilter Liebe, gegen enttäuschte Erwartungen, immergleiche Fehler, endloses Hin und Her, Sorgen, Vorzeichen, Schwäche meinerseits und Schwäche im Allgemeinen.
    Trotzig legte ich Massa die Hand aufs Knie, blickte ihm unverwandt in die Augen und teilte ihm mit:
    "Übrigens... Ich kann auch SEHR hingebungsvoll sein!"

    Unweit von uns plätscherten sanfte Wellen ans Ufer, kräuselte sich der silberne Widerschein des Mondes auf der spiegelnden Wasserfläche. Das Schilf stand wie Speere, es wisperte im Wind, der kühl war, nach Schlamm und Moder roch. Der Geruch der Pferde mischte sich hinein, ich roch die Wolle von Massas Mantel und... ihn, als er sich sacht gegen meinen Rücken lehnte, vertraut meine Schulter berührte, die sich unter seiner Hand anspannte.
    Sag jetzt nichts falsches mein Freund...! Gut, was er dann sagte verblüffte mich so sehr, dass es mich für einen winzigen Augenblick sogar mein Versagen vergessen ließ.
    "Ich dir?!" fragte ich komplett irritiert, "...wie kommst du denn da drauf???", und begann zu lachen, angesichts der unschlagbaren Absurdität dieser Situation... meine Schultern zuckten, freudlos brach das Lachen aus mir heraus, verstummte eben so plötzlich wieder.. ich fuhr mir über die Stirn, rieb mir die Nasenwurzel.
    "Appius, du mußt mir glauben, es hat NICHTS mit dir zu tun. Es liegt nicht an dir. Es.... ach verflucht, ich hab keine Ahnung woran es liegt! Aber definitiv nicht an dir." Ich wandte mich halb zu ihm um, fuhr ihm mit dem Handrücken über die Wange. Klar dass er jetzt gekränkt war, und enttäuscht, wäre ich auch an seiner Stelle... er hatte sich mit einem Aquila verabredet und stattdessen einen Encolpius bekommen.
    "Du bist HEISS!!" versicherte ich ihm zerknirscht. "Es tut mir leid. Es... irgendwas stimmt nicht mit mir, ich hätte es wissen müssen, nicht mal im Serapeion konnten sie mir helfen. - Ach, zum Cerberus, ich hatte mir diesen Abend gänzlich anders vorgestellt..."
    Eine dumpfe Melancholie senkte sich auf mich herab. Ich hatte mich übernommen. So getan als wäre ich gesund und stark – was ich nicht war. Ein tiefes Seufzen entfloh meiner Brust. Oder vielleicht... vielleicht war es eine Strafe Eros'? Dafür, dass ich die überlebensgroße, unerreichbar ferne Meditrinalienliebe verspielt hatte... zugunsten des mir zulächelnden, erreichbaren Glückes.

    Es entging mir nicht, dass Octavius meine Frage einzig und allein auf den Dienst bezog. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt so was wie ein Privatleben hatte... Er war mit seiner Pflicht verheiratet, interessierte sich nicht für den Rennsport, und ich hatte ihn noch NIE in einer zivilen Tunika gesehen. Vor meinem inneren Auge malte ich mir aus, wie er morgens aufstand, sich fragte 'was ziehe ich heute an?' und seine Kleidertruhe aufklappte, in der lagen hundert Militärtuniken, die sich alle genau glichen...
    Es lag wohl an diesem Abschweifen meiner Gedanken, dass ich dem Präfekten nicht mehr ganz folgen konnte. Barbaren waren halt.... Barbaren, gierig zu rauben und zu plündern..... und wir hatten halt zu wenig Kavallerie dabeigehabt... Wenn da mehr dahintersteckte wäre das äußerst beunruhigend.


    Dankend nahm ich den Becher entgegen und trank einen Schluck. Für eine Hasta Pura vorgeschlagen?! Meine Augen leuchteten auf, und mein Herz klopfte heftig. Eine Hasta Pura! Onkel Meridius "der Triumphator" nannte eine Hasta Pura sein eigen. Oh hoffentlich, HOFFENTLICH bekam ich die Lanze!! Und hoffentlich klappte das mit der Versetzung...
    "Ich möchte dir meinen TIEFEMPFUNDENEN Dank aussprechen, Präfekt! Für deine Empfehlungen und für ALL DAS, was ich unter deinem Kommando lernen durfte. Und nicht zuletzt für dieses großzügige Angebot, auch wenn ich, mit Verlaub, hoffe davon keinen Gebrauch machen zu müssen."
    Ich konnte von hier aus überhaupt nicht einschätzen, wie ernst die Lage für meine Gens war, aber falls es in Rom zu gefährlich für uns würde, würde ich auf jeden Fall darauf zurückkommen – ich würde meine Schwester schnappen, den kleinen Cousin und die kleine Cousine, und sofort das nächste Schiff nehmen...
    "Gibt es... denn IRGENDETWAS, was ich für dich tun kann, Präfekt, um meiner Dankbarkeit Ausdruck zu geben?!"

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    "Und was für ein schwungvoller Pinselstrich." stimmte ich höflich in Massas Lob ein, und ging mit der Nase näher an das nächste Bild heran, so dass es sich in einzelne Striche auflöste, wich dann wieder zurück und betrachtete die "Nilpferdfamilie beim Grasen" im Ganzen.
    "So lebensecht. Man schmeckt förmlich das Gras!"
    Was Malerei anging, war ich beileibe kein Kenner, aber das Bild gefiel mir. "Meine Tante Lucilla hatte mal ein Hippopotamus, der damalige Praefectus Aegypti hatte es ihr zur Hochzeit geschenkt. Aber es war so dermaßen gefräßig, dass sie es bald schlachten mußte."
    Es war schon ungewöhnlich, dachte ich so bei mir, eine schwerbewachte Schatzkammer in einem Gasthaus zu finden. Aber nicht ungewöhnlicher als die Tatsache, dass ein Würdenträger der Stadt zugleich Gastwirt war... was, nach meinem römischen Verständnis, ja nicht gerade zu den ehrbarsten Berufen gehörte. Aber hier in Alexandria war eben vieles vollkommen anders.
    Ich spazierte weiter zu den Mamorbüsten – zur Bildhauerei hatte ich mehr Bezug – und blieb vor dem Bildnis Alexander des Großen stehen, betrachtete es mit leisem Schmunzeln, denn unweigerlich weckte es bei mir die Erinnerung daran, wie sich Tricostus als Alexander kostümiert hatte, damals bei den... – Bona Dea, war das jetzt etwa schon damals??