Zitat
Original von Appius Decimus Massa
„ Sie bewacht sie sehr gut, gewisse besondere Umstände zwangen sie dazu Platz zu machen.“ Das sollte genügen. In seiner Lage war es zwecklos weiter darauf einzugehen. Er hatte den Willen aufgebracht sich von der Sucht zu befreien, dafür sollte er jede Unterstützung und Hilfe bekommen, die ich geben konnte. Dem Widersprach es, ihm Opium zu verschaffen, auch wenn er darum bettelte und flehte. Ich hatte ihn an den Handgelenken, versuchte meine Tunika aus seinem Griff zu lösen. „ Ich helfe dir und du wirst es so schaffen, ohne ein scrupulum Opium. Keiner wird dir Opium bringen. Ich werde es Ravdushara und deiner resolute Dame von der Tür verbieten.“ So sicher auf den Tag die Nacht folgte, so sicher war ich mir, dass keiner der Beiden Opium besorgte. Endlich hatte ich seine Hände gelöst. Er lag wieder auf seinem Bett. Den Becher in der Hand, die andere unter seinen Kopf, beugte ich mich zu ihm. „ Du wirst das hier trinken und wenn ich es dir einflössen muss.“ Der Becher wanderte an seine Lippen, den Kopf gestützt blieb ihm nichts anderes übrig als zu trinken. Nebenbei sagte ich ihm , was ich mit Ravdusharas Hilfe vor hatte. " Ravdushara wird dich waschen. Du ziehst eine frische Tunika an, bekommst frisches Bettzeug. Dann isst du Obst. ich füttere dich, wenn du nicht alleine willst. Du wirst viel trinken. Dir wird es schlecht gehen, sehr schlecht, aber es wird besser. So geht es jetzt jeden Tag, bis du ohne das Zeug auskommst und wieder klar bei Verstand bist." Ich wischte sanft über sein Gesicht. Rutschte näher an ihn heran.
Ein feuchtes Tuch musste zum Nase putzen herhalten. Ich kam mir vor wie der große Bruder, der seinem kleinen Bruder nach einem Sturz aufhalf. „ Du schaffst das Faustus. Du bist stark. Du hast 5000 Männern gezeigt was in dir steckt. Du hast sie zum Sieg geführt. Kämpfe, kämpfe für dich. Kämpfe, um dir selber wieder in die Augen sehen zu können. Denk an deinen Vater Livianus, an deine Schwester Seiana. Ich helfe dir dabei.“ Er musste da durch. Wie wollte er sonst in Rom bestehen, die Familie unterstützen. Was für eine Aufgabe dort wartete war egal. Nur mit ganzem Einsatz seinerseits war sie zu bewältigen. Ich vertraute ihm, dass er es schaffte. Ich war für ihn da, wollte bleiben so lange es ging. Die nächsten Tage gab es nach Dienst nur einen Weg für mich.
Mein Flehen stieß auf taube Ohren. Wie konnte er so grausam sein? Worte gab er mir, nur Worte, doch Worte konnten mir nicht helfen, mir konnte nur eines helfen, Opium, herrliches Opium, meine einzige Rettung, meine Erlösung.
"Du hast... keine Ahnung... du weißt nicht wie das ist..." schluchzte ich verzweifelt, "...so hilf mir doch, bitte..."
Doch ich war gefangen in diesem Albtraum, es gab kein Entkommen, ich hatte keine Kraft mehr mich zur Wehr zu setzen, machtlos ließ ich es geschehen dass er mir zu Trinken gab, mich bevormundete, alle Entscheidungsgewalt an sich riss. Ich brauchte kein Bad, kein Obst, ich brauchte nur eines: Opium. Ich solle mir wieder in die Augen sehen können sagte er, doch er sprach da zu jemand anderem, einem anderen Faustus, nicht zu mir, ich war jenseits solcher Dinge wie Scham oder Stolz.
"Du weißt nichts!!" heulte die Gier in mir böse auf, "Du läßt mich im Stich!!", voll Haß auf diesen Mann, der mir die Erlösung von meinen Qualen verwehrte, der es zuließ, dass ich mich so vor ihm erniedrigte. Ich wollte aufstehen, mir selbst etwas besorgen – im Valetudinarium hatten sie Opium... ich würde einfach... ins Valetudinarium gehen und denen dort befehlen mir etwas zu geben, und dann wäre all dieser Horror mit einem Schlag vorbei... - aber mir war zu schwindlig, und mein Körper bestand nur noch aus Schmerz und Krämpfen. Ich bat, ich befahl, ich wütete, wimmerte, jammerte und flehte, doch sie gaben mir kein Opium, weder Massa noch die Sklaven, die taten alles, wie er es angeordnet hatte.
Aber lassen wir das. Ich erinnere mich ungern daran, und was ich durchmachte, lässt sich mit Worten nur sehr ungenügend wiedergeben. Massa kam erstaunlicherweise wieder, kümmerte sich trotz allem um mich, und wie das so ist – irgendwann wurde es besser, und ein paar Tage später dachte ich mit Befremden an das erbärmliche Bündel zuckender Mensch zurück, dass ich in der Zeit gewesen war.
Auf staksigen Beinen verließ ich mein Cubiculum, blinzelte im Peristyl in die helle Sonne. Die Luft war heiß, trug eine angenehm salzige Note. Ich atmete tief durch, ließ mich auf die Bank unter dem Jasmin sinken und war es für den Moment zufrieden, einfach nur da zu sitzen. Ein Nebel hatte sich gelichtet, meine Gedanken waren klar wie schon seit langem nicht mehr. Natürlich war es mir unangenehm, vor kurzen noch ein so jämmerliches Bild geboten zu haben, doch stärker wog meine Erleichterung. Ich hatte es durchgestanden, wenn auch nur mit einer Menge Hilfe, aber egal, es war vorbei. Nie wieder.
Ein Grummeln in meinem Magen - ich verspürte doch tatsächlich Hunger. Pontia brachte mir ein Tablett mit Käse, frischem Brot und Oliven, pflückte mir Gewürzkräuter aus dem Garten, trug einen leichten Massiker dazu auf, und machte sich dann gleich daran, mir etwas "richtiges" zuzubereiten. Es schmeckte wunderbar, und es rührte mich zu sehen, dass diese schroffe Sklavin Anteil nahm, auch wenn sie es nicht in Worten ausdrückte.
Beim Essen fragte ich Ravdushara darüber aus, was denn in der Zwischenzeit so passiert war, danach gab er mir die Briefe, die während meiner Unpässlichkeit angekommen waren. Eine Schneiderrechnung, ein paar Abschriften aus der Museionsbibliothek, ein Bericht meines Verwalters aus Ostia... und ein Brief mit dem imposanten kaiserlichen Siegel. Aufgeregt öffnete ich ihn und las:
Salve Tribunus Decimus,
hiermit informiere ich dich über deine Abberufung als Tribunus Angusticlavius. Du erhältst hiermit außerdem den Marschbefehl dich umgehend in Roma zu melden, wo dir die kaiserliche Kanzlei einen neuen Posten zuweisen wird.
Es war also soweit.
"Wir reisen ab." sagte ich zu Ravdushara. "Nach Rom."
Dass die Kanzlei das so spannend machen mußte! Ich hätte doch zu gerne gewußt welcher neue Posten mir denn nun winkte!
Aber da war noch ein Brief, er lag zuunterst in dem Stapel, und es verschlug mir den Atem, als ich die Schrift erkannte. Von Manius? Ich hätte es nicht erwartet, noch einmal von ihm zu hören... Ungläubig hielt ich das Schreiben in der Hand, verharrte ... bang bei dem Gedanken an meine harten Worte, auf die nun unweigerlich das harte Echo folgen mußte, wagte ich es nicht, das Papyrus auch nur um einen Fingerbreit weiter zu entrollen.