Beiträge von Faustus Decimus Serapio

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    Diese Wette hatte ich gewonnen. Ich freute mich sowieso schon auf die nächsten Wagenrennen, die römische Rennkultur hatte ich in Alexandria sehr vermißt, und das dortige Hippodrom konnte in keinster Weise mit dem Circus Maximus mithalten. Ravdushara blieb am Palasttor zurück, und ich folgte dem Prätorianer, unglücklich über meine Toga. Hoffentlich war mein nächster Posten keiner, bei dem man täglich so ein blödes Ding tragen mußte... Aber das würde ich wohl gleich erfahren. Der Miles lieferte mich an der Amtstube ab, ich bedankte mich und meldete mich bei einem Schreiber an.
    "Salve, mein Name ist Faustus Decimus Serapio, zuletzt Tribun bei der XXII, ich möchte bitte den Procurator a Memoria sprechen."

    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    Der Postangestellte reagierte ungehalten. Wenn Blicke töten könnten! Aber noch unheimlicher war dieses künstliche Lächeln. Ravdushara lies den Wortschwall über sich hinwegbranden, die Aussage fand er ziemlich vage.
    "Damit er es verstehen kann, hat er mich hierher geschickt, um mich nach eben jenen Gründen zu erkundigen. Nun, ich danke für die Auskunft, und werde es ihm ausrichten. Und ich wünsche den erkrankten Tabellarii eine baldige Genesung. Vale.", verabschiedete er sich und verließ das Postamt.

    ..... rief ich laut, denn einen Sklaven von so prächtiger Statur, den konnte ich mir wirklich nicht entgehen lassen!! Nicht nur die Damen machten freudige Gesichter, als er die Hüllen fallen ließ, und mit den Zähnen schien auch alles in Ordnung zu sein. Sogar das Mädchen, das sich anfangs so unzufrieden geäussert hatte, war von diesem Anblick nun doch überzeugt worden, aber ich hatte sie überboten und der Sklavenhändler erteilte mir den Zuschlag. Ha! Von dem kleinen Ersteigerungs-Duell freudig erregt trat ich zum Sklavenhändler, und regelte mit ihm die Bezahlung.
    "Ich nehme ihn gleich mit." beschloß ich dann, "Und danke nein, ein Brandzeichen ist nicht nötig."
    Ich wandte mich zu dem Barbaren, musterte ihn fröhlich, voll unverhohlenem Besitzerstolz.
    "So Germane, du gehörst jetzt mir. Zieh dich an und komm mit uns. Ich bin Faustus Decimus Serapio, und der Bursche hier ist Ravdushara, mein Leibsklave. Wie lautet dein Name?"



    Sim-Off:

    Ist an die Staatskasse II überwiesen.

    Ein Waffenhändler... das erklärte seine Gefangennahme so halbwegs. Aber vielleicht sagte er mir auch nur die halbe Wahrheit. Ich betrachtete ihn eindringlich, gut zu hören, dass er kämpfen konnte, aber kein Aufständischer war. Wenn doch alle Barbaren in allen Himmelsrichtungen so vernünftig wären einzusehen, dass sie gegen den römischen Adler keine Chance hatten, und dass wir Römer ihnen Fortschritt und Zivilisation mitbrachten... Kritik aus Sklavenmund war natürlich unangebracht. Ich umfasste meinen verbundenen Schwertarm am Ellenbogen, als ich unwillig die Arme verschränkte.
    "Ich bin Soldat. Die Kameraden in Germanien werden schon Grund gehabt haben, dich festzunehmen."
    Seine Frage irritierte mich. Also, dass er überhaupt eine Frage an mich stellte! Zudem eine so komische.
    "Ähm..." Ich runzelte die Stirn, verstand den Sinn dahinter nicht. Einer der Sklavenhändler-Schergen bestrafte ihn auch gleich und entschuldigte sich.
    "Macht nichts." sagte ich huldvoll.


    Ob ich Sklaven als "Ding" sah? Unwillkürlich wandte ich mich zu Ravdushara, der, die Daumen in den Gürtel gehakt neben mir stand, sein orientalisches Gesicht verriet in keinster Weise was er von dieser ganzen Sache hielt. Er war natürlich kein "Ding" für mich, ebensowenig die anderen Haussklaven, sie waren Teil der Hausgemeinschaft, aber ich besaß ja auch Feldsklaven, die auf den Äckern und in den Olivenhainen arbeiteten, und die ich gar nicht kannte... ob sie deswegen jetzt ein "Ding" für mich waren, darüber hatte ich nie nachgedacht.
    Ja, früher, bevor ich zur Legion gegangen war, da hatte ich mich für epikureisches Gedankengut begeistert, für das Ideal der Freundschaft als universelles Bindeglied zwischen den Menschen, gleich welchen Standes... aber mittlerweile erkannte ich, das das nur wirklichkeitsfremde Schwärmereien waren.


    Aus der Umgebung der jungen Frau war ein Gebot gekommen, das machte die Sache gleich ein bisschen spannender.
    "Tausend." bot ich, und verlangte:
    "Und er soll sich mal ausziehen und von allen Seiten zeigen. Auch seine Zähne."
    Sklavenhändler waren ja schlimmer als Rosstäuscher, wenn es darum ging, irgendwelche Mängel geschickt zu verbergen. Das war allgemein bekannt.

    Gleich nach meiner Ankunft verfasste ich einen kurzen Brief an Massa. Er sollte ja nicht glauben ich wäre unterwegs abgesoffen. Ich hielt den Brief in unverfänglichem Tonfall, denn ich konnte mir nicht sicher sein, ob er ihn wirklich erhalten würde, oder ob, man wußte ja nie, ihn womöglich jemand anders zu Gesicht bekommen würde.


    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    Ravdushara brachte den Brief zur Post.
    "Salve" grüßte er den Herrn im Officium, legte die Lederhülle mit dem Schreiben auf den Tisch und zählte zehn Sesterzen dazu.
    "Dieser Brief geht in das ägyptische Nikopolis. - Mein Herr, der Eques Decimus Serapio lässt ausserdem fragen, ob mit dem Postverkehr nach Alexandria alles in Ordnung ist? Ihm ist aufgefallen, dass die Briefe in den letzten Monaten beträchtlich länger unterwegs waren, als das früher der Fall gewesen ist. Es interessiert ihn, ob es dafür wohl einen Grund gibt?"


    Optio Appius Decimus Massa – Legio XXII – Nikopolis – Ägypten



    Mein lieber Freund!


    Ich bin wohlbehalten in Rom angekommen, und schreibe Dir auf gut Glück. Wie geht es Dir, was gibt es Neues? Wenn Du diesen Brief erhalten solltest, bist Du wohl noch in Nikopolis.
    Unsere Überfahrt war ruhig, hat sich aber endlos hingezogen, da wir, kaum dass wir Sizilien hinter uns hatten, in eine tagelange Flaute gerieten. Das war ganz nahe bei den "Inseln der Sirenen", irgendwo südöstlich von Capri. Die Seeleute haben schaurige Geschichten erzählt, angeblich lebten dort noch bis vor kurzer Zeit menschenfressende Vogelfrauen. Sie haben aber nicht versucht, uns auf ihre Riffe zu locken. Ich frage mich, wo all diese Wesen hingegangen sind... ich meine, früher gab es Löwen in Thessalien, heute muß man schon tief ins Landesinnere Ägyptens reisen, um welche zu finden. Vielleicht ist es mit den Wesen aus den Sagen genauso, und sie sind einfach an die Ränder der zivilisierten Welt geflohen... Was glaubst Du? Aber wir haben ja nicht mal im Zwölfmeilenland Acephali gefunden, obwohl ich in der Museionsbibliothek viele Berichte über sie gelesen hatte.


    Es ist schön wieder in Rom zu sein, ich liebe diese Stadt mit all ihren Facetten – nein, das war jetzt voreilig, sagen wir, ich schätze viele ihrer Facetten. Auch wenn sie im Vergleich zu Alexandria chaotisch und verwinkelt ist – wie Ravdushara nicht müde wird zu betonen. Es ist ein belebendes Wirrwarr, bunt und dynamisch! Rom ist nun mal die aufregendste Stadt der Welt. Ich hoffe ja so sehr, dass ihr, auf dem Weg zum neuen Stationierungsort, einen Abstecher hierher machen werdet! Schließlich wollen wir doch noch gemeinsam die Stadt unsicher machen.
    Was die Dinge angeht, die unsere Gens betreffen, habe ich mir noch keinen Durchblick verschaffen können, bin ja auch eben erst angekommen. Ich berichte Dir, sobald ich etwas klarer sehe.
    Was macht die XXII, ist Octavius' Ablösung schon eingetroffen? Halt mich auf dem Laufenden.


    Vale bene!



    Sim-Off:

    bezahlt, danke :)

    Der Germane antwortete unerwartet höflich, wenn auch etwas einsilbig. Dass er Latein sprach, steigerte natürlich seinen Wert (auch wenn der Akzent wirklich schlimm war). Prinzipiell war es aber unklug, sich einen frisch gefangenen Barbaren ins Haus zu holen, der einem womöglich, wenn ihm was nicht passte, mal so eben den Schädel einschlug. Diesen Punkt hatte der Sklavenhändler dezent verschwiegen.
    Ich zögerte. Eigentlich sollte ich es besser wissen, nach den schlechten Erfahrungen mit meinem Parther... der hatte mir immer nur Ärger gemacht, bis er schließlich gekonnt abgehauen war. Aber dieser Germane hier wirkte viel verständiger.
    Was betrachtete er denn da so genau... ich folgte seinem Blick und fand die kritische junge Frau von eben wieder, mußte schmunzeln bei dem Gedanken dass der Sklave aus seiner Heimat wahrscheinlich nur in Bärenfelle gehüllte, grobschlächtige Barbarenfrauen kannte. ;)
    Ich könnte ihn doch zum Gladiator ausbilden lassen – es war sehr angesagt seinen eigenen Gladiator in die Arena zu schicken, und machte die Spiele noch viel spannender!


    "Du warst Händler?" fragte ich nach, laut und deutlich, weil ich mir nicht ganz sicher war, ihn richtig verstanden zu haben. "Was hast du angestellt, dass die Soldaten dich gefangen genommen haben?" Es wäre doch interessant zu wissen, welchen Verbrechens er sich schuldig gemacht hatte. "Kannst du kämpfen?"
    Das Interesse an der Versteigerung war bisher gering, was mich überraschte, mir aber ganz recht war, so konnte ich mir, bevor die Gebote durch die Luft schwirrten, erst mal in Ruhe ein Bild machen.

    "Und, wie gefällt dir Rom?" erkundigte ich mich bei Ravdushara, während wir langsam über die Märkte schlenderten.
    Mein nabatäischer Leibsklave krauste die Nase. "Naja, ich habe es mir irgendwie anders vorgestellt. Nicht so... eng und dreckig."
    Leicht verstimmt darüber, dass er nicht angemessen beeindruckt war, sah ich mich um. Ja, im Vergleich zu Alexandria, mit seinen breiten Boulevards und dem übersichtlichen Straßenmuster, waren die von Menschen verstopften Gassen hier das reinste Chaos. Ich war in Zivil unterwegs, und so wie hier gedrängelt wurde, vermisste ich meinen Harnisch...
    "Ist halt eine gewachsene Stadt. Voller Leben" verteidigte ich mein geliebtes Rom, "Warte nur bis du die Kaiserforen gesehen hast, und die maecenischen Gärten..."
    Wie um sein banausenhaftes Urteil zu bestätigen, wehte in dem Augenblick ein übler Gestank zu uns, er kam aus einem Käfig in dem einige verwahrloste Sklaven auf ihren Verkauf warteten, stumpf vor sich hinstarrend. Ravdusharas Miene wurde steinern. Ich beschleunigte meine Schritte und steuerte den Teil des Sklavenmarktes an, wo die hochwertigere Ware verkauft wurden. Es waren gefährliche Zeiten und ich war noch immer nicht wieder auf der Höhe, drum brauchte ich einen Leibwächter. Ravdushara war zwar kräftig und gut gebaut, aber nicht gerade beherzt. Ich glaubte nicht, dass er mich im Notfall verteidigen könnte.


    Vor dem Podest des stadtbekannten Titus Tranquillus blieb ich stehen, sah mir neugierig an, was er so im Angebot hat. Bona Dea, dieser Barbar war ja ein Hüne. Das rötliche Haar, der wilde Blick! Er sah genau so aus, wie ich mir die wilden germanischen Horden vorstellte, die im dunklen Dickicht jenseits des Limes lauerten. Eine herausgeputzte junge Frau mit großem Anhang ließ eine abfällige Bemerkung fallen, aber mir gefiel was ich da sah, und und ehe ich es mich versah hatte ich schon den Startpreis geboten.
    "Fünfhundert."
    Ob er als Leibwächter taugte, vertrauenswürdig genug war, das war natürlich die Frage, aber er wäre bestimmt unschlagbar wenn es darum ging, schwere Dinge zu tragen.
    "Sklave," sprach ich ihn an, "woher kommst du und wem hast du zuvor gedient?"
    Der Händler konnte ja viel erzählen, ich wollte wissen ob der Barbar überhaupt Latein verstand.

    Frisch rasiert, in eine seriöse Equestunika und zur Feier des Tages sogar eine Toga gekleidet, erreichte ich den Palatin. Ich war noch nie innerhalb der Palastanlagen gewesen und war ziemlich gespannt darauf... noch gespannter war ich natürlich darauf, was für ein neuer Posten mich denn nun erwarten mochte. Ravdushara begleitete mich, das war auch bitter nötig, denn ich brauchte meinen gesunden Arm, um die verflixte Toga in Form zu halten, und war somit nicht gerade selbständig. Wohlweislich kam ich etwa zur hora quarta, also zur besten Amtsstubenzeit, zwischen Salutatio und Mittagspause.
    "Salvete Milites" grüßte ich die Palastwächter. "Mein Name ist Decimus Serapio, zuletzt Tribun bei der XXII. Legion. Ich habe Befehl mich bei der Kanzlei zu melden. Bitte bringt mich zum Procurator a Memoria." Als Profi fügte ich noch hinzu. "Waffen trage ich keine, mein Sklave auch nicht."
    Würden sie mich durchsuchen oder nicht? Ich stellte eine kleine Wette mit mir selbst an: Weder der Kaiser noch der Stadtpräfekt residierten innerhalb dieser Mauern. Also eher: Nein, es wäre sinnlos, welcher Attentäter interessierte sich schon für Procuratoren. Allerdings: wann hatten sich die Dienstvorschriften jemals nach so etwas wie Logik gerichtet? Also eher: Ja. Ich entschied mich für "Ja", mit dem Einsatz eines Circusbesuches...

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    Herrlich! Voll Genuß ließ ich mich in das heiße Wasser hineinsinken. Honiggelbes Badeöl umwaberte mich auf der Oberfläche des Bassins, floß in Schlieren auseinander und verströmte einen feinen Duft. Davon hatte ich sehnlich geträumt, während der nicht enden wollenden Seereise. Meinen rechten Arm stützte ich vorsichtig auf dem Rand des Beckens ab, damit der Verband nicht feucht wurde, mit der Linken ergriff ich einen Schwamm und wusch mir Salz und Dreck vom Körper. Jetzt fehlte mir Ravdushara. Gerade kam die schüchterne Sklavin von eben mit einem Badetuch herein, ich wandte mich an sie und bat: "Würdest du mir bitte den Rücken schrubben?"
    Sie sah mich an wie das Kaninchen die Schlange (wahrscheinlich hielt sie mich für eine Art Flavus, aber da mußte ich sie entäuschen) und trippelte näher, nahm eine Wurzelbürste und machte sich zurückhaltend ans Werk. Trotzdem tat es gut, das heiße Wasser, das massierende Kreisen der Bürste... ich schloß die Augen und seufzte wohlig, spürte, wie die Muskeln sich entspannten, wie sich ein angenehmes Gelöst sein in mir ausbreitete.


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    "Salvete, ich bin wieder da!" Aber niemand war zu Hause, niemand begrüßte mich, ausser den Sklaven, als ich nach meiner langen Reise eintraf. Enttäuscht sackte ich im Atrium auf eine Kline, streckte meine Beine und ruhte mich einen Moment lang einfach nur aus. Im Haus war es still... viel stiller als früher. Es konnte natürlich auch an der abendlichen Stunde liegen, aber... in meiner Erinnerung war diese Haus ständig erfüllt von Familie, Verwandten, Gästen, Klienten... dagegen wirkte es heute wie ausgestorben. Und die Sklaven schienen auch nicht sonderlich fröhlich. Es waren einige fremde Gesichter unter ihnen, kein Wunder, viele derer die ich kannte, waren ja mit Meridius oder Livianus fort gegangen.
    "Ich möchte eine Kleinigkeit zu essen, und ein Bad."
    Es war schon angenehm, einen so großen Haushalt zu Verfügung zu haben. Einige liefen gleich, um Wasser heiß zu machen, und eine der neuen Bediensteten, ein verschüchtertes junges Mädchen brachte mir einen großen Teller mit geröstetem Brot und Olivenöl, Eiern in Garum und geräuchertem Fisch, dazu einen Krug verdünnten Wein. Ich befeuchtete meine Kehle und aß den Teller leer. - Was Massa jetzt wohl machte, weit weg in Nikopolis? Oder war er schon unterwegs nach Misenum? Ich vermißte ihn heftig. In Ägypten war er zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden... und nun fehlte er, fehlte mir sehr...
    Nach dem Essen war es dringend an der Zeit zu baden. Ich sah nämlich aus und fühlte mich wie der letzte Vagabund. Wahrscheinlich war es ganz gut, dass Seiana noch nicht da war, ich hätte sie in dem Aufzug bestimmt erschreckt. So konnte ich mir erst mal wieder einen Anschein von Zivilisation verleihen.

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    Der Tag ging schon zur Neige, als ich endlich das Domus meiner Familie erreichte. Ich war erschöpft und staubig von dem strammen Ritt, struppig und salzverkrustet von der Überfahrt. Die gute Quarta führte ich am Zügel hinter mir her. Meine Sklaven und mein Gepäck hatte ich in Ostia zurückgelassen, war ihnen ungeduldig vorausgeeilt. Ich legte die Zügel um einen Pfosten vor der Porta und ergriff mit der Linken den schweren bronzenen Türklopfer. Das Pochen hallte dumpf. Nach einer Weile öffnete sich die Türe, und Marcus, unser altgedienter Ianitor spähte hinaus und sprach:
    "Salve wie kann ich... – Aber was sehe ich denn da? Wenn das nicht der junge Herr ist! Willkommen zu Hause! Hattest du eine gute Reise?"
    Er war ein bisschen grauer geworden, seitdem ich ihn zuletzt gesehen hatte. Sein Lächeln war genauso herzlich wie ich es in Erinnerung hatte - ein Strahlen inmitten einer Landschaft vom Leben tief eingegrabener Falten - als er die Türe weit für mich öffnete und mich eintreten ließ.
    "Salve Marcus! Ich bin so froh zu Hause zu sein! Die Überfahrt war laaang, wir hingen ewig in einer Flaute fest. Ist meine Schwester da?"
    Er schüttelte den Kopf. "Nein, die Domina ist ausgegangen."
    "Oh schade." Ich brannte darauf, sie endlich wieder an mein Herz zu drücken. Marcus Blick fiel auf meinen verbundenen Arm, wurde fragend.
    "Das wird schon wieder" sagte ich leichthin, bevor er mich darauf ansprechen konnte. "Meine Begleiter kommen dann später... also wahrscheinlich erst morgen mit dem Gepäck. Kümmerst du dich bitte darum, dass jemand Quarta versorgt? Danke!"
    "Natürlich." Einen Augenblick lang schien es, als wolle er noch etwas sagen, aber dann nahm er mir nur das Sagum ab und rief einen anderen Sklaven herbei.
    Ich trat in die Fauces, dann ins Atrium. Endlich wieder zu Hause!

    Unaufhaltsam rückte das Ziel der Reise näher, und in demselben Maße, in dem die Meilen zwischen mir und Rom schwanden, lastete der Brief schwerer, der Brief, den ich noch immer ungeöffnet mit mir herum trug. Aber als der Ruf über das Schiff hallte:
    "Ostia in Sicht!!",
    war der Moment gekommen, an dem ich es wirklich nicht länger hinausschieben konnte. Ich verzog mich in meine Kajüte, schloß die Türe, und setzte mich auf die Koje, stützte mich mit dem Rücken an die Wand hinter mir, stemmte die Beine an die gegenüberliegende, denn der Seegang war ordentlich, und hier, unter Deck in dem winzigen Raum, wirkte das Schaukeln noch viel stärker.
    Mich auf böse Vorwürfe und vernichtende Gegenattacken gefasst machend, öffnete ich die Hülle um das Schreiben, entrollte es, strich es glatt, breitete es auf meinen Knien aus. Mit großer Anspannung begann ich zu lesen... und stutzte bei der Anrede - war das Ironie? Es konnte ja wohl kaum anders als sarkastisch gemeint sein! Mein Herz schlug trotzdem schneller, das verräterische Ding. Mißtrauisch las ich weiter.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus


    Geliebter Faustus,


    niemand ist ohne Fehl, dies solltest du stets bei allem Vorwurfe beachten, nicht dein Vater, und weit weniger noch ich selbst. Hätte ich vor Beginn geahnt, worum es bei diesem Prozess geht, so hätte ich das mir angetragene Amt abgelehnt, doch als der Name deiner Familie fiel, war es bereits zu spät. Ich kann und will indes nicht meine Handlung vor dir rechtfertigen, denn es sollten Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe ebenbürtig nebeneinander stehen, und nicht das eine das andere negieren. Dennoch - gegen meine eigene Überzeugung - suchte ich das Strafmaß des Urteiles zu euren Gunsten zu beeinflussen, wiewohl meine Stimme nur eine von dreien war.


    Die Politik des Imperium Romanum ist längst ein weit tieferer Moloch als sie es in den letzten Jahrzehnten je gewesen ist, es reicht längst nicht mehr aus eigener Kraft darin zu schwimmen, und wer nicht auf eines der Boote der Mächtigen sich emporziehen lässt, wird gnadenlos von der Charybdis verschlungen, welche am Grunde lauert - so wie es deinem Vater geschehen ist, denn die Politik ist keine Schlacht, bei welcher man genau weiß, wer der Gegner ist und wo er wartet. Ich habe stets versucht zu schwimmen, mich aus eigener Kraft auf den Fluten zu halten, doch letztlich bin ich kein Kämpfer, noch ein großer Politiker - und obgleich es mich schmerzt, dies eingestehen zu müssen, so hast du vermutlich recht - letztlich bin auch ich nicht mehr als ein willfähriger Handlager politischer Macht.


    Ich bedaure, dass ich dich dazu verleitet habe, mehr in mir zu sehen als ich bin, und ich versichere dir, dass dies niemals in meiner Absicht lag, denn kaum wohl jemand ist sich meiner Defizite und Mängel mehr bewusst als ich selbst. Es war dieses Sehnen ein Trug, welchem wir augenscheinlich beide erlagen, jene Verblendung, welche Amor bisweilen geneigt ist zu gewähren, und welche wir geneigt waren anzunehmen, welche ich dirbezüglich in trügerischer Hoffnung allfällig zudem gewillt war, weiter zu steigern, um nicht selbst erkennen zu müssen, wie vergebens dies Bemühen ist. Ich bedaure keinen Augenblick jene kostbare Zeit, welche ich mit dir durfte verbringen, nicht einen Augenblick jene wohlige Sehnsucht, welcher ich erlegen war, doch es dauert mich, dich dieser vergeblichen Hoffnung preisgegeben zu haben, da ich von Beginn an mir ihres Scheiterns hätte bewusst sein müssen - denn ich war niemals auch nur annähernd Aton.


    Allerdings scheint es, auch du hast dies längst schon herausgefunden, da du dich neuen Ufern hast zugewandt. Bei der Wahrheit will ich bleiben, so dass ich zugeben muss, deinem Freund ich dich mehr als nur neide, und ich hoffe, er ist sich seines Glückes bewusst und weiß dies zu schätzen.


    Nur ein Desideratum will ich noch von dir erflehen - bitte gib mein Herz frei. Dir indes wünsche ich weit mehr als alles Glück dieser Welt und das Wohl aller Götter.


    Lebe wohl,
    [Blockierte Grafik: http://img686.imageshack.us/img686/6982/manius.png]


    Nein... Zutiefst bewegt von der Güte, die aus diesen Zeilen sprach, zutiefst traurig über dieses Ende, wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel... dann noch ein paar, schniefte und fuhr mir mit dem Ärmel über das Gesicht. Was das zu glauben? Ein so nobler Brief, das konnte doch nur aus der Feder eines Menschen von ebenso nobler, hoher Gesinnung stammen. Waren meine Vorwürfe etwa haltlos gewesen? Aber Livianus war doch zu unrecht verurteilt worden, und Manius war daran beteiligt gewesen, das ließ sich nicht leugnen. Er schrieb es ja selbst, und gestand es ein, damit war er ein Feind meiner Gens. Basta. - ....Aber was wenn Manius getäuscht worden war, und fälschlich geglaubt hatte, der Gerechtigkeit genüge zu tun...?
    Mit einem schweren Seufzen ließ ich meine Stirn auf die Knie niedersinken. Ich hatte keine Ahnung mehr was hier richtig und was falsch war. Aber es schmerzte mich bis ins Innerste der Seele, die tiefe Traurigkeit zu erkennen, die in Atons... nein, Manius' Zeilen mitschwang.
    Sein Herz sollte ich freigeben? Ja gehörte es denn etwa immer noch mir? Und was war mit meinem? Ja, was? .... - Ich mußte herausfinden was an dieser Prozessgeschichte dran war, mußte die Wahrheit ausgraben... dann würde ich klarer sehen... bestimmt.


    Die Triton lief in den Hafen von Ostia ein. Ungeduldig ging ich an Land, es zog mich nun um so dringlicher nach Rom. Ich überließ es meinen Sklaven, sich um das Entladen und Weitertransportieren des Gepäcks zu kümmern, selbst meine kostbare Biga war gerade alles andere als im Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Nur Quarta ließ ich gleich an Land führen und satteln. Über einen der Poller, an denen das Schiff vertäut war, stieg ich auf ihren Rücken. Sie, die eigentlich ein sanftes Gemüt hatte, war nach der zermürbenden Seereise ziemlich unruhig, tänzelte hin und her, und ich hatte schon etwas Bedenken, ob ich sie einhändig zu bändigen vermochte.... aber ich konnte einfach nicht länger warten. Die Zollinspektoren kamen gerade an Bord, das ganze Entladen würde noch stundenlang dauern. Ich rief dem Kapitän ein Vale bene zu und lenkte mein Pferd auf die Straße nach Rom.

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    Auf spiegelglatter See dümpelte die Triton dahin. Wir befanden uns irgendwo vor der Küste von Paestum, dem Ziel also ganz nahe – und das schon seit Tagen.
    "Das tyrrhenische Meer ist eine Hure!" schimpften die Seeleute, besonders dann, wenn der Kapitän sie rudern ließ. Aber auch, wenn sie sich mit aller Macht in die Riemen stemmten, kam das schwere Schiff nur sehr behäbig von der Stelle. Die Stimmung an Bord war gereizt, alle sehnten sich nach Land. Endlich ein Bad in Süßwasser zu nehmen, mir das ganze Salz abzuwaschen, in kühlem klarem Süßwasser, das wünschte ich mir sehnlichst... Die kleinen Eigenheiten meiner Sklaven, Ravdusharas Hang zum Müßiggang, Pontias Pedanterie, gingen mir mittlerweile extrem auf den Geist, noch schlimmer war es, dass die beiden sich bei jeder Gelegenheit untereinander in die Haare bekamen.


    Die Sonne brannte vom blitzblauen Himmel. Im Norden standen ein paar Schäfchenwolken, vollkommen reglos, wie mit dem Pinsel hingetupft. Das Meer umgab uns ölig glatt, das einzige, was sich bewegte waren die Quallen, die in großer Zahl am Rumpf des Schiffes vorbeizogen, kleine durchscheinende und große braune, mit bestimmt drei Handspannen Durchmesser!
    Ich lungerte an Deck herum, im Schatten der Segel – sie waren alle gehißt, um auch den leisesten Windhauch aufzufangen – und versuchte mich auf meine Schriftrolle zu konzentrieren, eine Abschrift von Euripides' Ion. Aber ich hatte an dem Tag nicht den Nerv für dramatische Verwicklungen, und fand all die Verwechslungen und Mordversuche in der Familie ziemlich abgedroschen. Während ich geistesabwesend las, lauschte ich mit halbem Ohr auf die Unterhaltung zweiter Matrosen, die ein paar Schritt weiter an die Reling gelehnt standen. Sie sprachen mit starkem dorischem Akzent, und der ältere deutete immer wieder heftig gestikulierend auf eine Gruppe kleiner Inselchen, die der Küste vorgelagert zu unserer rechten lagen.
    "So wahr ich hier stehe, hat es dort früher Sirenen gegeben!"
    Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich über das Wasser. Die Ufer ragten als schroffe, scharfkantige Felsen auf, in deren Umrissen man, mit etwas Phantasie, bizarre Gestalten erahnen konnte.
    "Bist du sicher?" fragte der Jüngere mit dem Ausdruck des Unglaubens.
    "Ganz sicher. Das waren wunderschöne Weiber, die schönsten die du die nur vorstellen kannst, mit so einem Busen, und einer Stimme wie... also, wenn du ihre Stimme hörst, dann vergisst du alles andere auf der Welt, willst nur noch zu ihnen, alles andere ist dir egal. Aber sie haben Klauen, wie Rasiermesser so scharf, damit zerfleischen sie jeden, der in ihre Nähe kommt. Und fressen sie auf. Ein Freund von mir, der kannte mal einen, der hat sie mit eigenen Ohren singen gehört, und ab da war es vorbei mit ihm, vorher war er ein vernünftiger Mann. Er hat sich das Beiboot geklaut und ist rüber zur Insel... zu der langen, die du da drüben siehst."
    Der Erzähler machte eine Kunstpause. Längst hatte ich die Schriftrolle sinken gelassen, lauschte gebannt.
    "Und dann?"
    "Man hat ihn nie wieder gesehen. - Aber ein paar Jahre später, da landete ein Mann aus Positana auf der Insel – er war beim Fischen abgetrieben worden – und fand alles menschenleer. Verlassen. Bis auf..."
    "Bis auf?"
    "Zuerst dachte er, es wäre Treibholz. Von Sonne und Salz gebleicht. Aber es waren Knochen, Berge von abgenagten Knochen. Menschenknochen. Und Totenschädel. Alte, die schon zerbröselt waren, und neue, ganz frische... Und er fand auch die Kleider von dem Verschwundenen: blutgetränkt, und zerfetzt, wie von messerscharfen Klauen..."


    In der folgenden Nacht schlief ich nicht sonderlich gut, ich horchte auf die Melodie des Schiffes, das Rauschen der Segel, das Klimpern der Takelage, Knarren der Planken, Rauschen des Meeres... und bildete mir ein, darin, ganz leise, von ganz weit weg, ein Singen zu hören... ein vorher nie gehörtes, lockendes Lied.
    Aber wir hatten Glück, in der Nacht kam ein frischer Libeccio auf, füllte die Segel und trieb uns weiter die Küste entlang. Mittags kam Capri in Sicht, dann der Golf von Neapolis mit der kegelförmigen Silhouette des Vesuvs. Wir rauschten vorbei, passierten Misenum, dann Circeii, wenn das so weiterging, würden wir morgen schon Ostia erreichen.

    Morgen früh würde ich Ägypten hinter mir lassen... ich hatte viel erlebt hier, einiges, auf das ich gerne verzichtet hätte – besonders auf die vermaledeite Verwundung!! - anderes, das ich um keinen Preis missen wollte. Der Abschied von Massa war mir ganz und gar nicht leichtgefallen. Und mein Präfekt war mir, auf seine väterliche Art, auch sehr ans Herz gewachsen. Was Celeste anging, so hoffte ich, dass sie bald nachkommen würde.
    Was mochte mich in Rom erwarten? Seiana auf jeden Fall, und ich freute mich unheimlich darauf, sie wiederzusehen! Aber da war auch der Absender des Briefes, den ich noch immer ungelesen mit mir herumtrug... ihm wollte ich um alles in der Welt nie wieder begegnen! Allein der Gedanke daran bereitete mir ein nervöses Flattern im Magen... - nein, Magenschmerzen.


    Auf der Hafenpromenade war auch zu dieser späten Stunde eine Menge los. Die Lichter der Tavernen und Bordelle schienen wie eine Kette von Juwelen, die sich funkelnd in die Wölbung der Bucht hinein schmiegte. Sie lockten mich, das Schiff zu verlassen, und die letzte Nacht hier noch auszunutzen, sie auszukosten, mit angenehmen Ausschweifungen. Das Hafenviertel ließ in der Hinsicht ja keine Wünsche offen, da gab es dieses ganz exklusive Etablissement, das für seine samthäutigen Ägypter berühmt war... aber das war keine gute Idee, denn Priapus, der bösartige, verwehrte mir, zu meiner großen Bestürzung, noch immer seine Gunst...
    Aber in der Caupona Actium, da war es auch immer sehr lustig, da gab es den besten Wein, fidele Musiker, und wunderbares Opium... ganz exquisites Opium... ein himmlischer Genuß... Verdammt! Ich presste die Lippen zusammen, schloß die Hand fest um die Reling, und rang mit mir, denn mit einem Mal war es wie ein starker Sog, meine Füße wollten mich auf der Stelle in die Caupona tragen, dabei war das ganze Elend, das Heulen und Zähneknirschen ja erst ein paar Tage her. Bona Dea!
    Ravdushara lenkte mich ab, er kam auf leisen Sohlen an Deck, und erkundigte sich ob ich noch irgendwas brauchte. Vor ihm wollte, durfte, konnte ich mir, nach allem was ich ihm, Pontia und Massa zugemutet hatte, keine Blöße geben... und so kehrte ich der Versuchung für diesmal mühselig den Rücken und folgte Ravdushara in die Kajüte. Das sachte Schaukeln der Triton wiegte mich in den Schlaf, ich schlummerte tief und fest, und als ich am nächsten Vormittag aufwachte, war das Land nur noch ein sandbrauner Streifen am Horizont.
    Vale Ägypten, du geheimnisvolle Provinz, mit deiner glorreichen Vergangenheit und ihren verwahrlosten Erben, vale Alexandria, die du mir nur deine schmutzigschillernde Oberfläche gezeigt hast, dich hätte ich gerne besser kennengelernt, vale Nikopolis, du braver Stützpfeiler römischer Ordnung! Und vale Zwölfmeilenland, du trostloser Glutofen, der du so viele gute Männer verschlungen hast, du kannst mir für immer gestohlen bleiben!

    Das Licht des Pharos schwebte hoch am nächtlichen Himmel, spiegelte sich im schwarz schwappenden Wasser des Hafenbeckens. Ich stand an Bord der 'Triton VI' und blickte auf die schlafenden Schiffe, den Wald von Masten. Es war ein großes, dickbauchiges Händlerschiff, vollbeladen mit edlen Stoffen und Gewürzen. Die Passage kostete ordentlich Geld, aber das Schiff schien solide, die griechische Besatzung machte einen ordentlichen Eindruck, und ich hatte eine einigermaßen komfortable Kajüte für mich und meine Sklaven. Und vor allem – das Schiff würde, so die Winde mitspielten, bereits morgen früh mit dem ersten Tageslicht auslaufen. Ich hatte schon zu viel Zeit verloren, zum einen durch meine, sagen wir Unpässlichkeit, zum anderen, weil der Brief der Kanzlei eine Ewigkeit unterwegs gewesen war bis er mich endlich erreicht hatte.


    Ravdushara und Pontia begleiteten mich auf dieser Reise. Ich hatte meine Versetzung zum Anlass genommen, mich von Dingen, die ich nicht wirklich brauchte, zu trennen, und in diesem Sinne hatte ich Pankratius an Tribun Collatinus verkauft, für einen Freundschaftspreis. Meinen mamornen Doryphoros hatte ich aber mitgenommen, dick in Stroh gewickelt, und meine Biga war natürlich auch dabei – was hatte das wieder Nerven gekostet, bis das gute Stück fachkundig zerlegt, hierher transportiert, verladen und sicher verstaut war! Besonders, da ich noch immer nicht richtig mitanpacken konnte. Leidig blickte ich auf meinen rechten Arm, der dicke Verband war ein weißes Schimmern in der Nacht. Für die Überfahrt hatte Ravdushara im Valetudinarium gelernt, wie die Wunde zu versorgen war... Das konnte ja was werden.


    Ich spazierte über das Deck zu dem Bretterverschlag, in dem meine beiden Schimmelstuten untergebracht waren. Sie standen zusammen, die Hälse übereinandergelegt. Ich schütete ihnen etwas Heu auf, lockerte es mundgerecht, schlenderte dann zum Bug des Schiffes. Die Gallionsfigur, ein fischschwänziger Meergreis, wurde von der Deckslaterne in ein schummriges Halblicht getaucht. Er sah sehr grimmig aus, hoffentlich grimmig genug, um die bösen Geister fernzuhalten. Ich fuhr mit der linken Hand über das buntgelackte Holz und hoffte auf eine ruhige Überfahrt - nur nicht wieder so ein entsetzlicher Sturm wie auf der Hinreise! Um so sicher wie möglich zu sein, hatte ich diesmal nicht nur Neptun, sondern auch Isis und Serapis ein Opfer gebracht.

    Wieder zu den Stadtkohorten zu kommen, das würde mir gut passen... Geregelte Dienstzeiten und vertraute Aufgaben, das wäre nett. Ich hatte genug von fremden Ländern und blutigen Abenteuern!!
    Je länger ich drüber nachdachte, desto vorteilhafter erschienen mir auch Massas Pläne. Ich nickte. "Ja, da hast du wohl recht." Sein Klient? Ich legte nachdenklich den Kopf schief. "Hm... wenn ich dir einen Rat geben darf... Persönlich halte ich den Präfekten für eine sehr gute Wahl. Er ist integer, ein Mann von Ehre, und hat viele Verbindungen durch seine lange Dienstzeit, und gefördert hat er ja uns beide schon, aber... seine Gens ist ein Problem. Der Ankläger in diesem widerlichen Scheinprozess gegen meinen Vater war ein Octavier. Das sollten wir nicht vergessen, nie! Sie haben sich gegen uns gestellt. Der Ankläger, dieser Witz von einem Senator, der wird das noch bereuen, bitter bereuen!! - Octavius Dragonum selbst hat, davon bin ich überzeugt, mit diesen Machenschaften nichts zu tun gehabt, aber es wäre... ein falsches Signal für die Öffentlichkeit, wenn sich ein Decimer unter ein octavisches Patronat stellen würde."
    Das war meine feste Überzeugung, auch wenn ich Dragonum hoch schätzte. Es machte mir den Brief, den ungelesenen Brief, den ich in den Falten meiner Tunika geborgen hatte, sehr bewußt. Auch Manius hatte Anteil an dem Prozess gehabt, hatte sich gegen meine Gens gestellt. Es war absolut angebracht, dass ich mit ihm gebrochen hatte! Ich hatte genau das richtige getan! Keinen Gedanken sollte ich mehr an ihn verschwenden.


    Das Meer... Ich mochte es sehr, wie Massa, von einem Moment auf den anderen, vom nüchternen Gespräch zur poetischen Schilderung sprang. Etwas, dass ich auch bei Manius... – Halt! Keinen Gedanken mehr, merk dir das endlich!
    Ich lauschte, vor meinem inneren Auge Bilder der Küste bei Tarraco, dann Bilder des Sturmes bei der Überfahrt nach Alexandria, die graugrünen Wasserberge, die Gischtfetzen, zwei Matrosen hatte es das Leben gekostet. Als ob es die unheilvolle Nacht nicht gegeben hätte... das schien mir nicht länger nur auf das Meer gemünzt.
    "Ja... wenn die Wogen sich geglättet haben... verrät nichts mehr die vorangegangenen Stürme" meinte ich vieldeutig, ohne so wirklich zu wissen, was ich denn damit sagen wollte, "oder, was sich in der Tiefe verbirgt."


    Ein Schmunzeln huschte über mein Gesicht, als Massa sich schon so selbstverständlich zur Classis zählte. Ich begegnete seinem Blick, erwiderte ihn, lächelte ihm zu, ein bisschen wehmütig. Dann stand ich auf, kam zu ihm, und umarmte ihn, mit dem linken Arm nur, aber ganz fest.
    "Ich werde dich vermissen." murmelte ich, halb in sein Haar hinein. Dieser Moment... Massas kräftige Schulter, sein mir so lieber Geruch... das Kitzeln einer Haarsträhne an meiner Wange... das Plätschern des Springbrunnens, die Farbenpracht der Blumen, die ihn umrankten... Salz in der Luft... in der Ferne die Geräusche vom Campus... ich wollte all dies festhalten, mit beiden Händen, genau diesen flüchtigen Moment, aber während ich diesen Wunsch noch dachte, war der Strom der Zeit schon weitergeflossen, und hatte uns, und den Moment mit sich getragen. Ein Abbild blieb, tief in meine Erinnerung graviert... bis auch dies irgendwann von jenem Strom hinweggetragen würde.