Beiträge von Faustus Decimus Serapio

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    O süße Gabe des Schlafmohns! Sanft gebettet auf duftigroten Blütenblättern, umhüllt von köstlich duftendem Rauch, von schwerelosen Schwaden, die tanzten, sich in tausend Formen wanden, die Bilder formten, mir ein Phantasmagorium des Schönen eröffneten... gewiegt von den Fluten des ewigen Stroms... vergass ich den brennenden Schmerz, und auch die Angst.


    Die Schwalben kreisten über den Wassern des Nils, mit unglaublicher Grazie schwangen sie sich auf, und nieder, schoßen blitzschnell am Rumpf des Schiffes vorüber. Das Wasser rauschte... an irgendwas erinnerte mich das... an was erinnerte mich dies nur... ? Gestützt auf meinem Sklaven erhob ich mich... ich war schwach und schläfrig, meine Beine trugen mich nur widerstrebend, der Arm war noch immer eine häßliche Ruine, fest umwickelt und geschient, aber es kümmerte mich kaum, denn was sind schon Arme und Beine, wenn man doch Flügel hat?!
    Schritt für Schritt über das Deck, und dann stand ich dem Präfekten gegenüber.
    "Präfekt..." Mit einem milden Lächeln auf den Lippen verfolgte ich das Muster der Falten, die die Zeit, und das Leben, und der Krieg in sein Gesicht gegraben hatten. Es war ein GUTES Gesicht, und mein Lächeln wurde noch wärmer, als die Gewissheit, einen GUTEN Menschen vor mir zu haben, mich beinahe körperlich ergriff.
    "Du hast uns nach Hause gebracht, Präfekt..." sprach ich schleppend – ich hatte das Bedürfnis ihm etwas SCHÖNES zu sagen.

    Da war ich erst mal sprachlos. Ungläubig senkte ich den Blick auf unsere Hände, hob ihn wieder und musterte Massa mit großen Augen. Dann stieg ein strahlendes Lächeln in mir auf, ich lachte leise und schüttelte sacht den Kopf.
    "Nein, das würde mir ganz und gar nichts ausmachen."
    Mit den Fingerspitzen fuhr ich langsam über die Innenfläche seiner Hand, und war für den Augenblick viel zu hingerissen um mir weiter Gedanken zu machen, ob, was, was genau dies denn nun bedeutete.
    "Am besten Du gehst direkt zu Octavius. Aber warte damit besser bis wir wieder in Nikopolis sind."
    Endlich war das Eis gebrochen. "Oh wenn du wüßtest! Das mit ihrem vorigen Verlobten, das war so ein Trauerspiel... Dagegen kann es mit dem Quintilier nur besser werden. Ich kenn ihn flüchtig, hab ihn mal verhaftet – aber nur aus einem Mißverständnis heraus. Er ist ein kluger Kopf. Kann ich dir mal den Brief zeigen, den er mir geschrieben hat, um um Seiana anzuhalten? Mich würd interessieren wie du ihn findest. Er ist in der Kiste da, ganz oben drin. - Livianus ist auch einverstanden. Aber ob er wirklich die richtige Wahl ist... meine Schwester ist nun mal eine ganz herausragende, wunderschöne, gesittete und gebildete Frau, da ist es echt schwer jemand passenden zu finden."
    Ich seufzte, war im Moment aber zu froh, um mich wirklich zu sorgen.
    "Mhm... Rom...." stimmte ich mit ein, "... ach ich freu mich schon so darauf Dir alles zu zeigen...!! Die Thermen und die Rennbahnen, und die Theater und Tavernen, und wir müssen unbedingt mal an einem Sommerabend auf das Marsfeld gehen, da ist immer eine tolle Stimmung... und die Feste erst... und wir können doch auch selbst eines machen, zur Feier unserer Ankunft..."

    Die Legion war in Syene an Land gegangen und in die Wüste marschiert, um dort gegen die Blemmyer zu kämpfen. Und auch bei der Rückkehr durchquerten die Soldaten die Stadt, erfüllten sie für kurze Zeit mit dem Hallen der Caligae, dem Klirren der Rüstungen und wilden Geschichten aus dem Felde, verschleuderten ihren Sold in Kneipen und Lupanaren – und zogen weiter.
    Was später noch an ihren Besuch erinnerte, das waren die Gedenksteine, die sie in Auftrag gaben. An der Straße nach Süden, vor den Toren der Stadt, entlang des Weges, auf dem die Legion dem Feind entgegen marschiert war, dort wurden sie nach und nach aufgestellt, kleine und große, schlichte und reich verzierte, gehauen aus lapis Syenites, dem roten Granit, für den die Gegend berühmt war.
    Sie markierten keine Gräber, denn die Gebeine der Gefallenen lagen irgendwo in der Weite der endlosen Wüste und bei Tasheribat, dort hatte man die Toten ohne viel Zeremoniell im Sand verscharrt. Aber hier waren ihre Namen in Stein gemeißelt, hier hatte ihr Kämpfen und Sterben eine Spur hinterlassen. Manche dieser sogenannten Kenotaphen wurden aus den Sterbekassen der Einheiten bezahlt, für manche legten die Kameraden zusammen, andere wurden von den Offizieren gestiftet.


    Zu Letzteren gehörte auch der Stein des Marcus Artorius Menas. Er war sorgfältig behauen, und zeigte einen jungen Soldaten in Lorica Segmentata, der ein Gladius in der Hand hielt. Ihn umrahmten zwei Säulen, ebenfalls als Relief ausgeführt, die ein Giebeldach trugen, auf dem das sich aufbäumende Pferd, Wappen der Gens Artoria, zu sehen war.
    DULCE ET DECORUM EST PRO PATRIA MORI
    stand am Fuße der linken Säule und
    IN FIDE SALUS
    am Fuße der Rechten. Unter dem Bildnis des Toten befand sich die Inschrift:

    FUER MARCUS ARTORIUS MENAS, SOHN DES TIBERIUS ARTORIUS IMPERIOSUS, SOLDAT DER XXII. LEGION, 22 JAHRE ALT. ER IST GEFALLEN AUF DEM FELDZUG GEGEN DIE BLEMMYER. F DECIMUS SERAPIO HAT DIES MACHEN LASSEN.

    "Ich hoffe es! Ich habe ihn schon drauf angesprochen, aber das war auf eine, ähm, etwas unglückliche Weise... und da wurde er echt grantig. Aber ich denke er versteht schon, dass ich einfach nach Rom muss..."
    Mein Vorschlag riss Massa nicht gerade vom Hocker.
    "Was?! Wer sagt denn so was?!" fragte ich verblüfft. "Nein nein, Stadtkohorten, nicht Vigilen. Der Dienst bei den CU hat einiges Prestige! Man ist ja sogar mit den Praetorianern in der selben Castra untergebracht. Ich bin von der Prima dorthin gegangen, aus der ersten Kohorte der Prima wohlgemerkt, und ich kann Dir versichern, es war keine Degradierung!" Ne, das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
    "Aber das Du es dort schwer haben könntest... hmm... kann schon sein." musste ich zugeben. "Als ich dort war, habe ich von diesen Auseinandersetzungen allerdings nichts zu spüren bekommen. Dabei gab es da schon Differenzen. Und auch Flavus..." - bei seiner Erwähnung verzog ich unwillkürlich das Gesicht, als hätte ich etwas unangenehmes gerochen – "... Livianus leiblicher Sohn, konnte dort problemlos sein senatorisches Tribunat ableisten." Ich konnte mich heute noch drüber aufregen, als was für ein stinkfaules Senatorensöhnchen sich der Kerl gebärdet hatte! Nicht den kleinen Finger krumm gemacht...
    "Ich weiß natürlich nicht, wie es jetzt aussieht. - Mittlerweile frage ich mich sowieso, ob der Stadtpräfekt mich womöglich gerade wegen des Konfliktes mit besonders wohlwollender Aufmerksamkeit bedacht hat...." überlegte ich leise. "Um mich Livianus abspenstig zu machen... Keine Ahnung." Kein schöner Gedanke. Ursprünglich hatte ich gedacht, es läge daran, dass der PU meine Arbeit schätzte. Aber sobald man mal anfing zu hinterfragen...
    "Bestimmt! Alleine schon ein Auge auf die Vorgänge dort zu haben... könnte sehr wertvoll sein...." - mir kamen gerade die verrücktesten Gedanken – "und, nur mal als Gedankenspiel, wenn du dort als Verus' Neffe auftreten würdest, und unseren Zusammenhalt verbergen würdest... Hmm... Nein, ich glaube das wäre zu riskant." Besser wir fingen gar nicht erst selbst mit Intrigen an, die anderen hatten da einfach einen unschätzbaren Erfahrungsvorteil.


    "Ich will Dich nicht beschwatzen, der Dienst hier macht der Familie genauso Ehre. Mein Vorschlag war....." Ich stockte verlegen, und tippte mit den Fingern der Linken - den Fingern, die es danach verlangte, sich in braunlockiges Haar zu wühlen, den Fingern, die liebkosend über die schönen Achilleszüge fahren wollten, allen Zwiespalt hinwegstreichen, alle Bedenken zerstreuen... - tippte mit diesen Fingern unschlüssig auf meinem Knie herum. ... kann das denn sein, dass so etwas wirklich nichts bedeutet...
    "... nicht ganz selbstlos." schloß ich endlich.
    Warum brachte ich diese Dinge schon wieder durcheinander?
    Sachlich bleiben, Faustus, bleib sachlich." Ich stählte meine Stimme, richtete den Kopf auf und verzog die Lippen zu einem munteren Lächeln.
    "Es gibt übrigens auch gute Neuigkeiten. Meine Schwester will heiraten, einen Eques von den Quintiliern."

    Zitat

    Original von Appius Decimus Massa


    Nur Probleme, wohl wahr. Und anscheinend hatte ich ihn im Bezug auf die Ränge schon wieder falsch verstanden, und mich umsonst aufgeregt.
    "Ach so." Ich nickte verträglich, und hätte mich für dieses Mißverstehen nochmal entschuldigt, wenn ich mich nicht schon vorher zu Genüge entschuldigt hätte. (Sich entschuldigen wirkt nun mal schwach, und wer steht schon auf Schwächlinge?) Nein, wir waren beide nicht gerade in glänzender Form...
    Ich fuhr mir über den Nacken, ließ ihn knacken, rutschte unruhig ein Stück zur Seite, weg von der Wand, zog die Beine unter den Leib, auf der Suche nach einer weniger unangenehmen Position. Wie lange wird Ravdushara noch brauchen... verdammt, ich hätte ihm sagen sollen, dass er mir erst das Opium bringt, und danach den Steinmetz sucht... das kann ja noch ewig dauern...


    Treffen vielleicht zu? Traute Massa mir etwa nicht? Nun ja, eigentlich hatte er recht, beide Seiten hören zu wollen, bevor er ein Urteil fällte. Aber ich fürchtete, Verus dem Schwätzer, könnte es gelingen, dem gutgläubigen Massa das Blaue vom Himmel weiszumachen. Angespannt musterte ich ihn, sah, wie sich eine Entscheidung auf seinen Zügen abzeichnete. Und erleichtert schlug ich ein, und drückte seine Hand – wie zartfühlend von ihm, mir die Linke zu reichen.
    "Ich bin sehr froh das zu hören. Die Familie braucht uns nötiger denn je. Wir haben so lange von Meridius' Ruhm gezehrt, und Livianus', und den anderen Großen, aber... jetzt ist es an uns. Und wir haben... bei der derzeitigen, ähm, politischen Lage, einen schweren Stand."
    Als stünde man unversehens in der ersten Schlachtreihe.
    "Ich will mich nach Rom versetzen lassen. Also..." falls "...sobald ich wieder diensttauglich bin." schloß ich stur. In der Hinsicht hatte die Predigt des Präfekten doch Früchte getragen. "Wie steht es mit Dir? Schon mal über die Stadtkohorten nachgedacht? Du wärst im Zentrum des Imperiums, und nahe an der Familie."
    Allerdings, der Gedanke kam mir erst einen Wimpernschlag später, auch unter dem Kommando Vescularius'.

    Gewusst, dass es nicht geht – im ersten Augenblick dachte ich, er meine das zwischen uns... aber er sprach von der Frau. Trotz meiner Vorsätze (abgeklärt, locker, unkompliziert), versetzte es mir einen Stich zu sehen, dass er sie offenbar sehr vermißte. WARUM? Was war an so einem dunklen, mit Tüchern umwickelten Wüstenweib, mit dem man kein einziges Wort wechseln konnte, auch nur im Entferntesten interessant? Die gute Nachricht: sie war nicht mitgekommen. Ich verbarg meine Genugtuung unter einer neutralen Miene, und nickte zu seiner Einsicht.
    "Es sind verschiedene Welten."
    Klar hatte ich recht! Wahre Leidenschaft gab es doch eh nur unter Männern. Aber irgendwie tat es mir schon leid, dass ihn zu allem Überfluß nun auch noch der Liebeskummer quälte. Wäre ich nicht so schmerzgeplagt und abgezehrt gewesen, ich wäre sicherlich in Versuchung gewesen, ihm etwas Trost zu spenden.


    Statt dessen war es meine Aufgabe, ihm eine weitere herbe Enttäuschung zu bereiten.
    "Verus!" wiederholte ich abfällig, bestürzt auch nur diesen Gedanken zu hören. "Nein, ich glaube kaum! Und selbst wenn... sowas muß man sich doch erarbeiten! Wir sind doch nicht im Cursus 'Honorum'! Die Centurionen sind das Rückgrat der Legion!"
    Dass Beziehungen genutzt wurden, um einen Immunis-Posten, oder vielleicht eine Versetzung zur Reiterei zu ergattern, war ja nicht so selten... Aber ein Centurionat war ganz was anderes! Klar war es mir nicht unbekannt, dass selbst diese Positionen manchmal verschachert wurden, aber ich fand das skandalös.
    "Du bist ein guter Soldat, und dein Name wird dafür sorgen, dass deine Leistung nicht übersehen wird. Solche Schleichwege hast du nicht nötig."


    Hm... Heute schien es kaum möglich zu sein, sich normal zu unterhalten. Seitdem die Frau aufgetaucht war, war alles anders, es fehlte die Unbefangenheit, das natürliche Verständnis zwischen uns, das den Umgang mit ihm so leicht und angenehm gemacht hatte.
    "Ja, ich habe ein paar Dinge gehört. Ziemlich beunruhigende Dinge, um ehrlich zu sein. Verus, er hat sich von der Familie abgewandt. Es tut mir leid dir das sagen zu müssen. Er hat uns schon früher viel Schande gemacht, immer wieder. Und nun... nein, ich muß weiter ausholen... Hast du in der Acta von dem Prozess gegen meinen Vater gelesen? Das ganze war eine Intrige, eine bodenlose Gemeinheit. Livianus hat in Folge dessen sein Kommando niedergelegt und sich nach Tarraco zurückgezogen. Und Verus... er hat nicht davor zurückgeschreckt, sich unter das Patronat des Mannes zu stellen, der für dieses Schurkenstück verantwortlich war. Und als meine Schwester ihm ins Gewissen reden wollte, hat er ihr offen gedroht, und sie eine Gegnerin Roms genannt!"
    Vor Empörung ballte ich die Hände zu Fäusten – nein, die Linke zur Faust, mein rechter Arm quittierte den Versuch mit einem flammenden Schmerz.
    "Autsch!! Wo bleibt nur dieser Nichtnutz von Sklave... - Jedenfalls haben wir Verus klargemacht, dass er zu weit gegangen ist. Für uns ist er kein Decimer mehr. Ich weiß, dass dich das in ein Dilemma bringt, aber... Er ist ein Verräter."
    Forschend blickte ich Massa ins Gesicht, wollte sehen wie er es aufnahm. Und natürlich schwang die stumme Frage mit: Hältst du zu uns? Schlimmstenfalls könnte das ganze zum Bruch zwischen dem hispanischen und dem achaischen Familienzweig führen!



    Angesichts seiner Trauer, und sicher nicht nur deswegen, wollte ihm die Hand auf den Rücken legen... den Arm um die Schultern... meine Hand zuckte schon, aber dann legte ich sie doch nur auf mein eigenes Knie. Ich richtete den Blick auf meine Fingerknöchel, sie traten hell hervor, Zeugnis einer Anspannung, die ich nicht nach außen dringen lassen wollte.
    "Mhm. Ich weiß noch genau wie er seinen Eid schwor... das war noch bei den Stadtkohorten. Er war so entschlossen... das hat mich beeindruckt. Die Artorier sind ja auch so eine Soldatenfamilie wie wir... Sein Vater war Primus Pilus bei der Prima, und sein Onkel Prätorianerpräfekt. Aber er wollte trotzdem als einfacher Soldat anfangen."
    Ehrenwert. Und sein Verhängnis. Ich hatte ihn gemocht, den gutaussehenden, vielversprechenden Artorier, und es hatte mir geschmeichelt dass er mein Klient werden wollte. Aber der Krieg machte eben keinen Unterschied.
    "Wir werden ihn nicht vergessen. Ihn, und das Opfer, das er gebracht hat. Das sind wir ihnen schuldig. Wenigstens das..."
    Dabei dachte ich nicht nur an Menas ... auch an Lucullus, Camerinus, Verax, Rusticus ... und die Gefallenen meiner Kohorte. Nicht dass ich mich irgendwie an das Sterben um mich herum gewöhnt hätte – aber im Vergleich zu damals in Parthien war meine Trauer weniger wild und verzweifelt und erschütternd... sie war eher dumpf. Krieg war nun mal so. Dulce et decorum est pro patria mori.


    Vor solchen Themen war mein persönlicher Groll auf einmal sehr klein. Ich hatte Massa nicht wirklich was vorzuwerfen, verdankte ihm aber eine ganze Menge. Und ich wusste was er durchmachen musste, schließlich hatte ich Ähnliches erlebt. Also beschloss ich spontan, ihm seine nubische Romanze zu gönnen, und das in Zukunft ganz abgeklärt und locker zu sehen!
    "Massa. Ich muss mich entschuldigen, dass ich dir gegenüber so... unausstehlich war. Ich weiß, dass es... unpassend war." Verlegen schlug ich die Augen nieder. "Lag an der ganzen Anspannung und so. Außerdem..." - ich rang mir ein schiefes Grinsen ab, zuckte die Schulter und dämpfte meine Stimme – "...hab ich noch nie verstehen können, wie man ernsthaft Geschmack an solchen Wesen finden kann. Also... sei mir bitte nicht böse, ja? Es kommt nicht wieder vor, versprochen."
    Besonders dass ich ihn im Nomadenlager so angefahren hatte, war mir im Nachhinein äußerst unangenehm. - Ob das Mädchen ihm gefolgt war? Ach herrje, am Ende war's die große Liebe und sie kam mit nach Nikopolis, und quartierte sich im Vicus ein... Nein, also bei aller Großmut, und eigentlich ging es mich ja auch nicht an, aber ich hoffte echt, dass dem nicht so war! (Um Massas Willen. So eine stumme Wilde. Die passte doch gar nicht zu ihm.) Mit Wohlgefallen bemerkte ich, dass er das Tuch des Anstoßes nicht mehr trug.

    Den Klauen entrissen ... Ich konnte die Männer, die sich dem Stadtpräfekten voll und ganz verschrieben, schon ein bisschen verstehen. Es war sehr schmeichelhaft gewesen, in seiner direkten Umgebung Dienst zu tun, da fiel eben auch etwas vom Glanz der Macht ab. Und dass er ein Freund des einfachen Mannes war, und den Patrizierklüngeln Einhalt gebot, und immer ein offenes Ohr für seine Soldaten hatte, das fand ich immer noch richtig gut ... Aber Livianus hatte mir die Augen geöffnet: Vescularius war ein gemeiner Intrigant, kein Stück besser als der Rest des Senats!
    Es tat gut zu hören, mit welcher Verachtung Octavius den Namen seines Verwandten aussprach. Ich nickte beifällig. Aasgeier, genau!
    "Das werde ich. Ich danke dir."
    Männer wie Dragonum und mein Vater, die klaglos für Rom den Kopf hinhielten, und nicht viel Aufhebens drum machten, das waren wahre Römer. Aufrecht seine Pflicht tun, jedes Opfer bringen, für Rom, ohne auch nur ein bisschen Dank von den Römern zu erwarten, das war wohl die Devise. Sehr nobel klang das, aber war es auch menschenmöglich? Langsam fragte ich mich, ob ich überhaupt wirklich wieder gesund werden wollte. Es wäre so viel leichter, einen anderen Weg zu gehen, einen ohne diese gigantischen Fußspuren. Aber auch wenn es bei mir noch lange nicht 30 Jahre waren – ich konnte mir auch nichts anderes mehr vorstellen...
    Ich nickte, um eine tapfere Miene bemüht. "Jawohl Präfekt." Was sollte ich auch anderes sagen?
    Erst als er weg war, grub ich den Kopf ins Kissen und seufzte tief. Ja, ich mußte mich zusammenreißen. Ja, ich durfte mich nicht hängenlassen. Aber gerade verlangte es mich einfach nur ganz ungeheuerlich nach etwas Opium...

    Eine Weile schon war da von ferne so ein Singsang zu hören gewesen.... Nun näherte sich das Lied, begleitet von Plätschern und Rauschen. Ich stützte mich vorsichtig etwas auf und blickte durch die Fensteröffnung. Draussen im offenen Fahrwasser glitt eine ägyptische Barke vorbei. Die Ruderer hatten lehmbraune Haut, sie trugen lediglich weiße Lendentücher und sie sangen fortwährend vor sich hin, während sie sich in die Riemen stemmten. Monoton und schwermütig klang es über das Wasser.


    Dann ein Klopfen. Massa trat ein. Ich richtete mich weiter auf, lehnte den Oberkörper zurück, gegen die grob gezimmerte Wand, und musterte ihn. Er sah unglaublich erschöpft aus. Das 'Aquila' ließ meine Brauen zusammenrücken. Ich hätte nicht damit gerechnet dass er diesen Namen noch benutzte...
    "Salve Massa." begrüßte ich ihn eher zurückhaltend. "Geht besser. Aber du siehst heute aus wie ein Lemur. Setz dich doch."
    Ich zog die Beine an, um ihm Platz zu machen.
    "Hast du auch das Lied gehört, von den Schiff das da eben vorbeigekommen ist? Diese Ägypter singen so merkwürdig......"
    Nachdenklich rieb ich mir über die Stirn.
    "Ähm... zwei Dinge gibt es. Zum einen – du warst doch mit Artorius Menas in der selben Ausbildungseinheit, nicht wahr? Kanntest du ihn einigermassen? Ich überlege nämlich was auf seinen Gedenkstein soll. 'Dulce et decorum est pro patria mori...'? Oder lieber etwas... individuelleres vielleicht?"

    Erst der ungewöhnlich sanfte Tonfall, jetzt auf einmal doch wieder Gebrüll... Ich erschrak, und wurde noch blasser als ich es sowieso schon war. Mit verkniffenen Lippen ließ ich den Sturm über mich hinwegbrausen. Ja, Livianus war ein verdammter Held, und ich im Vergleich dazu ein Versager, das mußte Octavius mir nicht sagen, das wußte ich doch längst... Nein, ich würde bestimmt kein glorreicher Kommandant werden, ich enttäuschte doch immer nur alle die an mich glaubten.... Warum ließ man mich nicht einfach in Ruhe!? Ich war müde.... ich wünschte mir, nie wieder eine Rüstung anlegen zu müssen.
    Aber ein Feigling genannt zu werden, das ließ dann doch meinen Trotz aufflammen.
    "Ich bin kein Feigling, Präfekt!!" begehrte ich, gegen jede Etikette, zornig auf. Es stand nun mal in den Sternen ob der Arm wieder wurde, da konnte der Kommandant noch so schimpfen. Und wie er sich ereiferte - so sehr, dass mir der Gedanke kam, dass er mich wohl trotz allem irgendwie mochte. Ich ihn ja auch. - Beförderung vorschlagen? Was sollte der Exercitus mit einem Invaliden?! (Den einarmigen Optio Gargonius im Rekrutierungsbüro der CU ablösen, das könnte ich. Großartige Perspektive.)
    Aber dass meine Bitte etwas voreilig gewesen war, das konnte schon sein... alles war so unsicher zur Zeit, ich hatte über gar nichts Gewissheit - nicht die beste Basis um eine solche Entscheidung zu treffen... Ich nickte zögernd, kleinlaut. Eine Wahl hatte ich eh nicht.


    "Das ist eine längere Geschichte." begann ich erst nach einem Moment des Schweigens und mich-sammelns. "Mein Vater ist eben ein Freund klarer Worte. Anders als die ganzen Leisetreter und Duckmäuser, die bekanntlicherweise den Großteil des Senates ausmachen. Und weil er den, ähm... nicht ganz unumstrittenen neuen Machtverhältnissen nicht wie all die anderen nach dem Mund geredet hat, hat man ihn erst nach Germanien abgeschoben, dann diesen infamen Prozess gegen ihn angestrengt. Völlig fadenscheinige, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe... Ich muß leider sagen, dass auch ein Vertreter deiner Gens maßgeblich an dieser Intrige beteiligt war... Ein gewisser Macer. Trotz seiner stümperhaften Anklage wurde mein Vater schuldig gesprochen. Ein abgekartetes Spiel! Nach allem was mein Vater für Rom getan, nach allem was er die Patria geopfert hat, ist das nun der Dank..."

    Während es durch die Wüste ging, hatte ich auf einem Karren gelegen, der mit Verwundeten vollgestopft war. Kurz vor Syene packte mich der Ehrgeiz. Ich wollte nicht wie ein Leichnam durch die Straßen kutschiert werden! Mittlerweile hatten die Medici meinen Arm in eine leichtere Schiene verpackt, und ihn mir fest an den Körper geschnürt, so konnte ich wenigstens aufstehen. Aber ich war noch immer völlig kraftlos. Als hätten sich alle meine Knochen in weiches Wachs verwandelt, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten.
    Ravdushara wusch mich, so gut das mit dem bisschen Wasser ging, und kleidete mich in eine frische Eques-Tunika, die er dafür an der Seite aufgeschnitten hatte. Meine Rüstung konnte ich vergessen. Dafür drapierte er mir mein Paludamentum um die Schultern – das allerdings auch schon mal besser ausgesehen hatte, bevor es die Risse und Blutspuren erworben hatte.
    Derweil organisierte mein Beneficiarius mir ein Pferd, einen knochigen Braunen – das dritte Pferd auf diesem Feldzug... es tat mir leid um den feurigen Noctifer, und um den braven Fuchs.
    Meine beiden Helfer halfen mir aufsteigen, beziehungsweise, sie hievten mich in den Sattel. Oben angekommen klammerte ich mich mit der linken am Sattelhorn fest und mußte erst einmal wieder zu Atem kommen. Verdammte Schwäche!! Ich fühlte mich wie ein gebrechlicher Greis...


    Ravdushara führte mein Pferd, als wir in die Stadt einrückten. Ich war vollkommen damit beschäftigt, mich im Sattel zu halten. Der ganze Trubel um uns herum, die zivile Menschenmenge in bunten Gewändern, die Häuser, das Grün der Gärten, war, nach der langen Zeit in der Wüste, sehr merkwürdig. Es überforderte die Augen, die nur noch an Ödnis und staubige Soldaten gewöhnt waren.
    Es schien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis wir endlich am Hafen waren. Aber auch dort lauerten uns haufenweise Zivilisten auf, die örtlichen Honoratoren bestürmten uns mit Einladungen zur Cena, die Huren und Lustknaben lockten mit ihren Reizen, die Sklavenhändler machten uns 'unschlagbare Angebote' für die Kriegsgefangenen.
    Ich hatte genug für heute! Schweißgebadet rutschte ich aus dem Sattel, darauf gaben erst mal meine Beine nach, aber Ravdushara fing mich auf. Auf ihn gestützt schleppte ich mich auf den Kahn, der diesmal das "Flaggschiff" war. Es gab sogar ein paar Decksaufbauten mit Kabinen für den Stab – der reine Luxus. Erschöpft sank ich auf mein Lager und schloß die Augen. Aber die Schmerzen ließen mich nicht zur Ruhe kommen.


    "Ravdushara..." Der Sklave, den ich mir damals mehr als Spielzeug gekauft hatte, war mir inzwischen unentbehrlich. Meine rechte Hand sozusagen.
    "Nimm Dir Geld, geh in die Stadt, und kauf mir Opium. Einen Vorrat für die Reise." Endlich war ich nicht mehr von diesen geizigen Valetudinariumsärzten abhängig, die mir die Dosis immer viel zu gering bemassen! "Und mach eine Steinmetzwerkstatt ausfindig, für die Gedenksteine, ja? Ausserdem... sag Massa, dass ich ihn gerne sprechen würde."
    Er zog los. Ich lag still und wartete ungeduldig auf seine Rückkehr. Eine leichte Brise wehte durch das Fenster, trocknete den Schweiß. Sie brachte den Geruch von Wasser, Schlamm und Schilf. Der Kahn schwankte sacht... An irgendetwas erinnerte mich das, aber ich kam gerade nicht drauf an was genau...

    Ein Soldat Roms weint nicht. Das hatte für mich immer festgestanden, und damals bei Edessa, als Livianus in die Hände des grausamen Feindes geriet, hatte ich wegen meiner Tränen sogar richtig Ärger vom Legaten Tiberius bekommen. Um so verblüffender war es jetzt für mich, wie gelassen Octavius meine Schwäche hinnahm, mir sogar Trost zusprach. Sicherlich nur weil er ein alter Kamerad meines Vaters war...
    Verdammt Faustus, reiß dich endlich zusammen! Ein Offizier der sich beim Kommandanten ausheult, wie lächerlich ist das denn?! Memme! Jammerlappen!
    Bona Dea, ich konnte nur hoffen dass Livianus nichts davon zu Ohren kam...


    Tief durchatmen! Und wieder wischte ich mir die Tränen ab, suchte verzweifelt meine Fassung zurückzugewinnen. Der Exercitus lag mir zu Füßen? Das war ja ein lustiger Versuch mich aufzumuntern.
    "...Ich..." Meine Stimme mußte ich auch auch erst mal wiederfinden. "Es tut mir leid Dich so zu enttäuschen, Präfekt! Aber... ich muß nach Rom. Während wir hier ins Feld gezogen sind, hat sich dort wohl... vieles verändert, und meine Familie... macht eine sehr schwere Zeit durch."
    Endlich ging es wieder einigermassen, die Empörung über die Vorgänge in Rom gab mir ein wenig inneres Feuer zurück. Wieviel konnte ich ihm überhaupt sagen, angesichts der Tatsache, dass sein eigener Verwandter sich zum Handlager der Intrige gemacht hatte? Aber ich hatte ja auch einen Verwandten, der dem derzeitigen Herrscher ebenso eifrig in den Hintern kroch (hoffentlich hatte er meinen Hinweis auf den Dolch beherzigt!). Wenn bei uns der Graben quer durch die Gens verlief, vielleicht war es bei ihnen ja auch so...
    "Mein Vater wurde durch eine heimtückische Intrige in das politische Exil getrieben. Er hat sich... für längere Zeit nach Tarraco begeben, und wird wohl... solange die Machtverhältnisse so sind, wie sie sind, nicht zurückkehren." Die Formulierung "zur Ruhe gesetzt" brachte ich nicht heraus. "Meine Schwester steht fast alleine da, und sie wird angefeindet und bedroht. Ich muß ihr beistehen und... versuchen, etwas für meine Gens zu tun. Da kann ich nicht weiter in Ägypten dienen..."
    Heimweh hatte ich ausserdem... und Aton wollte ich wiedersehen – vielleicht, jedenfalls mußte ich klären welche Rolle er im Prozess gespielt hatte, und vielleicht, wenn meine Befürchtungen sich zerstreuten, und vielleicht, wenn er mich noch wollte – so viele vielleicht! Zu viele vielleicht.
    "Ich würde dich um meine Versetzung zu irgendeiner Stammeinheit bitten... aber..." Ich streifte meinen verfluchten Arm mit einem verächtlichen Blick. "... ich glaube kaum dass eine mich so nehmen würde."


    Wie ich mich fühlte? Warum verdammt fragte er mich das? Ich schluckte, zuckte ein wenig mit der linken Schulter.
    "Desperat." sagte ich leise, biss mir auf die Unterlippe und kämpfte schwer darum, jetzt nicht vollends die Fassung zu verlieren! "Ich weiß nicht... Nein... Ich wäre wohl im Vorfeld vorsichtiger, damit es gar nicht erst zu sowas kommt..." Die Vorstellung, je wieder von diesem Lager aufzustehen, und Soldaten im Feld zu kommandieren, war mir gerade sowieso sehr fremd.
    Octavius sagte dann wirklich etwas sehr weises... ja, die Götter, das Schicksal, Glück oder Unglück... und überraschte mich insofern, als er mein Handeln guthieß. Nur leider ließen diese einfühlsamen Worte und das tröstende Lächeln den brüchigen Rest meiner Contenance zusammenstürzen, und es kam wie es kommen mußte - auf einmal flossen mir die Tränen über die Wangen.
    Wie entsetzlich peinlich! Wie unendlich unpassend... Beschämt wandte ich das Gesicht ab, wischte mir hastig mit der Hand übers Gesicht und schniefte: "Entschuldigung."
    Ich war so was von vollkommen fertig! "...Praefectus..." brach es unter Tränen aus mir heraus, "ich... bitte, es geht einfach nicht mehr. Ich möchte den Dienst quittieren."

    Zitat

    Original von Tiberius Octavius Dragonum
    ...
    "Tatsächlich? Und glaubst du das du dich richtig entschieden hast, nun da du das Ergebnis kennst?"
    ...


    Vor allem glaubte ich, dass wir den Feind unterschätzt hatten, und dass wir eine Ala gebraucht hätten. Mein eigenes Handeln hielt ich vor diesem Hintergrund, wenn ich ganz rational darüber nachdachte, schon für folgerichtig. Eine Flucht nach vorne eben.
    "Ja."
    Dass jeder Name auf der Liste der Gefallenen ein ausgelöschtes Leben bedeutete, entzog sich nur leider der rationalen Betrachtung. Ich fühlte mich unendlich schuldig gegenüber den Männern, die mir gefolgt waren, und die gefallen waren, während ich selbst unverdientermaßen überlebt hatte. Ich hätte auch sterben sollen, alles andere war nicht gerecht. Schon damals in Parthien hatte ich nicht verstehen können, warum der Tod all die tapferen Kameraden mit sich nahm und mich verschonte. Mir graute vor dem Moment - falls ich den Dienst wieder aufnehmen würde – wenn ich auf die lückenhaften Reihen meiner Kohorte blicken müsste... den Überlebenden in die Augen blicken... und den Versehrten.
    Zerquält sah ich ins Leere, und hoffte dabei doch wider besseres Wissen, dass der Präfekt irgendetwas besonders weises sagen würde, etwas das die Welt wieder zurechtrücken konnte. Aber wahrscheinlich gab es sowas nicht und die einzige Lösung war wie immer: zusammenreißen und nicht drüber nachdenken.

    Zitat

    Original von Tiberius Octavius Dragonum
    ...
    "Keine Sorge wegen dem Salut, ich denke ich kann unter den gegebenen Umständen auf einen einzelnen verzichten!"
    Erwiederte der Legionskommandant mit einem leichten Schmunzeln, bevor er langsam um das Bett herumlief damit Serapio nicht die ganze Zeit seinen Hals so verdrehen musste wenn er Dragonum ansehen wollte ...
    "Ich höhre mir das gern an, obwol ich heute bestimmt schon zehn verschiedene Versionen davon gehöhrt habe! Eine spektakulärer als die nächste, mit Sicherheit wird es interessant sein sie aus erster Hand zu höhren!"
    Dragonum's Mundwinkel zuckten kurzweilig während er von den Geschichten sprach, einige Legionäre hätten sicher mehr Geld als Geschichtenerzähler machen können ...


    Das Lächeln irritierte mich. Hier ging es für mich um Kopf und Kragen, doch der Präfekt gab sich, als wäre es nur ein netter Plausch! Bei jedem anderen hätte ich gedacht, er wolle mich verunsichern, aus dem Konzept bringen, um zum Kern der Wahrheit zu dringen... aber Octavius war eine ehrliche Haut und hatte mir gegenüber noch nie solche Spielchen gebracht. Also... entweder war tatsächlich alles in bester Ordnung – oder es war ernst. So richtig ernst. In meiner düsteren Gemütsverfassung hielt ich letzteres für deutlich wahrscheinlicher.
    Ich schluckte - wo beginnen? in meiner Erinnerung war die Schlacht ein einziger Tumult... – dann erklärte ich angespannt, und langsam, da ich mir die Worte zu meiner Rechtfertigung genau zurechtlegte:
    "Nun... Zu Beginn lief ja alles wie vorhergesehen. Aber der fortwährende Beschuß hat meine Kohorte sehr zermürbt. Unsere Feldartillerie hat zwar tüchtig zurückgeschossen, aber es waren ja nur ein paar Ballisten gegen diese Massen von Bogenschützen. Und ich bitte zu bedenken, dass meine Jungs bereits bei dem nächtlichen Gefecht, schon gut ausgeteilt... und eben auch eingesteckt hatten. Sie sind tapfere, gute Soldaten, aber eben keine Veteranen. Ähm... und dann, als die Barbaren anstürmten, gab es eben leider ein paar... Schwachstellen. Besonders die dritte Centurie - die hatten aber auch schon große Verluste gehabt vorher, nun, also die dritte Centurie..... "
    Mir war ganz und gar elend zumute. Es war meine Aufgabe gewesen, meine junge und unerfahrene Kohorte angemessen auf das Kampfgeschehen vorzubereiten, ich hatte in der Hinsicht auch mein Bestes gegeben, aber ausgereicht hatte es nicht.
    "....kämpfte eher...zögerlich. Das führte zum Aufbrechen der Formation, die Barbaren drängten natürlich nach. Es war eine dramatische Situation, sah wirklich nicht gut aus. Darum habe ich zu diesem Stratagem gegriffen... ich hatte bei Frontinus davon gelesen.
    Unter normalen Umständen hätte ich niemals eine so riskante Taktik gewählt. Aber in dem Moment war es der einzige Weg um die Kampfesmoral wiederherzustellen! Und das Stratagem hat sich ja früher schon bewährt... bei Servius Tullius gegen die Sabiner und bei Furius Agrippa gegen die, ähm, Herniker..."

    Es gab da einen Haufen Fälle, aber sie wollten mir gerade partout nicht einfallen, und ich schwieg nervös, bevor ich mich vollends um Kopf und Kragen reden würde. Dass ich gezwungen war, von meinem Krankenlager aus hoch zu Octavius hinaufzublicken, machte meine Position auch nicht gerade würdevoller.

    Blitzblank und kampfeslustig war die Armee gewesen, die von Syene aus in die Wüste marschiert war. Nun kehrten die Soldaten zurück, staubig und abgekämpft. In den sonnenverbrannten Gesichtern standen schwere Strapazen geschrieben. Viele trugen Verbände, wurden von Kameraden gestützt, andere mussten auf Trosswägen transportiert werden. Viele fehlten.


    Die Nachricht des Sieges über die Blemmyer war den Männern vorausgeeilt. Die Straßen wimmelten von Menschen, alle drängten sich, um einen Blick auf die heimkehrenden Krieger zu werfen. Die grausamen Wüstenreiter waren geschlagen, und die Karawanenwege, die Lebensadern der Handelsstadt Syene, endlich wieder sicher (so hieß es jedenfalls), darum wurden die Soldaten mit Erleichterung und Freude empfangen, man jubelte ihnen zu und winkte aus den Fenstern. Die gefangenen Feinde dagegen, versklavt und für die Arena bestimmt, wurden mit Flüchen bedacht und mit Dreck beworfen.


    Der Legionsadler, stolz vorneweggetragen, schwebte die Hauptstraße entlang, zum Hafen. Dort warteten bereits die Schiffe, die die XXII. wieder stromabwärts, nach Nikopolis bringen sollten.

    Zitat

    Original von Tiberius Octavius Dragonum
    ...
    "Salve Tribunus, ich hoffe ich komme nicht ungelegen!?


    Schritte knirschten im Sand, die Zeltplane raschelte. Ich nahm keine Notiz davon, starrte weiter Löcher in die Luft. Sollte Massa sich eines besseren besonnen, sollte er zurückgekommen sein...? Egal! Er konnte mir gestohlen bleiben... und das würde ich ihm auch sagen...
    Die Stimme, die dann ertönte, gehörte jedoch dem Präfekten. Erschrocken wandte ich den Kopf zu ihm, und reflexartig wollte ich salutieren – was natürlich nicht ging, und mir nur ein weiteres, heißes Aufbranden des Schmerzes bescherte. Ich presste die Lippen fest zusammen. Vor Octavius durfte ich auf gar keinen Fall wehleidig sein. Haltung bewahren war die Devise... und es tragen wie ein Mann, wenn er mir die Rechnung für das wahnwitzige Manöver präsentierte.
    "Ave Präfectus." antwortete ich mit gepresster Stimme.
    "Verzeih den mangelhaften Salut." Das sollte abgeklärt rüberkommen, Galgenhumor beweisen - aber es klang nur bitter.
    Formation! Disziplin! Gehorsam! raunten hämisch die fleckigen Fratzen an der Decke. Formation? Disziplin? Gehorsam?! .....
    "Wenn du erlaubst, will ich erklären, warum ich in der Schlacht so... unüblich gehandelt habe....."